fild entschuldigend, ausweichend. „Ich will mich ja
ganz still verhalten, nur durch die Thüröffnung
einen Blick thun!" drang Ruth in den Arzt. Der
flehende Blick hatte ihn besiegt. „Wer kann Ihnen
etwas abschlagen," entgegnete er seufzend über seine
Augen fahrend. „Kommen Sie morgen so um
die siebente Abendstunde, dann verlassen die Kranken
den Gart-m und strecken sich gewöhnlich ermüdet
auf ihr Lager." Ruth zog die kleine rubinenbesetzte
Uhr aus dem Gürtel.
„Also morgen uw diese Zeit werde ich mich bei
Ihnen melden lassen," nickte sie sinnend vor sich
hin. „Haben Sie innigen Dank. Nun gehen
Sie aber, Papa wird sonst ungeduldig, wenn eine
Ausnahme von der Regel gemacht wird, ich will
noch ein Stündchen bis zum Abendessen am See
ausruhen. Doch noch etwas. Haben Sie immer
mehr Hoffnung, ibn — gesund, ich meine ihn
völlig herzustellen?" fragte sie stockend, ohne den
Blick zu heben.
„Ja," kam es gepreßt von den Lippen, „ich
babe Hoffnung." Dann wandte er sich rasch um
und schlenderte langsam mißgestimmt, verzagt durch
die Gänge des Gartens; nur einmal noch blickte
er zur Seite, wie eine Lacerte durch die Gebüsche
huschte und schnell seinen Augen entschwand. „Mit
dem trügerischen „Ja" habe ich ihr wieder einmal
eine Dosts Morphium eingegeben," nickte Selden-
fild vor sich hin, mit der gepflegten kräftigen Hand
über den braunen, glänzenden Vollbart streichend.
„Hm, mag sie sich an dem Genuß laben, mag sie
wähnen, der Himmel stehe offen, wer hätte den
Muth, ihr die Wahrheit zu gesteben!" . . .
Während der Doktor mit Rachwitz bei der
Schachparthie saß, gab sich Ruth stillen, süßen
Träumen hin. Dort am See, wo die Wasserrosen
blühten und süß betäubenden Duft verbreiteten, wo
zwei Schwäne langsam, majestätisch durch die Fluthen
zogen und der Liebesvogel das Schnäbelchen zum
melodischen Gesang wetzte, da ging ihr das kranke
Herz auf und wonnevoller Friede zog hinein. Sie
schloß die Augen, lehnte sich in die Bank weit
zurück und süße, bestrickende Zukunftsbilder zogen
vor ibrem Geist vorüber. Da vernabm sie plötzlich
ein Rascheln und Knistern, wie wenn ein vom
Jäger gehetztes Wild über den Kies floh. Wie-
wohl Ruth keine Furcht kannte, bog sie doch den
Oberkörper weit vor und lauschte mit angehaltenem
Athem, den spähenden Blick über den Spiegel des
See's gerichtet. Ruth schauderte zusammen, alles
Blut drang ihr zum Herzen, denn dort, dort, kaum
30 Schritte von ibr entfernt, schlich zusammenge-
kauert, wie eine wilde Katze, eine dunkle Gestalt;
die blitzenden Augen schossen Funken und schienen
sich gleichsam in Ruht's Blicke einzubohren. Ruth
wollte sich erheben, um zu stieben, allein ihr Wille
ging über das Können, die Füße waren wie ge-
lähmt, denn immer näher kam der unheimliche Gast.
Ruth krampfte die Hände in einander; ihre Lippen
flüsterten ein inbrünstiges Gebet, da hatte es den
Anschein, als wolle der Mann — denn als einen
solchen hatte Ruth die unheimliche Erscheinung er-
kannt — sich wieder rückwärts wenden. Ihre phy-
sische Kraft kehrte durch diese Wahrnehmung zurück,
sie erhob sich leise, sie schritt, kaum mit den Füßen
den Boden berührend, ein wenig nach dem nahen
Gebüsch hin, ohne die wie auf der Lauer stehende
Gestalt aus den Augen zu lassen und schon hoffte
sie gerettet zu sein. Aber wie sehr hatte sie sich in
dem schlauen Gegner verrechnet, denn im nämlichen
Augenblick wandte er sich und Ruth blickte in die
brennenden, vom Wahnsinn entstellten Augen des
Mannes, den sie so heiß geliebt. Wie unter dem
starren Blick einer Schlange, die den Menschen un-
weigerlich bannt und ins sichere Verderben lockt,
ließ sie, unfähig, sich von der Stelle zu rühren,
das Verhängniß an sich herankommen. Mit zwei
langen Sätzen war Fritz an ihrer Seite umfaßte
ihren Leib mit leidenschaftlicher G walt; ein er-
stickter Hilferuf erstarb unter den heißen, wilden
Küssen, die der Unselige auf ihre keuschen Lippen
drückte.
