Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

DOI chapter:
Nr. 231 - Nr. 240 (3. Oktober - 13. Oktober)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44556#0369

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Rmnmer 24G. LL« ZahrgEg«

e u s v

Samstag, 13. Oktober 1881.

General-WAnmger




für Heidelberg und Umgegend

»

Jrrsertionsprcis r
die Ispaltige Petitzetle oder deren Raum k> P?S«,
für auswärtige Inserate 10 Pfg», bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-

Ab onnementspreis r
mit Sseittgem tllustrirtrm Sonntagsbmtt: msnailich
40 Pfennig frei in'S Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
--—--—tz.
Ksepeditiorr: Kcrrrptltraße Mr. 86.

»—— ------
K»peditic>rr: -Hauptstraße Mr. 86.


GELesemstES MärtL TW Stredt W. ANTt HeWeWeDZc m«d MWrDLOemd. GVGfzLee GNssLg sirr» IWssV^te.

MK" Telephsn-AnfHLntz Nr, IttL. "WK
Erstes Blatt. "MW
LSVtSVÄMSMd
Werden von allen Postanstalten, Landbriefträgern
Unseren. Agenten und Trägerinnen Abonnements
entgegengenommen.

England und Frankreich.
Castmir-Perier ist von seinem Landaufenthalt
nach Paris zurückgekehrt, um dem Verlaus der
wiederbcginnenden Parteikämpfe aus der Nähe
beizuwohnen und dabei, wie es einem consti-
tutionellen Präsidenten obliegt, die Rolle des
Unparteiischen zu spielen. Von seiner Seite
„kenns weitergehn". Wer hätte aber gedacht,
daß die Ankündigung seiner Rückkehr nicht das
Zeichen zu neuer Klopffechterei zwischen Mini-
steriellen und Oppositionellen geben, sondern das
Schrcckensgerücht herbeiführen würde, daß Eng-
land und Frankreich aus die Mensur steigen und
die Klingen kreuzen wollten? Schauerlich, aber
wahr! Am Mittwoch, 3. Oktober, hieß es:
Krieg in Sicht! An den Börsen von London
Und Paris entstand eine Panik, die Renten und
andern Papiere stürzten, der ganze europäische
Geldmarkt erlitt einen Rückschlag. Den äußeren
Anlaß zu diesem Puheil gab nächst Casimir-
Pcriers Rückkehr nach Paris die Thatsache, daß
die englischen Minister plötzlich zu einem außer-
ordentlichen Rath zusammenberufen worden waren
Und gleichzeitig mit dem ersten französischen
Ministerrathe Entscheidungen treffen sollte, von
deren Art noch Niemand etwas wußte, alle Welt
aber Großes erwartete. Wir wollen uns bei der
Schilderung des überstandenen Schreckens nicht
länger aushalten, die Sache hat sich, wie bekannt,
in Wohlgefallen aufgelöst. Keiner der beiden
Diinisterräthe hatte den Zweck, den Nachbarkrieg
zu erklären. Beiderseits beschäftigte man sich mit
Dingen, die den europäischen Frieden nicht ge-
fährdeten : englischerseits mit der Sicherung briti-
scher Unterthanen und Interessen in China, sran-
zösischerseits mit der wichtigen Frage der Stier-
öesechte in Nimes, die dem Ministerium um so
wehr Kopfzerbrechen macht, als das vom Mini-
sterium Dupuy Verbotene blutige Spiel im Han-
delsminifter Sourties nicht nur einen eifrigen
Gönner, sondern auch einen thätigen Theil-
Uehmer (!) hat. Der ganze blinde Kriegslärm
wäre nicht der Rede Werth, wenn es nicht hier,
wie in andern Fällen hieße: Kein Rauch ohne
rteuer. Sachlich lag allerdings kein Grund vor,
oaß sich die beiden Nachbarvölker mit Waffen

