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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 291 - Nr. 300 (12. Dezember - 22. Dezember)
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Nummer 297. H- Jahrgang.

Mittwoch, 19. Dezember 1894.



Mlger

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mit Sseitigem illuSrtrtem Souutagiblatt: monatlich
4« Pfennig frei in's HauS, durch die Pest bezöge«
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Expedition: Kauptltratze Mr. 25.

für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-Deitung).

Jnsertionöpreisi
die lspaltige Petitzeile oder deren Raum 5 Pf-.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
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Expedition: Hauptstraße Mr. 25.

«aeLesEfteS Blatt Zn Stadt rr. Anrt HEidsWeVD and MnrgeDend. Gi?stzter? Evsstg für? Inserate

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für das I. Quartal 1895
Oerirrrer*, Febriin*, Alräirz)
auf den
Neuen
General - Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
nebst 8seL1Lg. rltustr. Sonntagsblatt
nehmen alle Poftanstnlten, Land brief-
träger und unsere Agenten entgegen.
Abonnements- am Postschalter
preis nur abgeholt.
Vom Briefträger ins Haus gebracht 40 Pfg. mehr.
Für Heidelberg und nähere Umgebung
werden von unseren Trägern und Trägerinnen B e-
stell ungen zum Preise von
IN Pfg. monatlich,
frei ins Haus, entgegengenommen.
Der Derlag des „Neuen General-Anzeigers",
Hauptstratze 25.
Zustände in Italien.
Die Feinde Italiens und seines Fest-
haltens am Dreibunde sehen sich in ihrer auf
die Aktenstücke Giolittis gebauten Spekulation
auf einen Kammerfkandal und daraus resultiren-
den moralischen Echec für Herrn Crispi und sein
politisches System arg getäuscht. Die Kammer
hatte eine zu feine politische Spürnase, um nicht
zu merken, welche Gefahr hinter dem ihr vorge-
haltcnen Köder der Giolitti'schen Aktenstücke lauerte
und sie umging die ihr gestellte Falle, indem sie
der Veröffentlichung des ihr zur Verfügung ge-
stellten Materials zwar zustimmte, aber nur in
einer solchen Modifikation, daß höhere Interessen
der Allgemeinheit davon nicht berührt werden
dürften. Herr Crispi hat sich auch in der parla-
mentarischen Behandlung der Banca-Romana-
Affaire seinen Gegnern überlegen gezeigt. Die
Erfolge, welche der leitende Staatsmann nun
schon seit einer geraumen Frist fast ununter-
brochen über das Jntrigantenthum davonträgt, ver-
dankt er dem Zusammenwirken mehrerer für ihn
günstiger Umstände. Einmal und in erster Linie
dem besseren Rechte der von ihm vertretenen
Sache. Diese seine Sache ist zugleich auch die
Sache Italiens und da heutigen Tags sich Nie-
mand getraut, öffentlich die Traditionen der na-
tionalen Politik Viktor Emanuels und Cavours,