„Laß mich Dich einmal umfangen," zischte es
durch seine Lippen. „Oh, sie mich an, ja, ja,
Du bist es, Ruth, meine Ruth, ich will ja nur
Deine schönen Augen, den süßen Mund küssen,
was sträubst Du Dich denn? Hörst Du nicht, wie
die Teufel kichern und hinter mir her sind? Komm,
komm, wir fliehen, ja fliehen, ehe die Häscher mich
packen," und wieder preßte er das halb bewußtlose
Mädchen an seine wild arbeitende Brust. Das ver-
zerrte Antlitz hob sich Plötzlich, ein leises, unheim-
liches Kichern traf Ruth's Ohr: »Siehst Du dort
nicht den glänzenden Palast? das ist Schloß Ule-
stein, komm, mein Lieb, dorthin führe ich Dich,
hi, wie oas flimmert! Liebst Du mich denn nicht
mehr?"
„Ja, ja, Graf, ich liebe Sie," stöhnte Ruth
in ihrer Verzweiflung auf den Jdeengang des Wahn-
sinnigen eiugebend, ich will alles, was Sie wollen,
aber lassen Sie mich los!"
„Hi, hi, hi, wie Du bebst! dort unten ist's
Nummer 175. H. Jahrgang. -HK ..
--eue v
Montag, 3». Juli 13S4
General-WAllmger
(Srpeditiorr: HarrvMratze Mr. Z6.
Krpe-ition: Hauptstraße Mr. 2S.
Jnsertionöpreiör
die lspaltige Petttzeile oder deren Raum S Pfg.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-Zeitung).
Ab onnem entspreiö r
mit Sseitigem illnstrirtem Sonntagsilatt: monatlich
40 Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
GeleseirsLes VLcrtt in SLerdt rr, Anrt HerdeMerg und Miigegeitd. Gvötztev GrfsLg für Inserate.
N„r «V U
für die Monate Angnst U. Septemb. kostet der
General - Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
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nebst Jllustr. Sountagsblatt am Postschalter
abgeholt.
(Bom Briefträger ins Haus gebracht 30 Pfg. mehr.)
In Heidelberg und den nächsten Orten der
Umgebung kostet der „Neue General-Anzeiger für
Heideberg und Umgegend"
monatlich nur 49 Pfg.
frei in s Haus.
Bestellungen werden von unfern Trägern und
Trägerinnen sowie von allen Po st an st alten
fortwährend angenommen.
Die Sicherheit im deutschen Reiche.
Es ist ja wahr: Von Vorkommnissen, wie sie
heute noch in Sizilien, Sardinien, Spanien, Grie-
chenland und der Türkei herrschen, sind wir längst
schon befreit, und für eine organistrte Banditen-
bande ist auf deutschem Boden fast gar kein Raum
Mehr vorhanden. Wer die persönliche Sicherheit
rm Gebiete des deutschen Bodens anzweifeln wollte,
der würde auf den lebhaftesten Widerspruch stoßen.
Allein, wenn man aufrichtig sein will, so rosig
sieht es bei uns doch nicht aus. Es darf vor
allen Dingen dieThatsache nicht verschwiegen werden,
baß sich von Jahr zu Jahr die Gewaltthaten, die
auf offener Landstraße begangen werden, in er-
schreckendem Maße häufen, und daß deren Opfer
?Urn großen Theile Frauen, Mädchen und Kinder
sind. In der Umgegend von Großstädten und Jn-
bustrie-Orten sind diese Gewaltthaten, die zumeist
diit Sittlichkeitsverbrechen verknüpft sind, am häu-
sigsten, aber auch aus rein Ackerbau treibenden
Bezirke kommen leider zu oft Mittheilungen über
diebische Bestialitäten. Wie der Wind die welken
Blätter vom Baume weht und sie nach allen Him-
dselsrichtungen auseinandertreibt, so stieben auch
Vagabunden und Strolche, denen mit der Neigung
?Ur Arbeit auch jede moralische Empfindung ab-
handen gekommen ist, in der Welt umher und
dormlose, vertrauensselige Menschen werden ihr
Bpfer.
Auf Mord steht die Todesstrafe; aber was
macht sich ein wegen Sittlichskeitsverbrechen zu
Zuchthaus Verurtheilter daraus? Er hat eine
reine Menschenblüthe zerstört, oft genug die Freude
am Leben vernichtet, und bei seinem Opfer bleiben
die Folgen des Verbrechens oft genug ein Lebe-
lang, während der Verbrecher nach Verbüßung seiner
Strafhaft ungenirt in die Welt zurückkehrt.
