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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 201 - Nr. 210 (29. August - 8. September)
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L>er »ironprmz ist verwundet. Der Nadja beab-
sichtigt, die Holländer anzugreifen. Ein Tele-
gramm der „Nieuws von den Tag" aus Batavia
meldet, daß dis Baliuesen sich in Folge des Bom-
bardements von Mataram zurückziehen. Das
zweite Bataillon besetzte eine verlassene Ver-
schanzung westlich von Mataram. Das neunte
Bataillon hat aus Kaleh den Feind beschossen,
der mit der Zurücklassung von Hinterladern und
Lanzen zurückgeschlagen wurde.
London, 7. Sept. Die „Central News" be-
richtet: Starke Negenfälle in Korea verhindern die
Operationen aus dem Kriegsschauplätze. Die Flüsse
sind angeschwollen und daher wird die lange er-
wartete Entscheidungsschlacht verschoben werden
müssen, da die Überschreitung der Flüsse unmöglich
ist. Die japanischen Truppen in Korea belaufen
sich auf 30 000 Mann, von denen 10 000 die Forts
bewachen, während 20 000 die Feldarmee bilden.
Die chinesische Oppositionsarmee bei Ping-
yand hat annähernd dieselbe Stärke. Berichten
Chemulpo zufolge beginnen die Koreaner sich gegen
das japanische Joch aufzulehnen und der japanische
Gesandte Otori findet seine Stellung am koreani-
schen Hof täglich schwieriger. Otori sucht den König
zu beeinflussen, werthvolle Conzessionen an Japan
zu geben, und anderen das Eisenbahnmonopol und
die Ausbeutung der Bergwerke. Der König hat
sich bis jetzt geweigert. — Hauptmann Hanneken
ist zu dem wichtigen Amte eines Inspektors der
chinesischen Küstenfestungcn ernannt worden._
Aus Wcrtz uns Jeru.
* Weinheim, 7. Sept. Letzte Woche wurden
viele Birnen an auswärtige Händler je nach Quali-
tät zu 2 bis 2,50 Mk- pro Zentner verkauft. In
Folge des stürmischen Regenwetters der letzten Tage
ist aber daö Obst so geschüttelt worden, daß es
nun massenweise am Boden liegt, und auf Käufer
wartet. In Folge dessen werden die Birnen zu
1,50 bis höchstens 2 Mk. pro Zentner verkauft.
* Waibstadt, 7. Sept. Durch das wiederholt
eingetretene Regenwetter haben sich die Aussichten
auf die Kartoffelernte sehr verschlimmert. Zu dem
Engerlingcnfraß ist noch die Fäulniß getreten. Viele
Landwirthe machen ihre Kartoffeln jetzt schon aus,
damit sie wenigstens noch etwas vom Ertrage retten.
— Dem Gendarm August Völker in Lahr wurde
auf höchsten Befehl Sr. König!. Hoheit des Groß-
herzogs für 15jährige treu geleistete Dienste die
Dienstauszeichnung II. Classe verliehen. (Gendarm
Völker ist geborener Waibstadter.)
* Eppingen, 7. Sept. Heute Mittag kurz
nach 12 Uhr wurde der 7 Jahre alte Knabe Rud.
Rastätter hier, in der Kapellenstraße von einem
Zuge der Lokalbahn überfahren und sofort getödtet.
Der bedauernswecthe Knabe wollte, während der Zug
rangierte „Eisenbahn fahren", setzte sich aufs Tritt-
brett, kam aber mit den Füßen in die Räder und
auf diese Weise unter den Zug. Ein Verschulden
des Zugpersonals liegt nicht vor. Die Leiche des
unglücklichen Kindes wurde nach der Leichenhalle
verbracht.
* Steinsfurth, 5. Sept. Der diesjährige Erlös
aus Gemeindeobst beträgt 1433 Mk- 80 Pfg. (Im
vorigen Jahre wurden 596 Mk. 80 Pfg. erlöst.)