hätten bekämpfen sollen: in der Madagaskarfrage
haben die Engländer durch Anerkennung der
französischen Schutzherrschaft das Recht auf Ein-
mischung verloren; in Sian: ist der Streit vor-
läufig beigelegt, in Egypten hat sich neuerdings
der alte Conflict nicht verschärft, und was die
andern französisch-englischen Reibungen anbetrifft,
läßt sich keine nennen, die gegenwärtig besonders
scharf empfunden würde. Je weniger aber ein
bestimmter Grund zum Streit vorliegt, um so
beachtenswerther ist die Thatsache, daß das Kriegs-
gericht eine Weile Glauben finden und den Geld-
markt erschüttern konnte. Erklären läßt sich dies
nur durch die allgemeine Spannung, welche in-
folge langjähriger Zwistigkeiten und aufgehäufter
Klagesachen zwischen England und Frankreich ein-
getreten ist. Der französische Minister des Aus-
wärtigen macht jetzt gerade Anstalten, der öffent-
lichen Meinung der Franzosen, welche gegen die
Engländer sehr gereizt ist und die bisherige Po-
litik der Regierung zu schlaff findet, Genüge zu
leisten, indem er einen der ersahrendsten und
schneidigsten Diplomaten, den Baron de Courcel,
als Botschafter nach London schickt. Die Eng-
länder treffen nun ihrerseits Vorkehrungen, um
der neuen diplomatischen Aktion die Spitze abzu-
brechen, und hierzu haben sie ein überaus ein-
faches Mittel. Sie schüchtern die Franzosen mit
Kriegsgerüchten ein. Sie selber denken nicht im
Entferntesten daran, zum Schwert zu greifen.
Denn sie würden dabei den Kürzeren ziehen;
aber sie wissen, daß die Franzosen womöglich noch
ängstlicher gesonnen sind, einen Waffenkonflikt zu
vermeiden, nicht als ob die Republik vor den
englischen Rothjacken zitterte, sondern weil sie
ausschließlich darauf bedacht ist, ihre Angriffs-
macht auf den Kampf mit Deutschland zu spa-
ren, denn heute noch trachten die Franzosen, trotz
aller deutschen Versöhnlichkeit und trotz mancher
beiderseitigen Höflichkeit, noch eben so gierig wie
im Jahre 1875 nach Revanche. Ihr Rachege-
danke gegenüber Deutschland macht sie schwach
gegen England. Sie werden trotz aller ihrer
Verstimmung nicht mit den Briten anbinden,
vielmehr ihnen immer nachgeben, nur um sie von
einer Annäherung an den Dreibund abzuhalten.
DerttscheK Rrich.
Berlin, 13. Oktober-
— Von den verschiedensten Seiten wird jetzt
der Frage näher getreten, wie am erfolgreichsten
dem Entstehen weitverbreiteter Arbeitslosigkeit
vorzebeugt und die Wirkungen eines unvermeidlichen
Arbeitsmangels gemildert werden können. Nach
dem Jahresbericht der Handelskammer in Worms
für 1893 ist in einem der größten dortigen Betriebe
ein Versuch nach dieser Richtung gemacht worden,

der sich entschieden bewährt hat. Die Lederfabrik
von C. Heyl hat nämlich seit einigen Jahren im
Hinblick auf den schwankenden Geschäftsgang die
Einrichtung getroffen, in der Zeit des geschäftlichen
Niederganges die überflüssigen Arbeiter nicht schlecht-
weg zu entlassen, sondern in regelmäßigem Wechsel
zeitweise außer Arbeit zu setzen und ihnen dabei
ein Wartegeld zu zahlen, das etwa dem mittleren
Taglohne entspricht. Die wenigsten Arbeitgeber sind
allerdings in der Lage oder willens, auf diesem
Gebiete selbst die Initiative zu ergreifen. Es ist
daher nur zu billigen, wenn die preußische Regierung
einzugreifen sich veranlaßt sieht. Durch einen
Ministerialerlaß sind die Regierungen angewiesen
worden, die Kreise und Gemeinden ihres Verwaltungs-
bezirkes auf geeignete Maßregeln gegen die Arbeits-
losigkeit und die Wirkungen unverschuldeten Arbeits-
mangels aufmerksam zu machen. Wie der Staat,
so hätten auch die kommunalen Vertretungen in
ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber die Pflicht, der
Arbeitslosigkeit nach Kräften dadurch entgegenzuwirken,
daß sie allgemein und planmäßig auf eine zweck-
mäßige Vertheilung und Regelung der für ihre
Rechnung auszuführenden Arbeiten Bedacht nähmen.
Insbesondere sei darauf zu sehen, daß die Arbeiten,
die nicht unbedingt an die Jahreszeit oder an be-
stimmte Termine gebunden seien, möglichst in solche
Monate verlegt würden, in denen ein Mangel an
Arbeitsgelegenheit zu befürchten sei. Dies gelte
namentlich von solchen Arbeiten, bei denen auch
nicht gelernte Arbeiter Verwendung finden könnten.
Andererseits müßten aber auch Vorkehrungen ge-
troffen werden, um einen zu großen Zufluß Arbeits-
loser nach einzelnen Orten thunlichst zu verhindern.
Deshalb sollten bei Arbeiten der erwähnten Art von
den Kommunen nur solche Leute beschäftigt werden,
die in dem betreffenden Orte den Unterstützungs-
wohnsitz haben oder dort wenigstens bereits eine be-
stimmte Zeit in regelmäßiger Arbeit gewesen sind.
Eine Ergänzung dieses höchst bemerkenswertken
Ministerialerlasses bildet die kürzlich mitgetheilte
Verfügung des preußischen Handelsministers zu
Gunsten der Errichtung kommunaler Arbeitsnach-
weise in den größeren Städten.
— Im Anschluß an die Aussührungsbestimm-
ungen zu dem Reichsgesetze vom 10. Mai
1892, betreffend die Unterstützung von Fa-
milien der zu Fri e d en s übu rmue^n einbe-
rufenenMannschaft ei^Lnd die betheiligten
Behörden auf die Vorschriften
aufmerksam gemacht worden: Der Anspruch auf
Unterstützung soll nach der Vorschrift'des Gesetzes
bei der Gemeindebehörde desjenigen Ortes angebracht
werden, an welchem der Unterstützungsberechtigte zur
Zeit des Beginnes des Unterstützungsanspruchs seinen
gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Es sei indeß
unbedenklich und entspreche der Billigkeit, den