In den Gewaltthaten aller Arten, die von Va-
gabunden und Strolchen auf der Landstraße aus-
führt werden, liegt ja wohl noch keine allgemeine
und ernst drohende Gefahr, immerhin bleibt die
Thatsache der Zunahme dieser Gewaltthaten, denen
so viele harmlose Menschen, besonders Glieder des
schwächeren Geschlechts zum Opfer fallen, bestehen
und hiermit ist zu rechnen. Man darf die Bestia-
lität gar nicht zu üppig aufwuchern lassen, sonst
reißt sie schließlich alle hemmenden Schranken ein,
welche hie Gesellschaft schützen. Darum ist wohl
im Allgemeinen eine ernste Erwägung darüber von
Nutzen, wie der Strafvollzug bei Sittlichkeitsver-
brechen zu ändern ist. Wir müssen die unendlich
traurige Thatsache vor Allem ins Auge fassen, daß
die Sittlichkeitsverbrecher unter jungen, halbreifen
Burschen, ja kaum den Knabenschuhen entwachsenen
Jünglingen, sehr zahlreiche Rekruten baden, und
es wäre zu bedenken, ob nicht diese Personen statt
ins Gefängniß, in eine Besserungsanstalt ausnahms-
los zu wandern haben. Gefängnisstrafe verdirbt
solche junge Elemente weit mehr, als sie erzieht,
und deßhalb kann man mit der Altersgrenze für
die Versendung in die Besserungsanstalten ziemlich
hoch hinauf,reifen.
Wenn ein wandernder Geselle mal beim Fechten
getroffen wird, brennt gleich der Staat, die rich-
tigen Vagabunden aber schlüpfen mit ungemeiner
Schlauheit den Sichcrheitsbeamten meist durch die
Finger, und nicht allzu oft gelingt es, sie über
einer Strafthat, deren sie doch so manche groben
und milderen Charakters begehen, zu fassen. Hat
man sie, dann sollte man sie aber auch ein Mal
gründlich zur Besinnung bringen. Für den rich-
tigen Stromer gibt es nur eine einzige Radikalkur,
und die heißt: Arbeitsbaus!
Deutsches Reich.
Berlin, 28. Juli.
— Die Kommission zur Berathung der
Maßregeln gegen die Cholera ist nicht schon
heute, wie verschiedene Blätter berichteten, zusammen-
getreten, sondern gedenkt erst am 1. August, Vor-
mittags, ihre diesjährige Thätigkeit wieder aufzu-
nehmen. Die Leitung in diesen Sitzungen wird
wiederum der Direktor des Kaiserlichen Gesund-
heitsamts, Dr. Köhler, übernehmen. Die Kom
Mission hatte im vorigen Jahre eine eifrige, segens-
reiche Thätigkeit entwickelt, die, soweit es in ihren
Kräften stand, dem Umsichgreifen der mörderischen
Epidemie .s alt geboten hat. Die damals gewonnenen
Erfahrungen sollen diesmal nutzbringend verwerthet
werden. Der Kommission wird ein reichhaltiges Be-
rathungsmaterial von zuständiger Seite unterbreitet
werden. Die Ergebnisse der Konferenz sollen zunächst
den einzelnen Regierungen des Deutschen Reichs
zur Begutachtung zugehen. Erst nach erfolgter Zu-
stimmung können dieselben in die Wirklichkeit über-
tragen werden.
— Ueber den Geschäftsgewinn der
Bäcker veröffentlicht die Handels- und Gewerbe-
kammer zu Würzburg in ihrem Jahresbericht für
1893 einen Bericht der dortigen Bäckerinnung,
der im Gegensatz zu der landläufigen Ansicht von
der Rentabilität des Bäckergewerbes die Lage des-
selben in ziemlich düsteren Farben schildert. Der
Verdienst bei der Brotbäckerei sei infolge der
übergroßen Konkurrenz gleich Null. Es hätten
deßhalb mehrere Bäcker, um sich zu halten, die
Feinbäckerei mit eingeführt. Der größte Theil
der Bäcker habe mit Sorgen zu kämpfen und sei
froh, überhaupt zu exisüren, ohne, wie vielfach
angenommen werde, im Stande zu sein, etwas
zurückzulegen. Die vielfach aufgestellte Behaup-
tung, wenn der Preis des Getreides niedriger
würde, so wäre das Brod doch nicht billiger zu
kaufen, sei falsch. Aus einer Aufstellung gehe
hervor, daß z. B. vom Februar 1892 bis dahin
1894 der Preis für 6 Pfund Brot von 88 auf
62 Pfg. zurückging, während der Kornpreis
von 12 Mk. auf 7.20 Mk. und der Mehlpreis
vo-- 17 auf 10.50 Mk. für den Zentner sank.
Auch bei der Weiß- und Feinbäckerei stehe es
nicht zum Besten, da dort die hohen Eier-, Butter-
und Milchpreise sich stark fühlbar machten. —
Im Volke ist man bis jetzt bekanntlich in Bezug
auf den Verdienst der Bäcker anderer Meinung
gewesen und es wäre von Interesse festzustellen,
ob die Würzburger Verhältnisse auch in anderen
Städten gleicher Art sind.
Ausland.
Paris, 28. Juli. Der Sozialist Grousset
beabsichtigt — angesichts der Erklärung Cassag-
nacs, daß der monarchistische Sechserausschuß,
darunter de Mun, de Mackau und Cassagnac,
seiner Zeit mit Boulanger wegen Ausführung
eines Staatsstreiches unterhandelt hätten —, heute
die Regierung zu interpelliren, ob sie die Ge-
nannten strafrechtlich zu verfolgen oder eine all-
gemeine Amnestie zu erlassen gedenke.