welche jetzt vom König Humbert und Signor
Crispi, nur den veränderten Zeitumfiünden ent-
sprechend modifizirt, fortentwickelt werden, anzu-
tasten, so behält Crispi in allen öffentlichen Kon-
flikten mit seinen Gegnern stets die Oberhand.
Das Dichten und Trachten der letzteren ist deß-
halb stets auch darauf gerichtet, Herrn Crispi im
Geheimen und auf Umwegen unmöglich zu machen,
aber davor schützt diesen — der zweitgünstigste
Umstand — das feste Vertrauensverhältnis, in
welchem er zum König Humbert steht. Ein drittes
Moment, welches zur Verstärkung der Stellung
des Ministerpräsidenten beiträgt, ist gegeben in
dem Umstande, daß gerade die Hauptführer der
Opposition als Regierungsmänner s. Z. so total
abgewirthschaftet haben, daß selbst Deputirte, die
keineswegs zu den unbedingten Anhängern Cris-
pis gehören, vor dem Gedanken Scheu haben,
durch Mitwirkung an dem Sturze des leitenden
Staatsmannes eine Situation schaffen zu helfen,
für welche nachher Niemand die Verantwortung
dürfte übernehmen wollen. Crispi hat vielleicht
mehr Feinde, als irgend einer seiner Vorgänger
im Amte, aber er wird mit ihnen fertig, weil er
nicht nachgeben will, während sie oft sehr gegen
ihren Willen nachgebeu müssen. Denn für die
Bürde der Ministerpräsidentschaft findet sich heute
so leicht in Italien kein Liebhaber, welcher sie
als Nachfolger Crispis und im Gegensatz zu
seiner Politik übernehmen möchte. Die Bemüh-
ungen der Franzosenfreunde sind nur soweit und
so lange mit Erfolg gekrönt, als sie im Ver-
borgenen bleiben. Wird aber vor. den Regisseuren
hinter den Coulffsen der Anlauf zu einer Aktion
in offener parlamentarischer Arena genommen, so
scheitert er an der entschiedenen Abneigung des
Publikums und zum Theil der Akteure selbst,
sich für eine fremde Sache die Finger zu ver-
brennen. Daraus erklärt sich auch das Fiasko
der Giolitti-Jntrigue.
Deutsches Reich.
Berlin, 19. Dezember.
— Eine Verfügung des Ministers des Innern
und des Finanzministers an die Oberpräsidenten
und Regierungspräsidenten über die Anrechnung
der Militärdienstzeit auf das Dienstalter
der Zivilbeamten bestimmt, daß bei denjenigen
Zivilanwärtern, die ihrer Militärpflicht schon vor
ihrer Notirung für den Subalterndienst, also
zwischen dem Abgang von der Schule und der
Notirung genügt haben, eine Anrechnung der
Militärdicnstzeit überhaupt nicht und bei solchen
Zivilanwürtern, die erst nach ihrer Notirung zur
Ableistung des Militärdienstes herangezogen werden,
nur insoweit zulässig ist, als dadurch der Eintritt
in den Zivildienst verzögert worden ist-

— Die Arbeit des Reichstags ruht nun
bis zum 8. Januar. Es ist kein erfreulicher Ein-
druck, den man im Lande von dem Ende des
ersten Sessionsabschnitts empfängt; nach einer erst
ganz kurzen Berathungszeit und in einer Sitzung,
auf deren Tagesordnung eine der wichtigsten Re
gierungsvorlogen stand, mußte die Beschlußunfähigkeit
des Hauses konstatirt werden. Freilich war es be-
kannt, daß das Centrum und die linksliberalen
Gruppen einer Berathung der sogenannten Umsturz-
vorlage vor Neujahr abgeneigt waren, diese Parteien
hatten auch keine Interesse daran, den Reichstag
jetzt beschlußfähig zu erkalten; trotzdem bleibt es
bedauerlich, daß der Reichstag, nachdem er erst
am 6. Dezember in seine Arbeiten eingetreten war,
am 17. bereits gegen die Absicht des Präsidenten
wegen Beschlußunfäkigkeit in die Weihnachtsferien
entlassen werden mußte. Es bleibt jetzt nur zu
wünschen, daß der Reichstag nach Neujahr eine
desto intensivere Thätigkeit entfaltet, um das ihm
vorgelegte Arbeitsmaterial zu bewältigen, ohne daß
die Session eine zu große Ausdehnung erhält.
— Zum Strafprozesse gegen die O b ers e uer-
weck erschül er erfährt der „Berl. Lokalanz.",
daß etwa noch 130 Mann in Magdeburg inter-
nirt sind. Dieselben befinden sich nicht in Ein-
zelhaft, sondern sind zu 6 und 8 Mann in einem
Zimmer einquartirt.
— Die dentsch-ostafrikanische S ch u tz t r u p pe
hat abermals einen schweren Verlust erlitten.
Der Oberarzt derselben Dr. Paul Brehmc ist
am 7. September in Masinde ander Dyscenterie
gestorben. Dr. Brehme, der nur ein Alter von
36 Jahren erreicht hat, gehörte seit vier Jahren
der Schutztruppe an. Seine erste Station war
Lindi, von der aus er an verschiedenen Zügen
gegen die Masiti theilnahm, 1893 wurde er
in das Kilimandscharo-Gcbiet versetzt, nachdem
inzwischen sein Kommando zur Schutztruppe bis
zum 14. August 1895 verlängert war, und im
Sommer ds. Js. erhielt er die Ernennung zum
Oberarzt.

