5. Weihnaehtr-Aurgabe.
Nummer 294. H. Jahrgang. NL 1tev
Samstag, 15. Dezember 1894.
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mit 8seittgem illustrtrtem Sonntags blatt: monatlich
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die Ispaltige Petit,eile oder deren Raum 8 Pfg.,
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Seid einig!
Wir leben in der Zeit der Widmungen. Die
Weihnachtszeit läßt viele gereimte und ungereimte
Widmungen zu schönen weiblichen Handarbeiten
entstehen, geschrieben, gemalt, gestickt, in ganz
schweren Fällen auch gesungen und begleitet.
Diese allgemeine Thatenlust macht den zornigen
Eifer begreiflich, welcher sich gegen die Unbeschrie-
benheit der Marmortafel an der Hauptfront des
Reichstagsgebäudes richtet. Nach der Absicht des
Architekten Paul Wallot sollte die Tafel die Worte
aufnehmen: „Dem deutschen Volk". Daß
sie fehlen, hat ahnungsvollen Gemütbern zu fin-
steren, gebcimnißvoll angedeuteten Betrachtungen
den Anlaß geboten.
Warum fehlt die Widmung? Nun, vielleicht
hat man sich gedacht, die Aufschrift „Dem deutschen
Volke" wäre nicht ganz logisch, denn das deutsche
Volk, welches das Reichshaus mit ca. 30 Millionen
bezahlt hat, kann sich doch nicht gut selbst etwas
schenken. Das Bestreben, der Vereitelung der Auf-
schrift einen politischen Sinn zu geben, hat ver-
schiedene Raisonnements veranlaßt, eine Menge sar-
kastischer Vorschläge zu einer anderen Ausfüllung
der Tafel ist gemacht worden. Zu den originellsten
Deutungen gehört die sozialdemokratische, welche
dahin ging, man habe die Tafel freigelassen bis
zu der nahen Besitznahme des Hauses durch die
„Genossen".
Ander- bezweifeln wieder, daß der Reichstag
überhaupt Hausherr in dem neuen Gebäude ist.
In der Schlußsteinurkunde wird nicht von einem
„Reichstagsgebäude" gesprochen, sondern von einem
Haus, in welchem die gesetzgebenden Körperschaften
fortan ihrer Arbeit walten. Darnach ist es nicht
ein ReichrtagSgebäude, sondern ein Gebäude für
Bundesrath und Reichstag.
Merkwürdiger Weise ist aber in allen Gesetzen,
welche Bestimmung getroffen haben für das jetzige
neue Gebäude und die Gelder für dasselbe, aus-
drücklich die Rede von der „Errichtung des Reichs-
tagsgebäudes". Es wird sich nun fragen, ob der
BundeSrath etwa beansprucht, neben dem Vorstand
des Reichstags als Hausherr zu gelten. Ein solcher
Anspruch wäre in keiner Weise berechtigt. Dem
Bundesrath sind nur gewisse Räume eingeräumt,
um ihm die Theilnahme an den Reichstagsverhand-
lungen zu erleichtern. Das Amtslokal des Bundes-
rathes aber ist nicht im Reichßtagsgebäude, sondern
jn der Wilhelmsstraße zu Berlin.
Gesucht und Gesunden.
65) Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung 0
Die Ueberzeugung der Frau Biggs gewann an
Kraft durch einen plötzlichen Aufschrei der Bestür-
zung von Falls. „Sie sind fort!" rief die Hindu.
„Die Juwelen sind verschwunden ?" Eine ge-
naue Untersuchung der Koffer zeigte Sind«, daß
ihre kostbaren Steine total verschwunden waren.
„Fort!" keuchte Frau Biggs in den nächsten Stuhl
sinkend. „Ich bin überlistet! Um mein glänzendes
Vermögen betrogen! Fort! Und ich habe sie nicht
einmal'gesehen! Das ist hart! Aber sind Sie
auch sicher — ganz sicher. Suchen Sie nochmals
— durchsuchen Sie das ganze Zimmer!" Sie
sprang hastig auf und rannte durch daö Zimmer,
ließ das Bett auseinander, und durchsuchte die
Matratzen mit einer Wuth, daß sie dieselben bald
zerrissen hätte. Sie war außer sich vor Zorn und
Enttäuschung. Ihr aufgedunsenes, rothes Gesicht
wurde purpurn, ihre Augen blutunterlaufen. Sie
beharrte darauf, Falls körperlich zu untersuchen,
welches Vorgehen sich die Hindu nur nach langem
Widerstreben und mit zornsprühenden Blicken ge-
fallen ließ, aber die Juwelen wurden nicht gefunden.
Sind« nahm die Wuth Frau Biggs für ge-
macht an, um den Raub an ihrem Eigenthum zu
verbergen. Sie glaubte, daß die Edelsteine irgendwo
an Frau Bigg's Körper verborgen wären. Als sie mit
dem Ankleiden fertig war, hatte Frau Biggs auch
die Untersuchung Falla's beendet und sank wieder
mit lautem Verzweislungsgeheul auf einen Stuhl.
Wir wüßten übrigens einen Spruch, der sich
auf der Widmungstafel des neuen Reichstagspalastes
sehr gut ausnchmcn würde:
„Seid einig!"
