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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 171 - Nr. 180 (25. Juli - 4. August)
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Nummer 174. H. Jahrgang.

Aeuev

Samstag, 2«. Juli 1«S4.

für Heidelberg und Umgegend


Expedition: Hauptstraße Mr. 25.

Gelesenstes Blatt in Stadt u. Aint Heidelberg und Llingegend. Grötzter Erfolg für Inserate.

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mit Sseitigem tllustrtrtem Souutagsblatt: monatlich
40 Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
Expedition: Hauptltraße Mr. 25.


Der deutsche Wagemuth.
Wenn man einen Rückblick nur bis zum Jahre
1887 wirft, in welchem die heute noch immer
Rcht abgeschlossene wirthschastliche Krisis begann,
^ann stößt man auf eine große Reihe von wirth-
schaftlichen Zusammenbrüchen, in welchen viel
deutsches Geld, das vortrefflich hätte verwerthet
werden können, verloren gegangen ist. Oft waren
ks unglückliche, traurige Folgen der Zeitverhält-
We, welche die Katastrophe herbeiführte, nicht
Men aber auch Unbedachtsamkeit und Speku-
htionssucht, die bis zur größten Leichtfertigkeit
uch erstreckten.
Dem deutschen Volke ist ein tapferer Wage-
Hvth zu allen Zeiten nachgerühmt worden, der
Erdings niemals oder nur sehr selten den Grad
des Wagens erreicht hat, wie es etwa in den
gereinigten Staaten von Nordamerika gang und
^be ist. Auch Engländer und Franzosen sind
?kin Deutschen an Unternehmungsgeist und Wage-
ost vielfach überlegen, doch gab es auch dort
?hr viel mehr schwere wirthschastliche Zusammen-
shllche als bei uns. Deutschland hat kein Riesen-
Mernehmen geplant, wie es beispielsweise der
ssgnamakanalbau war, wir haben aber auch keinen
ganamaskandal und keinen Panamakrach zu ver-
fslchnen. Wir haben keine Weltausstellung, wie
in Chicago abgehalten worden war, zu Stande
^Ngen können, wir haben aber auch die Dutzend-
Zukerotte und Schwindeleien nicht gehabt, die

N»r U
für die Monate August u. Septemb. kostet der
rr e 1t e
General - Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
(Bürger-Zeitung)
Nebst Zllrrstr. Sountagsblatt am Postschalter
abgeholt.
(Vom Briefträger ins Haus gebracht 30 Pfg. mehr.)
In Heidelberg und den nächsten Orten der
Umgebung kostet der „Neue General-Anzeiger für
Heideberg und Umgegend"
monatlich nur 40 Pfg.
frei in s Haus.
Bestellungen werden von unfern Trägern und
Trägerinnen sowie von allen Po st an st alten
fortwährend angenommen.