Treschklirigen, 5. Sept. Die Versteigerung des
Gemeindeobstes (meist Birnen) lieferte einen Ertrag
von 511 Mk. 60 Pfg.
* Hilsbach, 6. Sept. Die am 4. d. M. statt-
gehabte Versteigerung des Gemeindeobstes ergab einen
Erlös von 333 Mk. 25 Pfg. (gegenüber 665 Mk.
im Vorjahre.) Der Ertrag an Aepfeln ist hier in diesem
Jahr ein geringer, dagegen liefern die Mostbirnen eine
reichliche Ernte und wird von verschiedenen Seiten
zum Verkauf angeboten.
* Eichtersheim, 6. Sept. Bei der am 4. d.
M-fstattgefundenen Gemeindeobstversteigerung wurden
588 Mk. 70 Pfg. erlöst. (Im Vorjahre 649 Mk.
90 Pfg.)
* Neckarsteinach, 7. Sept. Die bisher von
Freiherrn v. Dorth hier um 85 Mk. jährlich ge-
pachtete Wald- und Feldjagd wurde nunmehr an eine

Darmstädter Jagdgesellschaft um 536 Mk. jährlich
anderweitig verpachtet.
* Vom Neckar, 7. Sept. In letzter Zeit
werden fortwährend auf den Jagdbezirken zwischen
Hirschhorn und Zwingenberg Hirsche in sogenannten
Rudeln von 6—8 Stück beobachtet. Die gefräßigen
Thiere haben auch schon verschiedener Orts vielen
Schaden verursacht, konnten aber noch nicht erlegt
werden, obschon man selbst mehrere Treibjagden
auf sie veranstaltet hat. Die Thiere sind jeden-
falls aus dem Leiningenschen Park ausgebrochen.
* Aus dem Mümliugthal, 7. Sept. Der
vor 14 Tagen in Eibach vor dem Schlachthause
durchgegangene Ochse konnte bis jetzt trotz aller
Mühe nicht eingefangen werden. Auch wurden jetzt
schon wiederholt, aber vergeblich Treibjagden auf
das bereits vollständig wilde Thier veranstaltet. —
Der Zustand des vor drei Wochen von -fincm
jugendlichen Schriftsetzer in die Eingeweide ge-
schossenen Gastwirtbs Schüllermann in Erbach hat
sich in den letzten Tagen derart gebessert, daß man
vdllständige Heilung erwart.n darf.
" Eberbach, 7. Sept. Am Sonntag nach
dem Festgottesdienste findet im Rathhaussaale durch
Herrn Öberamtmaun Beck die Ueberreichung der
Verdienstmedaille für 25jährige treue Dienstleistung
bei der freiwilligen Feuerwehr an 29 Feuerwehr-
leute statt. Hieraus gemeinschaftl. Frühschoppen
in der Brauerei zum Stern. Nachmittags 4 Uhr
findet im Gcißner'schen Garten gemüthliche Un-
terhaltung der Feuerwehrmänner mit ihren Fa-
milienmitgliedern statt. Als Anerkennung wird
den Jubilaren zu Ehren am Montag Mittag
I Uhr ein Festessen abgehalten, bei welchem ihnen
der Dank des Korps gezollt wird.
* Adersbach, 7. Sept. Sonntag, den 9. d.
M., als am Geburtstage Seiner Kvnigl. Hoheit
des Großherzogs, nachmittags 2 Uhr, feiert der
hiesige Gesangverein „Liederkranz" sein Jubiläums-
fest, das Fest seines 50-jährigen Bestehens. Die
Festlichkeit wird in engeren Grenzen gefeiert wer-
den. Wenn man auch von einer Einladung aus-
wärtiger Vereine abgesehen, so sind doch alle
Freunde des Gesangslebens bestens willkommen
geheißen.
