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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 221 - Nr. 230 (21. September - 2. Oktober)
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Nummer 227. LR» ZM-gEa.

Aettev

Freitag, 28. September 1894

General-GAnreiger



für Heidelberg und Umgegend


Abanttementspreis r
MN Sseitigem tlluklrirtrrn Sanstagsbiatt; Monatlich
46 Pferrniq frei in's Haus, durch die Post beissen
viertelfäbrlich 1 Mark ohne Bestellgeld.
---»
lLrpeditia>n -. .sdl.rrlotttr-cista "Nr. 25.

JnsertionöprciSr
die lspalkige Petttzeile oder deren Raum 5 P?g.,
für auswärtige Inserate 1V Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-
»--—------—-
Expedition: Hauptstraße ^lr. 25.


GeLesenstes WML im St^dt U» ZK«t HeiheLEKeVD mmd AVTDegertd. fmV IMeeKte.

UW- Telephon-Anschlrch Nr. l«8!. "MO

Manöver in Frankreich.
In Frankreich hat man sich allmälig ge-
wöhnt, den großen Manövern eingehende Auf-
merksamkeit zu schenken und sie in ähnlicher
Weise zu einer allgemeinen Heerschau über die
militärische Rüstung des Landes auszugestalten,
wie dies in Deutschland von jeher geschehen ist.
Der neue Präsident der Republik hat es sich so-
gar nicht nehmen lassen, persönlich den Schluß-
manövern beizuwohnen, sür die sämmtlichen hö-
heren Offiziere der betheiligten Armeekorps sowie
sür die ausländischen Attaches ein Paradiner
zu veranstalten und dabei in einer großen Rede
ans einzelne bewegende Punkte in der Politik
seiner Regierung einzugehcn
Das Manövergelände, nördlich von Orleans,
mußte sofort die Erinnerung an die Kämpfe
vom Oktober und Dezember 1870 wachrufen,
und die Erinnerung an den vorübergehenden Er-
folg der französischen Loire-Armee spielte denn
auch eine große Rolle in allen Reden, die ge-
halten wurden. Auch der General Galliset, der
wegen seiner nicht ganz unzweifelhaft republika-
nischen, wenn auch ausrichtig patriotischen Ge-
sinnung sür die Extremen ein steter Gegenstand
des Mißtrauens gewesen war, jetzt aber nach Er-
reichung der Altersgrenze in die Reserve über-
tritt, erinnerte an die Kämpfe, in denen die
französischen Truppen „wenigstens die Ehre ge-
rettet" hätten, und der deutsche Militärattachee
legte auf den Massengräbern Orleans, in denen
gemeinschaftlich deutsche uud französische Soldaten
zur letzten Ruhe bestattet sind, pietätvoll zwei
Kränze nieder.
Der Präsident Casimir Perier konnte diese
Reminiscenzen natürlich nicht völlig vermeiden,
indessen ging er in seiner zu Chateaudun gehal-
tenen großen Rede nach seinem Dank an die
Truppen bald zu den Aufgaben und Zielen seiner
Regierung über, indem er die Werke des Frie-
dens und des sozialen Fortschritts pries und ver-
sprach, er werde als Vertreter der Demokratie
im Namen der Toleranz alle die wichtigen Rechte
wahren, die der Executive durch die Verfassung
verliehen sind. Casimir Perier proklamirte da-
mit, freilich in etwas phrasenhafter Weise, die
Unentwegte Fortführung der festen uud doch ge-
mäßigten Politik, welche ihm das Vertrauen des
Landes, die Anerkennung der überlegenden uud
Patriotischen Mehrheit, aber auch den fanatischen
Haß der Umsturzparteien und der Neligionsfeinde
eingetragen hat. Seine Politik dürfte sicherlich
das Land vor größeren Erschütterungen, sei es