Nach vielen Jahrhunderten der Uneinigkeit ist
diese Mahnung so räthlich, daß ihr die edelste
Stelle angewiesen werden sollte. Und heute ist in
dem geeinten Deutschland der Zwist so vielfach zu
Hause; im Reichstag selbst erhebt er so trotzig sein
struppiges Haupt, daß die Erinnerung unmittel-
baren Anlaß hat. Ihr tiefer Sinn, leicht ver-
standen, aber schwer befolgt, würde den Vertretern
der Nation sich einprägen und in diesem Falle der
schönste Schmuck des Hauses sein.
Gerade jetzt, wo eifrige Staatsanwälte bestrebt
sind, eine der Grundfesten des Parlamentes, die
Redefreiheit, zu untergraben, ist dieser Ruf sehr
am Platze. Die gejammte deutsche Presse aller
Parteien, die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg." natürlich
ausgenommen, hat in diesen Tagen derlei Bestre
bkngen als einen Eingriff in die Rechte des Volkes
hingestellt — hoffentlich wird sich der Reichstag in
dieser und noch in einer Reihe von anderen bren-
nenden Fragen dieser Rechte erinnern und dieselben
nach Kräften zu wahren wissen. Ein Redner beim
Wallot-Feste in Berlin hat visionär von dem Glanze
ungeschriebener Lettern gesprochen. Möchten,
damit niemals an der Wand des Sitzungssaales
unsichtbare Hände für das deutsche Reich - das
„Usno tsstsl" schreiben, alle Abgeordneten immer
mit geistigem Blicke die Lapidarschrift festhallen:
„Seid einig!"
Berlin, 15. Dezember.
— In der Singakademie sand gestern unter
Anwesenheit des Kaisers und der Kaiserin
der Kaiserin Friedrich und überaus zahlreicher
Vertreter der Wissenschaft und Studirender die
Gedüchtn ßfeier für Professor Helmholtz statt.
Vor dem Podium war eine Kolossalbüste des Ver-
storbenen aufgestellt. Nachdem die Feier durch
Chorgesang eingeleitet worden war, hielt Pro-
fessor Bezold die Gedächtnißrede, worin er die
ruhmreiche Laufbahn des Verstorbenen darlegte,
bei dem eine wunderbare Vereinigung von Vor-
zügen des Geistes und Charakters die staunens-
werthen Leistungen bedingten. Die Feier schloß
mit dem Vortrag des „Abendliedes" von Schu-
mann durchProsessor Joachim und achtstimmigem
Chorgesang.
— Eine große Einspruchsversamlung alter
Anarchisten gegen die Umsturzvorlage soll
Sonntag in den Viktoriasälen in Nixdorf abge-
halten werden. Wie die Anarchisten behaupten,
sollen in den jüngsten Tagen zahlreiche Genossen
wegen Majestätsbeleidigung verhaftet worden sein.
„Es war Simon!" schrie daö Weib. „Er ist mir
also doch zuvorgekommen, der unnatürliche, und
undankbare Sohn! Er hat die kostbaren Juwelen
gestohlen!"— „Simon!" wiederholte Sinda. „Ist
er in dem Hause?" — „Ja, er kam heute Abend.
Und ich erzählte ihm von den Juwelen!" klagte
Frau Biggs. „Und er hat sie genommen. O, ich
könnte ihn verfluchen, ja, ich thäte es mit Lust.
Aber ich will sie doch noch haben, ich will —"
In demselben Augenblicke wurden in dem Vor-
hause schwere Tritte gehört, und Jemand rüttelte
heftig an Smda's Zimmerthür. „Es ist Simon !"
schrie Frau Biggs. Fall« ging zur Thüre und
öffnete sie. Simon Biggs trat ein, wild und
ungestüm, ein vagabundenhaft aussehender Mensch,
vor dem Sinda erschrocken und voll Furcht zurück-
fuhr. Das Licht flackerte auf und die Schatten m
den Winkeln des Zimmers erschienen noch dunkler.
Die drei Frauen standen alle im Lichtkreise und
ihre Gesichter hoben sich scharf von dem rothflackern-
den Schein ab. Simon Biggs sckaute erst seine
Mutter an, dann die Hindu und dann blieben
seine Blicke voll starrer Verwunderung auf Sinda
haften.
Die vornehme Schönheit des jungen Mädchens,
ihre schlanke Gestalt, der kleine, edelgeformte Kopf,
die Anmuth ihrer Haltung, der Glanz ihrer großen,
weit geöffneten Augen, die herrliche Schönheit ihres
Gesichtes, das Alles machte einen gewaltigen Ein-
druck auf ihn Er betrachtete sie einige Äugeblicke
lang in erstauntem Schweigen und wandte sich dann
tief' auiathmend an seine Mutter, die er in bar-
schem, kurzem Tone fragte: „Was ist das für
ein Lärm, Alte? Worüber hast Du geheult?