* Vom Unterlands, 6. Sept. Nach den
bis jetzt bekannt gegebenen Veröffentlichungen wurde
der seitherige Obmann des badischen Vvlksscbul-
lehreroereinö, Herr Hauptlehrer Heyd in Dill-
Weißenstein, von mehr als 60 Konferenzen des
Landes einstimmig wiedergewählt. Auch die gestern
in Weinheim a. B. abgehaltene Lehrerkonferenz,
welche sehr zahlreich besucht war, wählte denselben
einstimmig wieder, gewiß ein sehr ehrendes Zeugniß
für seine seitherige Thätigkeit und erfreulicher für
denselben als jedes andere Ehrengeschenk! Die
allenthalben jetzt stattfindende Wahl gilt für 6
weitere Jabre.
' Odeuheim (A. Bruchsal), 6. Sept. Gestern
hielt die freie Lehrerkonferenz Odenbeim im Gast-
haus zum Schwanen dahier eine Abenduntechaltung
mitGesangsvorträgen, Musik- und humoristischen Auf-
führungen unter zahlreicher Betheiligung ab. Der
Konferenzoorsitzende Herr Hauptlehrer Ammann hier
begrüßte die Anwesenden im Namen der Konferenz
und schloß seine schöne Ansprache mit einem Toast
auf S. K. H. den Großherzog. Hierauf wurde von
allen daö Lied „Heil unserm Fürsten Heil!" im
Chor gesungen und erfolgten nun die einzelnen gut
gewählten Aufführungen. Man trennte sich zu-
frieden mit den für Geist und Magen gebotenen
Genüssen.
* Vühl, 7. Sept. Unter lebhafter Theil-
nahme feierte hier Geistlicher Rath Dr. Rolfus
sein goldenes Priesterjubiläuw. Mehr als 25
Priester geleiteten den Jubilar in die Kirche.
* Sipplingen (A. Uebergerlingen), 7. Sept.
Dieser Tage wurde eine eiserne Kanonenkugel im
Gewichte von 22 Pfd. beim Abbruch der Scheune
des Herrn Rathschreibers Zimmermann dahier ge-
funden. Die Kugel stammt wahrscheinlich aus dem
Schwedenkriege, in dessen Verlaufe Sipplingen
geplündert und zerstört wurde.

* Konstanz, 7. Sept. In Nack hat die reich-
liche Heuernte dieses Jahres ein eigenartiges Un-
glück angerichtet. Wie die „Konst. Ztg." schreibt,
brach dort über einem Stall, in welchem 14 Stück
Vieh standen, der Heuboden zusammen. Die Last
von mehr als 700 Centner Futter vermochte die
schwache Futterwand, auf welcher die Balken auf-
lagen, nicht mehr zu tragen. Zum Glück hielt
aber die Krippe die Last auf, so daß das Vieh
in knieender Stellung aus der gefährlichen Lage
hcrausgeschafft werden konnte.
* Berlin, 7. Sept. Gurkenbowle ist jetzt das
Lreblingsgetränk des kaiserlichen Hofhaltes geworden,
und zwar auf Veranlassung des Kaisers selber,
der die Bowle während seines Aufenthaltes in
England bei den Offizieren der Riyal Dragoons
kennen gelernt hat. Die Gurkenbowlc wird nach
einer Mittheilung der „Berl. N. Nachr." auf fol-
gende Art angesetzt: Man nimmt drei Flaschen
guten Rothwein, der recht kalt gestellt wird. In
denselben hängt man eine frische, abgeschälte Gurke
so lange, bis sie vollständig durchzogen ist, preßt
sie dann aus und thut auf jede Flasche Wein
ein Gläschen Maraschino. Zucker wird dazu nicht
verwendet.
Lokale WiLLHeil-NNgsn
ans Stadt und Amt Heidelberg.
Heidelberg, 8. September.
* Zur Feier des Gsburtsfcstes Sr. Kgl.
