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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 251 - Nr. 260 (26. Oktober - 6. November)
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Kummer 2LS. H. Jahrgang

Donnerstag, 1. November 1894


für Heidelberg und Umgegend

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K-epedition: ^LcrupLstrcrße Mr. 25.

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AM- Telephon-AnfchLutz Nr. 1tt2. "GW
Tie wirthschaftlichen Aufgaben und
das politische Leben in Deutschland.
Wohl ist es richtig, daß man unter der Be-
handlung der politischen Angelegenheiten eines
Landes in erster Linie oft gar nicht laran denkt,
daß auch die wirthschaftlichen Fragen ein sehr
wichtiger Theil einer guten Politik sind, denn
sehr oft handelt es sich im politischen Leben eines
Volkes um den Kampf ums Dasein nach außen,
Am Fragen der für den Staat grundlegenden
Verfassung, um Reform der Rechtspflege, um
Heeresangelegenheiten und andere Dinge. Nicht
Zu vergessen ist ferner auch, daß die Kämpfe der
Parteien und die damit im Zusammenhänge
stehenden parlamentarischen Machtfragen das poli-
tische Leben und Streben derartig ausfüllen, daß
lange Zeit hinaus die Politiker gar nicht daran
denken, daß sie eigentlich auch noch sehr nahe
liegende wirthschaftliche Aufgaben zu lösen haben.
Freilich will Vielen das wirthschaftliche Problem
oft minderwerthig erscheinen, doch ist dies eine
sehr einseitige Auffassung des politischen Strebens.
Ein gutes, befriedigendes Auskommen der Staats-
bürger, also ein blühendes Erwerbsleben, somit
die Erschließung aller Mittel und Wege, sowie
auch die Beseitigung aller Hindernisse und Ver-
minderung der Schäden in den wirthschaftlichen
Aufgaben, gehört offenbar zu einer guten Politik.
Wir brauchen uns ja nur das Gegentheil
dieser Forderung auszudenken und anzunehmen,
daß das ganze wirthschaftliche Leben sich in einem
schweren Niedergange befinde, daß aber der
Staat und die Politiker es nicht für nöthig er-
achteten, diesem Zustande gegenüber auf Mittel
der Abhilfe zu sinnen. Daraus geht doch wohl
hervor, daß es unbedingt eine der wichtigsten
Aufgaben im politischen Leben ist, sich der Be-
kämpfung wirthschaftlicher Kalamitäten energisch
änzunehmen, und deßhalb muß auch im Reichs-
lage, in den Landtagen, in der Presse, in den
Parteiversammlungen und Fachvereinen es noch
bielmehr als bisher betont werden, daß die Lift
wngxn der wirthschaftlichen Aufgaben in der gegen-
wärtigen Periode des deutschen Volkslebens ohne
Ikden Zweifel in den Vordergrund des politischen
^bens gehören. Hier bessernd die Hand anzu-
wgen und die Punkte zu suchen und klar zu
wgen, wo die Gesetzgebung Reformen schaffen
«wer anregen kann, ist zwar eine sehr schwierige,
^ber auch sehr dankbare Aufgabe, denn die
wirthschaftliche Frage ist die wichtigste der
Gegenwart.

