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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177 - 203 (1. August 1901 - 31. August 1901)
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befaßte. Der Volksverein sei eine soziale Sammlung gegen-
über der politischen Sammlung im Zentrum. Die wahre
politische Freiheit bestehe darin, daß auch der Kleinste in der
Gesellschaft sich sein Recht gesichert wisse. Das neue Jahrhun-
dert, das begonnen hat, müsse Christus und seinem Stellver-
treter in der Kirche gehören. Dazu müsse der Volksverein das
Seinige thun. Ein Hoch auf Papst und Kaiser schloß diese
Versammlung.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser hat aus Anlaß des Ablebens
der Kaiserin Friedrich dem Oberhofmeister Grafen
Seckendorfs den Stern der Komthure des königlichen
Hausordens von Hohenzollern verliehen.
— Das „Berl. Tagbl." erklärt das nach dem Tode
der Kaiserin Friedrich in mehreren Blättern erwähnte
Gerücht von einer Vermählung der Kaiserin Friedrich
mit ihrem langjährigen Hofmarschall Grafen v. Secken-
dorfs nach Mitteilungen von zuständigerSeite als j e d e r
Begründung entbehrend. Eine zweifellose
Legitimation zur Abgabe dieser Erklärung dringt das
Berliner Blatt nicht bei.
— Wie der „Berliner Lokal - Anzeiger"
behauptet, hat der bisherige chinesische Gesandte Berlin
die deutsche Hauptstadt auf Nimmerwicdersehn ver-
lassen. Er werde auch nicht in einer Abschieds-
audienz empfangen werden. (Der Gesandte ist bekannt-
lich nach Basel gereist, was durchaus begreiflich ist. Es
ist doch kaum zu glauben, daß er Berlin ohne Abschied
definitiv verlassen hat. Red.)
— Im Lichthofe des Berliner Zeughauses fand ge- -
stern (Mittwoch) Vormittag die Nagelung und Weihs
48 neuer Feldzeichen, hauptsächlich ostpreußischer und
westpreußischer Regimenter statt. Zugegen waren das
K a i s e r p a a r, die Prinzen und die Generalität.
Homburg, 28. Aug. Der „Berl. Lok.-Anz." er-
fährt aus bestimmter Quelle, daß die Eröffnung des
Testaments der Kaiserin Friedrich bereits
erfolgt sei. Die Kaiserin habe ihre sechs Kinder, ein-
schließlich des Kaisers, in gleicher Weiser bedacht
und jedem derselben 1 Million Mark vermacht. Die
Prinzessin Friedrich Karl von Hessen habe Schloß
Friedrichshof erhalten.
Baden.
— Im Bezirk Meßkir ch—S tockach stellt das
Zentrum den Bürgermeister Hirt von Bohlingen
auf. Hirt, der Bezirksvorstand des Bauernvereins und
Vorstandsmitglied des Landwirtschaftlichen Vereins ist,
hat die Kandidatur angenommen. — Im Wahlbezirk
Enge n—S tockach wird das Zentrum, wie vor vier
Jahren, den Falkenwirt Goldschmid in Jmmendingen
wieder auf den Schild erheben. Goldschmid erhielt
seinerzeit 48, der nationalliberale Gegenkandidat Müller-
W-elschingen 65 Stimmen.
Lörrach, 28. Aug. Die Freisinnigen haben wie-
der Herrn Markus Pflüger als Kandidaten für den
Bezirk Lörrach-Stadt aufgestellt. Herr Pflüger hat die'
Kandidatur angenommen, da ein anderer Kandidat nicht
aufzutreiben war. Im Bezirk Lörrach-Land wird
Voraussichtlich Herr H a g i st wieder kandidieren.
LO. Karlsruhe, 28. Aug. Die Zentr u m s-
partei in S ch o p f h e i m'hat soeben ihre Mobil-
machungsordre erlassen. Die VeRrauensmännerver-
sammlung soll am Montag den 2. September in Wehr
stattfinden. Von der Aufstellung einer freisinnigen
Kandidatur hat bis jetzt noch nichts verlautet. Die Ver-
sammlung in Wehr dürfte schwerlich zu dem Beschlüsse
kommen, der nationalliberalen Kandidatur gegenüber
Wahlenthaltung als Parole auszugeben. Es wird sich
also eventuell um die Frage handeln, ob das Zentrum
eine eigene Kandidatur aufstellt und ob es dabei hoffen
darf, daß der Freisinn seinem Heerbann Folge leistet.
