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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 201 - Nr. 210 (29. August - 8. September)
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Nummer 202. H. Jahrgang.

Neuev

Donnerstag, 3«. August 1894.

General

Anzeiger

für Heidelberg und Umgegend

Expedition: Kauptltrnße Mr. 26.

belesenstes Blatt in Stadt rr. Airrt und Lti-rsegend. Guötzteu Erssls fuu Inserate.

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mit Ssctttgem illukrirtem Sonutagstlatt: monatlich
48 Pfennig frei in's HauS, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.

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JnsertionSpreiSr
die Ispaltige Pelitzeile oder deren Raum S Pf-.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wreder-
bolung entsprechender Rabatt-
»—.- . — i i
Expedition: Hauptstraße Mr. 26.


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für den Monat September kostet der
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General-Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
(Bürger-Zeitung)
Nebst Jllrrstr. Souutagsblatt am Postschalter
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In Heidelberg und den nächsten Orten der
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Heidelberg und Umgegend"
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frei in s Haus.
Bestellungen werden von unfern Trägern und
Trägerinnen sowie von all'en Po st an st alten
fortwährend angenommen.

Englands Welthandel.
Immer mehr und mehr macht sich in Eng-
wnd die Furcht bemerkbar, daß es nicht mehr
kie seit so langer Zeit im unbestrittenen Besitz
?rs Welthandels sei und daß ihm andere Nationen
letzt einen unverhältnißmSßig großen Theil des-
selben entreißen. Namentlich war und ist es
Deutschland, dessen industrielle Fortschritte man
At scheelem Auge verfolgt und das von dem
Engländer als der gefährlichste Rival auf dem
Gebiete des Welthandels betrachtet wird. Ob und
ln welcher Ausdehnung diese Furcht aber wirklich
^gründet ist, das wird uns in einem kürzlich
Alblizirten Bericht des Herrn Gissen klar darge-
Mn, eine statistische Zusammenstellung, die um
A wichtiger ist, als dieser Herr in England als
Ae höchste Autorität auf dem Gebiete aller
Mndelsverhältnisse gilt und wir daher seine
-^ittheilungen als authentisch betrachten müssen.
Während Herr Gissen im Jahre 1888 seine
Forschungen ausschließlich auf Deutschland be-
schränkte, hat er jetzt dieselben auch auf Frank-
^ich und die Vereinigten Staaten von Nord-
amerika ausgedehnt, und er zeigt uns in seinem
glicht, in aus offiziellen Quellen geschöpften
Wählen, den Fortschritt des Import- und Export-
handels dieser Länder in ihrer Ausdehnung und
ihrem Derhältniß zu dem Englands.
Zie verborgene Kcrnö.

Krimmal-Roman aus der neuesten Zeit

von E. von ver Have.
(Fortsetzung.)
Der Kaufherr wehrte heftig mit der Hand ab.
s^. »Damit bin ich fertig", sagte er. „Das ist ent-
,Aleden. So richten sich meine Gedanken auf das, was
b!stM, — auf dein Schicksal. Doch wie du willst,
ost Trauer verbietet ohnedies vor der Hand jedes
sandeln. Es hat also Zeit-"
s; . »Nein, Vater, gieb dich keinen Hoffnungen hin!"
K.l Jertha ihm ins Wort. „Die Gattin Leonard
'rrnann's werde ich nie!"
f, »Nie! Das ist ein hartes Wort!" Die Stimme
Kaufherrn klang bitter. „Und wenn es nun mein
^llle wäre?"
H »Auch dann nicht!" gab Jertha fest zurück. „Dein
jghlgehen gegen Hans hat mir den Weg gezeigt, den
Zählen muß, wenn es das Aeußerste gilt. Du
wehrst mir das Recht, zu gehen; du drohst, mich
s Gefangenen zu machen, wenn ich dennoch gehen
fgZ; du kannst diese Drohung nicht dauernd aus-
r yren; xs wäre gleichbedeutend mit dem Skandal, den
dernreiden willst-"
h »Nein, das kann ich nicht", gab der Großhandels-
ick. , zurück und sein Ton klang grausam scharf, „aber
1 wnn dich zwingen!"
»Zwingen!" schrie das Mädchen auf.
-» s »Zwingen, ja, dem Gatten, den ich dir bestimme,
'olgen, — und zwar durch Hans, deinen Bruder!"
>^rtha war auf ihren Sessel zurückgetaumelt; sie
° "U mit erweiterten Augen.
s»-,,»Jch bewahre ihn vor dem Gesetz, indem ich ihn
jcd.-he," sprach der Vater weiter. „Ich kann ihn
Win Pfunde dem Gericht überantworten, wenn ich es
ein» , Aw ich will diese Partie für dich, welche bereits
Nnt>l - fchlofsenen Sache ist. Doch — was sollen die
tzlosen LVorte? Du kannst keinen Schritt thun ohne
w°>nen Willen und - der steht felsenstst."