Zur Luge.
Die deutsche Friedenspolitik wird von dem
Personenwechsel im Reichskanzleramt nicht im
Mindesten berührt. Darüber besteht auch im
Auslande kein Zweifel. Alan weiß dort ebenso
gut wie hier, wer deren Träger ist. Die Han-
delspolitik ist durch die Handelsverträge auf 10
Jahre so ziemlich sestgelcgt. In den auf diesem
Gebiete schwebenden Fragen hat die in der
Zuckersrage unter dem 27. August an die Ver-
einigten Staaten gerichtete Note in Verbindung
mit dem inzwischen kundgegebenen Entschlüsse,
derselben nötigenfalls vollen Nachdruck zu geben,
gleichfalls eine Marschlinie sestgelcgt, deren Inne-
haltung von dem Wechsel in der Person des
Reichskanzlers unabhängig ist. Unsere Handels-
welt, welcher es vor Allem auf Stetigkeit und
eine Vorausberechnung ermöglichende Sicherheit
der Handelspolitik ankommt, hat daher nicht die
mindeste Ursache, sich durch den Rücktritt des
Grafen Caprivi beunruhigt zu fühlen. Die
Festigkeit der Börse spiegelt diese Auffassung
wieder. Die Kolonialpolitik dürfte Wohl mit
lebhafterem Interesse, als bisher, geführt werden.
Was sodann die innere Politik anlangt, so wird
in der Wiedervereinigung des Amtes des Reichs-
kanzlers mit dem des Ministerpräsidenten
ein wesentlicher Fortschritt zur Sicherung voller
Einheitlichkeit des Regiments zu erkennen sein.
Das Erperiment von 1892, das ja immerhin
nur als ein Nothbehelf von recht zweifelhafter
Natur sich darstellte, hat sich, wie die „Post"
betont, nach keiner Richtung bewährt. Dieser
Trennung vor Allem ist der Mangel an äußerer
Einheit und Geschlossenheit, welcher der Regie-
rung seitdem wiederholt zum Vorwurf gemacht
ist, zuzuschreiben. Nicht minder steht fest, daß
sie den Keim eines Gegensatzes zwischen der
Reichspolitik und derjenigen Preußens in sich
schließt, welcher für die Entwickelung der Reichs-
verhältnisse nur zu leicht verhängnißvoll werden
könnte. Die Ansätze dazu, welche in den letzten
zweieinhalb Jahren in dieser Hinsicht wahrzu-
nehmen waren, lassen die aus diesem Gebiete zu
gewärtigenden Gefahren nur zu deutlich erkennen.
Was den Kampf gegen den Umsturz anlangt, so
unterliegt es keinem Zweifel, daß das Capri-
vi'sche Programm für die nächste Reichstagssession
innegehalten werden wird.
DeMschss Reich.
Berlin, 1. November.
— Der Reichskanzler Fürst Hohen-
lohe hat bereits gestern Vormittag die Dienst-
räume im Neichskanzlerpalais bezogen. Heute früh
wird General Graf Caprivi, dem aus Anlaß seines

Rücktritts zahllose Sympathiebeweise und Dank-
sagungen zugegangen sind, Berlin in aller Stille
verlassen. Sicher bleibt ihm die Hochachtung aller
deutschen Männer, die eine Empfindung für eine
ritterliche Denkweise und einen ehrlichen Charakter
haben.
— Das Staats m ini st erium hielt gestern
Nachmittag 2 Uhr eine Sitzung unter dem Vor-
sitze des Reichskanzlers und Ministerpräsidenten
Fürsten v. Hohenlohe ab.
— Der Minister derlandwirthschaftlichen An-
gelegenheiten, v. Heyden, hat sein Abschieds-
gesuch emgercicht. Das Gesuch ist vom Kaiser
genehmigt worden. Voraussichtlich dürfte Herr
v. Heyden demnächst eine andere Staatsstellung
erhalten.
— Wie die „Kreuzztg." mittheilt, beabsichtigt
die konservative Partei während der jetzt beginnen-
den Reichstagstagung eine Reform desZucker-
steuergesetzes in Anregung zu bringen mit
der Mindestforderung, daß zur Kräftigerhaltung
der jetzigen heimischen Zuckerindustrie wenigstens
die jetzigen Prämiensätze für exportirten Zucker
beibehalten werden.
— In der gestrigen Sitzung der General-
synode theilte der Präsident Graf Ziethen-
Schwerin mit, bei dem Empfang des Präsidiums
der Generalsynode habe der Kaiser auf die
Ansprache des Präsidenten etwa folgendes er-
widert; Die Arbeiten der Generasynode würden
gesegnet sein, wenn sie in einem versöhnlichen
Geiste arbeite. Der Anfang der Berathungen
habe dieser Erwartung entsprochen; die General-
synode müsse sich hüten, ihre Aufgaben nach dem
parlamentarischen Vorbilde zu erledigen. Sie
möge nicht nach Parteirücksichten handeln, denn
sie stehe auf einer anderen Grundlage als die
politischen Körperschaften. Der Kaiser habe den
Entwurf der neuen Agende gebilligt, doch solle
kein Zwang ausgeübt werden. Wer die neue
Agende ablehne, der könne bei der alten ver-
harren. Der Kaiser äußerte dann den Wunsch,
daß die Kirchen auch außer der Zeit des Gottes-
dienstes offen gehalten würden. Dadurch würde
der religiöse Sinn in manchen Schichten der Be-
völkerung gefördert und belebt, denn die Religion
sei noch eine Macht und selbst die subversiven
Kräfte der Zeit hätten mehrfach davor Halt
machen müssen. Die Kaiserin knüpfte bei
ihrer Erwiderung auf die Ansprache des Präsi-
diums an den Wunsch des Kaisers über die
Offenhaltung der Kirchen an.
— Zur Hebung der Leibesübungen auf
den Lan d esu n iv ersitüten hat der Unter-
richtsminister auch bei der diesmaligen Etats-
aufstellung versucht, dauernde Mittel bewilligt zu