Paris, 28. Juli. Deputirtenkammer. Der Vor-
sitzende theilt das Ergebniß der Untersuchung wegen
der Abstimmung über den Zusatzantrag James
mit und erläutert die bei der Zählung begangenen
Fehler. Der Sozialist Rouanet erklärt dazu,
nach den später abgegebenen Erklärungen einiger
Abgeorneten schrumpfe die Mehrheit auf eine
Stimme zusammen. Ministerpräsident Dupuy
verliest alsdann den Erlaß über die Schließung
der Tagung. Paschal Grousset (Soz.) bemerkt, er
habe eine Interpellation über die Verschwörung ein-
gereicht, Cassagnac in der „Autoriete" gesprochen,
aber man habe sie nicht verlesen. Präsident Bür-
de au erwiedert, der Ministerpräsident habe früher
ums Wort gebeten. Paschal Grousset sagt, die
Regierung flücbte vor der Verhandlung. (Wider-
spruch im Zentrum.) Vivlani: Unter Mitschuld
de« Kammerpräsidenten (Lärm) hat der Minister-
präsident in wenig loyaler Weise die Tagung ge-
schlossen (Lärm.) Präsident Burdeau: Antworten
Sie nicht. Graf Bernis (konservat.): Der
Schluß der Tagung ist verkündet, da ist es am
besten, wir gehen nach Hause. Die Sitzung wird
alsdann aufgehoben.
London, 28. Juli. Obgleich Japan der
Ansicht ist, daß die Friedens- und Kriegs-
frage im Osten nicht ausschließlich durch Rück-
sichten auf die europäischen Mächte bestimmt
werden könne, hat es doch dem hiesigen Druck
insoweit nachgegeben, daß es neue Gegenvorschläge
im Interesse der Versöhnung machte, fodaß die
Erhaltung des Friedens noch möglich ist. Die
bisherigen Zusammenstöße gelten dann einfach
für „unbeabsichtigte Scharmützel"; die beste
Parallele für den jetzigen Zustand ist die Be-
schießung Alexandriens, die Gladstone bekanntlich
keinen Krieg, sondern nur eine „militärische
Operation" nannte, und der letzte französisch-
chinesische Krieg. Die hiesige öffentliche Meinung
ist im Allgemeinen der Ansicht, daß China auf
die Dauer siegen würde. Ein bekanntes Parla-
mentsmitglied verglich die Japaner mit den
Franzosen, die Chinesen mit den Deutschen, nach-
dem schon früher Cobden bemerkt hatte, daß die
Engländer die Chinesen des Abendlandes seien.
„Daily News" befürchtet, daß wenn die Krieg-
führenden sich selbst überlassen bleiben, ein ge-
waltiger Kampf wie einstmals zwischen den
Römern und den Griechen oder später zwischen
Engländern und Franzosen oder neuerdings
zwischen den Deutschen und den Franzosen ent-
brennen werde. Es sei übrigens kein Zweifel,
daß die Japaner, die Soeul schon militärisch
besetzt hielten, sich der Person des Königs be-
mächtigt hätten. Das wird vielleicht auf den
Gang der Unterhandlungen nicht ohne Einfluß
bleiben.
Sofia, 27. Juli. Das in einem Briefe an
die Zeitung „Swet" entwickelte Programm der
H e s ü H n t.
Roman von H. von Gabain.
(Fortsetzung.»
Ruth blickte den Arzt auffordcrnd an, klingelte
b«ch Hut und Schirm und als die Zofe das Ge-
wünschte gebracht hatte, der Banquier sich damit
Unverstanden erklärt hatte, traten sie durch die weit
^öffnete Glasthür in den Garten.
. So wandelten sie lange zwischen'großen Teppich-
beten und knospenden Gebüschen, durch grünende
^ubgänge, ohne die Schönheit der Umgebung zu
Achten, ohne weiter daran zu denken, daß sie
^Udenfild die lebensgroße Statue der Venus zeigen
^llte, die von glitzernden Wasserstrahlen umkost,
zartblühenden Clcmatispflanzen umschlungen,
gestern am Bassin der hohen Fontaine ihren
i ^atz ^halten hatte. Ihre Gedanken waren so
Wbst, so unsäglich traurig ; sie schweiften hinüber zu
' düsteren Gebäude, wo das Elend wohnte, wo
, llde Dämonen den Geist so vieler Unglücklicher
^Nachtet hielten. Der Helle Ruf einer Amsel,
i auf dem schwankenden Zweig einer Birke
! gaukelte, weckte sie aus ihrem tiefen Schweigen.