durch anarchistische, sei es auch durch orleanistische
Propaganda, bewahren._
Japan und China.
Auf die kriegerische Stimmung inJapan wirst
die Meldung von der stattgehabten dreimaligen
(Überzeichnung der Kriegsanleihe ein bezeichnendes
Schlaglicht. Die Regierung des Mikado würde jetzt,
selbst wenn sie den ehrlichen Willen dazu besäße,
es gar nicht riskiren dürfen, gegen den Strom zu
schwimmen und etwa sich der Herbeiführung einer
friedlichen Wendung der Dinge, sei es mit oder
ohne fremdmächtliche Vermittlung zuzuneigen. Der
Ehrgeiz und die Kriegslust der Japaner drängen
mit Macht auf Fortsetzung der Aktion bis zur voll-
ständigen Niederwerfung des Gegners. Man will
mit China gründliche Abrechnung halten. Das
Reich der Mitte hat bei verschiedenen Gelegenheiten
den Japanern empfindliche Demüthigungen zugefügt,
welche von letzteren nicht vergessen worden sind.
Wenn die Regierung für ihre Bestrebungen bin
sichtlich einer Reorganisation der Land- und See
macht noch europäischem Master an der öffentlichen
Meinung eine so nachhaltige und fördernde Unter-
stützung hatte, so ist das nicht am wenigsten mit
auf den allgemeinen Volkswunsch zurückzuführen,
auf alle nur mögliche Weise dafür zu sorgen, daß
Japan für erlittene Unbill sich bei den Chinesen
glänzend revanchiren könne. Voll Ungeduld schaut
man deshalb in Tokio und Aokohama nach weiteren
Siegesnachrichten von Heer und Flotte aus. Man
erwartet die Truppen demnächst in Mukden ein-
ziehen zu sehen und rechnet nicht minder auf einen
Handstreich der Flotte in der Nähe des Peihoflusses
m der Annahme, daß der moralilche Eindruck deS
Verlustes der heiligen Stadt Mukden in Verbindung
mit einer gleichzeitigen effektvollen Demonstration
gegen Peking die Chinesen schon bedenklich mürbe
machen dürfte. Ferner erscheint es sicher, wenn-
gleich in der Öffentlichkeit darüber natürlich nichts
verlautet, daß die japanischen Staatsmänner den
Ausbruch innerer Unruhen in China vorhergesetzen
unv sür diesen Fall entschlossen sind, den Sieges-
preis so hoch zu schrauben als nur immer möglich.
Im Stillen schwebt den Japanern unaufhörlich das
Bild des deutsch-französischen Krieges vor; ihre
Blätter ergehen sich in Zifferangaben betreffs der
von China zu fordernden Kriegsentschädigung, wo-
bei die abenteuerlichsten Summen genannt werden.
Korea wird bereits endgiltig als japanische Provinz
betrachtet. Für die europäische Diplomatie dürste
der Krieg in Ostasien eine Reihe äußerst schwierig
zu lösender Probleme hinteilassen. Die einzige
Möglichkeit, jetzt noch Ruhe herzustellen, läge in
der bewaffneten Einmischung Englands und Ruß
lands. Daran ist aber unter den gegenwärtigen
Umständen nicht entfernt zu denken.

Deutsches Reich.
Beriirr, 28. September.
— Der Finanzausschuß der hessischen Land-
stände hat den auch für andere Bundesstaaten
sehr empsehlenswerthen Vorschlag gemacht, der
Ausbildung der Aspiranten des höheren Ver-
waltungsdienstes (Regierungsassessoren) nach be-
standener Staatsprüfung in der Richtung der
Erwerbung eines ausreichenden Maßes von
Kenntnissen auf dem großen Gebiete der Volks-
wirthschaft, und zwar im praktischen Dienste,
eine eingehendere Aufmerksamkeit zu widmen.
Es wird neben der Ausbildung bei den eigent-
lichen Verwaltungsbehörden eine Beschäftigung
bei Fachdehörden vorgeschlagen, so bei größeren
städtischen Verwaltungen, Handelskammern, bei
der gewerblichen Zentralstelle, der oberen land-
wirihschastlichen Behörde, der statistischen Zentral-
stelle, der Zentralbehörden für die Arbeiterver-
sicheruug. Nach Ansicht des Ausschusses dürfte
es außerdem nicht ausgeschlossen sein, befähigte
Aspiranten zur Erweiterung ihres Gesichtskreises
in öffentlichen Angelegenheiten insbesondere zur
Besichtigung von volkswirthschaftlichen Einrich-
tungen und Anstalten, auf einige Zeit außerhalb
des Landes zu senden,
— Im ReichSamt des Innern ist man bereits
in Erwägungen darüber eingetreten, was gegenüber
dem amerikanischen Zolltarif für den in seiner
Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigten Rübenzucker
zu thun ist. Zunächst dürfte es sich nach der
„Frkf. Ztg." um eine Feststellung der wirthschaft-
lichen Lage der Zuckerfabriken handeln, da in erster
Linie über die Frage Klarbeit verbreitet werden
muß, ob die Gewinnergebnisse der Fabriken im All-
gemeinen derartige sind, daß die Konkurrenzfähigkeit
des deutschen Produkts bezüglich der zugefallenden
Mindestpreise durch den amerikanischen Zolltarif
bedroht erscheint.
— In der heutigen ordentlichen Generalver-
sammlung der deutschen Co I oni a l g e s e l l sch a ft
für Südwestafrika wurde mitgetheilt, daß der ver-
fügbare Vcrmögensbestand der Gesellschaft am
Schluffe des Geschäftsjahres 343 521 Mk- betrug.
Der Vorstand wurde beauftragt, die bereits geltend
gemachten Ansprüche für die Zerstörung der Herr
mannschen Schäfereiunternehmens in Kubul durch
Hendrik Witboot bei der Regierung weiter zu
verfolgen.
Karlsruhe, 27. Sept. Seine Königliche
Hoheit der Großherzog begab Sich am Dienstag
Früh 7 Uhr nach dem Manövertecrain bei Baud-
recourt. Zunächst folgte seine Königliche Hoheit
den Bewegungen der 33. Division, welche nach
Ueberschreiten der Nid östlich Wellersberg eine
Stellung einnahm, und ritt bann zur 34. Division,