Hoheit des Großherzogs veranstaltet wie alljährlich
die hiesige Stadt heute Abend 7 Uhr Böllerschießen und
Glockengeläuts und um 8 Uhr Zapfenstreich der hiesigen
Feuerwehr-Kapelle. Zur Feier des morgigen Tages
findet den verschiedenen Gotteshäusern Festgottesdienste
statb An diese Feierlichkeit schließt sich ein Konzert
un Stadtgarten und nachmittags ein Festmahl im Hotel
„Prinz Carl" an. Auch dieses Jahr wird wie alljähr-
lich wiederum eine Anzahl Feuerwehrleute mit dem von
Sr. Kgl. Hoheit gestifteten Ehrenzeichen für 25jährige
Dienstzeit dekorirt werden. Die Namen derselben werden
wir kommenden Montag zur Veröffentlichung bringen.
* Die theilweise Momdsinsleeniß am 15. Sep-
tember. In den frühen Morgenstunden dieses Tages
finden in eine theilweise Verfinsterung der Mondscheibe
statt, deren erste Hälfte in unseren Gegenden sichtbar
sein wird. Die Finsternitz beginnt früh 4 Uhr 36 Min.,
die Mitte findet statt 5 Uhr 32 Min., das Ende 6 Uhr
27 Min. nach mitteleuropäischer Zeit. Der Erdschatten
tritt in die Mondscheibe ein am nördlichsten Punkte der
letztern. Zur Zeit der größten Verfinsterung wird etwas
mehr als fiz des Monddurchmessers vom Erdschatten
bedeckt lein. In Berlin geht der Mond bereits 45
Minuten vor Ende der Finsterniß unter. — Am 29.
September ereignet sich eine totale Sonnen finster-
niß, von der jedoch nichts in Europa und Amerika zu
sehen ist. Der Weg, den bei dieser Finsterniß der
Mondschatten auf der Erdoberfläche durchläuft, liegt
vollständig im südlichen Theile des Indischen Oceans,
auch wird die größte Dauer der Totalität nur 11 Se-
kunden betragen.
* Gebnrtstagsseier. Das langjährige Mit-
glied des hiesigen Männergesangvereins „Constantia"
Herr Schlossermeister Krafft, feierte gestern Abend
nach der Probe im Kreise der Sänger sein 50. Ge-
burtsfest. Von Seiten des ersten Vorstandes wurden
ihm im Namen des Vereins die herzlichsten Glück-
wünsche dargebracht, denen der zweite Vorstand ein
sichtbares Zeichen in der Ueberreichung eines Deckel-
glases mit dem Wappen und einer Widmung des Ver-
eins folgen ließ.
* Polizeiliches. In vergangener Nacht wurde
hier eine Frauensperson wegen nächtlichen Umherziehens
verhaftet. — Desgleichen ein Herrschaftsdiener, der einen
höheren Geldbetrag unterschlug._
Aus den Gerichtssälen.
Ferien-Strafkammer Mannheim.
Verhandlung vom 7. September 1891.
Diebstahl.
Das Dienstmädchen Anna Siebig von Schwetz-
ingen, welches einer Dienstgenossin ö Mk- entwendete,
wurde zu 1 Monat Gefängniß vermthcilt, welcher
durch die Untersuchungshaft erstanden ist.
Widernatürliche Unzucht-
Wegen Vergehens gegen 8 165 R--St.-G.-B- (widern-
Unzucht) spricht das Gericht gegen den 18 Jahre alten
Taglöhner Andr- Hug von Petersthal eine Gefängniß-
strasc von 2 Monaten aus, wovon 1 Monat der ver-
büßten Untersuchungshaft angerechnet wird.
Betrug.
Der Schiffer L. Hauck von Ebcrbach lockte am
28. Juli ds- Jrs- unter der Vorgabe, der Schiffsbe-
sitzer Lentz habe ihn ohne Geld zurückgclassen, von dem
Spezereihändler Crieger hier ein Darlehen von 2

hart, bitter, wenn er sah, wie die junge Hansgenossin
sich ängstlich, scheu vor ihm zurückzog. Mit keinem
Gedanken dachte er daran, das Geheimniß, welches sie
für ihn umgab, zu erforschen. Was dasselbe auch
war, — daß seine Mutter sie ausgenommen, war ihm
Zeugniß genug dafür, daß sie selbst schuldlos war wie
ein Engel Gottes, was auch hinter ihr liegen mußte.
