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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 171 - Nr. 180 (25. Juli - 4. August)
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die Reaktion beunruhigt; wenn die Wähler die
Deputirten nach Reformen fragen werden, können
diese nur antworten, wir haben die Republik ge-
opfert. (Dupuy: wir haben die Ordnung gesichert.)
Philipp Poteaux erklärt namens der Majorität,
diese votire das Gesetz nur aus Abscheu gegen die
Anarchie. Die Anklage der Reaktion sei kindisch.
Niemand kann die Männer beargwöhnen, die an
der Spitze der Regierung Beweise der Hingebung
an die Republik gegeben haben. Wenn Reformen
nicht ausgeführt seien, so trage die Obstruktion der
Radikalen die Schuld daran. Baudry d' Asson,
der das Gesetz als gegen Preßfreiheit gerichtet er
klärt, bricht auf der Tribüne ohnmächtig zusammen.
Nachdem noch acht Deputirte gegen das Gesetz
protestirt haben, erfolgt die Gesammt Abstimmung.
Das Gesetz wird mit 268 gegen 163 Stimmen
angenommen.
Paris, 27. Juli. Senat. Trarieur legi
den Ausschußbericht über das Anarchistengesetz nieder.
Dieser Bericht empfiehlt die unveränderte Annahme.
Nachdem die sofortige Berathung beschlossen worden,
bekämpft Floquet die Vorlage. Er fühlt sich jedoch
bald abgespannt und verlangt eine Unterbrechung
der Sitzung, um seine Rede später frrtsetzen zu
können. Während der Unterbrechung fällt Floquet
besinnungslos nieder. Die Sitzung wird wieder
ausgenommen. Der Präsident theilt mit, daß Flo-
quets Unwohlsein fortdauert. Marquis Angle-
Beaumanoir bekämpft das Gesetz. Nach einigen
Bemerkungen des Ministerpräsidenten erklärt Araye,
er wolle die Zuständigkeit des Schwurgerichts nicht
einschränken, und kein Vorgehen der Propaganda
im eigenen Hause schaffen. Der Berichterstatter
vertheidigt in seiner Antwort den Entwurf des
weiteren. Die Hauptberathung wird darauf ge-
schlossen und Artikel 1 angenommen, darauf werden
die Artikel 2 bis 6 angenommen. Bermichac ver-
theidigt den Zusatzartikel. Der Zusatzartikel wird
abgelehnt und das ganze Gesetz mit 205 gegen
34 Stimmen angenommen. Dann vertagt sich
das Haus. Die Regierung will morgen die Tagung
schließen.
Paris, 26. Juli. (Prozeß Meunier.)
Der Präsident hält Meunier vor, daß er mit Dyna-
mit, das aus dem Diebstahl von Soisy-Sous Eto-
iles herrührte, zuerst die Explosion in der Kaserne
Bobau verursacht hat, dann bei dem Anarchisten
Bricou einen Koffer damit gefüllt, sich dann ge-
geschminkt und verkleidet zum Weinausschank Very
begeben habe, dort habe er ein Getränk verlangt
und sei hinausgeeilt unter Zurücklassung des Koffers
da ein bekannter Complice von außen rief: „Ed-
gar komm, eine Zigarre anzünden!" Darauf sei
die Explosion erfolgt. Meunier leugnet, wie schon
kurz gemeldet, Alles ab. Frau Bricou wiederholt
ihre belastende Aussage bis in die kleinsten Einzel-
heiten. Meunier leugnet und sagt, dies sei eine
eingelernte Rede des unmoralischen Weibes. Meh-
rere Zeugen , die Meunier ohne Bart gekannt
haben, zögern, zu behaupten, daß sie ihn wieder
erkennen. Die Sitzung wird darauf suspen-
pendirt, um Meunier zu rasiren, worauf ihn die
Zeugen wiedererkennen. Andere Zeugen, die ihn
gleichfalls in verschiedenen Stadien der Vorbe-
bereitung des Attentats gesehen haben sollen, er-
kennen ibn nicht wieder, besonders l'Herot, der
Kellner Verys. Trotzdem der Vertheidiger ermüdet
zu sein erklärt, ordnet der Präsident in barschen
Worten eine Nachsitzung an.