Als Resultat seiner Forschungen berichtet er,
daß das gefürchtete unverhältnißmäßig große
Anwachsen des deutschen Exporthandels im Ver-
gleich mit dessen Zunahme in England keines-
wegs begründet sei, ja, daß derselbe sogar an
allen den vier Ländern, von denen sein Bericht
handelt, am langsamsten fortschreite.
Dagegen ist eine bedeutende und in die Augen
fallende Ausdehnung sowohl im Import, wie
Export der Vereinigten Staaten wohl ersichtlich.
Da dieser Export jedoch zumeist in Brodstoffen
und Lebensmitteln und in Rohwaaren, wie z. B.
Baumwolle, besteht und zum allergrößten Theil
mit England selbst betrieben wird, so ist diese
Zunahme durchaus nicht als ein Wettstreit mit
England zu nehmen.
In den Zeitpcrioden von 1884/85 und
1890/92 hat die Einfuhr sowohl Deutschlands,
wie die der Vereinigten Staaten um 33 pCt.
zugenommen, während die Englands um 13 pCt.
und die Frankreichs nur um 6 pCt. gestiegen ist,
und wenden wir uns nun zum Export, so finden
wir eine Ausdehnung desselben in den Vereinig-
ten Staaten um 26 pCt., in Frankreich um 14
pCt., in England um 10 pCt. und in Deutsch-
land nur um 5 pCt.
Mit Rücksicht auf die Einzelheiten der Ein-
fuhr in die verschiedenen Länder der Erde in den
Jahren 1890/92 stellt es sich heraus, daß
Deutschland, begünstigt durch seine geographische
Lage, nach den nördlichen Ländern ein gefährlicher
Gegner Englands ist, denn es exportirt mehr als
dieses nach Rußland, Schweden, Dänemark und
Norwegen, während Frankreich dieselbe Stellung
gegen England in den südlicheren Ländern, Spa-
nien und Italien, einnimmt. Der Export Nord-
amerikas nach europäischen Ländern kommt weder
dem von England, noch dem von Deutschland
oder Frankreich gleich, auch sind die Exportstoffe,
wie bereits bemerkt, von gänzlich verschiedenem
Charakter von denen der anderen Länder.
Betrachten wir jedoch den Handel der Länder
im Allgemeinen, so finden wir, daß der Englands
verhältnißmäßig den der anderen Staaten über-
trifft ; Frankreich hat wenig Einfluß im Norden,
Deutschland im Süden, besonders in Spanien.
Hoch oben steht England in Bezug auf den
Handel mit überseeischen Ländern. Es sendet nach
Aegypten allein 37 pCt. der ganzen dortigen
Einfuhr, während Frankreich sich mit 10 pCt.
und Deutschland nur mit 2 pCt. begnügen muß.
Argentinien, Uruguay und Chile beziehen von
England 29—43 pCt. ihrer ganzen Einfuhr,
gegen 13 pCt. von Frankreich, 9—22 pCt. von
Deutschland und 7 pCt. von den Vereinigten
Staaten. In China beträgt sie etwa 21 pCt.,