— Der Reichsanzeiger veröffentlicht eine kaiser-
liche Verordnung vom 12. Dez., derzufolge die ge-
samte Verwaltung der Schutzgebiete ein-
schließlich der Behörden und Beamten der Colo-
nialabtheilung des Auswärtigen Amtes
unterstellt wird, welche die Angelegenheiten
unter dieser Bezeichnung und unter der unmittel-
baren Verantwortlichkeit des Reichskanzlers wahrzu-
nehmen hat. Soweit es sich um Beziehungen
zu auswärtigen Staaten und um die allgemeine
Politik handelt, bleibt die Colonialabtheilung dem
Staatssekretär des A u s w ärt i g en unter-
stellt.
Königsberg i. Pr., 14. Dez. Auf die Adresse
deSostpreußischenlandwirthschaftlichen
Centra lv er e i ns an den Reichskanzler Fürsten
Hohenlohe ging dem Vereine eine Antwort des
Reichskanzlers zu, in der es heißt: „Dem Vor-
stand spreche ich gern die Versicherung aus, daß
ich als Reichskanzler wie als Ministerpräsident dem
für die Wohlfahrt des Vaterlandes so wichtigen
landwirthschafllichsn Gewerbe meine besondere Theil-
nahms und allen mit dem allgemeinen Interesse
verträglichen Maßregeln, die seine schwierige Lage
zu erleichtern geeignet sind, meine thätige Fürsorge
zuwenden werde."
Karlsruhe, 15. Dez. Seine Königliche Hoheit
der Großherzog nahm gestern Vormittag den Vortrag
des Stadtraths Dr. Buchenberger entgegen und
empfing darauf den Grafen Vandalin Mniszech
aus Darmstadt, sowie den Major Linde, Bataillons-
kommandeur im 7. Rheinischen Infanterie-Regiment
Nr. 69, zur Meldung. Gest-rn Mittag empfing
Seine Königliche Hoheit den kommanduenden
General des XIV. Armeecorps, General der In-
fanterie v. Schlichting, und hörte danach den Vor-
trag des Legationsraths Dr. Freiberrn v. Babo.
Nach 5 Uhr traf Seine Königliche Hoheit der Erb-
großherzog von Freiburg hier ein, um Morgen der
Feier des 30jährigen Bestehens des Badischen
Trainbataillvns Nr. 14 in Durlach anzuwohnen.
Metz, 14. Dez. Der kaiserliche Statt-
halter, in dessen Begleitung sich, auß^r seinem
Sohne, dem Erbprinzen Ernst Hohenlohe-Langen-
burg, der Staatssekretär v Puttkamer, der Chef des
literarischen Bureaus, Graf Wartensleben, der
Regierungsrath Dr. Dieckhoff und Major v- Dirings-
hofen befanden, traf 3,18 Uhr hier ein. Die Be-
grüßung fand durch den kommandirenden General
Grafen Haeseler, den Gouverneur und den Kom-
mandanten der Festung, den Bezirksprästdenten
Frhr. v. Hammerstcin, den Bürgermeister Halm
und den Polizeidirektor Frhr. v. Li ebenstem statt.
Jn und vor dem Bahnhof hatte sich ein zahlreiches
Publikum versammelt, das den Statthalter mit
Hochrufen begrüßt. Die Stadt ist reich beflaggt.
Vom Bahnhof fuhr der Fürst nach dem Bezirks-
„Was thust Du in »steser Stunde hier?" —„Eine
schöne Frage von Dir, Du Vagabund", schricFrau
Biggs. „Du Räuber — Du Dieb—" „Ah, Du
hast wieder einmal zu viel getrunken, nicht wahr ?"
fragte Simon. „Wer ist die — diese junge
Dame?" — „Es ist Deine eigene Schwester
Rhoda", rief Frau Biggs aus. „Deine Schwester,
von der wir glaubten, daß sie in Indien umgekom
men ist, aber ein Eep:y hat sie gestohlen und sie
war eine Königin und hat eine ungeheure Menge
von Juwelen, die Dein und mein Glück machen
werden, wenn Alles zwischen uns glatt geht,
Simon. —" — „Sie meine Schwester? schrie
Simon Biggs ungläubig. „Sie!" und er deutete
auf Sinda. „Das ist ein guter Spaß —"
„Es ist wahr! unterbrach ihn Frau Biggs hef-
tig und hastig. „Ich kann Dir die Beweise zeigen."
— „Sie sieht wahrhaftig nicht in die Familie",
bemerkte Simon. „Sonderbar, wie zu uns etwas
so Aristokratisches sich verirrt! Wie geht's Rhody?
Gib doch die Hand!" Er reichte ihr die derbe,
Hand hin und Sinda legte, vor Furcht ihre weiße
Hand darauf- Sein Blick wanderte von ihrem
Gesichte nach der Hand und blieb an den Ringen
haften, die ihre schlanken, weißen Finger schmückten.