sich an jene großartigste unter den bisherigen
Weltausstellungen knüpften. Haben englischer und
französischer Wagemuth, die im Laufe von Jahr-
hunderten gestählt, dem deutschen Unternehmungs-
geist weit voran waren, mehr erreicht, als wir
vorwärts zu bringen vermochten, so haben wir
doch auch manche Einbußen schwerster Art nicht
erlitten, von welchen jene Nationen heimgesucht
wurden. Wo viel Licht, ist viel Schatten!
Durch das deutsche Geschäftsleben hat sich
lange ein wohlthuender Zug der Solidität ge-
zogen, der auch heute noch das vorherrschende
charakteristische Merkmal deutscher gewerblicher
Thätigkeit und deutscher Unternehmungen ist.
Die Vertreter Frankreichs und Englands in
fremden, besonders in orientalischen Staaten
räumen in ihren geschäftlichen Berichten noch
heute ein, daß der Deutsche den Franzosen und
Briten hinsichtlich der Solidität erheblich über-
legen ist. Die deutsche Solidität hat auch durch
die berüchtigte Gründerperiode zum Anfang der
siebziger Jahre keine direkte Einbuße erlitten, es
waren das nur einzelne Elemente, denen von vorn-
herein kein vernünftiger Mensch ein weitgehendes
Vertrauen schenken konnte.
Wir wollen das reelle, dem Nationalwohlstand
nutzende Wagen im wirthschastlichen Leben in
jeder Beziehung unterstützen, denn es gibt Tau-
sende Arbeit und Brod. Wir wollen auch einen
wackeren Mann nicht verurtheilen, den unvor-
hergesehene Zwischenfälle sein Unternehmen miß-
lingen ließen; nicht Alles, was begonnen wird,
kann zum guten Ende kommen und für unver-
schuldetes Unglück kann Niemand etwas. Aber
wir wollen aus unserem nationalen deutschen Er-
werbsleben auch jenen Zug der Unsolidität und
der Täuschungsversuche wieder herausheben, der
dem deutschen Namen und Ansehen schadet und
vielen deutschen Staatsbürgern dazu. Hier brauchen
wir ein gesetzliches Eingreifen, energische Bestra-
fung von Schuldigen. Hier soll der Grundsatz
wieder Geltung gewinnen, daß, wer ehrlos handelt,
auch eine Strafe erhalten soll, die Ehrlosen
gebührt.
Wagen soll der deutsche Unternehmungsgeist,
damit das deutsche Schaffen und Wirken nicht
zurückbleibt hinter dem anderer Nationen. Wägen
sollen wir aber dazu, damit unserem deutschen
Namen jene unsauberen Geschichten ferngehalten
werden, die anderen Nationen anhaften. Und
wenn es gelingt, das Fremde, was in die streng
solide deutsche Gewerbsthätigkeit eingedrungen ist,
ganz oder ziemlich ganz zu beseitigen, dann
werden selbst die schweren Schläge nutzbringend
sein, die weite Kreise des deutschen Nährstandes
in den letzten Jahren betroffen haben.

Die deutschen Turner in Breslau.
Der dritte Tag des Turnfestes war im Wesent-
lichen turnerischer Arbeit gewidmet. Schon in den
frühen Stunden des Vormittags herrschte sowohl
auf dem großen Turnplätze für Freiübungen, wie
auf dem Platze für Gerälheturnen reges und be-
wegtes Leben. Auf den Tribünen und rings um
den Turnplatz verfolgte eine vielköpfige Menge mit
Interesse und Spannung die zum größten Theile
sehr schwierigen, aber mit außerordentlicher Exaktheit
ausgeführten Uebungen, welche 72 Musterriegen an
den verschiedenen Geräthen ausführten. Während
dieser Uebungen tummelten sich auf dem großen
Platze für die Freiübungen eine Anzahl von Schul-
riegen Breslauer höherer Lehranstalten lustig umher;
die mannigfachsten Turnspiele wurden von ihnen
mit vielem Eifer und mit vielem Geschicke unter
Leitung von Turnlehrern der Anstalten vorgeführt.
Im Musterriegenturnen zogen die kombinirten Uebun-
gen an verschiedenen Geräthen die Aufmerksamkeit
an sich.
Die Versammlung der Turnlehrer Deutschlands
fand am Sonntag Abend im „Rizzibräu" statt:
es hatten sich über hundert Turnlehrer und auch
verschiedene Turnlehrerinnen eingefunden. Die
Verhandlungen, die sich im Wesentlichen auf die
Annahme der Satzungen bezogen, leitete Professor
Dr. Angerstein-Berlin. Letzterer wurde zum ersten
Vorsitzenden gewählt und damit Berlin als Vorort
angenommen. An die Versammlung schloß sich
ein Kommers an, der an gemeinsamen Gesängen
und Ansprachen viel Unterhaltendes bot. Die
hierbei gehaltene Ansprache des Herrn Dr. Anger-
stein-Berlin wurde lebhaft applaudirt.
Die zum achten Deutschen Turnfest versam-
melten Turner sandten an den deutschen Kaiser und
an den Kaiser von Oesterreich-Ungarn Huldigungs-
Telegramme.
Vorgestern Abend 7 Uhr erfolgte die Preisver-
theilung für Einzelturnen. Den ersten Preis er-
hielt Weitz-Hannover, den zweiten Brauns Lüneburg
und Weingärtner-Berlin, den dritten Bauer-Dresden,
den vierten M^ller-Bockenheim.
Deutsches Reich.
Berlin, 28. Juli.
— Die am 11. September 1892 in unmittel-
barem Zusammenhänge mit dem Kaiserlichen Gesund-
heitsamte errichtete Cholera-Kommission,
welche sich aus vom Reichskanzler berufenen Fach-
männern sowie aus Vertretern der Hauptbetheiligten
Reichsbehörden und Bundesregierungen zusammen-
gesetzt und deren Geschäftsleitung dem Direktor des
Kaiserlichen Gesundheitsamtes übertragen ist, tritt,
wie mehrere Blätter melden, am 27. d. Mts. zu
einer Konferenz zusammen, um u. a. festzustellen.