Deutschland und Frankreich sendet fast nichts und
die Vereinigten Staaten 4 pCt. Von der Ein-
fuhr in Japan sind 34 pCt. englisch, 8 pCt.
deutsch, 5 pCt. französisch und 9 pCt. amerikanisch.
In den Jahren 1884/85 betrug die englische
Einfuhr allerdings nicht weniger als 45 pCt.;
obgleich sie aber jetzt auf 34 pCt. gefallen ist,
kann man nicht sagen, daß Deutschland, Frank-
reich oder Amerika ihren Handel in diesem Lande
auf Kosten Englands ausgedehnt hätten, denn
1883/85 betrug die deutsche Einfuhr 7 pCt.,
gegen 8 pCt. gegenwärtig, die von Frankreich
und Amerika blieb auf demselben Niveau von 5
pCt. resp. 9 pCt.
Im Handel mit seinen Kolonien hat England
natürlich ein ungeheures Uebergewicht. In Britisch-
Jndien beansprucht es nicht weniger als 70 pCt.
der ganzen Einfuhr, in Australien 43 pCt. und
in den anderen Kolonien das gleiche Verhältniß,
und obgleich Deutschland nach diesen Ländern hin
Fortschritte gemacht hat, bleibt der Prozentsatz
seines Handels dahin immer noch ein niedriger.
Die Ausfuhr Englands nach einem der drei
anderen Länder überwiegt in hohem Maaße diese
von einem derselben in das andere, und nach den
Vereinigten Staaten allein beträgt sie mehr als
die von zwei der anderen Länder zusammen-
genommen.
Schließlich sagt Herr Gissen, daß die in seinem
Berichte vorgeführten Zahlen England die be-
friedigende Ueberzeugung geben müssen, daß es,
im Vergleich und mit Rücksicht auf seine Haupt-
Wettbewerber, seine bevorzugte Stellung im Welt-
handel sowohl im Export, als im Import völlig
bewahrt hat.
Deutsches Reich.
Berlin, 30. August.
— Der Minister des Innern hat unter dem
30. Juni folgendes Zirkular an sämmtliche Re-
gierungspräsidenten und den Polizeipräsidenten in
Berlin, betreffend den Handel mit Lotterie-
loosen und Prämien-Antheilscheinen
gerichtet. Der Minister ersucht zunächst die
Polizeibehörden unter Hinweis aus das preußische
Gesetz vom 19. April d. I. und das Reichs-
gesetz vom 16. Mai d. I. zu veranlassen, für die
Durchführung der neuen gesetzlichen Bestimmungen
über den Handel mit Loosen zu Privatlotterien
und Jnhaberpapieren mit Prämien und mit
Bezug- oder Anteilscheinen auf solche Loose und
Papiere zu sorgen und jede Zuwiderhandlung der
Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Dann wird be-
merkt, daß durch die gesetzlichen Verbote der
Verkauf von Anteilscheinen zu Jnhaberpapieren
mit Prämien, wenn dabei die Zahlung des vollen

Preises stattfinde, nicht betroffen sei, also nach
wie vor erlaubt bleibe. Es sei daher zu be-
fürchten, und manche Anzeichen sprächen dafür,
daß die inbetracht kommenden Geschäfte jetzt mit
besonderem Nachdruck auf diesen gestattet geblie-
benen Zweig ihres Geschäfts sich werfen, zu diesem
Zwecke eine Beimessung der Anteile auf mög-
lichst kleine Beträge (Hundertel, Zweihundcrtel,
Fünfhundertel) hinabgehen und sich be' dem
Verkaufe der Anteilscheine ähnliche schwindelhafte
Gewinne zu verschaffen suchen würden, wie sie
früher bei der jetzt verbotenen Veräußerung gegen
Ratenzahlung erzielt wurden. Die Regierungs-
präsidenten werden daher angewiesen, darauf zu
achten, ob solches Treiben in ihrem Bezirke her-
vortrete, und wenn es der Fall sein sollte, das
Publikum auf geeignete Weise davor zu warnen,
die Warnunng auch von Zeit zu Zeit zu
wiederholen.
— Die Beurlaubungen von Soldaten zur
Aushilfe bei Erntearbeiten werden von
einem Theil der Presse zu tendenziösen Angriffen
gegen die Militärverwaltung ausgenutzt. Zur
Richtigstellung schreibt der „Reichs- und Staats-
Anz." : Die Befugniß, derartige Beurlaubungen
eintreten zu lassen, liegt in der Hand der be-
treffenden Truppenkommandeure. Doch darf da-
durch die militärische Ausbildung nicht beeinträchtigt,
insbesondere bei der Infanterie die sorgsamste Aus-
bildung im Schießdienst nicht übereilt werden;
jedenfalls sollen die Beurlaubungen mit dem Be-
ginn des RegimentS-Ererzierens ihren Abschluß
finden. Diese Anfang der 1870er Jahre gegebenen
Weisungen bestehen auch jetzt, nach Einführung
der zweijährigen Dienstzeit, noch in Kraft. Man
sollte meinen, daß sie im Interesse aller Bethei-
ligten lägen. Dem Soldaten, der sich freiwillig
dazu meldet, wird die Feldarbeit seitens des Be-
sitzers gut bezahlt; dieser erfährt in einem Augen-
blick, wo sich für seinen Betrieb eine große Ar-
beitsleistung in eine kurze Spanne Zeit zusammen-
drängt, eine wirksame Unterstützung. Eine solche
Unterstützung wird dem Bauern zu Theil, welcher
vielleicht direkt den Kompagnie-Chef seines EohneS
bittet, diesen zu beurlauben, wie dem Großgrund-
besitzer, welcher sich mit seinem höheren Bedarf an
den Höchstkommandirenden der benachbarten Gar-
nison wendet. Es ist eine unbestrittene Thatsache,
daß in vielen Gegenden ein Mangel an ländlichen
Arbeitskräften besteht, dem auch durch das Ange-
bot hoher Löhne nicht abgeholfen werden kann.
Eine illegitime Konkurrenz der beurlaubten Sol-
daten mit den ländlichen Arbeitern ist demnach
ausgeschlossen. Sozialdemokratische Blätter, insbe-
sondere der „Vorwärts", stellen die Sache außer
dem noch so dar, daß erst die Kompagnien durch