, ^th Rieb plötzlich stehen; ihr edles Gesicht färbte
( dunkelroth, als sie die Hand auf Seldenfild's
legte und bittend sagte:
„Lieber Freund, wenn darf ich denn den
, l^dken einmal sehen? Sie haben es mir ja ver-
^0chm,l
j , „Es wird ihn aufregen und neue Anfälle stehen
- befürchten, wenn er sie erkennt und dadurch an
E Vergangenheit gemahnt wird," entgegnete Selden-
ganz still verhalten, nur durch die Thüröffnung
einen Blick thun!" drang Ruth in den Arzt. Der
flehende Blick hatte ihn besiegt. „Wer kann Ihnen
etwas abschlagen," entgegnete er seufzend über seine
Augen fahrend. „Kommen Sie morgen so um
die siebente Abendstunde, dann verlassen die Kranken
den Gart-m und strecken sich gewöhnlich ermüdet
auf ihr Lager." Ruth zog die kleine rubinenbesetzte
Uhr aus dem Gürtel.
„Also morgen uw diese Zeit werde ich mich bei
Ihnen melden lassen," nickte sie sinnend vor sich
hin. „Haben Sie innigen Dank. Nun gehen
Sie aber, Papa wird sonst ungeduldig, wenn eine
Ausnahme von der Regel gemacht wird, ich will
noch ein Stündchen bis zum Abendessen am See
ausruhen. Doch noch etwas. Haben Sie immer
mehr Hoffnung, ibn — gesund, ich meine ihn
völlig herzustellen?" fragte sie stockend, ohne den
Blick zu heben.
„Ja," kam es gepreßt von den Lippen, „ich
babe Hoffnung." Dann wandte er sich rasch um
und schlenderte langsam mißgestimmt, verzagt durch
die Gänge des Gartens; nur einmal noch blickte
er zur Seite, wie eine Lacerte durch die Gebüsche
huschte und schnell seinen Augen entschwand. „Mit
dem trügerischen „Ja" habe ich ihr wieder einmal
eine Dosts Morphium eingegeben," nickte Selden-
fild vor sich hin, mit der gepflegten kräftigen Hand
über den braunen, glänzenden Vollbart streichend.
„Hm, mag sie sich an dem Genuß laben, mag sie
wähnen, der Himmel stehe offen, wer hätte den
Muth, ihr die Wahrheit zu gesteben!" . . .
Während der Doktor mit Rachwitz bei der
Schachparthie saß, gab sich Ruth stillen, süßen
Träumen hin. Dort am See, wo die Wasserrosen
blühten und süß betäubenden Duft verbreiteten, wo
zwei Schwäne langsam, majestätisch durch die Fluthen
zogen und der Liebesvogel das Schnäbelchen zum
melodischen Gesang wetzte, da ging ihr das kranke
Herz auf und wonnevoller Friede zog hinein. Sie
schloß die Augen, lehnte sich in die Bank weit
zurück und süße, bestrickende Zukunftsbilder zogen
vor ibrem Geist vorüber. Da vernabm sie plötzlich
ein Rascheln und Knistern, wie wenn ein vom
Jäger gehetztes Wild über den Kies floh. Wie-
wohl Ruth keine Furcht kannte, bog sie doch den
Oberkörper weit vor und lauschte mit angehaltenem
Athem, den spähenden Blick über den Spiegel des
See's gerichtet. Ruth schauderte zusammen, alles
Blut drang ihr zum Herzen, denn dort, dort, kaum
30 Schritte von ibr entfernt, schlich zusammenge-
kauert, wie eine wilde Katze, eine dunkle Gestalt;
die blitzenden Augen schossen Funken und schienen
sich gleichsam in Ruht's Blicke einzubohren. Ruth
wollte sich erheben, um zu stieben, allein ihr Wille
ging über das Können, die Füße waren wie ge-
lähmt, denn immer näher kam der unheimliche Gast.
Ruth krampfte die Hände in einander; ihre Lippen
flüsterten ein inbrünstiges Gebet, da hatte es den
Anschein, als wolle der Mann — denn als einen
solchen hatte Ruth die unheimliche Erscheinung er-
kannt — sich wieder rückwärts wenden. Ihre phy-
sische Kraft kehrte durch diese Wahrnehmung zurück,
sie erhob sich leise, sie schritt, kaum mit den Füßen
den Boden berührend, ein wenig nach dem nahen
Gebüsch hin, ohne die wie auf der Lauer stehende
Gestalt aus den Augen zu lassen und schon hoffte
sie gerettet zu sein. Aber wie sehr hatte sie sich in
dem schlauen Gegner verrechnet, denn im nämlichen
Augenblick wandte er sich und Ruth blickte in die
brennenden, vom Wahnsinn entstellten Augen des
Mannes, den sie so heiß geliebt. Wie unter dem
starren Blick einer Schlange, die den Menschen un-
weigerlich bannt und ins sichere Verderben lockt,
ließ sie, unfähig, sich von der Stelle zu rühren,
das Verhängniß an sich herankommen. Mit zwei
langen Sätzen war Fritz an ihrer Seite umfaßte
ihren Leib mit leidenschaftlicher G walt; ein er-
stickter Hilferuf erstarb unter den heißen, wilden
Küssen, die der Unselige auf ihre keuschen Lippen
drückte.