ob die bereits von den Behörden angeordneten Vor-
beugungsmaßregeln an der preußisch-russischen Grenze
und dem besonders gefährdeten Weichselgebiete aus-
reichend erscheinen.
— In Wilhelmshaven werden schon seit einigen
Tagen Vorbereitungen für den bevorstehenden Kaiser-
besuch getroffen. Die Ankunft seiner Majestät des
Ka i s er s auf der dortigen Rhede wird bestimmungs-
gemäß am 1. August Morgens erfolgen. Die
Kaiseryacht wird dann sofort den neuen Hafen auf-
suchen, an dessen Einfahrt sich der Stationschef,
sowie die anwesenden Admirale zum Empfang ein-
finden werden. Die Abreise des Kaisers nach Cowes
erfolgt am 5. August. Ob der Kaiser vom I. bis
5. in Wilhelmshaven verbleiben wird, ist zweifelhaft.
Karlsruhe, 26. Juli. Wie früher hier an-
gedeutet, ist die Besetzung der durch den Tod des
Geh. Regierungsraths von Preen erledigten wichtigen
Amtsvorstandsstelle in Karlsruhe nicht durch die
Berufung eines anderen Amtsvorstandes (Mann-
heim) erfolgt, sondern, wie in Beamtenkreisen ver-
machet worden war, durch ein bisheriges Mitglied
des Ministeriums, Frhrn. v. Bodmann. Dieser
kenntnißvolle und chatkräftige Beamte war früher
einige Zeit zweiter Beamter in Baden, sodann
zweiter Verwaltungsbeamter in Karlsruhe und vor
feiner Berufung in das Ministerium Mitglied des
Reichsversicherungsamtes. Das Ministerium hatte
sich durch die Vermehrung der Bezüge einiger Be-
zirksbeamten die Möglichkeit schaffen wollen, auch
Collegialmitglieder des Ministeriums wieder in wich-
tigen Bezirksposten zu verwenden. Doch stimmte
die Kammer der bezüglichen Anforderung nicht zu,
und eine organisch dauernde Verwendung dieser
Art ist nun nicht möglich, ohne die Collegial-
beamten in ihren Höchstbezügen zu schädigen. Da-
her wohl nur zeitweilige Uebertragung der Amts-
vorstandschaft an Herrn v. Bodmann. — Der
Nachtrag zur Gehaltsordnung ist nunmehr
als Gesetz verkündigt. Hoffentlich geht es damit
nicht wie bei den Volksschullehrern, bezüglich deren
unsere Blätter augenblicklich wieder mit allerlei
Wünschen erfüllt sind, während Regierung, Kammer
und Bevölkerung nunmehr dringend den endgiltigen
Abschluß dieses Kapitels wünschen. Wie bekannt,
ist die Wirksamkeit der Gehaltsordnung auf den
1. Januar künftigen Jahres vertagt; die Bedeu-
tung dieser gesetzgeberischen That für den Beamten-
stand erleidet dadurch keinen Eintrag.
Ausland.
Paris, 26. Juli. Kammer. Maret bringt
einen letzten Protest Namens der Presse, der Re-
publik und der Freiheit. Alle finden das Gesetz
abscheulich, das nur votirt wird, weil die Regierung
es fordert. Die Wähler würden nicht durch die
anarchistisch? Propaganda terroristrt, hingegen durch

K e s ü H n L.
Roman von H. von Gabain.
(Fortsetzung.)

