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Heidelberger Zeitung (43) — 1901 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 282 - 305 (2. Dezember 1901 - 31. Dezember 1901)
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M. JghMW,

U. 282.

Montag, 2. Dezember Ml.



rscheint täglich:, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 60 Pfg. in's Hans gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
zogen vierteljährlich 1.8S Mk. ausschließlich Zustellgebühr.
uzeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
borgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Inserate aus den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen.

Zer öadische Staatshaushalt für die Jahre
19V2 und 1903.
Karlsruhe, 30. November.
In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer
brachte der Finanzminister Dr. Buchenberger das
Budget für 1902 und 1903 ein. Wir entnehmen seiner
hierbei gehaltenen Etatrede nachfolgende Angaben:
Im Gegensatz zu der ersten Hälfte des verflossenen Jahr-
zehnts trat mit der Budgetperiode 1896/97 eine sichtliche
Sendung zum Besseren ein. In dieser und der folgen-
den Budgelperiode 1898/99 ergab sich im ordentlichen Budget ein
restlicher Ueberschuß von je 1900907 Mk. und 5100 667 Mk ,
welche Ueberschüsse in dieser Höhe die Mittel des umlaufenden
Betriebsfonds erhöhten. Dementsprechend ist letzterer Bestand
don 14 543613 Mk. am Schluß des Jahres 1895 auf eine
«umme von 21680 625 Mk. am Schlüsse des Jahres 1899 an-
kewachsen.
Mit der zweiten Hälfte des Jahres 1900 hat in Handel und
Brandel eine rückläufige Bewegung eingesetzt, die auch
M Laufe dieses Jahres anhllt, eher eine Verschlimmerung als
d>ne Besserung erfuhr und die allem Anschein nach nicht alsbald
Zürn Stillstand gelangen wird.
Dieser R ü ckschl ag der E i na h m e g eb ah r u n g des Jahres
r90O Im Vergleich mit den Vorjahren ergibt sich in deutlicher
Mise durch das folgende Zahlenbtld. Zwischen 1898 und 1899
und die rechnungsmäßigen Einnahmen ans direkten Steuern von
13 800 298 Mk. auf 16 022 954 Mk. angewachsen, der mittlere
Bahreszuwachs beträgt somit 764 219 Mk., die indirekten
Steuern zeigen in dieser Zeit eine Steigerung von 14 959 020 Mk.
kuf 18 468 531 Mk. oder einen mittleren Jahresznwachs von
1169837 Mk. Im Jakre 1900 ist ein Einnahmezuwachs ver-
kochen mit dem Jahre 1899 nur noch für die direkten Steuern
Md zwar mit 1100 481 Mk. zu beobachten, wogegen für die in-
direkten Steuern eine Abnahme von 281945 Mk. zu verzeich-
nen ist.
... Infolge dieses langsameren Anwachsens der öffentlchen Ein-
Unfie im Jahr 1900 im Zusammenhang mit erheblichen Aus-
kabeübersctreitungen in einigen Titeln, im Besonderen im Be-
«ch dxr Justizverwaltung, ferner infolge der stärkeren Jnan-
kruchnahme von Landesfinanzmitteln durch das Reich, endlich
sfnter Einwi.kung verstärkter Ausgaben auf dem Gebiet des außcr-
rdentlichen Etats hat das Jahr 1900 wesentlich ungünstiger
M seine Vorgänger abgeschlossen, was in einer Minderung
M umlaufenden Betriebsfonds von 21680 625 Mk. am Schluß
M Jahres 1899 auf den Betrag von L0144973 M. am Schluß
M Jahres 1900 zum Ansdruck gelangte. Es ist in hohem Grade
Mrscheinlich, daß sich diese rückläufige Bewegung auch in dem
Kaufenden Jahr 1901 fortsetzl; man wird also auf Schluß
Mies Jahres mit einem weiteren Einschmelzen der Mittrl
M umlaufenden Betriebsfonds rechnen müssen und
Mür Prozeß wird angesichts der großen Fehlbeträge, mit denen
M neueste Budget für 1902/1903 abschließt, in den Folgcjahren
' kerstärktem Tempo in die Erscheinung treten.
Die neue Budgetperiode beginnt deshalb diesmal sehr im
z.fke'fltch zu der Zeit vor 2 Jahren, unter wenig günstigen An-
hiwen. Zwar schließen die Einnahme-Etats auch jetzt wieder
M sehr starken Mehrbeträgen gegenüber dem Vorjahr ab. Ter
j^Ntliche und nicht außer Acht zu lassende Unterschied in der
h.Vken Lage im Vergleich mit früher ist aber darin zu erblicken,
die in die Zeit einer wirtschaftlichen Aufwärlsbewegung
die m En Einnahwe-Veranschlagungen regelmäßig und stark durch
ß- Rechnungsergebnisse überhol: zu werden pflegen, während es
M fraglich ist, ob die diesmaligen aus den angegebenen Grün-
tyjf Ungewöhnlich hoch eingestellten Einnahmen in einer Zeit des
sMichaftlichen Niederganges überhaupt durchweg in der veran-
"Men Höhe zu realisieren sein werden,
schifte Ursachen des ungünstigen Budgetabschlusses sind ver-
dyx neuartige. Einmal große Anmeldungen im ordentlichen Etat,