„Du vergißt, Vater, daß ich auch den meinen habe
und denselben trotz allem geltend machen kann," „Ich
lasse mich nicht verschachern wie eine Waare —"
„Reden wir nicht davon, mit deinen Worten von
vorhin gesprochen! Kommt Zeit, kommt Rath. Geh'
auf dein Zimmer jetzt. Ich werde Sorge tragen, daß
du es nicht eber verläßt, ehe ich es will —"
„Du willst mich zu einer Gefangenen machen in
deinem Hause?" stieß Jertha mit Anstrengung aus.
„Fürchtest du nicht, daß etwas hinausdringen könnte
in die Ocffentlichkeit? Die Dienerschaft —"
„Wird glauben, was ihr gesagt wird," fiel der
Kaufherr ein, „in diesem Falle, daß ihr armes Fräu-
lein sich den Tod der Mutter zu sehr zu Herzen ge-
nommen habe und der größten geistigen Ruhe bedarf.
An dir liegt das weitere. Du weißt, daß ich unbeug-
sam bin und — mit Geld erreicht man Alles!"
„Vater!"
Der schrille Laut brach jäh ab vor dem Klopfen,
welches von der Thür zu dem Arbeitszimmer sich ver-
nehmen ließ.
„Herein!" rief der Kaufherr scharf.
Der Kopf Karl's, des jüngern Dieners, erschien
zwischen der Oeffnung. Sein Gesicht zeigte Bestürzung.
Offenbar hatte er die lauten Worte zwischen Vater
und Tochter gehört, zog seine Schlüsse.
„Verzeihung," stammelte er, „Herr Wörner wünscht
den gnädigen Herrn in wichtiger Angelegenheit zu
sprechen!"
„Ah, er kommt zur rechten Zeit," ries der Kaufherr
aus, wie von einem Alp befreit ausathmend, „er soll
eintreten!"
Der Kopf des Dieners verschwand. Jertha hatte
sich erhoben, sie wollte gehen.
„Du bleibst!" gebot der Vater ihr. „Du weißt,
was diesen Mann hierherführt. Du magst mit eige-
nen Ohren es hören. Ah, — da ist er!"
Ein erneutes, leises Pochen, dann ging die Thür
auf und der Prokurist überschritt die Schwelle.
Er hatte unverkennbar den Kaufherrn allein zu
finden erwartet. Jertha erblickend, zögerte er minuten-
lang und verneigte sich tief vor ihr.