die bei Lesse-Hallacourt ihrem Gegner sich vorlegte.
Gegen 12 Uhr, als die Truppen Biwacks bezogen,
kehrte Seine Königliche Hoheit der Großherzog in
Höchstsein Quartier nach Remilly zurück. ' Gestern
Früh um 5 Uhr begab Sich Höchstderselbe von
Nemillv nach dem Galgenberg südlich von Herlingen,
wo die 33. Division in Gefechtsbereitschaft biwackirte.
Nach Beginn des Gefechts ritt Seine Königliche
Hoheit in der Richtung auf Halecourt der 34.
Division entgegen, welche sich im Schutze der
Dunkelheit zwischen diesem Orte und Herlingen
zum Angriff auf den Galgenberg entwickelt hatte.
Gegen 8 Uhr Morgens war das Manöver zu Ende.
Nachdem der kommandirende General, General der
Kavallerie Graf von Haeseler, den Verlauf der drei
Manövertage besprochen hatte, verabschiedete Sich
Seine Königliche Hoheit von den Offizieren des
XVI. Armeecorps und fuhr um 2 Uhr Nachmittags
von Remilly nach Straßburg, wo Höchstderselbe die
Nacht verblieb und heute Früh nach Schloß Mai-
nau reiste.
Ausland.
Pest, 27. Sept. Zu Ende nächster Woche
wird die DelegationsLagung geschlossen. Am Montag
findet die letzte ungarische Äusschußsitzung über den
Occupationscredit statt. — Der „Magyar Mam"
klagt darüber, daß der Fürstprimas die Bischofs-
conferenz, deren Verhandlungen heute beginnen, zu
spät Unberufen habe. Das Episcopat werde gewiß
den König bitten, den Kirchenvorlagen die Geneh-
migung zu verweigern. Aber die Bitte werde viel-
leicht zu spät kommen.
London, 27. Sept. Nach aus Yokohama ein-
gegangenen Nachrichten haben die Tongkakrebellen,
die Urheber des ersten revolutionären Ausbruchs in
Korea, die Japaner bei Taiku im Süden Koreas
angegriffen. Von Soeul sind Verstärkungen abge-
gangen.
London, 27. Sept, lieber New-Jork wird der
„Agentur Dalziel" aus Shanghai gemeldet, daß
Li-Hung-Tschang in Kurzem als Vicekönig durch
den ehemaliger, Gouverneur von Hupub ersetzt werde.
Der ehemalige Gesandte in Japan sei als Zeichen
des kaiserlichen Mißfallens degradirt worden. Der
Militärgouverneur von Mukden ist zum Superin-
tendent des nördlichen Handels ernannt worden.
Vier kaiserliche Prinzen beaufsichtigen für den Kaiser
den Lauf der Dinge in Tientsin. 180,000 soge-
nannte Soldaten, meistens zusammengelaufener
Pöbel, lagern um Mukocn zu dessen Verteidigung;
die japanischen Kriegsschiffe kreuzen im Golf von
Petschili.
Sofia, 27. Sept. Durch das Entlassungs-
gesuch der liberalen Minister ist das Kabinet in
eine sehr schwierige Lage versetzt worden. Die endgil-