Aber dennoch sehnte er sich danach, ihr Schicksal zu
kennen, weil es doch nichts geben konnte, was dieses
Mädchen betraf und was ihn gleichgültig zu lassen
vermochte.
Unwillkürlich ertappte er sich auf der Frage: Wer
war sie? Woher kam siel Und worin bestand das
Geheimniß, welches offenbar sie umgab?
Er schalt sich allerdings in derselben Minute aufs
heftigste, aber die Frage ließ sich doch nicht verdrängen,
er mochte dagegen ankämpftn, so viel er wollte.
Es war am dritten Morgen nach des jungen
Mädchens Eintreffen in dem einfachen Haushalt der
Frau Wilsemann.
Alex erhob sich eben von seinem Stuhl am Kaffee-
tisch, um sich zum Ausbruch zu seinen Tagespflichten
zu rüsten. Am Fenster, an dem gewohnten Platz seiner
Mutter, saß die neue Hausgenossin. Sie hatte die
neuesten Nachrichten zur Hand genommen und überflog
apathisch den Tagesbericht. Auf einmal stieß sie einen
kurzen Laut aus, wie einen erstickten schrei. Frau
Wilsemann erhob sich lebhaft. Alex wandte sich be-
stürzt ihr zu. Aber im selben Moment wehrte sie
schon nut der Hand ab. . ,
„Es ist nichts," hauchte sie, „nur ein Schwindel-
anfall ! Liebe Frau Wilsemann, Sie wissen, warum.
Der Dame Blick verrieth das letztere nicht im ge-
ringsten, aber sie dachte an die Gegenwart ihres Sohnes.
Alex ging an diesem Morgen schwerer denn sonst
schon. Als er fort war, trat die Wittwe hastig auf
ihre junge Schutzbefohlene zu.
„Mein liebes Kind," stieß sie fast überstürzt her-
vor, was war Ihnen? Reden Sie, sprechen Sie,
schütten Sie Ihr Herz aus! Ist etwas Neues ge-
schehen, noch Neues zu all dem Kummer, welcher Sie
schon betroffen hat?"

DaS junge Mädchen, welches ihre in der Gegen-
wart des jungen Mannes nur mühsam behauptete
Fassung aufs neue zu verlassen drohte, schüttelte den
Kopf, sichtlich mechanisch und mit Anstrengung.
„Nein," sagte sie, „aber mir kam ein Gedanke!
Lesen Sie diese Notiz! Ich dachte an meinen Bruder!
Wenn er nicht fort wäre, wenn er-"
Sie vollendete nicht. Frau Wilsemann hatte das
Zeitungsblatt ergriffen, mit fliegenden Händen, und
überlaß die ihr bedeutete Stelle; dann richtete sie ihren
Blick wieder auf das junge Mädchen.
„Was wünschen Sie?" fragte sie kurz entschlossen.
Die andere raffte sich auf.
„Ich muß Gewißheit haben," stieß sie aus. „Ich
muß nach der Leichenhalle! Der Gedanke, daß er es
sein könnte, bringt mich von Sinnen-"
„Fassen Sie sich, mein theures Kind, regen Sie
sich nicht noch mehr auf!" drang die Matrone in sie.
„Ich will alles thun, was ich für Sie zu thun ver-
mag! Fassen Sie sich, und dann kleiden Sie sich an.
Natürlich gehe ich mit Ihnen!"
Das junge Mädchen erhob sich schwankend. Ihr
ganzes Gesicht trug den Ausdruck einer Hoffnungs-
losigkeit, welche das Spiegelbild des höchsten Grames
war.
„Ich danke Ihnen, — o, wie ich Ihnen danke!"
stammelte sie, der älteren Dame Hände ergreifend und
sie pressend.
Diese wehrte ab.