Ihr Glanz und Schimmer erinnerte ihn an die
kostbaren Besitzungen, die er momentan vergessen
hatte. — „Ei, es ist sehr gut für Dich, daß Dich
der Scpoy gestohlen hat," murmelte er. „Diese
Hindu machten eine Dame aus Dir. Ich hätte
mir gar nichts draus gemacht, wenn ich auch draußen
gewesen wär und man mich gestohlen hätte." „Rhoda
war immer ganz anders als Du!" erklärte Frau
Biggs halb ärgerlich, Kalb verächtlich. „Mein Gott,
Präsidium, wo er die Kaifergemächer bewohnt. Gleich
nach der Ankunft fand Empfang der Behörden,
der Geistlichkeit aller Konfessionen, der Lehrkörper
der höheren Schulen, der hiesigen Mitglieder des
Bezirkstags, des Gemeinderaths, der Handelskammer
u. s. w. statt. Jedem sagte der Fürst ein freund-
liches Wort. Heute Abend ist ein Mahl zu 40
Gedecken im „Grand Hotel". Für Morgen ist
ein Besuch der Kathedrale und der öffentlichen
Anstalten angesetzt.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 14. Dezember.
Abg. Dr. Paasche (ntl.) begründet seine
Interpellation betreffend die Abänderung des
Zucker st eucrgesetzes, weist darauf hin, daß
die Konkurenzstaaten ihre Zuckerprämien nicht her-
absetzten, legt die traurige Lage der Zuckerindustrie,
die Uebcrproduktion sowie die Nothlage der Land-
wirtbschaft dar und empfiehlt eine Erhöhung der
Ausfuhrprämie.
Staatssekretär Graf Posadowsky: Die Noth
der Zuckerindustrie ist einerseits eine Folge der be-
sonderen amerikanischen Zollauflage. Wir sind von
Amerika trotz der Meistbegünstigung differenziell
behandelt. Der Differenzialzoll drückt nicht nur
den Erportzucker, sondern auch die deutsche Gesammt-
produktion; man hätte die Zuckerprämie nicht aus
der Hand geben sollen. Anderseits ist der Grund
der Nothlage die Ueberproduktion. Die Zuckerkrise
wäre volkswirthschaftlich sehr gefährlich und käme
nur dem Ausland zu Gute. Das Verhältniß zu
Amerika sei noch ungeklärt Klare Vorschläge seien
noL unmöglich. Der Reichskanzler habe di? Zucker-
krise zum Gegenstand einer vorsorglichen Prüfung
gemacht. Jn Verbindung mit dem preußischen
Ministerium würde er sich seiner Zeit an oje ver-
bündeten Regierungen wenden und der Frage stets
volles Wohlwollen zu Theil werden lassen. (Leb-
hafter Beifall.)
Abg. Richter tadelt, daß Graf Posadowsky
diese Gedanken bisher verborgen und damit erst
nach dem Kanzlerwechsel komme. (Heiterkeit.) Redner
bekämpft die Zuckrprämie; der Rübenindustrie thue
Stetigkeit der Gesetzgebung noth. Eine Prämien-
erhöhung unserseits würde eine Erhöhung des ameri-
kanischen Differentialzolles berbeiführen. Der beste
Weg zur Abhilfe wäre ein neuer Handelsvertrag
mit Amerika.
Graf Posadowsky betont, er habe sich stets in
Uebereinstimmunz mit dem früheren Kanzler befunden
und hätte bei einer Nichtübereinstimmung seine
Enllassung erbeten. (Beifall.) Die Landwirth-
schaft sei einer der wichtigsten Betriebe des Staates.
Jede Regierung könne den Bankerott erklären, welche
ite nicht berücksichtige.
ich war auch schlank, wie ich ein junges Frauen-
zimmer war, so schlank wie — nun, nicht wie
Rhoda, «der so wie ihre Freundin, Katharine Elliot,
eine vornehme, schöne Dame, die ein großes Ver-
mögen hat und eine reiche Erbin sein wird und
wenigstens einen Herzog heirathcn kann !" —„Was
geht mich Katharina, oder wie heißt, an!" rief
Simon Biggs aus, die im Zimmer herrschende
Unordnung bemerkend und von einer plötzlichen
Furcht erfaßt, „^ch habe Dich schon einmal gefragt,
was Du zu dieser Stunde hier thust? Und warum
ist das Zimmer in solcher Unordnung ?" „Als ob
Du es nicht wüßtest," rief Frau Biggs. „Gib
mir die Juwelen, Simon und ich will sie mit Dir
theilcn, aber sie gehören mir und nicht Dir. Ich
bin Rhodas Mutter und ihr Eigentbum gehört
mir." — „Die Juwelen!" wiederh-llte Simon
BiggS. „Was ist's damit!" — „Du hast sie
genommen!" schrie feine Mutter. — „Ich?Z Was
meinst Du?".— „So, Du stellst Dich, als ob
Du nichts wüßtfft? Sie sind fort, die Juwelen
find fort und Du hast sie gestohlen."
Simon Biggs wich einige Schritte zurück, sein
Gesicht erglühte und seine Äugen wanderten von
Einer zur Anderen in der Gruppe. Dann erzwang
er ein Lachen. — Geh", sagte er. „Das ist nur
ein Scherz von Dir. die Juwelen sind hier, nicht
wahr?" — „Du weißt, daß sie nicht da sind."
— „Dann weiß ich auch, daß Du sie genommen
hast! Ich war bis heute Nacht gar nicht im Hause.
Du kannst mich nicht betrügen, Alte. Die Hälfte
der Steine gehören mir. Gib sie doch heraus!"