Aus Wutz und Ziern.
* Mannheim, 27. Juli. Gestern Nachmittag
halb 4 klhr ist der Arbeiter Friedrich Haegin, der
auf einem Schiff im Binnenhafen beschäftigt war,
plötzlich bewußtlos zusammengebrochen. In diesem
Zustande befand sich der Mann auch um halb 6
Uhr noch. Er wurde daher ins Allgemeine Kranken-
haus transportiert. Die Ursache dieses Falles konnte
nicht festgestellt werden.
* Baden-Baden, 26. Juli. Die interna-
tionalen Rennen werden am 2 6., 28., 30. Au-

gust und 1. und 2. September abgehalten werden. kowski bei einer Partie auf den Petersstein durch
Es wird eine außerordentlich starke Betheiligung Absturz. Auf dem Transport ins Spital starb

gerade von Seiten der ausländischen Rennställe
sein. Schon mit Rücksicht auf die Fälle des
Gebotenen während des fünftägigen Meetings auf
dem grünen Nasen zu Iffezheim gestalten sich die
diesjährigen Rennen zu den glanzvollsten, die
Baden gesehen; an ausgesetzten Geldpreisen über-
treffen sie alle Vorgänger. So sind ausgesetzt am
1. Tag 72 000 Mk., am 2. Tag 41 000 Mk.,
am 3. Tag 77 000 Mk., am 4. Tag 44 000
Mk. und am 5. Tage 79 000 Mk. Im Ganzen
annähernd 320 000 Mk.
* Freiburg, 26. Juli. Heute früh 9 Uhr
stürzte ein Herr in dem Augenblik vom Schlage
getroffen zusammen, als er am Bahnhof-Billet-
schalter eine Fahrkarte lösen wollte. Nach einer
Viertelstunde trat der Tod ein. Der Verunglückte,
ein Mann von 50 Jahren Namens Puttmann, war
aus New-Jork und hatte mit seiner Frau im
Europäischen Hof gewohnt. Er war gerade im Be-
griff, mit dem Schnellzug 9 Uhr 19 Min. nach
Baden abzureisen. Der Unglücksfall rief am Bahn-
hofe große Aufregung hervor. — Nachdem wir die
letzten Tage unter großer Hitze (29 Gr. R.) zu leiden
hatten, zog sich gestern Abend ein Gewitter zu-
sammen, welches sich jedoch auf der linksrheinischen
Seite entlud. Dabei schlug der Bitz in Obersas-
heim (Elsaß) ein und legte ein Wohnhaus und 2
Scheunen in Asche. Heute früh begann bei uns
ein sehr starker Gewitterregen, welcher merkliche Ab-
kühlung brachte (15 Gr. R. gegen 29 Gr. R.
gestern und vorgestern.
* Gutach (A. Waldkirch), 26. Juli. Ein
dahier beschäftigter junger Mann von Hinterzarten
erhielt, als er in Begleitung zweier Gefährten durch
Waldkirch ging, auf der Ortsstraße von einem
dortigen jungen Burschen, der mit ihm ohne jeg-
liche Veranlassung Streit angefangen und den er
hierbei gebührend zurückgewiesen hatte, einen Re-
volverschuß in die Wange. Der Thäter befindet
sich in Untersuchungshaft.
' Heidenheim, 26. Juli. Gestern entfernte
sich die Frau eines Arbeiters von ihrer Wohnung
mit ihren zwei Kindern und stürzte sich in der
Nähe von Bvlheim, nachdem sie die Kinder an
sich gebunden, in die Brenz. In der Nähe der
Zoeppritz'schen Spinnerei wurden die drei Leichen
aufgefunden. Als der Mann Abends 6 Uhr
von der Arbeit nach Hause kam und ihm feine
Schwiegermutter das Unglück mittheilte, schoß sich
derselbe eine Kugel in den Kopf, so daß er schwer
verwundet wurde. Ein Ehezwist soll die Frau,
welche demnächst niedergekommen wäre, zu dem
traurigen Schritte veranlaßt haben.
* Stuttgart, 26. Juli. Gestern Abend tödtete
ber MaUrer Fröschle seinen Bruder durch einen
Stich mit dem Taschenmesser in's Herz. Das
Motiv war ein unbedeutender Streit. Der Mörder
ist dingfest gemacht.
* Darmstadt, 27. Jnli. Gestern Nachmittag
schoß ein Kaufmann in der Wohnung Hügelst.aße
21/33 auf seine Braut, die Tochter des Hausver-
walters Stärckert, mit einem Revolver. Zwei
Schüsse gingen fehl, einer dem Mädch-m in die
Seite. Die Verletzung ist nicht gefährlich. Der
Thäter entfloh.
* Lippertsreuthe, 25. Juli. Heute Nach-
mittag wurde unser Ort von einem schweren
Brandunglück heimgcsucht. Die drei Häuser des
Heimgärtner, Zimmermann und Bäckers Stroppel
sind mit den dazu gehörigen Oekonomiegebäuden
bis auf den Grund niedergebrannt. Es sind dies
die letzten Häuser auf der Straße nach Bruck-
felden. Ueber die Entstehungsursache verlautet,
daß Kinder gegen 12^ Uhr einen Holz- und
Reisighaufen in Brand setzten. Das Feuer wurde
zeitig gelöscht — ob aber vollständig ist zweifel-
haft. Gegen l-Vs Uhr, als die Leute auf dem
Felde waren, standen dann die Gebäude plötzlich
in Flammen.
' Wien, 26. Juli. . In Karlsbrunn in Schle-
sien verunglückten die Professoren Kantoli und Ma-