„Nichts, nichts, Sie haben mir nichts zu danken!"
stotterte sie. „Der Tochter meiner besten Freundin
einen Dienst zu erweisen, — was sollte ich besseres
thun können? . . . Machen Sie sich bereit, — ich stehe
unverzüglich zu Ihrer Verfügung. O, mein liebes, liebes
Kmd wenn ich doch mehr für Sie thun könnte!"
Sie umarmte das junge Mädchen so zärtlich, daß
dieser war, als ruhe sie aus von allem Leid, an der
treuen Mutter Brust.
Eine halbe Stunde später verließen zwei dichtver-
schleierte Frauengestalten das alterthümliche Haus. Sie
durchschritten die noch schlechtgepflasterte Straße, in

welcher der Schnee die Passage beschwerlich machte, und
bogen dann in die Hauptstraße ein. An dem nächsten
Halteplatz nahmen sie eine Droschke und ließen sich
nach dem Holstcnthor fahren.
Hier stiegen sie aus, um ihren Weg zu Fuß fort-
zusetzen.
Die ältere Frau hatte den Arm des jungen Mäd-
chens genommen, weniger, um sich zu stützen, als um
offenbar ihre Zusammengehörigkeit zu bezeugen.
Als sie eben nach dem breiten Felde abbogen,
welches sich vor dem THore ausdehnte, kamen ihnen
zwei Herren entgegen. Sie musterten alle ihnen Ent-
gegenkommenden mit großer Keckheit; so auch die alte
Dame und ihre Begleiterin.
Frau Wilsemann und das junge Mädchen schenkten
beiden nicht die mindeste Beachtung; um so größer
aber schien das Interesse zu sein, welches jene beiden
ihnen bezeigten.
Der eine, ein bildhübscher, junger Mann, blieb
stehen und wandte sich den au ihnen'Vorüberschreiten-
den zu, ihnen nachseheud. Auch sein Begleiter, eine
gedrungene, untersetzte Gestalt, hemmte den Schritt.
„Ja, was ist denn das?" knurrte er. „Siehst du
wieder Gespenster am hell-lichten Tage ? Das kann man
allerdings bei dir schon gewohnt sein!"
Der andere hörte seine Worte kaum; gleichsam
wie gebannt ruhte sein Blick auf dem langsam ihren
Weg verfolgenden jungen Mädchen an der älteren
Dame Seite.
„Hast du sie gesehen, Wilm?" stieß er aus und es
war, als spräche er im Traume. „Hast du sie gesehen?
Sie war es, bei allen Teufeln, sie war es! Hast du sie
gesehen, und — hast du sie erkannt?"

Die Leichenhalle war ungewöhnlich besucht an
diesem Tage. Es waren wohl mehr Unglücksfälle vor-
gekommen als sonst, — Opfer, welche die Ungunst der
Witterung gefordert hatte oder das Verbrechen, an
welchem es in einer großen Stadt nie fehlt.
Die Toten, welche bereits seit Tagen ausgestellt
waren, sanden weniger Beachtung. Vor allem drängten
sich die Menschen mit angstverzerrten oder auch nur

Mk. heraus. Einen zweiten Versuch unterstützte er
durch Vorzeigeu eines gefälschten Briefes, den Lentz ge-
schrieben haben sollte. Strafet 6 Wochen Gefängniß,
davon ab 4 Wochen der Untersuchungshaft.
Betrüg.