SL-

solche ganz ungewöhnlichen Umfangs im Budget des
Ministeriums für das Notariat und das Grundbuchwesen.

StadttHeater.
O Heidelberg, 1. Dezember.
tvDie Liebesprobe." Schwank von v. Trotha und Freund,
junger Adliger, der einmal das erste preußische juristische
IstgMN nicht hat ablegen können, klotzig reich, hofft auf die Hand
Uiid -Musine; sie schlägt ihn aus: er möge erst in die Welt gehen
ferd-Efwas werden; und wenn es selbst nur hundert Mark selbst-
M^ Geld sind, die er vorzeigen kann, will sie zufrieden
Zi Md ihn nehmen. Er verdingt sich, seinen Zweck zu erreichen,
Esist u,EUl ihm befreundeten jungen Rechtsanwalt als Diener. Man
E>>iez"t,die Sommerfrische bei Berlin." Dort trifft er die Tochter
Nf j.M»Ptmaiins a. D., die bei der ersten Begegnung Eindruck
lMin, 5Macht hat. Auf einigen Umwegen gelangt er dazu,
Nh?'Ebener bei ihrem Vater zu werden. Sic erkennt den ihr von
^ El ^kannten wieder, trotzdem er Livreen trägt. Das Vcrklcidnngs-
Kiefe Mmt an den Tag. Der Hauptmann will ihn fordern.
AtwLvrdernng aber kommt an die falsche Adresse. Durch die
sM,: > nng, die sich bei der Zustellung, eines Briefes ereignet,
!>> jei,/'" Tölpel von einem Diener zu dem Glück, eine Zcitlang
"öligen jungen Herrn gehalten zu werden. Dieser Diener
um einem durch Lesen schlechter Romane völlig aus-
ein, diskreter vornehmer Herkunft zu sein. Er

Gehirn

Mg Hauptmann in die Hände. Es giebt
M andern, wobei ein Justizrat und ,


eine Verwechse-
ein Rechtsanwalt

"Mit dem Hauptmann Prozeß führender Vetter möglichst
gkjchugslosigkcit über die Situationen, in denen sie sich
MwMlluden, an den Tag legen. Zehn Fäden sind in diesem
l>i° Mn, durcheinander gedreht, so daß ein Kuddelmuddel von
Dankender Plattheit entstanden ist. Ich glaube, Vielen war
>ör>»... doch . Uiinim" Mi?« ist- NaS Wenre der ..??lotten-

doch „zu dumm". Dies ist das Genre der „Fiotten-
V ^em,» "d des „Strafurlauös"; nichts eigentlich Komisches.
Mivalt des Stückes, als die junge Dame auf seine
svlnn^i sogleich eine zusagende Antwort giebt, droht: ich
lys?- Bi-» rund um die Siegessäule, bis ich das Jawort
Ed wäss" ksic all diesen bunten Unsinn über uns ergehen

en.