Kantoli. Der Zustand Makowski's ist gleichfalls
höchst bedenklich.

Lokale WitLtzeilrrngen
aus Stadt und Amt Heidelberg.
Heidelberg, 28. Juli.
w Weltrudern. Die vielen Zuschauer die sich
gestern Abend auf der neuen Brücke und an den Neckar-
ufern eingesunven hatten, um das Wcttrudern zwischen
Heidelberg-College und dem Heidelberger Ruderklub an-
zuiehen, wurden durch ein äußerst spannendes Rennen
belohnt. Ueber die Hälfte der Strecke, welche 918 m
betrug, führte Heidelberg-College, einmal sogar mit
3/4 Längen- Von da ab kam die Clubmannschaft auf,
nahm an der Schwimmschule die Führung und siegte
schließlich mit Längen. Heute Samstag, nachm.
5 Uhr findet ein Wettrudern zwischen Neuenheim- und
Heidelberg-College statt. Start unterhalb der neuen
Brücke, Ziel Großmantelgasse.
* Stadtgarte«. Das gestern Abend stattgefundene
Stadtgarten-Konzert zu Gunsten des Orchester-Pensions-
fonds fiel zur vollsten Zufriedenheit aller Besucher aus.
Unter der bewährten Leitung des Herrn Kapellmeisters
Zschoppe wurde das vorzüglich gewählte Programm er-
ledigt- Eine Norwegische Rhapsodie (Neu) von Lwendsen,
zugleich ein Stimmungsbild für Norwegens Natur, ge-
fiel durch seine melodiöse Durchführung- Wie das
Rauschen der brandenden Wogen an Norwegens Küste,
so schwebten die Tonwellen, um nachher in mächtigen
Accorden den donnernden Wiederhall in den Fjorden
Norwegens zu Gehör zu bringen. Wagner's Ouver-
türe zu Tannhäuser mit seiner hinreißenden vollen
Orchesterausnügung zauberte unS die herrliche
Wartburg Eisenachs vor Augen- Als Glanznum-
mern dieses Abends dürfen die Solovorträge des
Piston-Virtuosen, königl. Kammermusikus Herrn A.
Garn gelten, dessen großartige Technik auf diesem
Instrument, wie das gefühlvolle Spiel alle Zuhörer ent-
zückte, wofür ihn auch reicher Beifall derselben lohnte.
Desgleichen auch das Vwlin-Solo des Herrn Konzert-
meisters Kernchen, vom hiesigen Stadtorchester. Als 3.
Theil konnten wir die Gesangs- und Tanzleistungen der
Rufs. Sänger- und Tänzer-Gesellschaft bewundern.
Besonders der Großrussische Volkstanz „Kamarinskaja"
ausgeführt von zwei Herren der Gesellschaft, auf ver
Chicagoer Weltausstellung prämiirt, zeigte zur Genüge
die Ausdauer und gestählte Kraft dieser Kinder der
Ukraine. Zu bedauern war nur, daß bei dem feuchten
Wetter der Besuch nicht so zahlreich war, wie er bei
diesem sich bietenden Kunstgenuß zu erwarten gewesen
wäre.
Unfall. Am vergangenen Dienstag Nachmittag
brachte ein 2'/s Jahre altes Kind feinen rechten Zeige-
finger in die Vorrichtung einer Faßpichmaschine, wo-