„Laß mich Dich einmal umfangen," zischte es
durch seine Lippen. „Oh, sie mich an, ja, ja,
Du bist es, Ruth, meine Ruth, ich will ja nur
Deine schönen Augen, den süßen Mund küssen,
was sträubst Du Dich denn? Hörst Du nicht, wie
die Teufel kichern und hinter mir her sind? Komm,
komm, wir fliehen, ja fliehen, ehe die Häscher mich
packen," und wieder preßte er das halb bewußtlose
Mädchen an seine wild arbeitende Brust. Das ver-
zerrte Antlitz hob sich Plötzlich, ein leises, unheim-
liches Kichern traf Ruth's Ohr: »Siehst Du dort
nicht den glänzenden Palast? das ist Schloß Ule-
stein, komm, mein Lieb, dorthin führe ich Dich,
hi, wie oas flimmert! Liebst Du mich denn nicht
mehr?"
„Ja, ja, Graf, ich liebe Sie," stöhnte Ruth
in ihrer Verzweiflung auf den Jdeengang des Wahn-
sinnigen eiugebend, ich will alles, was Sie wollen,
aber lassen Sie mich los!"
„Hi, hi, hi, wie Du bebst! dort unten ist's
Nummer 175. H. Jahrgang. -HK ..
--eue v
Montag, 3». Juli 13S4
General-WAllmger
(Srpeditiorr: HarrvMratze Mr. Z6.
Krpe-ition: Hauptstraße Mr. 2S.
Jnsertionöpreiör
die lspaltige Petttzeile oder deren Raum S Pfg.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-Zeitung).
Ab onnem entspreiö r
mit Sseitigem illnstrirtem Sonntagsilatt: monatlich
40 Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
GeleseirsLes VLcrtt in SLerdt rr, Anrt HerdeMerg und Miigegeitd. Gvötztev GrfsLg für Inserate.
N„r «V U
für die Monate Angnst U. Septemb. kostet der
General - Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
(Bürger-Zeitung)
nebst Jllustr. Sountagsblatt am Postschalter
abgeholt.
(Bom Briefträger ins Haus gebracht 30 Pfg. mehr.)
In Heidelberg und den nächsten Orten der
Umgebung kostet der „Neue General-Anzeiger für
Heideberg und Umgegend"
monatlich nur 49 Pfg.
frei in s Haus.
Bestellungen werden von unfern Trägern und
Trägerinnen sowie von allen Po st an st alten
fortwährend angenommen.
Die Sicherheit im deutschen Reiche.
Es ist ja wahr: Von Vorkommnissen, wie sie
heute noch in Sizilien, Sardinien, Spanien, Grie-
chenland und der Türkei herrschen, sind wir längst
schon befreit, und für eine organistrte Banditen-
bande ist auf deutschem Boden fast gar kein Raum
Mehr vorhanden. Wer die persönliche Sicherheit
rm Gebiete des deutschen Bodens anzweifeln wollte,
der würde auf den lebhaftesten Widerspruch stoßen.
Allein, wenn man aufrichtig sein will, so rosig
sieht es bei uns doch nicht aus. Es darf vor
allen Dingen dieThatsache nicht verschwiegen werden,
baß sich von Jahr zu Jahr die Gewaltthaten, die
auf offener Landstraße begangen werden, in er-
schreckendem Maße häufen, und daß deren Opfer
?Urn großen Theile Frauen, Mädchen und Kinder
sind. In der Umgegend von Großstädten und Jn-
bustrie-Orten sind diese Gewaltthaten, die zumeist
diit Sittlichkeitsverbrechen verknüpft sind, am häu-
sigsten, aber auch aus rein Ackerbau treibenden
Bezirke kommen leider zu oft Mittheilungen über
diebische Bestialitäten. Wie der Wind die welken
Blätter vom Baume weht und sie nach allen Him-
dselsrichtungen auseinandertreibt, so stieben auch
Vagabunden und Strolche, denen mit der Neigung
?Ur Arbeit auch jede moralische Empfindung ab-
handen gekommen ist, in der Welt umher und
dormlose, vertrauensselige Menschen werden ihr
Bpfer.
Auf Mord steht die Todesstrafe; aber was
macht sich ein wegen Sittlichskeitsverbrechen zu
Zuchthaus Verurtheilter daraus? Er hat eine
reine Menschenblüthe zerstört, oft genug die Freude
am Leben vernichtet, und bei seinem Opfer bleiben
die Folgen des Verbrechens oft genug ein Lebe-
lang, während der Verbrecher nach Verbüßung seiner
Strafhaft ungenirt in die Welt zurückkehrt.