Aie verborgene Kccnd.
Kriminal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von Ser Have.
47) (Fortsetzung.)
Er hielt den Athem an. So stand er, vorüber-
geneigt, sein Ohr der Thürritze nahe.
Während er so stand, regungslos lauschend, sahen
seine Augen plötzlich etwas in dem fahlen Nachtlicht zu
seinen Füßen glitzern. Mit raschem Griff nahm er es
auf. Es war nichts als eine Sicherheitsnadel.
„Zum zweitenmal!" flüsterte er für sich. „Sie hat
sie verloren!" Aber was sagt das? Wie weit wären
>vir vielleicht jetzt bereits, wenn dieses nicht gekommen
lväre!"
Drinnen im Zimmer regte es sich. Ein leiser
Schritt kam durch dasselbe der Thür zu; hart an der-
selben stockte er.
Im lltu war der Lauschende an der Treppe und
glitt dieselbe hinab.
Da — ein Geräusch oben.
„Halt, — wer ist da?" ertönte eine Stimme herab.
Der Fliehende wandte den Schritt.
„Ich bin es, Madame," erwiderte er, sein Licht
wieder anzündend und zurückkehrend. „Es ist im Haufe
etwas geschehen. Das Fenster des Theezimmers stand
offen. Ich durchsuche eben jeden Winkel. Es wird
Wohl längst über alle Berge sein."
War das nicht derselbe Ausdruck, der vorhin bei
Jertha's Worten das Gesicht des neuen Dieners durch-
zuckt hatte, welchen jetzt Hella's Züge zur Schau trugen?
„Suchen Sie jedenfalls genau nach!" sagte sie mit
der im Laufe der Jahre zur Gewohnheit gewordenen,
gebietenden Stimme. „Mir siel heut abend ein Mensch
m der Allee gegenüber auf, der sich mir verdächtig
«achte. Man kann es nicht wissen. Menschen, die
etwas ausüben wollen, haben ihre ganz besonderen
Kniffe!"
Sie trat in ihr Zimmer zurück, deren Thür aber
Nicht schließend.

Der Ersatzmann des alten Johann stieg lautlos
wie zuvor die Stufen hinab. Sein vor der Hausdame
über alle Maßen ehrbares Gesicht trng einen unbezeichen-
baren Ausdruck.
„Menschen, die etwas ausüben wollen, haben ihre
ganz besonderen Kniffe!" wiederholte er für sich. „Für-
wahr, ein wahres Wort! Als ich ein Knabe war,
habe ich einmal im Theater „die Komödie der Ir-
rungen" aufführen gesehen. Parbleu, — wenn das
keine Komödie der Irrungen ist, welche augenblicklich
in diesem Hause abspielt, so will ich keine Sekunde
länger „Heinrich, der Vogelsteller" heißen!"
Einnnddreißigstes Kapitel.
Irrwege.
„Sie wünschen, mein Herr?"
Mit einer blitzschnellen Bewegung wandte der also
Angeredete sich von dem Fenster ab und dem jungen
Manne zu, welcher die Frage an ihn richtete und des-
sen Erscheinung vom ersten Moment an sein ganzes
Interesse fesselte.
„Ich habe die Ehre, Herrn Docktor Wilsemann
gegenüberzustehen?" sprach er.
„Ja," lautete dis Antwort, „und mit wem—"
„Mein Name ist Roderich Falb," sagte er. „Ich
vermuthe, daß Sie mich in der gegenwärtigen Erschei-
nung nicht erkennen, aber die Umstände erheischen die-
selbe. Jcb will mich kurz erklären. Sie vermissen eine
junge Dame, welche seit gestern Abend aus Ihrem
Hause verschwunden ist?"
Alex bejahte hastig; man iah es ihm an, daß eine
schlaflos durchwachte Nacht hinter ihm lag.
„Beunruhigen Sie sich deswegen nicht. Fräulein
Jertha Volkheim ist in Sicherheit nnd zwar in dem
Hause ihres Vaters!"
Ein Ruf des Erstaunens von Alex' Lippen war die
Antwort.
Roderich Falb fuhr fort und erzählte das Aben-
teuer.
Doktor Wilsemann war mit sichtlichem Interesse
gefolgt.
Nachdem er alles wußte, lenkte er das Gespräch

auf den mysteriösen Fall im Volkheun'schen Hause. Aber-
Falb war zurückhaltend.
Als Doktor Wilsemann sah, daß er nichts Her-
ausbringen konnte aus dem verschlossenen Beamten,
reichte er ihm vertrauensseelig die Hand und Falb ver-
abschiedete sich.