Letzteres bezweifelt das „Markg. Tagbl.", da den Frei-
sinnigen, abgesehen von anderen Forderungen, besonders
diejenige auf Zulassung voir O r d e n s g e s e l ls ch as-
te n u n s y m P h a t i s ch ist. Was die nationalliberale
Partei betrifft, so ist kaum daran zu zweifeln, daß die in
den nächsten Tagen zusammentretende Versammlung
ihrer Vertrauensmänner an der Kandidatur Weygold
festhalten wird. — Die Zentrumspartei des Bezirks
Ad eis he im ist gegenwärtig eifrig aus der Suche
nach einem „geeigneten" Kandidaten für den Wahlkreis
Adelsheim—Boxberg. Eine Vertrauensmännerversamm-
lung einigte sich dein „Baul. Bote" zufolge auf Herrn
Kaufmann Marquardt-Merchingen, welcher jedoch die
Kandidatur entschieden ablehnte. Nunmehr wurde eine
Kommission eingesetzt, welche „eifrig" nach einem anderen
„geeigneten" Kandidaten zu fahnden hat.
Karlsruhe, 27. Aug. Heute fand im Mini-
sterium des Innern unter dem Vorsitz des Herrn Mi-
nisters Schenkel eine Beratung über den landwirt-
schaftlichen Zolltarif statt, zu welcher eine
Art Ausschuß des Badischen Landwirtschaftsrats, be-
stehend aus 7 Herren, eingeladen war. Nach der „Bad.
Post" hat weitaus die Mehrzahl der Anwesenden sich für
eine Erhöhung der Zollsätze auf Getreide gegenüber dem
bekannt gegebenen Entwurf sich ausgesprochen und na-
mentlich eine Gleichstellung der Sommerfrüchte mit den

Ehe mit der Witwe seines Freundes Ludolf Parisius
geschlossen. Als Trauzeuge war der frühere Direktor
der Luisenstädtischen Gewerbeschule Professor Dr. Ban-
dow anwesend. Herr Richter ist jetzt 63 Jahre alt, seine
Frau einige Jahre jünger.
—Köln, 28. Aug. Die „Köln. Ztg." teilt in ihrer
heutigen Abendausgabe mit, .daß sie gegen das Urteil
der zweiten Instanz in Sachen der „goldenen Hand" R e-
vision beim Reichsgericht an gemeldet
habe.
— Insterburg, 28. Aug. Dem „Ostpreußischtzn
Tageblatt" zufolge ist heute dem Verteidiger Rechtsan-
walt Horn telegraphisch die Meldung zugegangen, daß
der Gerichtsherr General v. Alten bezüglich des im
Gumbinner Prozeß freigesprochenen Unteroffiziers
Hickel Revision angemeldet hat.

— Der Weise. Eine Skizze. Einst fragte ein wißbegieri-
ger Jüngling den Gott zu Delphi, wer der weiseste aller Sterb-
lichen sei. „Der Weiseste", erwiderte das Orakel, „ist der
Mann, der über alles auf dieser nichtigen Welt lächelt."
Seitdem lächelte der Jüngling über alles; aber weise ist er
nie geworden.

Winterfrüchten verlangt. — (Nach der neuesten Nummer
der „Karlsr. Ztg." nahmen an der Beratung teil seitens
des Ministeriums des Innern: Geh. Oberregierungs-
rat Braun, Ministerialrat Dr. Krems, Regierungsrat
Märklin, seitens des Finanzministeriums Ministerialrat
Ballweg, seitens des badischen Landwirtschaftsrats: Prä-
sident Klein von Wertheim, der stellvertretende Präsident
Freiherr E. A. v. Göler von Sulzfeld, Landtagsabgeord-
neter Oekonomierat G. Frank-Pforzheim, Gutsbesitzer
Dreher-Wittlingen, Reichstagsabgeordneter Bürgermei-
ster Schüler-Ebringen, Reichstagsabgeordneter Faller-
Bonndorf und Landtagsabgeordneter Altbürgermeister
Müller-Welschingen. Im Laufe der nächsten Woche
sollen im Ministerium des Innern ähnliche Besprechungen
mit Vertretern der Industrie und des Handels statt-
finden.)
Schönau, A. Heidelberg, 26. Aug. Mit ziem-
lichem Ponrp war auf letzten Freitag dahier eine Ver-
sammlung der deuts ch - sozialen Partei angssagt
worden, in der die Herren Reichstagsabgeordneter
Naab und Landtagsabgeordneter Mampel als Red-
ner auftreten sollten. Die Neugierde trieb eine große
Anzahl Wühler krach dem Versammlungslokal, so daß
zur festgesetzten Zeit der Saal „zum Roß" vonAnhängern
der verschiedensten Parteien fast vollständig besetzt war.