--
Unterstützungsanspruch auch dann als rechtsgiltO
angebracht anzuschen, wenn versehentlich die An
Meldung bei einer nicht zuständigen Gemeindebehörde
erfolgt sei. Falls die anzugebende Zivilstcllung
einen Zweifel darüber erwecke, ob der Einberufene
als Beamter sein Dienstcinkommen während der
Uebungsdauer fortbezogen habe, fei ausdrücklich zu
bescheinigen, daß die Zahlung des Diensteinkommens
in der Zeit der Einberufung eingestellt worden sei.
Für Kinder, die nach beendeter Uebung geboren
würden, bestehe ein Unterstützungsrecht überhaupt
nicht, und für Ungehörige, die während der Uebung
stürben, beschränke sich dieser Anspruch gemäß dem
Zeitpunkt des Eintritts dieses Ereignisses. Es sei
unbedenklich, daß für die empfangsberechtigte Person
ein Bevollmächtigter den Empfang der Unterstützung
bescheinige, jedoch sei in solchen Fällen die Vollmacht
den sonstigen Belegen beizufügen.
— Die „Nationalzeitung,, meldet: Der Aus-
schuß des Colonialrates nahm zur Begutachtung
der Frage, in wie weit bei der gesetzlichen Regel-
ung des Auswanderungswesens auf die Besiedelung
der Schutzgebiete Rücksicht zu nehmen sei, auf einen
Antrag vvn vr. Scharlach-Hamburg (den Stand-
punkt ein, daß die Uebersiedelung Reichsangehöriger
nach den Schutzgebieten anders zu behandeln sei,
als die Auswanderung nach fremden Ländern.
Der Ausschuß will die Uebersiedelung im weitesten
Umfange zulassen, und sie nur den unumgänglich
nothwendigen polizeilichen und sonstigen Beschränk-
ungen unterworfen sehen.
Karlsruhe, 12. Okt. S. K. H. der Groß-
herzog traf gestern Abend 8 Uhr in Schloß
Baden ein. Heute Mittag ertheilten II. KK.
HH. der Großherzog und die Großherzogin ver-
schiedenen Personen Audienz. Abends 5 Uhr
trafen II. KK. HH- der Kronprinz und die
Kronprinzessin von Schweden und Norwegen mit
den beiden Prinzen Gustav Adolf und Wilhelm
aus Badenweiler in Schloß Baden ein. I. K. H.
die Kronprinzessin hat während ihres Aufent-
haltes in Badenweiler verschiedene Ausflüge in
die Umgegend unternommen, so nach Schliengen
zur Gemahlin des Oberhofmarschalls Grafen And-
law und vorgestern nach Umkirch zum Besuch I.
K. H. der Fürstin Josephine von Hohenzollcrn,
woselbst Ihre Majestät die Königin von Sachsen
und I. K. H- dre Gräfin von Flandern weilen.
Von Umkirch begab sich die Kronprinzessin nach
Freiburg, erwartete daselbst die Ankunft S. K.
H. des Kronprinzen von Schweden und Nor-
wegen und reiste mit demselben und den Erb-
großherzoglichen Herrschaften, welche vorüber-
gehend in Freiburg anwesend waren, nach Baden-
weiler zurück. II. KK. HH. der Großherzog
und die Großherzogin sowie der Erbgroßherzog
und die Erbgroßherzogin, werden sich Morgen
_ . --" - . ..„.