„Nun, Wörner, wie ist es?" ließ der Kaufherr
ihm keine Zeit zu Redensarten. „Haben Sie nieinen
Auftrag besorgt?"
„Zu Befehl, Herr Volkheim", lautete die ruhige,
aber etwas unsichere Antwort, unsicher wohl, vor den
Ohren reden zu sollen. „Ich habe alles erledigt. Es
geht aber nur ein Chinasegler rn der nächsten Zeit aus
unferm Hafen und zwar diese Nacht noch!"
Der Großhandelsherr nickte wiederholt, wie sehr
zufrieden.
„Um so besser," sagte er, „je eher, desto besser!
Mich erdrückt die Luft, die ich mit dem Buben, den
ich meinen Söhnen nennen muß, athme. Je eher er
geht, desto eher kann ich wieder frei athmen. Wann
lichtet das Schiff die Anker?
„Um sechs Uhr morgen früh."
„Wie heißt das Schiff?
„Sphynx!"
„Das kann auskommen! Es wird dem Taugen-
nichts Räthsel aufgeben, Lebensräthsel, die ihm den
Kopf zerbrechen werden.
„Mindestens drei Jahre. Er fährt nach China
und kreuzt in den asiatischen Gewässern."
„Vorzüglich, — ganz nach meinem Wunsch. Wenn
er wiederkehrt wird er schätzen gelernt haben, was er
leichtsinnig auf's Spiel gefetzt bat . . Haben Sie mir
sonst noch etwas zu sagen, Wörner?"
Der Prokurist verneinte leise. Es lastete ihm er-
sichtlich schwer auf der Seele.
Der Großhandclsherr sah ihn forschend an.
„Sie wollen mir doch etwas sagen," sprach er
schars. „Heraus damit! Was ist es? Oder wollen
auch Sie mir am Ende eine Vorlesung halten, wie
jene da," — er wies auf Jertha, die, sich schwer auf
die Lehne des Sessels stützend, zitternd dastand, — „dann
sparen Sie sich die Mühe; ich weiche nicht ab von dem
was ich will!"
Der Prokurist sah den Kaufherrn fest an.
„Herr Volkheim, das weiß ich," sprach er mit Ruhe,
„und deshalb wagte ich auch keinen Einspruch, dessen
Nutzlosigkeit erkennend. Wenn Sie mich aber auffordern,
Ihnen zu sagen, ob ich Ihre Meinung theile, so kann

Fürchtete er, Jertha's Blick zu begegi
„Es liegt nur nichts seiner, als

ich Ihre Frage nicht bejahen. Es entzieht sich meinem
Auge, was zwischen Vater und Sohn vorgegangen ist,
und ich möchte es auch lieber nicht wissen, aber keine
Schuld kann mir so groß erscheinen sur eine solche
exemplarische Strafe. Schicken Sie Ihren Sohn fort,
gleichviel, wohin, und geben Sie ihm Gelegenheit, zu
beweisen, daß er ein anderer werden kann!"
„Ich gebe ihm diese Gelegenheit, indem ich ihn
allerdings degradiere zum gemeinen Volk, aber ihm
immerhin einen ehrenhaften Dienst unter der Mensch-
heit anweise," siel der Kaufherr dem Sprecher eisern
ins Wort. „Sie wissen nur einen Bruchtheil von dem
Geschehenen und eben, weil ich das Uebrige verdecken
will, einzig darum will ich den Taugenichts fortschicken.
Gelegenheit ihm geben, sich zu bessern!" Habe ich ihn
nicht mit allem versehen, was er brauchte, um repräsen-
tieren zu können? Mußte er zu Hilssmittelu greifen,
wie er es gethan, um seine Launen zu befriedigen?
Solch einen Menschen anders fortschicken, als wie ich
es beschlossen habe, hieße, seinen sollen Leidenfchasten
Thor und Riegel zu öffnen. I" schlechte Gesellschaft
ist er gerathen !" Wer garantiert nur daß er jenseits
des Ozeans in nicht noch schlechtere Gesellschaft geräth!
Zuni Zuchthauskandidaten ist er hier geworden! Wer
bürgt mir, daß er jenseits , großen Wassers nicht
reif für den Galgen sich erweist. nein, reden Sie mir
kein Wort in den Kram! ^ch..Hube alles Wohl erwogen
und darnach mein Urthell gefallt. Sein Geschick ist be-
siegelt. In der neuen Stellung, die seiner wartet,
werden ihm Gelüste, welche ihn zu dem werden ließen,
was er geworden ist. iwon vergehen, und er wird sei-
nem Schöpfer danken, wenn er mit seinem arm-
seligen Leben davonkommt Vielleicht bessert ihn das,
— vielleicht — ich glaube selbst das nichr. Es ist ein
Versuch und es rst der einzige Weg, der übrig geblieben
ist. So giebt es keinen Fehltritt, wenn man ihn wählt
. . . . Wüßten Sie alles, Wörner, Sie würden gleich
mir urtheilen!'
Der Prokurist stand, das Haupt leicht geneigt,
gnen?
»77« '— Mir kill
über Ihre Handlungen anmaßen zu wollen, Herr Volk-
 
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