durch das obere Glied des Fingers abgedrückt wurde.
* Polizeiliches. In verflossener Nacht wurden
hier zwei Individuen wegen Trunkenheit und Ruhe-
störung verhaftet. — Mehrere Studenten, die sich des
groben Unfugs und der Ruhestörung schuldig machten,
kamen zur Anzeige.
* Wieblingen, 27. Jnli. Als Hauptlehrer ist
der bisher in Holzhausen (Amt Kehl) stationirte Herr
Hauptlehrer Joh. Heifert hierher versetzt worden.
Wie wir hören wird derselbe feinen neuen'Dienst am
16. k. Mts. antreten.
8. Schönan, 27. Juli. Heute Morgen wurde da-
hier bei dem Fabrikarbeiter Ludwig Feuerstein,
welcher in der dem Herrn Cavalo gehörenden, zur Zeit
nicht im Betrieb befindlichen Tuchfabrik, an der Heidel-
berger Straße wohnt, ein Eineruchsdiebstahl verübt.
Der Dieb entwendete 48 Mk- an Geld, l neuen Herren-
anzug, 1 Kleiderbürste, 1 Cravatte, 1 Notizbuch und
2 Uhrketten; auch labte sich der Thäter an Bier und
Wein und entfloh dann in der Richtung nach Heidel-
berg.
Handels- N. Marktderichre.
Mannheimer Börse, Getreide. Auf schwächeres
Amerika und besseres Angebot erfuhren Weizen preise
eine Einbuße von Mk. 1 per 1600 Ko- während übrige
Positionen unverändert blieben.
Mannheimer Börse, Effekten. An der heu-
tigen Börie wurden Mannheimer Gummi- und Asvcst-
Actien 1lO'/s umgesetzt und blieben hierzu gesucht. Eich-
baum-Brauer ei-Actien 112 Proz. erhältlich. Vorzugs-
Actien des Vereins chem. Fabriken notircn 175 b.

Mannheim, 27. Juli. tProvuttenbSr'e..,

Tendem: ruhiger.

2 6.
27. '
26
27.
W:izen Juli
13 30
13.35 j
Hafer Juli
13.70
13 70
„ Nov.
13 50
13.40
„ Nov.
12.10
12.10
März
14 —
13.95!
„ März
12.55
12 25
Roggen Juli
12 —
12-!
MaiS Juli
10.20
10.20
, Nov.
11.65
11.70
„ Nov.
10.50
1050
. März
12.25
12 25 f
'März
1'1.75
10.75

Wiesloch, 27. Juli. Der heutige Schweine-
markt war mit 20 Paar beschickt, Preis 29—30 Mk

Butter Mk. 1.15—1.20. Eier 1 Stück 7 Pfg. Käse per
Stück 7 Pfg. Kirschen 0 Pfg. Heidelbeeren 14 Pfg.
per Liter. Rettig 3 Pfg. Salat ver Kopf 2 Pfg. gelbe
Rüben per Büschel 4 Pfg- Zwiebeln per Pfd. 6 Pfg.
Kraut ver Kopf 60 Pfg- Ka-toffeln per Pfd 4 Pfg.
Eppingen, 27. Juli. Die Preise auf dem gest-
rigen Schweinemarkt waren: Für das Paar Milch-
schweine 28 bis 41 Mk., für Läuf-r 49 bis 65 Mk.
Sinsheim, 24. Juli. Heute war der hiesige
Sch weine markt mit 80 Stück Milch- u. 27 Läufer-
schweinen befahren. Bezahlt wurden für das Paar
Milchschweine 22—38 Alk-, für Läuferschweine 40—60 Mk.
Bretten, 25. Juli. Zum gestrigen Lchweincmarkt
waren 23 Stück Milchschweine zugeführt. Das Paar
Milchschwcine kostete 36—40 Mk.