A usland.
Paris, 18. Dez. Herr und Frau Casimir-
Per i e r besichtigten heute die Pläne für die Welt-
ausstellung von 1900. — Der Untersuchungsrichter
Doppfer setzt die Nachforschungen in der Er-
pressungsangelegenheit fort, er beschäftigt
ich neuerdings wieder mit den Erpressungen gegen
das Haus Allez. — Im Ministerrath theilte
der Kolonialminister mit, daß die Gattin und die
Tochter des Zollbeamten Chaillet in Moncay in
Indo-China, die vor einiger Zeit von Räubern
entführt worden waren, in Freiheit gesetzt worden
und woblauf seien. — In Folge des gestrigen

Kammerbeschlusses wird die Regierung den Rath
der Ehrenlegion einberufen.
Paris, 18. Dez. Dcputirtenkammer.
Bei der Präsidentenwahl wird Brisson
mit 249 Stimmen gewählt; Meline erhielt
213 Stimmen. — Baron R->ille legt seine An-
träge vor, denen zufolge junge Leute aus La Röunion
für den Feldzug gegen Madagaskar angeworben
werden können. Der Antrag wird für dringlich
erklärt und angenommen.
Rom, 18. Dez. Allerlei Krisengerüchtc
gehen um, die vorläufig aber keinen Glauben ver-
dienen. Sie zeigen jedoch, daß man anfängt, die
Lage ernster aufzufassen. Während die Regierungs-
presse mit Heftigkeit die Auffassung vertritt, daß
die Vertagung des Parlaments durch den feind-
seligen Verstoß der Opposition nothwendig geworden
sei, meinen andere Blätter, Crispi hätte besser
gethan, nach dem Bericht des Fünferausschusses
abzudanken und sich vor der Kammer zu recht-
fertigen, ja sie verlangen sogar, daß er es jetzt
noch thue.
Loudon, 18. Dez. Einer Meldung der
„Times" aus Tientsin zu Folge ist die japanische
Heersäule bei Hai-Tschcng in der Nähe von Niu-
Tschuan angekommen. Sie bedroht die 20 000
Mann starke Armee des Generals Sung. Dem-
selben Blatte wird aus Peking berichtet, daß die
auswärtigen Vertreter das Recht verlangten,
Marinesoldaten zum Schutze der auswärtigen
Gesandtschaft in die Stadt zu bringen. Von
Plymouth wird berichtet, daß das englische Ge-
schwader in den chinesischen Gewässern demnächst
durch die Kriegsschiffe „Fox", „Najad" und
„Jndefatigable" verstärkt werde.
Petersburg, 18. Dez. Gestern ist hier die
außerordentliche türkischeGesandschaft unter
Fuad Pascha eingetroffen.
Petersburg, 18. Dez. Anläßlich des Namens-
festes des Kaisers ist General Gur ko für
wichtige Dienste, die er dem Throne und dem
Vaterland, insbesondere während des letzten Orient-
krieges geleistet hat, zum Generalfeldmar-
schall befördert, aber auf sein Ansuchen wegen
zerrütteter Gesundheit von den Aemtern des War-
schauer Generalgouverneurs und des kommandirenden
Generals des Warschauer Militärbezirks entlassen
worden. Dem Generalstabschefb ru ts ch ew ist
für die talentvolle, eifrige Vervollkommnung der
Wehrkräfte und der Kampfbereitschaft Rußlands der
Wladimirorden erster Classe verliehen und Groß-
fürst Sergius ist unter Belassung in seiner
Stelle als Moskauer Generalgouverneur zum Mit-
glied des Reichsraths ernannt worden.
Belgrad, 18. Dezbr. Angesichts der bevor-
stehenden Wahlen treten binnen. Kurzem die Aus-
schüsse sämmtlicher Parteien zusammen, um über