erhalten. Bei der Wichtigkeit des Turnens, Ru-
derns rc. für eine körperliche Entwickelung und be-
sonders auch mit Rücksicht auf das Interesse, das
der Kaiser dem akademischen Rudersport — wir
erinnern an den jüngst gestifteten Wanderpreis —
entgegenbringt, ist zu erwarten, daß dem Minister
die nöthigen Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Gegenwärtig bestehen an den Universitäten zwar
auch schon derartige Vereine, doch erschweren die
Kosten für Beschaffung von Turnräumen, von
Ruderbooten u. s. w. die Theilnahme weiterer Kreise
der Studirenden an sportlichen Hebungen. Die
Bereitstellung von Staatsmitteln würde voraus-
sichtlich bald ein viel lebhafteres Jntresse der akade-
mischen Jugend im Gefolge haben.
— Der von hervorragenden Sachverständigen
aus berufsgenossenschaftlichen Kreisen, unter der
Mitwirkung der Regierungsräthe Professor Hart-
man Platz vom Reichs-Versicherungsamte, ausge-
arbeitete Entwurf von Normal-Unfallver-
hütungsvorschriften ist seitens des geschäfts-
führenden Ausschusses des Verbandes der deutschen
Berufsgenossenschaften einer Kommission von Be-
triebsunternehmern zur Prüfung überwiesen worden.
Karlsruhe, 31. Okt. Seine König!. Hoheit
der Großherzog nahm gestern Vor- und Nach-
mittags den Vortrag des Legationsraths Dr.
Freiherrn v. Babo entgegen. Um Mittag em-
pfing derselbe den General der Infanterie Frei-
herrn Roeder v. Diersburg und nahm dann
militärische Meldungen entgegen. Zur Abend-
tafel waren verschiedene Personen geladen, dar-
unter der Kommandeur des Rheinischen Ulänen-
Regiments Großherzog Friedrich von Baden Nr.
7, Oberstlieutenant Freiherr von König und Ge-
mahlin. Heute Vormittag nahm S, K. H.
einen längeren Vortrag des Majors von Oven
entgegen. Um Mittag meldete sich der Major
Hoffmeister, Bataillonskommandeur im 7. Bad.
Infanterie-Regiment Nr. 142, und der Major
Weiß, Abtheilungskommandeur im Feld-Artillerie-
Regiment Nr- 31. Nachmittags bis Abends nahm
der Großherzog den Vortrag des Geheimeraths
von Regenauer entgegen.
NusliML.
Wien, 31. Okt. Ueber den Reichskanzler
Fürsten Hohenlohe läßt sich heute endlich auch
das klerikale „Vaterland" dahin vernehmen, daß
die Berufung des Fürsten die Beziehungen Deutsch-
lands zu Oesterreich nicht ändern, sowie im all-
gemeinen bei den auswärtigen Regierungen gut
ausgenommen werde. Der Umstand, daß Fürst
Hohenlohe Katholik ist, verleihe der Frage seiner
Stellung zum Zentrum und zu den Katholiken
überhaupt besonderes Interesse. Seine bayerischen
Antecedentien seien nicht sehr hoffnungserweckend.