Neuestes.
Berlin, 27. Juli. Die Abendblätter melden:
Auf Anordnung des Justizministers haben sämmt-
liche Oberlandesgerichte nach den Gerichts-
ferien Gutachten darüber abzugeben, ob und in
welchem Umfange sich eine Erhöhung der zur Ein-
legung der Revision beim Reichsgericht berechtigenden
Prozeßsumme von 1500 Mk. auf 2000, bezw. 2500
oder 3000 Mk. empfehle.
Berlin, 27. Juli. Die in den Morgenblättern
erwähnten Gerüchte über ein angeblich gestern er-
folgtes Sprengverbrechcn beschränken sich nach glaub-
würdigen Berichten darauf, daß zwei 16jährige
Burschen im Thiergarten eine mit Pulver gefüllte
Flasche bei sich hatten, die sich plötzlich entzündete
und einen Burschen schwer verletzte. Was mit dem
Pulver beabsichtigt war, ist noch nicht festgestellt,
da der Verletzte nicht Vernehmung fähig und der
andere Bursche verschwunden ist.
Königsberg i. Pr., 27. Juli. Heute Vor-
mittag 9 Uhr fand ein Festzug der Studirenden
und Alten Herren von der Universität nach dem
Dome statt, in dem der Festactus abgehalten wurde.
Hierauf folgte die Festrede des Prorectors und
sodann die Verkündigung der Ehrenpromotionen
durch die vier Decane. Zu Ehrendoctoren wurden
unter anderen ernannt: Oberpräsident Graf Udo
zu Stolberg-Wernigerode, Oberpräsidialrath Mau-
bach, Reichstagspräsident v. Levetzow, Kanzler v.
Holleben, Untcrstaatssekretür Dr. v. Weyrauch,
Staatsanwalt von der Trenk, die Professoren der
Kunstakademie Schmidt und Heydcck; ferner die
Professoren Neumann-Königsberg i. Pr., Bog-
danow - Moskau, Kohlrausch-Straßburg, Victor
Meyer-Heidelberg und der frühere Kriegsminister
General der Infanterie v. Verdy du Vernois.
Hamburg, 27. Juli. Das Bureau Reuter
meldet: Wie ein Telegramm der „Hamburger
Börsenhalle" aus Hongkong anzeigt, ist der Krieg
zwischen China und Japan ausgebrochen.
Oldüra, 27. Juli. Kaiser Wilhelm unternahm
heute früh 8 Ubr einen Ausflug über Oldenwand
nach dem Brigsdalgletscher und kehrte um 5 Uhr
nachmittags an Bord der „Hohenzollern" zurück.
Wien, 27. Juli. Die Blätter melden: In
Macedonien und Altserbien haben Erdbeben statt-
gefunden. Auch in Varna sind durch Erdbeben
viele Häuser beschädigt worden. Zahlreiche Menschen-
leben sind verloren gegangen.
Wien, 27. Juli. Der „Neuen Freien Presse"
zufolge hat der Botschafter Graf Hoyos in Paris
bisber sein Entlassungsgesuch noch nicht einzereicht;
daß er es aber thun wird, scheint richtig zu sein.
Paris, 27. Juli. In dem mit Degen ausge-
fochtenen Zweikampf zwischen Clemenceau und Des-
chanel heute Morgen erlitt letzterer eine Verwundung
an der Stirn. — Der Gouverneur der Goldküste
theilt der Regierung mit, daß die Mission Mard-
rands in Cobon angekommen ist. Im Lande Kong
wurden 100 Schützen zurückgelassen.
Paris, 27. Juli. Der Präsident Casimir-Pe-
rier begibt sich am Dienstag nach Pont-fur Seine,
wo er einige Tage zubringt.
Paris, 27. Juli. Vor dem Zuchtpolizeigericht
wurde heute der Prozeß gegen Cornelius Herz wegen
Erpressung gegenüber dem Baron Reinach und der
Panamagesellschaft verhandelt. Herz war nicht er-
schienen. DaS Gericht beschloß trotz der von Herz
eingefandten ärzlichen Atteste gegen ihn in ocmtu-
inkroig-m zu verhandeln.