„Allmächtiger Gott, wie furchtbar düster ist der
^Ndepunkt Ihres- Lebens, theure Fmrndin! Aber
r^ten Sie einmal." Sinnend Mtzte sie die
^eeige Stirn in die Hand. „Wollen Sie bei
bleiben?" rief sie plötzlich, das leuchtende Auge
-^bend. „Wir ziehen mit Beginn des Frühlings
Klein-Trianon, wir leben still für uns und
^Üen schwesterlich Freud und Leid mit einander?"
-'e legte ihren Arm zärtlich um Olga's Nacken
wollte sie an sich ziehen.
h „Sie sind ein Engel, Ruth, aber nach Allem,
Sie soeben gehört und alles, was ich als ewiges
j^eimniß mit in das Grab nehmen muß, würde
der bekannten Umgebung, an einem Ort, wo
s^sv glücklich war, eine Mutter mein zu nennen,
die Erinnerung gleich einem drohenden Ge-
^dst vor mich hinstellcn. So verlockend Ihr liebes
j^rbjxten ist, so ruft es in mir: fort, fort, hinaus
die Welt, dort lernt sich's leichter die Höllen-
^en überwinden! Gottes Erde ist ja so groß, so
sollte nicht auch ein kleines Plätzchen für
^.darauf zu finden sein? Da streckten sich dem
glücklichen, verarmten Mädchen zwei mütterliche
^de entgegen.
i, »Ich habe gelauscht," sagte Frau von Schle-
id mit einem so ehrlichen Ausdruck in den kleinen,
jjj^n Augen, „und bitte mir deshalb nicht zu
Anfangs, als ich die beiden jungen
^en so lebhaft plaudern hörte, stand ich auf,

um die nur angelehnte Thür zu schließen, da ver-
nahm ich aber etwas so Unerhörtes, das Zerwürf-
niß eines Kindes mit ihrer Mutter, daß ich mit
wehem Herzen weiter lauschte. Mein liebes Fräu-
lein, auch ich weiß, was Leiden heißt. Vor einem
halben Jahr, binnen 8 Tagen, verlor ich Mann
und Kind, ein süßes, blondes Mädchen von 15
Jahren. Dieser Schlag hat mein Haar gebleicht
und aus einer 35jährigen Frau eine Matrone ge-
macht. Ich will reisen, um durch andere schöne
Eindrücke das Gemüth zu beruhigen und erst dann
eine Wahl für einen ständigen Aufenthalt treffen.
Wollen Sie mich begleiten? wollen Sie die Stelle
eines Kindes bei mir einnehmen, so geben Sie mir
Ihre kleinen Hände und trockn°n Sie die Thränen.
Ihr sanfter Blick zieht wie wärmender Sonnen-
schein in mein Herz." Olga drückte sprachlos die
gebotene Hand an ihre trockenen, heißen Lippen.
„Nicht so, nicht so," rief die von Rührung Ueber-
wältigte und hauchte einen leisen Kuß auf Olga's
schöne, reine Stirn.
Gleich darnach saß Olga in fiebernder Er-
regung in Ruth's Zimmer und schrieb. Es war
ihr zu Muthe, als stände der Tod an ihrer Seite,
der seine kalte Knochenhand auf die ihrige legte,
als sie die Feder erfaßte und zu schreiben begann.
„Nur wenig Zeilen darf ich Dir senden,
meine theure, liebe Liza, denn die Zeit drängt.
Vergieb, wenn es im wirren Durcheinander ge-
schieht, aber in meinem Hirn tobt und brodelt
es, als hätten böse Gewalten sich darin festge-
setzt. Hab' Du und Deine gütige Mama Dank
für die gebotene Gastfreundschaft, ich darf Euch
nicht wiedersehen! Wenn Du diese Zeilen er-