Gesucht unö Gefunden.
Roman von Hermine Frankenstein.
68) (Fortsetzung.)
Frau Biggs hatte eine sehr gute Köchin aus-
genommen und ihr befohlen, ohne Rücksicht auf die
Kosten eine feine Tafel herzustellen, denn die Er-
wäscherin wollte auch einmal fein speisen. — Die
Folge dieser splendiden Freigebigkeit von Seite Frau
Biggs war eine sehr gut zubereitete Tafel. — Lange
bevor rne Tafel beendet war, hatte Oberst Darke,
den Entschluß gefaßt, um Sinda zu werben und
sie zu seiner Gattin zu gewinnen, ohne Rücksicht
auf etwaige Hindernisse, die sich iym in den Weg
stellen möchten. — Nach dem Speisen kehrten sie
in den Salon zurück. Frau Biggs hatte dem
schweren Portweine etwas sehr rasch zugesprochen
und sie drückte sich daher in einen bequemen Lehn-
stuhl und nickte ein. Simon Biggs, den der Lurus
seines neuen Heims in Aufreguug versetzt hatte,
machte sich daran, jedes Zimmer zu durchsuchen,
und die momentane Hilflosigkeit seiner Mutter be-
nützend, widmete er ihren Schränken eine besondere
Aufmerksamkeit, in der Absicht, sie zu plündern.—
Seine Bemühungen blieben indessen erfolglos. Frau
Biggs hatte Sinda's Geld in Banknoten umge-
wechselt uno trug es, in ein Säckchen eingenäht,
an ihrem Leibe. Er fand auch keine Juwelen in
dem Zimmer seiner Mutter, und Sinda's Zimmer
konnte er nicht durchsuchen, weil die alte Fall« in
demselben anwesend war, vorder er gewaltige Angst
hatte.
„Das Mädchen hat doch Brillanten, in den
Ohren", murmelte er. „Sic sind nicht mit den

Steinen verschwunden. Die Mutter sagte, daß eine
Garnitur, welche das Mädchen eben trug, zurück-
blieb. Ich will mir sie in einen oder zwei Tagen
verschaffen." — Während er seine Untersuchungen
fortsetzte, widmete sich Oberst Darke Smda voll-
ständig. — Der einstige Offizier hatte sich in einer
Heftigkeit in das schöne Mädchen verliebt, die ihn
selbst überraschte. Er hatte sich immer gerühmt,
daß er sich gar nicht verlieben könne; und nun
empfand er eine Liebe, der er sich nicht entziehen
konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Der Duft
makelloser Reinheit, welcher sie umgab, zog ihn
magnetisch an, anstatt ihn abzustoßen. Ein ver-
lorener, verkommener, durch und durch schlechter
Mensch, wie er war, hätte er doch kein Weib seines
Schlages, keine ränkevolle Abenteuerin lieben
können. Er sprach mit Sinda von Büchern und
fand, daß sie sehr gut belesen war. Sie tauschten
ihre Ansichten über hervorragende Schriftsteller aus,
er zitirte ihr mit trauriger Miene Sollen aus ihren
Liebesgedichten und schließlich wandte sich das Ge-
spräch der Laufbahn Sinda's in Khalsar zu, d'e
durch den Ausbruch der Revolution daselbst plötz-
lich unterbrochen worden war. Oberst Darke stellte
viele Fragen bezüglich Maya's an sie.
„Wir waren immer wie Schwestern zusammen",
sagt- Sinda. „Wir glaubten oft, daß wir in
Wirklichkeit Schwestern wären; aber Sie sehen,
wie verschieden sich unsere Geschicke gestaltet haben.
Sie ist jetzt die Katharina Elliot und ich bin
Rhoda Biggs." Sie sprach den Namen mit un-
willkürlicher Bitterkeit aus, die ihrem Zuhörer nicht
entging. „Kann da nicht irgend ein Jrrthum ob-
walten?" fragte Darke. „Ist es nicht möglich, daß