In den Gewaltthaten aller Arten, die von Va-
gabunden und Strolchen auf der Landstraße aus-
führt werden, liegt ja wohl noch keine allgemeine
und ernst drohende Gefahr, immerhin bleibt die
Thatsache der Zunahme dieser Gewaltthaten, denen
so viele harmlose Menschen, besonders Glieder des
schwächeren Geschlechts zum Opfer fallen, bestehen
und hiermit ist zu rechnen. Man darf die Bestia-
lität gar nicht zu üppig aufwuchern lassen, sonst
reißt sie schließlich alle hemmenden Schranken ein,
welche hie Gesellschaft schützen. Darum ist wohl
im Allgemeinen eine ernste Erwägung darüber von
Nutzen, wie der Strafvollzug bei Sittlichkeitsver-
brechen zu ändern ist. Wir müssen die unendlich
traurige Thatsache vor Allem ins Auge fassen, daß
die Sittlichkeitsverbrecher unter jungen, halbreifen
Burschen, ja kaum den Knabenschuhen entwachsenen
Jünglingen, sehr zahlreiche Rekruten baden, und
es wäre zu bedenken, ob nicht diese Personen statt
ins Gefängniß, in eine Besserungsanstalt ausnahms-
los zu wandern haben. Gefängnisstrafe verdirbt
solche junge Elemente weit mehr, als sie erzieht,
und deßhalb kann man mit der Altersgrenze für
die Versendung in die Besserungsanstalten ziemlich
hoch hinauf,reifen.
Wenn ein wandernder Geselle mal beim Fechten
getroffen wird, brennt gleich der Staat, die rich-
tigen Vagabunden aber schlüpfen mit ungemeiner
Schlauheit den Sichcrheitsbeamten meist durch die
Finger, und nicht allzu oft gelingt es, sie über
einer Strafthat, deren sie doch so manche groben
und milderen Charakters begehen, zu fassen. Hat
man sie, dann sollte man sie aber auch ein Mal
gründlich zur Besinnung bringen. Für den rich-
tigen Stromer gibt es nur eine einzige Radikalkur,
und die heißt: Arbeitsbaus!
Deutsches Reich.
Berlin, 28. Juli.
— Die Kommission zur Berathung der
Maßregeln gegen die Cholera ist nicht schon
heute, wie verschiedene Blätter berichteten, zusammen-
getreten, sondern gedenkt erst am 1. August, Vor-
mittags, ihre diesjährige Thätigkeit wieder aufzu-
nehmen. Die Leitung in diesen Sitzungen wird
wiederum der Direktor des Kaiserlichen Gesund-
heitsamts, Dr. Köhler, übernehmen. Die Kom
Mission hatte im vorigen Jahre eine eifrige, segens-
reiche Thätigkeit entwickelt, die, soweit es in ihren
Kräften stand, dem Umsichgreifen der mörderischen
Epidemie .s alt geboten hat. Die damals gewonnenen
Erfahrungen sollen diesmal nutzbringend verwerthet
werden. Der Kommission wird ein reichhaltiges Be-
rathungsmaterial von zuständiger Seite unterbreitet
werden. Die Ergebnisse der Konferenz sollen zunächst
den einzelnen Regierungen des Deutschen Reichs
zur Begutachtung zugehen. Erst nach erfolgter Zu-
stimmung können dieselben in die Wirklichkeit über-
tragen werden.
— Ueber den Geschäftsgewinn der
Bäcker veröffentlicht die Handels- und Gewerbe-
kammer zu Würzburg in ihrem Jahresbericht für
1893 einen Bericht der dortigen Bäckerinnung,
der im Gegensatz zu der landläufigen Ansicht von
der Rentabilität des Bäckergewerbes die Lage des-
selben in ziemlich düsteren Farben schildert. Der
Verdienst bei der Brotbäckerei sei infolge der
übergroßen Konkurrenz gleich Null. Es hätten
deßhalb mehrere Bäcker, um sich zu halten, die
Feinbäckerei mit eingeführt. Der größte Theil
der Bäcker habe mit Sorgen zu kämpfen und sei
froh, überhaupt zu exisüren, ohne, wie vielfach
angenommen werde, im Stande zu sein, etwas
zurückzulegen. Die vielfach aufgestellte Behaup-
tung, wenn der Preis des Getreides niedriger
würde, so wäre das Brod doch nicht billiger zu
kaufen, sei falsch. Aus einer Aufstellung gehe
hervor, daß z. B. vom Februar 1892 bis dahin
1894 der Preis für 6 Pfund Brot von 88 auf
62 Pfg. zurückging, während der Kornpreis
von 12 Mk. auf 7.20 Mk. und der Mehlpreis
vo-- 17 auf 10.50 Mk. für den Zentner sank.
Auch bei der Weiß- und Feinbäckerei stehe es
nicht zum Besten, da dort die hohen Eier-, Butter-
und Milchpreise sich stark fühlbar machten. —
Im Volke ist man bis jetzt bekanntlich in Bezug
auf den Verdienst der Bäcker anderer Meinung
gewesen und es wäre von Interesse festzustellen,
ob die Würzburger Verhältnisse auch in anderen
Städten gleicher Art sind.
Ausland.
Paris, 28. Juli. Der Sozialist Grousset
beabsichtigt — angesichts der Erklärung Cassag-
nacs, daß der monarchistische Sechserausschuß,
darunter de Mun, de Mackau und Cassagnac,
seiner Zeit mit Boulanger wegen Ausführung
eines Staatsstreiches unterhandelt hätten —, heute
die Regierung zu interpelliren, ob sie die Ge-
nannten strafrechtlich zu verfolgen oder eine all-
gemeine Amnestie zu erlassen gedenke.