HeluchL unö Gefunden.
12) Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
Dieser Armand Elliot ist Graf Tregaron's Erbe,
wscke Tbomas Bathurst, nicht wahr?" — „Erbe
^ines Titels und der Stammgüter. AberderGraf
besitzt außerdem noch großartigere Güter, über welche
testamentarisch nach seinem Belieben frei ver-
fügen kann. Wenn ich seine Tochter finde und
Ehm wiederbringe, schenkt er mir sein ganzes Pri-
batvermögen und das Gut Longmead in Kornwall.
F- „Ein herrlicher Preis ! Ich wundere mich nicht,
°aß Du darauf eingingst. Ich hoffe, Du wirst
'M gewinnen — und unabhängig sein, von mir
f^chts erwarten. Aber was wird das Mädchen
haben, wenn es gefunden wird?
. „Der Preis, den mir dec Graf anbietet, be-
'stht in seinem väterlichen Erbtheil. Elliot erhält
b'- Stammgüter des Tregaron's. Aber der Graf
-at mit seinem Vermögen und Titel noch eine
^"vge anderer Besitzungen geerbt — Bergwerke,
,Mk- und Eisenbahn-Aktien und noch mehr der-
meichxn — und diese gehen alle auf seine Tochter
»ver, wird ungemein reich sein, eine der
Mnzensten Parthien im ganzen Königreich!" —
»Dann rathe ich Dir, sie zu finden, wenn sie lebt
^"d unverheirathet ist und ihr den Hof zu machen.
Minze sie als Deine Frau nach England und er-
sg chr Vermögen zu dem anderen, welches
'r der Graf jetzt versprochen hat."
Walter lächelte. — „Ich bin bereits zu diesem
^nrschlusse gelangt,« sagte er. „Ich beschloß des
rasen Schwiegersohn zu werden, noch ehe ich

England verließ — vorausgesetzt daß ich die Dame
finden kann. Was immer sie sein mag, sie ist doch
wenn sie lebt, die Tochter des Grafen Tregaron,
Fräulein Katharina Elliot, und ihre Fehler und
Unziemlichkeiten, können leicht vergoldet werden."
— „Wenn sie lebt! Aber ich glaube, daß sie todt
ist. Um Dir die Wahrheit zu sagen, Walter,
sollst Du wissen, daß ich sie sehr eingehend suchte,
aber keine Spur von ihr fand. Ich setzte auch
eine große Belobnung für ihre Entdeckung aus;
aber Niemand kam, um dieselbe in Empfang
zu nehmen." — „Wozu suchtest Du sie?
Beabsichtigest Du, sie ihrem Vater zurückzugeben?" —
„Das war schon vor vielen, vielen Jahren — gleich
nachdem Elliot als Invalide nach England geschickt
worden war. Es war Agnes Elliot's Kind und
ich konnte es nicht lassen. Aber genug davon.
Mein Wagen wartet. Fahren wir aus/ um die
Einkäufe für Euere Expedition zu machen. Ihr
braucht Pferde, Schießwaffen —" — „Wir brach-
ten Flinten und Revolver von England mit." —
„Es sind Vorräthe zu kaufen —'hundert Dinge
zu thun. Ich werde die Leute aufnehmen, die Euch
begleiten sollen und Alles so einrichten, daß Ihr
übermorgen bei Tagesanbruch aufbrechen könnt."
Die Beiden gingen zum Wagen hinab, stiegen
ein und fuhren dann zu einem Geschäftshaus,
dessen Adresse Thomas Bathurst dem Kutscher ge-
geben hatte. Sehr viele Einkäufe wurden wahrend
der nächsten Stunde gemacht, und dann fuhren
sie den Strand entlang und sahen den Strom nut
großen und kleinen Schiffen belebt — und ein
herrliches Bild im goldenen Morgenlichte. Der
Kaufmann begleitete seinen Sohn in das Sitz-