Gesucht unö Kefunöen.
0 Roman von Hermine Frankenstein.
(Fortsetzung.)
Sinda fügte sich diesem Rathe und schritt auf
Schlafgcmach zu. Als sie dasselbe betrat,
Wüpfte Topee durch eine gegenüberliegende Thüre
^'ch hinaus. Sinda bemerkte den fortschreitenden
chatten und erkannte mit großer Bestürzung ihren
Fall« lief zur Thüre und versperrte sie,
,ch bittere Vorwürfe über ihre Unvorsichtigkeit, die-
offm gelassen zu haben, machend. „Was
Kämmerer in dem königlichen Schlaf-
gewollt haben?" fragte die treue Dienerin
'llüstet. „Vielleicht behorchte er unser Gespräch,
^Segnete die Fürstin. „Und wir sprachen von
Userer Flucht! O, Falls, ich bin sehr unruhig.
M wollte, daß wir schon auf dem Wege wären."
h Dienerin wiederholte diesen Wunsch. Aber sie
ihre eigene Unruhe und drang abermals in
" junge Herrin, sich niederzulegen u. auSzuruhen.
d,,.Die junge Fürstin willigte ein. Sie trug einen
tzs'oEN Schlafrock und näherte sich dem Bette,
Ms ihr die Dienerin nach gewohnter Weise zur
hFutzimg Herrichten wollte. Als die Jndierin die
^ Goldfäden gestickte weiße AtlaSdicke zurückzog,
Fürstin matt: „Topee hat mich immer
so lange ich Königin bin, und er hat den
Ug und den Heuchler gespielt, während ich zu-
einen Blick des Hasses in seinen Augen sah,
si"ch entsetzte. Ich hätte ihn längst aus dem
t^breich verbannt, wenn man es mir nicht wider-
We"" er etwas von meinem Flucht-
ahnt, wird er ihn zu vereiteln trachten!"

Ein gellender Schrei tönte von den Lippen der
Jndierin, welche entsetzt zmücksprang und auf das
Bett deutete. Sie hatte soeben die Leintücher zu-
rückgeschoben, und da lag in der Mitte des Bettes
zusammengerollt und den Kopf erhoben eine furcht-
bar tödtliche Schlange von rothbrauner Farbe, mit
funkelnden Augen und offenem Rachen, bereit, auf
das erwartete Opfer loszuspringen. Sinda blieb
jetzt wie gelähmt vor Entsetzen stehen. „Deßhalb
war Topee also hier", rief Falla aus, als sie wieder
sprechen konnte. „Er wollte Sie von jenem Un-
geheuer tödten lassen! O, Fürstin Sie sind dem
Tode nur durch ein Wunder entronnen!" Sie
rückte der wankenden Fürstin einen Stuhl herbei,
riß ein Schwert von der Wand herab, lief mit
demselben an's Bett und tödtete das Ungeheuer mit
einem einzigen wuchtigen Hiebe.
Dann kehrte sie zu ihrer jungen Herrin zurück,
kniete neben ihr nieder und bedeckte ihre Hände
mit Thränen und Küssen — „Ich verdanke Dir
mein Leben, Falla", rief das Mädchen, seine Ret-
terin umarmend. „Ich bin dem Tode wirklich nur
knapp entronnen! Topee beabsichtigte, mich um-
zubringen!" — „Ja", bestätigte Falla schaudernd:
„er hat Sie immer gehaßt. Er will nicht, daß
Sie die Gattin des Rayah werden, weil Ihre
Macht dann unantastbar wäre. Er will Sie eines
gräßlichen Todes sterben lassen, wie es auch ohne
mich geschehen wäre. Stellen Sie es sich nur vor,
Fürstin, Ihr Bett steht im Schatten und die Vor-
hänge verdunkeln es noch mehr. Neun- von zehn-
mal hätte ich beim Aufmachen des Bettes die
Schlange nicht gesehen. Sie wären hineingestiegen
und getödtet worden!