Der 35 Jahre alte Metzger Peter Doll von
Weinheim, ein schon häufig bestrafter Mensch, steht
wieder einmal wegen sechs vollendeter Betrügereien und
eines Betrugsversuchs unter Anklage. Ende Januar
d. I. hat er die Zentrifugenmolkerei Mingolsheim um
20 Pfund Bucker beschwindelt, die er unter falschen
Angaben bestellte. Um dieselbe Zeit machte er der
hiesigen Verkäuferin dieser Molkerei, Anna Feist, die
ia'sche Angabe, er sei Vertreter der letzteren, sic möge
ihm 4 Pfund Butter ablassen, welche er in die Nach-
barschaft zu liefern habe. Frau Feist ließ sich bierzu
bestimmen, nicht aber dazu, was er ebenfalls verlangte,
ihm eine Restschuld von '.2 Akk. zu zahlen. Eme Ehe-
frau Haberle erleichterte er durch die Vorspiegelung, er
sei ein Freund ihres Mannes, um ein Darlehen von
3 Mk. Dem Wirth Stötzler in 8 t, 1 log er vor, er
habe eine dringende Zahlung zu machen, es fehlte ihm
aber an Geld und verschaffte sich dadurch 2 Mark.
Ferner brachte er am 21. Januar in Neulußheim den
Taglöbner Thomas Zaß, dem er sagte, es fehle ihm
augenblicklich an Geld, um 24 gekaufte Ziegenbäutc,
die er in einer Wirthschaft liegen habe, zu bezahlen,
um 2 Mk. Unter einer ähnlichen Vorspi gelnng be-
stimmte er den Müller Adolf Hirsch zur Gewäbrung
eines Darlehens von 4 Mk. 50 Pfg. Das Urtheil
gegen den Gewohnheitsschwindler lautete aus 1 Jahr
2 Monate Gefängniß und Aberkennung der Ehrenrechte
auf 3 Jahre__
Hmnösls« u. Marttverichle.
Mannheimer Börse, Getreide. Angeregt durch
amerik. stürmische Maishausse war Weizen mehr gefragt
und höher bezahlt. Hafer vernachlässigt. Mais stramm
und zum Schlußprcise vergebens gesucht.
Mannheimer Börse, Effekten. An der heu-
tigen Börse war im Verkebr in Rheinische Hppothcken-
bank-Aklien'164, Pfälzische Hypotbekenbank-Aktien 147>/4,
Eichbaum-Brauerei-Aktien 117.80. Sonst notiren:
Junge Pfälz Hypothekenbank-Aktien 145^4 Mannheimer
Dampfschleppschifffahrtöaklien 115. Mannheimer Ver-
sicherungs-Aktien 5K0 565 Bf- Mannheimer Gumnst-
Asbest-Aktim IHfis-

MKnnMtm. 7. Sept. (Produktenbörse.)
6.
7.
6
7.
Weizen Nov.
13 40
13.45
Hafer Nov.
12.15
12.15
, März
13 70
13.75
„ März
12.20
12 25
„ Mai
13.95
13.95
Nov.
1165
11.65
Mais Nov.
1125
11 25
. März
11.95
1195
März
11.75
11.75

Tendenz: fester.
Bretten, 5. Sept. Zum gestrigen Schweincmarkt
waren 108 Stück Milchschwcine zugcführi. DaS Paar
Milchschweine kostete 24—80 Mk-
Wiesloch, 7. Sept. Der heutige Schweine-
markt war mit 20 Paar beschickt, Preis 24—30 Mk.
Butter Mk. 1.30—0.00. Eier 1 Stück 7 Pfg. Käse per
Stück 7 Pfg. Birnen 2 Stück 3 Pfg., Aepfel 2 Stück
0 Pfg. Rettig 0 Pfg. Salat »er Kovf 3 Pfg. gelbe
Rüben per Büschel 4 Pfg. Zwiebeln per Pfd. 10 Pfg.
Kraut per Kopf —.00 Pfg. Kn-toffeln per Pfd 4 Pfg.
Eppingen, 7. Sept. Dem gestrigen Eachweine-
markt wurden zngeführt 404 Milchschwcine und 20
Läufer- Die Preise beliefen sich: Milchschwcine 24—40
Mk., Läufer 48-70 Mk.
Sinsheim, 4. Sept. Heute war der hiesige
Schweinemarkt mit 39 Stück Milch- u. 18 Läufer-
schweinen befahren. Bezahlt wurden für das Paar
Milchschwcine 28—32 Mk-, für Läuferschweine S4—70 Mk.