Wer aber nicht erschien, das waren die beiden Herren
Redner. Herr Raab mußte wegen schwerer Erkrankung
seiner Frau die Heimreise antreten und Herr Mampel
war ebenfalls wegen eines Krankheitsfalles in seiner
Familie am Kommen verhindert worden. Um aber der
Versammlung nun doch etwas zu bieten, trat ein noch
ziemlich jugendlicher Herr Namens Claus, seines
Zeichens Kaufmann aus Mannheim, als Redner auf und
entwickelte in etwa einstündiger Rede das deutsch-soziale
Programm. Der Vortrag, der im Anfang ziemlich ruhig
und sachlich war, artete gegen den Schluß hin in ein
wüstes Geschimpfe gegen die Nationalliberalen
aus. Dabei bediente der Vortragende sich einer Anzahl
Zeitungsausschnitte gegnerischer Blätter. Seine Aus-
führungen gipfelterr in einer Empfehlung der Kandidatur
Mampel, den er einen der fleißigsten und intelligentesten
Abgeordneten nannte. Der schwache Beifall am Ende
bewies, daß an hiesigem Platze für den Antisemitismus
durchaus kein empfänglicher Boden ist. Da trotz wieder-
holter Aufforderung sich niemand zum Wort meldete, so
wurde die Versammlung kurz nach 10 llhr seitens des
Vorsitzenden, Herrn Kaufmann Ludwig Reichwein hier,
geschlossen.
* Unter der Ueüerschrift: „I nsStam m buchd e r
Heidelberger Zeitung" schreibt die konserva-
tive „Bad. Post" in ihrer neuesten Nummer folgendes:
Heidelberg, 26. Aug. In Nr. 191 I. läßt sich die
„Heidelberger Zeitung" über den Bund der Landwirte in
einer Weise aus, welche nur der üblen Laune wegen der
Aussichtslosigkeit der nationalliberalcn Kandidatur Quenzer
entsprungen sein kann. Sie übersieht in ihrem Begeiferungs-
eifer ganz und gar, daß der Bund der Landwirte es war, ver-
folgende nationalliberale Vertreter in den Sattel gehoben hat:
Obkircher, Schmid, Müller und Beck. Daß der Bund im
Wahlbezirk Heidelberg für Mainpcl und nicht für Quenzer
eintritt, liegt wohl darin, daß die Mehrheit der Vertrauens-
männer des Bundes bon Mampel, dem bereits bewährten Ver-
treter, eine bessere Meinung hat. Mampel ist Bnndcsnnkglied
und Bezirksvorsitzender, Quenzer steht den landwirtschaft-
lichen Interessen unendlich fern.. Die Bundeslcitung nimmt
nur in solchen Wahlbezirken Veranlassung die Kandidaten
wegen ihrer Stellungnahme zum Bnndesprogramm anzu-
fragen, wo es air der Initiative der Vertrauensmänner fehlt.
Ein solcher Anlaß war in Heidelberg nicht gegeben, indem die
berufenen Vertrauensmänner des Bundes sich in ihrer Mehr-
heit für Mampel entschieden hatten. Es zeugt das Bor-
geheu des Bundes in Heidelberg-Land von der fortgeschritte-
nen politischen Erkenntnis, daß man im gegenwärtigen Augen-
blick sein Stimmrecht nicht nach dem Willen politischer Par-
teien, sondern nach seinem wirtschaftlichen Jnteressenstand-
punkte geltend zu machen habe. Von den nationalliberalen
Volksvertretern haben Obkircher, Schmid und namentlich
Müller ihr Wort an den Bund gehalten, der Rerchstagsabge-
ordnete Beck Eberbach aber nicht. (Fleischschaugesetz). Da-
rüber wird Herr Beck sich noch auf eine Abrechnung gefaßt hal-
ten müssen. Nm so vorsichtiger wird sich der Bund nationallr-
beralen Kandidaturen gegenüber verhalten müssen. Die „Hei-
delberger Zeitung" lasse sich zu Nutz und Lehr gesagt sein,
daß es nicht, wie gesagt: „konservativklerikale Mache" ist, die
nationalliberale Kandidatur Quenzer zu Hintertreiben, sondern
das; der Bund der Landwirte es ist, der mit Kraft und Ent-
schiedenheit den politischen Parteien das Gewissen schärft und
die Bauern zur Vorsicht mahnt, ihr Interesse nicht blindlings
der politischen Machenschaft getvisser Stadtherren zu über-
^°Wir haben den Artikel absichtlich im vollen Wort-
laut veröffentlicht, damit die Leser seine ganze Schwäche
erkennen. Wenn der Bund da und dort nationalliberate
Kandidaten unterstützt hat, so ist das uns durchaus will-
kommen, um so befremdender mußte es deshalb wirken,
daß er gegen den nationalliberalen Kandidaten in Hei-
deIber!-Land Stellung nahm, obgleich dieser der
Landwirtschaft ganz ebenso freundlich gegenübersteht,
wie die von der „Bad. Post" genannten nationalliberalen
Abgeordneten. Wie kläglich ist auch die Begründung
der Stellungnahme für Mampel und gegen Quenzer!