Das Mädchen klammerte sich heftig zitternd an
feine treue Dienerin. — „Ich habe kein Bedürf-
niß mehr nach Ruhe", sagte sie dann. „Ich werde
mich ankleiden. Der Missionär muß bald zurück-
kommen und dann wollen wir fort. Falla brachte
einen Reise-Anzug von dunkler, weicher und den-
noch starker indischer Seide und Sinda zog ihn an-
Ein Paar Sandalen wurden um ihre schmalen,
feinen, kleinen Füße geschnallt und ein indischer
Skawl von enormem Werthe zur Benützung bereit
auf einen Stuhl gelegt. „Der Missionär schickte
bereits Pferde und Vorräthe zur Karawane voraus",
sagte die Fürstin, „wir haben also nur an uns
und Maya zu denken." — „Maya wird nur an
sich allein denken und gewiß für sich sorgen, ver-
lassen Sie sich darauf", sagte die Jndierin, welche
für die Gesellschafterin der Fürstin nur wenig Liebe
hatte. Sie setzten sich und warteten.
Nach einer kleinen Weile hörten sie ein dumpfes
Getöse in dem Palaste. Das Geräusch von hastig
durcheinander laufenden Schritten, von laut zu-
geworfenen Thüren und wirren Stimmen drang zu
ihnen. — Die junge Königin schaute oft nach der
kleinen mit Juwelen besetzten Uhr, die in ihrem
Gürtel steckte. — Es war jetzt ungefähr elf Uhr
und Sinda wurde immer unruhiger, als das Ge-
räusch wankender Schritte in der Vorhalle draußen
hörbar wurde und Jemand gegen die Thüre von
Sinda's Salon taumelte und laut klopfte. — „Es
ist mehr von Topee's Werk, Herrin schrie die Jn-
dierin. „Es ist ein Ueberfall." — Aber Sinda
lief zur Thüre. Das Klopfen wurde wiederholt und
das Mädchen hörte eine Stimme rufen — eine
Stimme, welche es als die des Missionärs erkannte.

— Sie öffnete rasch die Thüre und Hußpeth tau-
melte blutüberströmt, einen kläglichen Anblick dar-
bietend. — Falla versperrte rasch hinter ihm die
Thüre. Smda half ihrem alten Freunde und
Wohlthäter zu einem Lager und beschwor ihn, zu
sagen, was geschehen sei.
„Der Aufruhr hat begonnen, stieß der Missionär
keuchend und mühsam hervor. „Meine arme
Sinda!" — „Was ist es? Sind Sie verwundet?"
— „Durch einen Schuß und einen Stich. Topee
und ein Dutzend Andere überfielen wich gleichzeitig.
Es giebt keine Hilfe für mich. Ich bin sterbend!"
— Die Jndierin untersuchte rasch seine Wunden.
Der Missionär hatte recht; er war tödlich getroffen
und sein Ende war ganz nahe bevorstehend. —
Der Schmerz des jungen Mädchens, als die Die-
nerin ihr dies- Ueberzeugung zuflüsterte, war
schrecklich. Dennoch beherrschte sie sich mit be-
wundernswürdiger Festigkeit- — Sie neigte sich
über ihn, glättete sein Kissen und während seine
Augen liebevoll auf ihr hafteten, vergoß sie keine
Thräne, kein Seufzer über das tiefe Weh, das ihr Herz
erfüllte.
„Der Aufruhr hat begonnen", si- sind in tödt-
licher Gefahr", keuchte der Missionär mit brechender
Stimme, nur auf ihre Rettung bedacht. „Gehen
Sie, Sinda. Fliehen Sie durch die Fenster. Ihre
Feinde stehen vor den Thüren. Der Herr helfe
— der Himmel schütze —" — „Aber Maya?"
Ein Ausdruck bitterster Verachtung malte sich in den
Zügen des sterbenden Missionärs. — „Maya",
flüsterte er. „Maya ist bereits vor einer Stunde
entflohen. Ein Agent Topee's brachte sie mit
sicherem Geleite vor das südliche Thor. Sic ist
 
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