Paris, 28. Juli. Deputirtenkammer. Der Vor-
sitzende theilt das Ergebniß der Untersuchung wegen
der Abstimmung über den Zusatzantrag James
mit und erläutert die bei der Zählung begangenen
Fehler. Der Sozialist Rouanet erklärt dazu,
nach den später abgegebenen Erklärungen einiger
Abgeorneten schrumpfe die Mehrheit auf eine
Stimme zusammen. Ministerpräsident Dupuy
verliest alsdann den Erlaß über die Schließung
der Tagung. Paschal Grousset (Soz.) bemerkt, er
habe eine Interpellation über die Verschwörung ein-
gereicht, Cassagnac in der „Autoriete" gesprochen,
aber man habe sie nicht verlesen. Präsident Bür-
de au erwiedert, der Ministerpräsident habe früher
ums Wort gebeten. Paschal Grousset sagt, die
Regierung flücbte vor der Verhandlung. (Wider-
spruch im Zentrum.) Vivlani: Unter Mitschuld
de« Kammerpräsidenten (Lärm) hat der Minister-
präsident in wenig loyaler Weise die Tagung ge-
schlossen (Lärm.) Präsident Burdeau: Antworten
Sie nicht. Graf Bernis (konservat.): Der
Schluß der Tagung ist verkündet, da ist es am
besten, wir gehen nach Hause. Die Sitzung wird
alsdann aufgehoben.
London, 28. Juli. Obgleich Japan der
Ansicht ist, daß die Friedens- und Kriegs-
frage im Osten nicht ausschließlich durch Rück-
sichten auf die europäischen Mächte bestimmt
werden könne, hat es doch dem hiesigen Druck
insoweit nachgegeben, daß es neue Gegenvorschläge
im Interesse der Versöhnung machte, fodaß die
Erhaltung des Friedens noch möglich ist. Die
bisherigen Zusammenstöße gelten dann einfach
für „unbeabsichtigte Scharmützel"; die beste
Parallele für den jetzigen Zustand ist die Be-
schießung Alexandriens, die Gladstone bekanntlich
keinen Krieg, sondern nur eine „militärische
Operation" nannte, und der letzte französisch-
chinesische Krieg. Die hiesige öffentliche Meinung
ist im Allgemeinen der Ansicht, daß China auf
die Dauer siegen würde. Ein bekanntes Parla-
mentsmitglied verglich die Japaner mit den
Franzosen, die Chinesen mit den Deutschen, nach-
dem schon früher Cobden bemerkt hatte, daß die
Engländer die Chinesen des Abendlandes seien.
„Daily News" befürchtet, daß wenn die Krieg-
führenden sich selbst überlassen bleiben, ein ge-
waltiger Kampf wie einstmals zwischen den
Römern und den Griechen oder später zwischen
Engländern und Franzosen oder neuerdings
zwischen den Deutschen und den Franzosen ent-
brennen werde. Es sei übrigens kein Zweifel,
daß die Japaner, die Soeul schon militärisch
besetzt hielten, sich der Person des Königs be-
mächtigt hätten. Das wird vielleicht auf den
Gang der Unterhandlungen nicht ohne Einfluß
bleiben.
Sofia, 27. Juli. Das in einem Briefe an
die Zeitung „Swet" entwickelte Programm der
H e s ü H n t.
Roman von H. von Gabain.
(Fortsetzung.»
Ruth blickte den Arzt auffordcrnd an, klingelte
b«ch Hut und Schirm und als die Zofe das Ge-
wünschte gebracht hatte, der Banquier sich damit
Unverstanden erklärt hatte, traten sie durch die weit
^öffnete Glasthür in den Garten.
. So wandelten sie lange zwischen'großen Teppich-
beten und knospenden Gebüschen, durch grünende
^ubgänge, ohne die Schönheit der Umgebung zu
Achten, ohne weiter daran zu denken, daß sie
^Udenfild die lebensgroße Statue der Venus zeigen
^llte, die von glitzernden Wasserstrahlen umkost,
zartblühenden Clcmatispflanzen umschlungen,
gestern am Bassin der hohen Fontaine ihren
i ^atz ^halten hatte. Ihre Gedanken waren so
Wbst, so unsäglich traurig ; sie schweiften hinüber zu
' düsteren Gebäude, wo das Elend wohnte, wo
, llde Dämonen den Geist so vieler Unglücklicher
^Nachtet hielten. Der Helle Ruf einer Amsel,
i auf dem schwankenden Zweig einer Birke
! gaukelte, weckte sie aus ihrem tiefen Schweigen.
, ^th Rieb plötzlich stehen; ihr edles Gesicht färbte
( dunkelroth, als sie die Hand auf Seldenfild's
legte und bittend sagte:
„Lieber Freund, wenn darf ich denn den
, l^dken einmal sehen? Sie haben es mir ja ver-
^0chm,l
j , „Es wird ihn aufregen und neue Anfälle stehen
- befürchten, wenn er sie erkennt und dadurch an
E Vergangenheit gemahnt wird," entgegnete Selden-