Der Grund werde Wohls!) sein, daß die Mehrheit derVer-
trauensmänner für Mampel eine bessere Meinung gehabt
haben. Genau weiß es der Verfasser also selber, nicht,
oder vielmehr er bringt da eine allgemeine Redensart
vor, weil er den wahren Grund nicht angeben mag.
Wie es sich mit der Vertrauensmännerversammlung in
Neckargemünd verhalten hat, das ist ja inzwischen be-
kannt geworden. Es waren überhaupt nur acht Herren
da, davon sind sechs politische Gegner der Nationalliberä-
len. Mit ihren sechs Stimmen gegen zwei Enthaltungen
wurde die Unterstützung des Kandidaten Mampel be-
schlossen. Das war eine konservativ-klerikale Mache
unter dem Deckmantel des landwirtschaftlichen Interesses.
Unter den Vertrauensmännern des Bundes sind auch
gute Nationalliberalen in sehr beträchtlicher Anzahl.
Hätte man nicht ihre Abwesenheit benutzt, sondern
loyalerweise eine zweite Versammlung anberaumt, so
wäre der Beschluß anders ausgefallen. Man hätte Neu-
tralität proklamiert wie s. Zt. vor vier Jahren zwischen
Mampel und Schuh. Die nationalliberalen Vertrauens-
männer des Bundes konnten das mit Rücksicht auf die
Person und das Programm des nationalliberalen Kan-
didaten verlangen. Man hat sie mit der eiligen Zu-
stimmung zur Kandidatur Mampel überrumpelt. Wie
sehr dies der Fall ist, das hat man aus der Erklärung

der Herrn Rehrn-Gauangelloch ersehen können. Dis
„Bad. Post" macht sich also ganz vergebliche Mühe, wenn
sie die Behauptung zu verfechten sucht, das Vorgehen
des Bundes der Landwirte in Heidelberg-Land, bezw.
das Vorgehen der sechs Vertrauensmänner in Neckar-
gemünd sei richtig und gut gewesen.
Hessen.
Da r m st a d t, 28. Aug. Der KönigvonEng-
land besuchte gestern das Mausoleum auf der Rosen-
höhe, wo sich die letzte Ruhestätte seiner Schwester, der
ehemaligen Großherzogin Alice befindet.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Betciebrükretär Karl Hof mann in Heidelberg wurde
zum Giiterexvedilor ernannt.
— Station-Verwalter Maximilian Klingler in Waldkirch
wurde nach streik,ir>:-Wielue und Slationsverwalter Kasimir
Straub in Gernebach nach Markdori v-riebt.
Karlsruhe, 28. Ang. Der Großherzog
und die Großherzogin empfingen gestern den
Prinzen Alfred zu Löwenstein init Gemahlin und zwei
Töchtern, welche an der Großherzoglichen Mittagstafel
teilnahmen und nachmittags wieder heimkehrten. Heute
Vormittag nach 11 Uhr trafen von Lindau mit dem
Dampfboot die Prinzessin Therese von Bayern, Tochter
des Prinz-Regenten Luitpold, und die Prinzessin Mat-
hilde von Sachsen-Cobnrgi-Gotha, geborene Prinzessin
von Bayern, init Gefolge auf Schloß Mainau ein. Ihre
Königlichen Hoheiten nahmen an der Mittagstafel keil
und kehrten nachmittags über' Konstanz nach Lindau
zurück. Morgen den 29. erwarten die Großherzoglichen
Herrschaften den Besuch des Königs und der Königin
von Württemberg.

Ausland.
Holland.
Haag, 28. Ang. Nach Meldungen aus Peters-
burg hat Dr. Leyds vom Grasen Lambsdorf die Zu-
sicherung erhalten, daß der Zar den Präsidenten Krü-
ger in Compiägne empfangen wird.

Die „Germania" gegen die Wacker'sche Wahl-
politik.