Frau Biggs brach, in laute Klagen aus und rang
die Hände und klagte ihren Sohn des Verrathes
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Wir leben in der Zeit der Widmungen. Die
Weihnachtszeit läßt viele gereimte und ungereimte
Widmungen zu schönen weiblichen Handarbeiten
entstehen, geschrieben, gemalt, gestickt, in ganz
schweren Fällen auch gesungen und begleitet.
Diese allgemeine Thatenlust macht den zornigen
Eifer begreiflich, welcher sich gegen die Unbeschrie-
benheit der Marmortafel an der Hauptfront des
Reichstagsgebäudes richtet. Nach der Absicht des
Architekten Paul Wallot sollte die Tafel die Worte
aufnehmen: „Dem deutschen Volk". Daß
sie fehlen, hat ahnungsvollen Gemütbern zu fin-
steren, gebcimnißvoll angedeuteten Betrachtungen
den Anlaß geboten.
Warum fehlt die Widmung? Nun, vielleicht
hat man sich gedacht, die Aufschrift „Dem deutschen
Volke" wäre nicht ganz logisch, denn das deutsche
Volk, welches das Reichshaus mit ca. 30 Millionen
bezahlt hat, kann sich doch nicht gut selbst etwas
schenken. Das Bestreben, der Vereitelung der Auf-
schrift einen politischen Sinn zu geben, hat ver-
schiedene Raisonnements veranlaßt, eine Menge sar-
kastischer Vorschläge zu einer anderen Ausfüllung
der Tafel ist gemacht worden. Zu den originellsten
Deutungen gehört die sozialdemokratische, welche
dahin ging, man habe die Tafel freigelassen bis
zu der nahen Besitznahme des Hauses durch die
„Genossen".
Ander- bezweifeln wieder, daß der Reichstag
überhaupt Hausherr in dem neuen Gebäude ist.
In der Schlußsteinurkunde wird nicht von einem
„Reichstagsgebäude" gesprochen, sondern von einem
Haus, in welchem die gesetzgebenden Körperschaften
fortan ihrer Arbeit walten. Darnach ist es nicht
ein ReichrtagSgebäude, sondern ein Gebäude für
Bundesrath und Reichstag.
Merkwürdiger Weise ist aber in allen Gesetzen,
welche Bestimmung getroffen haben für das jetzige
neue Gebäude und die Gelder für dasselbe, aus-
drücklich die Rede von der „Errichtung des Reichs-
tagsgebäudes". Es wird sich nun fragen, ob der
BundeSrath etwa beansprucht, neben dem Vorstand
des Reichstags als Hausherr zu gelten. Ein solcher
Anspruch wäre in keiner Weise berechtigt. Dem
Bundesrath sind nur gewisse Räume eingeräumt,
um ihm die Theilnahme an den Reichstagsverhand-
lungen zu erleichtern. Das Amtslokal des Bundes-
rathes aber ist nicht im Reichßtagsgebäude, sondern
jn der Wilhelmsstraße zu Berlin.
Gesucht und Gesunden.
65) Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung 0
Die Ueberzeugung der Frau Biggs gewann an
Kraft durch einen plötzlichen Aufschrei der Bestür-
zung von Falls. „Sie sind fort!" rief die Hindu.
„Die Juwelen sind verschwunden ?" Eine ge-
naue Untersuchung der Koffer zeigte Sind«, daß
ihre kostbaren Steine total verschwunden waren.
„Fort!" keuchte Frau Biggs in den nächsten Stuhl
sinkend. „Ich bin überlistet! Um mein glänzendes
Vermögen betrogen! Fort! Und ich habe sie nicht
einmal'gesehen! Das ist hart! Aber sind Sie
auch sicher — ganz sicher. Suchen Sie nochmals
— durchsuchen Sie das ganze Zimmer!" Sie
sprang hastig auf und rannte durch daö Zimmer,
ließ das Bett auseinander, und durchsuchte die
Matratzen mit einer Wuth, daß sie dieselben bald
zerrissen hätte. Sie war außer sich vor Zorn und
Enttäuschung. Ihr aufgedunsenes, rothes Gesicht
wurde purpurn, ihre Augen blutunterlaufen. Sie
beharrte darauf, Falls körperlich zu untersuchen,
welches Vorgehen sich die Hindu nur nach langem
Widerstreben und mit zornsprühenden Blicken ge-
fallen ließ, aber die Juwelen wurden nicht gefunden.
Sind« nahm die Wuth Frau Biggs für ge-
macht an, um den Raub an ihrem Eigenthum zu
verbergen. Sie glaubte, daß die Edelsteine irgendwo
an Frau Bigg's Körper verborgen wären. Als sie mit
dem Ankleiden fertig war, hatte Frau Biggs auch
die Untersuchung Falla's beendet und sank wieder
mit lautem Verzweislungsgeheul auf einen Stuhl.
Wir wüßten übrigens einen Spruch, der sich
auf der Widmungstafel des neuen Reichstagspalastes
sehr gut ausnchmcn würde:
„Seid einig!"