sie Frau Biggs' Tochter ist und daß Sie die Graf
Tregaron's sind?" Das Mädchen erhob den
Kopf und ihr bleiches Gesicht erglüthe und ihre
dunklen Augen leuchtete auf wie Sterne und sie
athmete kurz und schwer. Dann verschwand die
Nöthe von ihren Wangen und das Licht aus ihren
Augen und bleich wie zuvor sagte sie" „Es war
gar nicht die Möglichkeit eines Jrrthums vorhanden,
H-rr Oberst, Topee bat die Wahrheit gestanden."
— „Es ist wahrscheinlicher, zu glauben, daß er
gelogen hat —" — „Maya hatte die Schmuck-
sachen, die früher Graf Tregaron's Gattin ge-
hörten —" — „Topee kann sie ihr gegeben haben.
Sie sagen, daß Sepoy rachsüchtig war. Konnte
seine Erklärung, daß Maya Graf Tregaron's ver-
lorene Tochtersei, nicht ein Theil seiner Rache sein?"
Sinda erschrak, wurde aber augenblicklich wieder
ruhig. „Der wichtigste B-weiß von allen, daß
Maya wirklich Katharine Elliot ist", sagte sie, ist
die Thatsache, daß sie sich ihrer frühesten Kindheit
genau erinnert. Sie erkannte Graf Tregaron augen-
blicklich, trotz der Veränderungen, die die Jahre an
ihm hervorgebracht hatten.
Sie erkannte Herrn Thomas Bathurst von Kalkutta
sofort. Sie erinnerte sich an Umstände, die nur
ihr und ihren Eltern bekannt sind. Die Beweise
sind unumstößlich. Der Graf hat keinen Augenblick
daran gezweifelt, daß sie sein verlorenes Kind ist.
Nein, Maya ist in Wirklichkeit die Katharina
Elliot — ebenso, wie ich Rhoda Biggs bin." —
„Und können Sie sich Ihrer Kindheit ebenso ganz
genau erinnern, wie Katharina Elliot?" — „Nein,
ich war als Kind sehr krank an einem bösen Fieber.
Meine frühere Kindheit ist aus meiner Erinnerung

vollständig ausgelöscht. Ich habe es versucht, mich
zu erinnern — aber der Anhaltspunkt, den ich
brauche, entschlüpft mir immer. Ich werde es nicht
länger versuchen, die verschlossene Vergangenheit zu
ergründen," sagte Sinda ernst. „Ich kann mir
nach meinem gegenwärtigen Leben sehr wohl vor-
stellen, was sie gewesen sein muß."
Oberst Darke lächelte und schaute sie gedanken-
voll an. Der Gegensatz zwischen Frau Biggs und
Sinda war so groß, daß er nicht umhin konnte,
auf eigenthümliche Gedanken zu kommen. Das
Mädchen war ihm ein Räths-l — ein Räthsel,
das er nicht lösen konnte. „Ich möchte dieses
Fräulein Katharina Elliot gerne sehen," sagte er,
seinen Gedanken Ausdruck gebend. „Sieht sie
ihrem Vater ähnlich ?" — „Nein; sie ist licht und
hat flachsblonde Haare, während er braun ist. Ich
glaube, sie gleicht ihrer Mutter," erwiderte Sinda.
„Sie ist ungefähr in meinem Alter." Oberst
Darke wurde wieder nachdenklich. Sinda wunderte
sich, daß ein Mann von feiner Erziehung und
Bildung mit Simon Biggs befreundet war. Sie
schaute plötzlich auf, und der Oberst las ihr Er-
staunen in ihren Blicken. „Wohin ist Ihr Bruder
verschwunden, Fräulein Biags?" fragte er, sich
umsehend. „Er wird wohl Ihr neues Heim unter-
suchen. Er ist ein sonderbarer Kauz, wie Sie
wohl herausgefunden haben, aber ich bin überzeugt,
daß er ein ungeschliffener Diamant ist. Er Kat
mir wichtige Dienste geleistet und ist mir sehr
dankbar, weil ich ihm schon einige Male geholfen
habe, wenn er in Noch war. Demgemäß !ud er
mich auch heute ein, hixher zu kommen, um seine
eben aus Indien angekommene Schwester zu sehen,
 
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