konnte!" „So ist die Garantie für mich um so
größer, daß ich keinen Fehlgriff gethan habe, das
arme Kind an mich zu nehmen. Aber bitte liebe
Ruth, es ist 11 Uhr, wollen Sie die Baronesse
benachrichtigen, daß es Zeit ist zum Abschied-
nehmen?"
Olga stand wie versteinert, die Hand auf das
pochende Herz gelegt. Beim Nennen ihres Namens
fuhr sie aus wüsten Träumen empor; Niemand,
selbst Ruth sollte nicht abnen, daß sie die grau-
samen Worte gehört. Sie steckte den verschlossenen
Brief in die Tasche, um ihn auf den Bahnhof
selbst zu befördern; sie lag lange stumm in Ruth's
Armen und bestieg dann bleich, an Geist und
Körper so müde, 0 so elend, den Wagen, der die
Damen nach dem Bahnhof brachte.
Der Rosenmonat ging zu Rüste und Rachwitz's
waren Heuer die Ersten, die sich aus der lärmenden
Großstadt nach ihrem Landgut Klein-Trianon zu-
rückzogen. Ruth hatte es sogar gewollt; ihr Sehnen
stand dorthin, um in unmittelbarer Nähe des ge-
liebten Mannes, der nun schon 5 Monate in der
Irrenanstalt schmachtete, leben zu dürfen. Dr. Sel-
denfild war ja täglicher Gast im Schlößchen; er
wurde Ruth's Freund und Vertrauter, er spielte mit
dem allen Herrn Schuch und sein heiteres Tem-
perament trug viel dazu bei, daß die elegische
Stimmung, der das schöne Mädchen in letzter Zeit
oft unterlag, ihr Gemüth nicht völlig mBannthat.
Er that sich in ihrer Gegenwart Zwang an, er
plauderte, lachte, kramte Anekdoten aus seinem Ge-
dächtniß heraus und erreichte seinen Zweck, Ruth
cin Lächeln, wohl zuweilen auch ein herzliches

Lachen abzugewinnen, wenngleich sein Herz darunter
litt; mit heroischem Muthe bezwang er die auf-
keimende Liebe. Ja, selbst eine Nothlüge scheute
sich Seldenfild nicht über den trostlosen Zustand
des ihm anvertrauten Irren auszusprechen, verband
er doch nur den Zweck damit, auf Ruth's wehes
Herz lindernden Balsam zu träufeln. Wie un-
säglich wohl tat es ihm, wenn alsdann Ruth's
tiefes, schwarzes Auge so voll Dankbarkeit auf
seinem Antlitz ruthe und das leise, selige Hoffen
ihren Blick verklärte.
Es war ja Frühling in der Natur, köstlicher
Sonnenschein lag über der erwachten Erde, mochte
der wärmende Strahl doch auch ihr Herz berühren,
der rauhe Winter kam gewiß bald und legte seine
kalte Hand auf die zarte Hoffnungsblüthe.
„Kommen Sie, wir machen noch einen Gang
durch den Garten", sagte Ruth, als Seldenfild sich
wieder in dem Schlößchen eingefunden hatte.
„Papa wird die Zeitung lesen, ich zeige Ihnen in
der Zeit etwas Schönes, zur Schachpartie haben Sie
dann immer noch Zeit." (Fortsetzung folgt.)