Nach vielen Jahrhunderten der Uneinigkeit ist
diese Mahnung so räthlich, daß ihr die edelste
Stelle angewiesen werden sollte. Und heute ist in
dem geeinten Deutschland der Zwist so vielfach zu
Hause; im Reichstag selbst erhebt er so trotzig sein
struppiges Haupt, daß die Erinnerung unmittel-
baren Anlaß hat. Ihr tiefer Sinn, leicht ver-
standen, aber schwer befolgt, würde den Vertretern
der Nation sich einprägen und in diesem Falle der
schönste Schmuck des Hauses sein.
Gerade jetzt, wo eifrige Staatsanwälte bestrebt
sind, eine der Grundfesten des Parlamentes, die
Redefreiheit, zu untergraben, ist dieser Ruf sehr
am Platze. Die gejammte deutsche Presse aller
Parteien, die offiziöse „Nordd. Allg. Ztg." natürlich
ausgenommen, hat in diesen Tagen derlei Bestre
bkngen als einen Eingriff in die Rechte des Volkes
hingestellt — hoffentlich wird sich der Reichstag in
dieser und noch in einer Reihe von anderen bren-
nenden Fragen dieser Rechte erinnern und dieselben
nach Kräften zu wahren wissen. Ein Redner beim
Wallot-Feste in Berlin hat visionär von dem Glanze
ungeschriebener Lettern gesprochen. Möchten,
damit niemals an der Wand des Sitzungssaales
unsichtbare Hände für das deutsche Reich - das
„Usno tsstsl" schreiben, alle Abgeordneten immer
mit geistigem Blicke die Lapidarschrift festhallen:
„Seid einig!"
Berlin, 15. Dezember.
— In der Singakademie sand gestern unter
Anwesenheit des Kaisers und der Kaiserin
der Kaiserin Friedrich und überaus zahlreicher
Vertreter der Wissenschaft und Studirender die
Gedüchtn ßfeier für Professor Helmholtz statt.
Vor dem Podium war eine Kolossalbüste des Ver-
storbenen aufgestellt. Nachdem die Feier durch
Chorgesang eingeleitet worden war, hielt Pro-
fessor Bezold die Gedächtnißrede, worin er die
ruhmreiche Laufbahn des Verstorbenen darlegte,
bei dem eine wunderbare Vereinigung von Vor-
zügen des Geistes und Charakters die staunens-
werthen Leistungen bedingten. Die Feier schloß
mit dem Vortrag des „Abendliedes" von Schu-
mann durchProsessor Joachim und achtstimmigem
Chorgesang.
— Eine große Einspruchsversamlung alter
Anarchisten gegen die Umsturzvorlage soll
Sonntag in den Viktoriasälen in Nixdorf abge-
halten werden. Wie die Anarchisten behaupten,
sollen in den jüngsten Tagen zahlreiche Genossen
wegen Majestätsbeleidigung verhaftet worden sein.
„Es war Simon!" schrie daö Weib. „Er ist mir
also doch zuvorgekommen, der unnatürliche, und
undankbare Sohn! Er hat die kostbaren Juwelen
gestohlen!"— „Simon!" wiederholte Sinda. „Ist
er in dem Hause?" — „Ja, er kam heute Abend.
Und ich erzählte ihm von den Juwelen!" klagte
Frau Biggs. „Und er hat sie genommen. O, ich
könnte ihn verfluchen, ja, ich thäte es mit Lust.
Aber ich will sie doch noch haben, ich will —"
In demselben Augenblicke wurden in dem Vor-
hause schwere Tritte gehört, und Jemand rüttelte
heftig an Smda's Zimmerthür. „Es ist Simon !"
schrie Frau Biggs. Fall« ging zur Thüre und
öffnete sie. Simon Biggs trat ein, wild und
ungestüm, ein vagabundenhaft aussehender Mensch,
vor dem Sinda erschrocken und voll Furcht zurück-
fuhr. Das Licht flackerte auf und die Schatten m
den Winkeln des Zimmers erschienen noch dunkler.
Die drei Frauen standen alle im Lichtkreise und
ihre Gesichter hoben sich scharf von dem rothflackern-
den Schein ab. Simon Biggs sckaute erst seine
Mutter an, dann die Hindu und dann blieben
seine Blicke voll starrer Verwunderung auf Sinda
haften.
Die vornehme Schönheit des jungen Mädchens,
ihre schlanke Gestalt, der kleine, edelgeformte Kopf,
die Anmuth ihrer Haltung, der Glanz ihrer großen,
weit geöffneten Augen, die herrliche Schönheit ihres
Gesichtes, das Alles machte einen gewaltigen Ein-
druck auf ihn Er betrachtete sie einige Äugeblicke
lang in erstauntem Schweigen und wandte sich dann
tief' auiathmend an seine Mutter, die er in bar-
schem, kurzem Tone fragte: „Was ist das für
ein Lärm, Alte? Worüber hast Du geheult?