Meckesheim, 3. Sept. Jeden Montag, Sommers
wie Winters wird hier, Morgens 7 Uhr beginnend ein
Schwcinemarkt abgebalten werden- _
Hopfen.
* Schwetzingen, 7. Sept. Gestern wurden 52
Ballen auf der Stadtwaage abgewogen. Preis 50 bis
55 Mk- per Ztr. Unveränderte ruhige Stimmng
* Hockenheim, 7. Sept- Trotzdem die Hopfen-
ernte mit allem Ernst begonnen, so herrscht docb keiner-
lei Leben im Geschäft. Bezablt wurden 40—45 Mk.
per Ztr- doch hält dieser Preis den Verkauf zurück.
* Nürnberg, 6. Sept. Die gestern zum Markte
gebrachten 70 Ballen Landhopfen fanden zu etwas bes-
seren Preisen rasche Abnahme; es wurde ein Tagesum-
satz von ca. 500 Ballen erreicht. Preise am 6. Sept.:
1894er Markhopfen 30—50 Mk- 1894er Württemberger,
Halledauer und Badische 40—65 Mk- 1892er Hopfen
20—65. Stimmung ruhig.
Königsberg i. Pr., 7. Sept. Das Kaiser-
paar, der König von Württemberg und die übrigen
Fürstlichkeiten sind heute Vormittag 8 Uhr 5 Min.
nach Eibing abgereist.
Landskron, 7. Sept. Der Kaiser hat sich über
die Anlage und Durchführung der Manöver sehr
anerkennend ausgesprochen und die nach dem Ab-
blasen ;u sich befohlenen Corpskommandanten an-

neugierigen Gesichtszüaen um jene Unglücklichen, welche
als die neuesten, noch nicht Rekognoscierten hier auf-
gebahrt standen.
Besonders einsam lag ein Toter, dessen Antlitz
offenbar die Spuren des Ertrunkenseins trug. Ihn
beachtete alles nur im Vorbeigehen, und nachdem sie
ihre Leichenschau gehalten, verließen die meisten frost-
und furchtschaudernd die unheimliche Stätte, welche in-
mitten des bewegtesten Lebens und diesem doch so
fern liegt.
Da erschienen zwei Gestalten unter dem Eingang;
ein breitschultriger Mann mit festen, fast ehernen Zügen
und einer markigen Gestalt; ihn begleitete ein junger
Mann, sehr bleich, aber dennoch von einer Schönheit,
welche das Auge unwillkürlich fesselte.
Beide umschritten die Menge. Der ältere Mann
ging voran; er wußte hier sichtlich Bescheid. Sein
Ziel war der einsame Tobte. Vor dem Steinblock, auf
welchem derselbe ausgestreckt lag blieb er stehen und
wandte sein Gesicht dem ihm auf dem Fuße folgenden
jungen Manne zu, dessen Augen sich stier auf den Da-
liegenden richteten, als wollten sie erstarren in Ent-
setzen.
„Dieser ist es!" sprach der erstere und seine Blicke
bohrten sich gleichsam in die Züge seines Begleiters.
„Dieser ist es!" wiederholte er mit Nachdruck.
^Sprechen Sie und zwar sprechen Sie die unverhohlene
Wahrheit: — sahen Sie diesen Menschen je zuvor?
Wissen Sie, wer er ist ? Und kennen Sie — kennen
Sie ihn?"
Hörte der junge Mann die Worte? Es schien
kaum so. Was in ihm vorging, er hätte es nie ent-
räthseln können, — wie Vieh weniger ein anderer.
Aber jäh sollte ein Ereigniß rhn wachrütteln.
Während er noch dastand, von einem Sturm von
Empfindungen durchwühlt, auf den Toden starrend,
ertönte plötzlich vom Eingang der Halle her ein Auf-
schrei, — em Schrei, der ihn förmlich elektrisierte.
(Fortsetzung siehe im zweiten Blatt.)
 
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