„Ach, der Herr kommen spät! Ich sagte es ja,
aber das nützte nichts! Der Besuch wollte sich durch-
aus nicht abweisen lassen, trotz der ungehörigen Stunde I"
Mit diesen Worten wurde Roderich Falb von seiner
alten Hauswirthin empfangen, als er an diesem Abend
— zur Nachtzeit schon — seine Wohnung betrat.
„Der Besuch!" fragte er, die Schneeflocken von sich
schüttelnd. „Welcher Besuch?"
„Pun, ein hübscher, junger Besuch!" lautete die
wohlgefällige Antwort. „Sehen Sie nur selbst!"
Mit einem Griff hatte Falb die Thür aufzestoßen;
— im nächsten Moment taumelte er zurück, — schlag-
getroffen-
Das vierstöckige Haus, in welchem die Wittwe
Christine Detjen wohnte, sah neben den Prachtbauten
ärml ch aus.
Ein Mann der schon langevor dem Haus auf-nnd
abgegangeu war, trat jetzt in dasselbe ein, die alte Frau
nicht wenig erschreckend, als er sagte, daß er ein Poli-
zist sei.
„Gute Frau," sagte er dann mit Nachdruck, „es
thnt mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe, aber Sie
haben gar k ine Ursache dazu. Ich will von Ihnen
nur etwas wissen. Sie sollen mir sagen, was Ihnen
von Menschen bekannt ist, welche Sie gekannt haben!"
Welche — welche Menschen sind das? Menschen,
welche vor langen Jahren einmal bei Ihnen logierten,
als Sie noch Wirthin im „Weißen Schwan" waren.
Wir sprachen schon einmal davon. Fragen Sie, ich
will Ihnen sagen, was ich kann.
„Sagen Sie mir auf Seligkeit und Gewissen, tönte
es von den Lippen des Mannes, was wissen Sie über
einen Menschen: Janos Sandory, sowie über eine von
Ihnen für seine Fran gehaltene Begleiterin, alias über
eine dritte Person, namens Hella Baumgart?" welche

vor 16 Jahren bei Ihnen im „Weißen Schwan" wohnten.
„Ich habe wahrhaftig nichts dabei gethan," stieß
sie aus. „Ich weiß nicht einmal, ob das, was ich
glaube, auch wirklich so ist."
„Aber Sie erinnern sich doch klar und deutlich
daran?"
„Ja, das thue ich,"- sagte die Alte dann. „Sie
kamen direkt vom Schiff zu mir. Es war ein schöner
Mann und eine Frau, die ich nie anders, als ver-
schleiert gesehen habe. Nur einmal, als ich unerwartet
bei ihnen eintrat, — sonst befolgte immer eine Auf-
wärterin dergleichen, — sah ich ihr Gesicht auf Augen-
blicke."

Miedererkennen wupd
Doch den schönen Herrn,

„Aber genug, daß Sie es wiedcrerkennen wüxdm
„Das glaube ick nicht! Doch den schonen Herrn,
den sah ich später noch wieder in einem Konzert; er
spielte die Geige.
„Aber Sie erinnern, daß es mit beiden, sowie mit
einer dritten Person, die zu^hnen kam, eine besondere
Bewandtniß hatte?" .
„Ja, das erinnere ich- handelte sich um ein
Kind."
„Wem gehörte dasselbe.
„Das weiß ich nicht-
„Glauben Sie, daß es dieser Frau Kind war?"
„Nein," saate sie, „m) glaube im Gegentheil, daß
die andere die Mutter war.^
„Wissen Sie, wo das Kind blieb?"
„Nein, daß. weiß ich nicht."
„Wissen Sie, "Arum tch Sie das alles so genau
frage?" „Es handelt sich um ein Verbrechen!" Zagte
Falb wohlberechnend.
Die alte Frau würde anfgeschrieen haben, wenn sie
die Kraft dazu besehen hätte.
„Ein Verbrechen! - ächzte sie.
„Ja," sprach Falb mit Nachdruck, „ein Verbrechen,
begangen von eben jenen Personen, deren Sie sich wegen
der eigenthumlichen Umstände, die sich daran knüpfen,
so genau noch erinnern. Es ist ein Mord vollführt
worden!"
„Ein Mord!"
 
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