— Der Reichsanzeiger veröffentlicht eine kaiser-
liche Verordnung vom 12. Dez., derzufolge die ge-
samte Verwaltung der Schutzgebiete ein-
schließlich der Behörden und Beamten der Colo-
nialabtheilung des Auswärtigen Amtes
unterstellt wird, welche die Angelegenheiten
unter dieser Bezeichnung und unter der unmittel-
baren Verantwortlichkeit des Reichskanzlers wahrzu-
nehmen hat. Soweit es sich um Beziehungen
zu auswärtigen Staaten und um die allgemeine
Politik handelt, bleibt die Colonialabtheilung dem
Staatssekretär des A u s w ärt i g en unter-
stellt.
Königsberg i. Pr., 14. Dez. Auf die Adresse
deSostpreußischenlandwirthschaftlichen
Centra lv er e i ns an den Reichskanzler Fürsten
Hohenlohe ging dem Vereine eine Antwort des
Reichskanzlers zu, in der es heißt: „Dem Vor-
stand spreche ich gern die Versicherung aus, daß
ich als Reichskanzler wie als Ministerpräsident dem
für die Wohlfahrt des Vaterlandes so wichtigen
landwirthschafllichsn Gewerbe meine besondere Theil-
nahms und allen mit dem allgemeinen Interesse
verträglichen Maßregeln, die seine schwierige Lage
zu erleichtern geeignet sind, meine thätige Fürsorge
zuwenden werde."
Karlsruhe, 15. Dez. Seine Königliche Hoheit
der Großherzog nahm gestern Vormittag den Vortrag
des Stadtraths Dr. Buchenberger entgegen und
empfing darauf den Grafen Vandalin Mniszech
aus Darmstadt, sowie den Major Linde, Bataillons-
kommandeur im 7. Rheinischen Infanterie-Regiment
Nr. 69, zur Meldung. Gest-rn Mittag empfing
Seine Königliche Hoheit den kommanduenden
General des XIV. Armeecorps, General der In-
fanterie v. Schlichting, und hörte danach den Vor-
trag des Legationsraths Dr. Freiberrn v. Babo.
Nach 5 Uhr traf Seine Königliche Hoheit der Erb-
großherzog von Freiburg hier ein, um Morgen der
Feier des 30jährigen Bestehens des Badischen
Trainbataillvns Nr. 14 in Durlach anzuwohnen.
Metz, 14. Dez. Der kaiserliche Statt-
halter, in dessen Begleitung sich, auß^r seinem
Sohne, dem Erbprinzen Ernst Hohenlohe-Langen-
burg, der Staatssekretär v Puttkamer, der Chef des
literarischen Bureaus, Graf Wartensleben, der
Regierungsrath Dr. Dieckhoff und Major v- Dirings-
hofen befanden, traf 3,18 Uhr hier ein. Die Be-
grüßung fand durch den kommandirenden General
Grafen Haeseler, den Gouverneur und den Kom-
mandanten der Festung, den Bezirksprästdenten
Frhr. v. Hammerstcin, den Bürgermeister Halm
und den Polizeidirektor Frhr. v. Li ebenstem statt.
Jn und vor dem Bahnhof hatte sich ein zahlreiches
Publikum versammelt, das den Statthalter mit
Hochrufen begrüßt. Die Stadt ist reich beflaggt.
Vom Bahnhof fuhr der Fürst nach dem Bezirks-
„Was thust Du in »steser Stunde hier?" —„Eine
schöne Frage von Dir, Du Vagabund", schricFrau
Biggs. „Du Räuber — Du Dieb—" „Ah, Du
hast wieder einmal zu viel getrunken, nicht wahr ?"
fragte Simon. „Wer ist die — diese junge
Dame?" — „Es ist Deine eigene Schwester
Rhoda", rief Frau Biggs aus. „Deine Schwester,
von der wir glaubten, daß sie in Indien umgekom
men ist, aber ein Eep:y hat sie gestohlen und sie
war eine Königin und hat eine ungeheure Menge
von Juwelen, die Dein und mein Glück machen
werden, wenn Alles zwischen uns glatt geht,
Simon. —" — „Sie meine Schwester? schrie
Simon Biggs ungläubig. „Sie!" und er deutete
auf Sinda. „Das ist ein guter Spaß —"
„Es ist wahr! unterbrach ihn Frau Biggs hef-
tig und hastig. „Ich kann Dir die Beweise zeigen."
— „Sie sieht wahrhaftig nicht in die Familie",
bemerkte Simon. „Sonderbar, wie zu uns etwas
so Aristokratisches sich verirrt! Wie geht's Rhody?
Gib doch die Hand!" Er reichte ihr die derbe,
Hand hin und Sinda legte, vor Furcht ihre weiße
Hand darauf- Sein Blick wanderte von ihrem
Gesichte nach der Hand und blieb an den Ringen
haften, die ihre schlanken, weißen Finger schmückten.