Eine moderne Ehe.
Schluß.
Der Baron machte trotzdem neuerliche Annähr-
ungsversuche — sie wurden abgewiesen, ohne daß
man ihm die Gründe hierfür anzugeben für nöthig
erachtete. Da bringt ihm die Post einen Brief ins
Haus. Die Frau Schwägerin schreibt ihm, er möge
seine wenigen Effekten, die er kurz vor der Hochzeit
ins Haus gebracht, abholen oder abholen lassen,
„denn" — so schloß lakonisch das Schreiben —

„wir gehen aufs Land!" Die junge ;;rau hielt es
nicht für nöthig, ihrem Gemahl anzuzeigen wohin
sie „aufs Land" gebe. Nach wenigen Tagen pro-
meniert der Herr Baron versunken in Gedanken
über die Seltsamkeit seiner Ehe in Hietzing, da
saust ein prachtvolles, von einer Dame gelenktes
Gespann heran. Der alte Freiherr hatte kaum Zeit
zur Seite zu springen, um nicht überfahren zu
werden. Ein Blick auf den Wagen und er er-
kennt die kutschierende Dame — seine Gattin.
Also das war ihr Landesaufenthalt. Unverzüglich
fuhr der Baron in die Stadt zu feinem Rechts-
anwalt Dr. Viktor Rosenfeld, erzählt ihm den Ro-
man seines Lebens und fordert ihn auf, unverzüg-
lich alle nöthigen Schritte zur Scheidung dieser
Ehe, die nur ein Komödenspiel gewesen, zu thun.
Am andern Tage ladet der Advokat Frau Doktor
Agnes Baronin v. H. in seine Kanzlei zu einer
Besprechung. Die Dame erscheint. Der Advokat
beginnt das Gespräch. „Meine Gnädige... Pardon,
ich weiß nicht, wie ich Sie titutiren soll, Frau?
oder Fräulein? Sie konnten sich dazu entschließen
einen um 50 Jahren älteren Mann zu heirathen?"
— „Ja wohl, ich habe mich dazu entschlossen, Herr
Doktor!" war die lächelnd gegebene Antwort. „Warum
erstaunen Sie darüber?" — „Bei Ihrer Jugend
und Schönheit meine Gnädige! Also hat Sie der
Baronstitel hierzu verleitet?" — „Pah, der Ba-
ronStitel! Ich habe doch den Doktortitel, den ich
mir selbst erworben, das ist doch mehr als ein Ba-
ronstitel! Meinen Sie nicht, Herr Doktor!" —
„Dann fehlt mir aber jede Erklärung für Ihren
Schritt, meine Gnädige", sagte der Advokat, „also
die Eitelkeit, Frau Baronin zu heißen, und die erste

Baronin der Welt zu sein, die den Doktorhut auf
ihrem schönen Haupte trägt, spielt da gar keine
Rolle, meine Gnädige?" — „Ach, wie Sie neu-
gierig sind, Herr Doktor! Nun gut, Sie sollen
recht haben, es geschah, auch aus Eitelkeit! Wir
sind doch alle eitel! Nicht?" — „Sie werden aber
einsehen, meine Gnädige, daß der arme Herr Baron
unter den abwaltenden Verhältnissen gar kein In-
teresse für diese Ihre Eitelleit haben kann. Er
bat für diese Ehe nur cin einziges Auskunftsmittel
— die Scheidung!" — „Scheidung?" erwidert
die Dame, „warum denn? Mein Herr Gemahl ist
sehr ungestüm, ich hätte das nicht gedacht von
einem Manne in seinen Jahren l Ich willige in
keine Scheidung. Ich bin bereit, in sein Haus
zu gehen, nur muß er eines haben und muß mich
ernähren können!" — „Meine Gnädige, Sie
kannten seine Verhältnisse, ehe Sie sich zu dieser
Heiratb entschlossen hatten, wozu jetzt — diese
Politik ?" .— „Es ist dieö mein Standpunkt beule.
Herr Doktor!" — — — Und aus diesem Stand-
punkte steht Frau Doktor Baronin von H. noch
beute. Dr. Viktor Rosenfeld hat bereits die nöthigen
Schritte gethan zur Scheidung dieser sonderbaren
Ehe, welche die Juristen nach den Kirchenvätern
als „matiimonium rsttum, ssck nonckuw oon-
sumutum" bezeichnen, als eine Ehe, die wolfl
rechtlich geschlossen, aber nie vollzogen worden ist.

* Ländlich — sittlich. Gemeindediencr (er-
schreckt) : „Bürgermeister, es brennt — wo ist die
Feuerspritze?" — Bürgermeister (ruhig): „Die
könnt ihr jetzt nicht haben— da nimmt mei FraU
a Bad drin!"
 
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