hältst, bin ich weit, weit fort von hier, als Ge-
sellschafterin einer edlen Frau, — die ich in
einem Augenblick kennen lernte, als die Ver-
zweiflung mich packte, — gehe ich in die Welt.
Frage nicht, forsche nicht, wohin ich ging, ein
herbei Geschick will es, daß ich scheide, ohne
Lebewohl, ohne ihn, den theuren Mann noch ein-
mal zu sehen, dessen Bild ich so treu im Herzen
trage, den ich lieben werde, bis mein Auge bricht.
Doch nein, nein, sage ihm lieber, daß ich ihn
nie — geliebt, daß er mich vergessen soll, denn
höre, Liza, ich bin seiner nicht werth. Die
schwere Schuld einer anderen ist auch meine, ich
könnte das Auge nicht mehr frei zu ikm auf-
schlagen. O Liza, Liza, wenn Du wüßtest, wie
die barte Hand des Lebens mich geschlagen, Du
würdest mich beklagen! Entsinnst Du Dich noch
der herrlichen Zeit, wenn wir durch den Wald
wanderten und unsere Stimmen sich zu dem
schönen Lied vereinigten: „Wenn Du noch eine
Mutter hast, so danke Gott und sei zufrieden?"
Ja, Liza, das war köstlich! O halte Dein trautes
Mütterchen fest, fest, aber singen mußt Du es
nun allein, mein Mund bleibt stumm, meine
Kehle ist vertrocknet für diese herzerwärmenden
Laute, denn höre, ich bin verwaist, ich habe
keine — Mutter mehr. Nicht der Tod hat sie
mir entrissen, o nein, es war etwas anderes,
fürchterliches, das sie mir geraubt. — Lebe wohl,
lebt alle, alle wohl, grüße mir das traute, grau-
umsponnene Waldhaus, dorthin werden meine
Gedanken oft hinüberschweifen, denn dort lebt
mein Georg, mein Heißgeliebter.
Olga."

Vom heißen Schmerz übermannt, sank das müde
Haupt stöhnend nieder; große Tropfen perlten aus
den blauen Augen über das Briefblatt. Da war
es wieder die klare, reine Stimme Frau v. Schle-
dorns, die Olga aus ihrem dumpfen Brüten weckte
„Ich hoffe mich nicht in meinem Schützling
getäuscht zu haben, Herr von Rachewitz." antwortete
di? Dame auf eine hervorgegangene A-mßerunz
des Hausherrn, jedenfalls, die Olga entgangen war.
„Was geht mich schließlich die Vergangenbeit der
Baronin an? mag sie düster und abenteuerlich
gewesen sein, wäre es nicht engherzig, das un-
glückliche holde Geschöpf es entgelten zu lassen?
Ferner sage ich mir, wen Ihre Tochter so warm
ins Herz geschlossen, das berrliche Mädchen, ein
Vorbild jeglicher weiblicher Tugenden, ja, dem gebe
ich getrost einen Platz an meiner Seite." Es
wurden noch einige Vermuthungen über das un-
natürlicher Zerwürfniß zwischen Mutter und Tochter
ausgetauscht. Rachewitz erging sich in gerade nicht
schmeichelhaften Bemerkungen über den halbgierigen,
unnatürlich schroffen Charakter der Baronin;
seinem ehrlichen Sinn widerstrebte es, mit seiner
wahren, wiewohl etwas derben Ansicht hinter dem
Berge zu halten und so fiel noch manch scharfes
der Wahrheit sehr nahe kommendes Wort. Ruth
suchte zu beschwichtigen, wiewohl auch ihr in
der Baronin Nähe stets ein eisiger Hauch entgs-
gengeweht hatte.
„Man sieht ihr die tolle Vergangenheit auf den
ersten Blick an", brummte Rachwitz verdrießlich, es
ist mir ein Räthsel, wie Olga unter dem
lauernden Blick so zart und unschutdövo -
 
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