zimmer hinauf. Elliot war noch nicht zurückgekebrt.
Nachdem er seine Verwunderung über das lange
Ausbleiben des jungen Mannes ausgedrückt hatte,
empfahl sich Thomas Bathurst wieder, früher seinen
Sohn noch auffordernd, gewiß rechtzeitig mit seinem
Freunde in der Bananenvilla zum Speisen ein-
zutreffen.
„Schlauer, alter Fuchs!" murmelte der Sohn,
als er seinem Vater nachschaute, während dieser
mit ungemein selbstbewußter und wichtiger Miene
in den Wagen stieg und fortfuhr. Ich habe seine
kleinen Gedeimnisse ausgespürt. Es ist klar, daß
er gar nichts für mich zu thun beabsichtigt, und es
ist eben so klar, daß er die Absicht bat zu hei-
rathen. Aber wen will er beirathen? Warum hält
er die Sache so geheim? Er ist von einem Ge-
heimnis; umgeben — sein Leben birgt ein Geheim-
nis, welches ich um jeden Preis ergründen möchte.
Wenn ich nicht diese Aufgabe vorhätte — wenn
es sich ebenso verlohnen würde, ihn zu studiren
und seinem Thun und Lassen nachzuspürcn, als
das Mädchen zu suchen!" Der junge Mann wandte
sich vom Fenster ab, läutete energisch und bestellte
bei dem eintretenden Aufwärter ein Gabelfrühstück.
Inzwischen batte Armand Elliot fleißig Vor-
bereitungen nach seinem Sinne für die Expedition
getroffen. Herr Thomas Bathurst hatte ihm durch-
aus kein Wohlgefallen eingeflößt. Es schien dem
jungen Manne, daß hinter dem gelben, aufgedun-
senen Gesichte des Kaufmannes eine verrätherische
Seele laure. Er war nicht geneigt, sich der un-
bedingten Führung des Kaufmannes zu überlassen.
Instinktiv mißtraute er ihm und begab sich daher,
nachdem er an diesem Morgen seinen Gasthof ver-

lassen hatte, auf das Bureau des Polizei-Präsiden-
ten und erbat sich eine Unterredung mit ihm. Der
Präsident befand sich in seinem Arbeitszimmer.
Elliot schickte seine Karte hinein, worauf er einige
Zeilen geschrieben hatte, und der Würdenträger ließ
ihn sogleich durch einen Diener einladen, ein-
zutreten.
Elliot ging hinein. Der Präsident — ein
scharfsinniger Engländer mit klugem Gesichte °—
stand auf, um ihn zu empfangen. Binnen fünf
Minuten batte unser Held ihm in kurzen Worten
seine Mission in Indien auseinandergesetzt und
war zum Zwecke seines Besuches gekommen, Er-
kundigungen nach Topee, dem Sepoy, einzuziehen,
dem Entführer der kleinen Katharine Elliot. —
„Sie können ebenso gut eine Nadel in einem Heu-
schober suchen, als einen einzigen Eingeborenen in
Hindostan", sagte der Präsident kopfschüttelnd. „Er
kann seinen Namen verändert haben, so daß keine
Spur von ihm übrig blieb, selbst wenn er lebt.
Höchst wahrscheinlich ist er in dem Aufstand zu
Grunde gegangen." „Und das Kind?" — „Ist
wahrscheinlich den Drangsalen, die er ihm bereitete,
erlegen. Vielleicht hat er die Kleine gctödtet. Diese
Indier haben sehr wenig Rücksicht für ein Men-
schenleben. Sie wissen doch, wie sie englische Frauen
und Kinder während des blutigen Aufstaudes zu
Tode marterten. Wenn er sie aber nicht auf der
Stelle getödtet hat, was auch ziemlich wahrscheinlich
ist, so läßt sich nur annehmen, daß er sie zu ir-
gend einem entsetzlichen Geschicke aufgespart bat."
„Dann lebt sie vielleicht noch?" —„Vielleicht.
Es werden von Zeit zu Zeit noch immer Opfer
des Sepoy-Aufstandes gefunden. Die Frau eines
 
Annotationen