Ihr Glanz und Schimmer erinnerte ihn an die
kostbaren Besitzungen, die er momentan vergessen
hatte. — „Ei, es ist sehr gut für Dich, daß Dich
der Scpoy gestohlen hat," murmelte er. „Diese
Hindu machten eine Dame aus Dir. Ich hätte
mir gar nichts draus gemacht, wenn ich auch draußen
gewesen wär und man mich gestohlen hätte." „Rhoda
war immer ganz anders als Du!" erklärte Frau
Biggs halb ärgerlich, Kalb verächtlich. „Mein Gott,
Präsidium, wo er die Kaifergemächer bewohnt. Gleich
nach der Ankunft fand Empfang der Behörden,
der Geistlichkeit aller Konfessionen, der Lehrkörper
der höheren Schulen, der hiesigen Mitglieder des
Bezirkstags, des Gemeinderaths, der Handelskammer
u. s. w. statt. Jedem sagte der Fürst ein freund-
liches Wort. Heute Abend ist ein Mahl zu 40
Gedecken im „Grand Hotel". Für Morgen ist
ein Besuch der Kathedrale und der öffentlichen
Anstalten angesetzt.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 14. Dezember.
Abg. Dr. Paasche (ntl.) begründet seine
Interpellation betreffend die Abänderung des
Zucker st eucrgesetzes, weist darauf hin, daß
die Konkurenzstaaten ihre Zuckerprämien nicht her-
absetzten, legt die traurige Lage der Zuckerindustrie,
die Uebcrproduktion sowie die Nothlage der Land-
wirtbschaft dar und empfiehlt eine Erhöhung der
Ausfuhrprämie.
Staatssekretär Graf Posadowsky: Die Noth
der Zuckerindustrie ist einerseits eine Folge der be-
sonderen amerikanischen Zollauflage. Wir sind von
Amerika trotz der Meistbegünstigung differenziell
behandelt. Der Differenzialzoll drückt nicht nur
den Erportzucker, sondern auch die deutsche Gesammt-
produktion; man hätte die Zuckerprämie nicht aus
der Hand geben sollen. Anderseits ist der Grund
der Nothlage die Ueberproduktion. Die Zuckerkrise
wäre volkswirthschaftlich sehr gefährlich und käme
nur dem Ausland zu Gute. Das Verhältniß zu
Amerika sei noch ungeklärt Klare Vorschläge seien
noL unmöglich. Der Reichskanzler habe di? Zucker-
krise zum Gegenstand einer vorsorglichen Prüfung
gemacht. Jn Verbindung mit dem preußischen
Ministerium würde er sich seiner Zeit an oje ver-
bündeten Regierungen wenden und der Frage stets
volles Wohlwollen zu Theil werden lassen. (Leb-
hafter Beifall.)
Abg. Richter tadelt, daß Graf Posadowsky
diese Gedanken bisher verborgen und damit erst
nach dem Kanzlerwechsel komme. (Heiterkeit.) Redner
bekämpft die Zuckrprämie; der Rübenindustrie thue
Stetigkeit der Gesetzgebung noth. Eine Prämien-
erhöhung unserseits würde eine Erhöhung des ameri-
kanischen Differentialzolles berbeiführen. Der beste
Weg zur Abhilfe wäre ein neuer Handelsvertrag
mit Amerika.
Graf Posadowsky betont, er habe sich stets in
Uebereinstimmunz mit dem früheren Kanzler befunden
und hätte bei einer Nichtübereinstimmung seine
Enllassung erbeten. (Beifall.) Die Landwirth-
schaft sei einer der wichtigsten Betriebe des Staates.
Jede Regierung könne den Bankerott erklären, welche
ite nicht berücksichtige.
ich war auch schlank, wie ich ein junges Frauen-
zimmer war, so schlank wie — nun, nicht wie
Rhoda, «der so wie ihre Freundin, Katharine Elliot,
eine vornehme, schöne Dame, die ein großes Ver-
mögen hat und eine reiche Erbin sein wird und
wenigstens einen Herzog heirathcn kann !" —„Was
geht mich Katharina, oder wie heißt, an!" rief
Simon Biggs aus, die im Zimmer herrschende
Unordnung bemerkend und von einer plötzlichen
Furcht erfaßt, „^ch habe Dich schon einmal gefragt,
was Du zu dieser Stunde hier thust? Und warum
ist das Zimmer in solcher Unordnung ?" „Als ob
Du es nicht wüßtest," rief Frau Biggs. „Gib
mir die Juwelen, Simon und ich will sie mit Dir
theilcn, aber sie gehören mir und nicht Dir. Ich
bin Rhodas Mutter und ihr Eigentbum gehört
mir." — „Die Juwelen!" wiederh-llte Simon
BiggS. „Was ist's damit!" — „Du hast sie
genommen!" schrie feine Mutter. — „Ich?Z Was
meinst Du?".— „So, Du stellst Dich, als ob
Du nichts wüßtfft? Sie sind fort, die Juwelen
find fort und Du hast sie gestohlen."
Simon Biggs wich einige Schritte zurück, sein
Gesicht erglühte und seine Äugen wanderten von
Einer zur Anderen in der Gruppe. Dann erzwang
er ein Lachen. — Geh", sagte er. „Das ist nur
ein Scherz von Dir. die Juwelen sind hier, nicht
wahr?" — „Du weißt, daß sie nicht da sind."
— „Dann weiß ich auch, daß Du sie genommen
hast! Ich war bis heute Nacht gar nicht im Hause.
Du kannst mich nicht betrügen, Alte. Die Hälfte
der Steine gehören mir. Gib sie doch heraus!"
Frau Biggs brach, in laute Klagen aus und rang
die Hände und klagte ihren Sohn des Verrathes