Wie bekannt, ging ein zu den Wahlen aufgesiellterVor-
schlag dahin, drei farblose Kandidaten in Karlsruhe zu
präsentieren. Dieser Vorschlag wurde von Herrn Wacker
scheinbar angenommen, in Wahrheit jedoch wesentlich ab-
geändert: denn wenn die Kandidaten nach Wacker in den
kirchenpolitischen Fragen sich auf den Standpunkt des
Zentrums verpflichten sollen, so kann von Parteilosigkeit
nicht mehr die Rede sein. Im übrigen waren Wackers
Preßkundgebungen ans den von altersher bekannten Ton
gestimmt, die erste und wichtigste Aufgabe des
Zentrums bestehe darin, dis Nationalliberalen
ans der Kammer möglichst zu verdrängen. Aus
liberaler Seite hak man diese Artikel als Kriegsruf
betrachtet und erklärt: Wacker hat die Brücken-zur Ver-
ständigung abgebrochen.
Nun bringt die „Germania" eine Zuschrift, wonach
die Wackerschen Andeutungen und Vorschläge in weiten
Kreisen des katholischen Volkes in Baden, ins-
besondere in der Residenz selbst, auch so weit dasselbe zum
Zentrum hält, s n t s ch i e d e n m i ß b i l I i g t würden.
Es wird in der Auslassung darauf hingewiesen, daß mit
der Kampfpolitik Wackers das Zentrum zur „Besserung
her politisch-religiösen Verhältnisse in Baden" bisher
nichts Greifbares erreicht habe. Es heißt dann:
„Möchte man doch im Hinblick auf diesen jahrelangen
betrübenden Mißerfolg sich einmal klar und deutlich
vergegenwärtigen, daß wir in Baden nicht unter einem
parlamentarischen, sondern unter einem monarchisch-
konstitutionellen Regiment stehen, und daß, wenn auch die
gesamte Volksvertretung aus Zentrumsleuten bestände,
ohne Zustimmung der Regierung auch noch nicht ein
Klösterlein sich niederlassen könnte. Wird aber die Re-
gierung, wenn sie mit anseheu muß, daß unter Zulassung
der Zentrumspartei die Residenz, und gar noch in dem
Jahre, wo der verehrte Landesherr sein 50. Regierungs-
julüläum zu feiern gedenkt, durch drei Anhänger einer
absolut republikanischen, nmstürztepischen Partei ver-
treten ist, hierdurch zugunsten der Zentrumspartei
und des von ihr vertretenen katholischen We-
sens umgestimmt werden? Die Sache liegt so:
mit einem eigenen Kandidaten können »wir
nicht durchdringen; gleichviel, ob ein liberaler oder so-
zialdemokratischer Kandidat gewählt wird, können wir
für unsere katholische Sache nichts gewinnen und nichts
verlieren; wir haben es aber in der Hand, durch die aus-
nahmsweise Unterstützung des ersteren an den Tag zu
legen, daß uns die monarchischen Interessen ebenso nahe
gehen wie der Regierung selbst, und wir setzen uns hier-
durch mit diesem anderen, der Volksvertretung gleich-
wertigen gesetzgeberischen Faktor in einen Einklang, der
notwendig zu Gunsten unserer Sache wirken muß."
Es wird weiter als nicht ausgeschlossen hingestellt, daß
Persönlichkeiten von verhältnismäßig entgegenkommen-
der Gesinnung, deren es ja in der l i b e r a l e n Fraktion
„auch jetzt scho n" einzelne gebe, aufgestellt würden.
Sie auf die Klostersrage besonders zu verpflichten, hält
der Einsender im Gegensatz zu Wacker nicht für rötlich,
denn die Lösung der Klosterfrage erfolge nicht unter Mit-
wirkung der Kammer, sondern durch das Wohlwollen der
Regierung, die schon nach dem gegenwärtigen Stande
der Gesetzgebung zur Zulassung von Klöstern berechtigt-
sei.
Da die badischen Zentrumsblätter, mit Ausnahme
des „Ettlinger Landsmann" Herrn Wacker blindlings
folgen, so hat der Verfasser des obigen interessanten Ar-
tikels sich nach Berlin an die „Germania" gewandt. Er
unterbreitet damit die Karlsruher Wahlangelegenheit
der Gesamtheit der deutschen Zentrumsangehörigen,
denn aus der „Germania" wird seine Darlegung in
andere Zentrumsblätter übergehen. Durch seine Aus-
führungen wird nun von Zentrumsseite festgestellt, was
wir immer behauptet haben: daß nämlich trotz Wacker
und „Beob." die Zentrumswähler der bad. Residenz oder
wenigstens ein ansehnlicher Teil derselben, für ein Zu-
sammengehen mit den Nationalliberalen gegen die So-
zialdemokraten zu haben seien, wenn nur die Kandi-
datenfrage in geschickter Weise gelöst werde.
 
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