wird uns, als wären wir zu diesem Damrlanf

Eine zweite Ursache liegt in der Verschlechterung unserer finan-
ziellen Beziehungen zum Reich. In dem kurzen Zeitraum von
3 Jahren haben die baren Hinauszahlungen an das Reich eine
Steigerung von rund 1,6 Millionen Mark erfahren. Für die
nächste Zukunft ist mit einem weiteren und zwar beträcht-
lichen Anwachsen der M atri kul a r bei trä g e mit
Sicherheit zu rechnen. Endlich erscheinen als ein das Ausgabe-
budget stark und mit sofortiger Wirkung belastender Posten die
allgemeine Erhöhung der Wohnungsgelder und die
damit im Zusammenhang stehenden Aufbesserungen in den Be-
zügen der V olks schulleh r er. Dieses Ausgabemehr ist für
die allgemeine Staatsverwaltung auf einen Betrag von jährlich
rund 1,5 Millionen Mark zu veranschlagen.
Der ordentliche Etat für die Jahre 1902 und 1903
schließt ab in den Ausgaben mit 169149 756 Mk. in den Ein-
nahmen mit 167144 474 Mk., das heißt mit einem Fehlbetrag
von 2 005282 Mk., während das Budget für 1900/1901 ein-
schließlich der Nachträge nur einen Fehlbetrag von 543 078 Mk.
aufgewiesen hat. Schlägt man dem ordentlichen Ausgabebudget
für 1902/1903 den mutmaßlichen Bedarf, der sich ans der
Wohnungsgelderhöhung und der Gehaltsregulierung der Volks-
schvllehrec ergtebt, mit jährlich rund 1,5 Millionen Mark hinzu,
so schließt das nächste Budget mit einem Fehlbetrag von
rund 5 Mil lion en Mark ab.
Die neueste Steigerung des ordentlichen Etats ist abermals
eine sehr beträchtliche (12,1 Proz.) und sie würde, wenn man
den Aufwand für die beabsichtigte Beamtcnaufbesserung zuschiagen
wollte, noch stärker in die Erscheinung treten. Eine allgemeine
Ursache der Steigerung ist auch diesmal der Mehraufwand für
Gehalte als Folge der Gehaltsordnung, derjenige für
Nuhegehalte und Witwenversorgung und weiterhin der
durch Stellenvermehrung verursachte.
Die jeweilige Höhe des außerordentlichen Etats
steht in unmittelbarster Abhängigkeit von der jeweiligen Höhe
des Betriebsfonds der allgemeinen Staatsverwaltung nach seinem
Stand ans Ende des der neuen Budgetperiode unmittelbar vor-
ausgehenden Jahres. Augenblicklich ist nur der Stand auf
Ende des Jahres 1900 bekannt; er beträgt auf diesen Zeitpunkt
20144 973 Mk. Nach Abzug des für die Aufrechterhaitung des
Kassen- und Zahlungsverkehrs notwendigen umlaufenden (söge,
nannten eisernen) Betriebsfonds in der durch die letzten Finanz-
gesetze bestimmten Höhe von 9 500 000 Mk. erübrigt demnach für
Zwecke des außerordentlichen Etats eine Summe von 10,6 Will.
Mark. Das Bestreben, das außerordentliche Budget der
kommenden Periode innerhalb dieser Grenze zu halten, hat sich
nicht verwirklichen lassen; von vornherein haben erhebliche
zweite Raten von früheren Verwilligungen den außerordentlichen
Etat mit einer Summe von 5 567 010 Mk. belastet; die Neu-
i anforderungen mit 6 791856 Mk. sind solche, welche nach Ansicht
der beteiligten Ressorts sich als unverschiebbare darstellen. Unter
Hinzurechnung der Restkredile, welche vom alten in das neue
Budget übergehen und in Berücksichtigung des Umstandes, daß
die Betriebsüberschüsse früherer Jahre schon im Laufe dieses
Jahres mutmaßlich eine wettere starke Einzehrung erfahren
weiden, ergiebt sich daher ein sehr namhafter ungedeckter
Ansgabebetrag auch für Zwecke des außerordentlichen
Etats, wodurch die Gespanntheit der allgemeinen Finanzlage
eine weitere Verschärfung erfährt. Denn nach Artikel 4
des Entwurfs des Finanzgesetzes ergiebt sich — ohne Rücksicht
auf die noch zu verabschiedende Wohnungsgeld- und Lchrergehalts-
vorlage — ein Fehlbetrag im ordentlichen und außer-
ordentlichen Etat von im Ganzen rund 14,8 Millionen
Mark, der mit Verabschiedung dieser beiden Vorlagen auf an-
nähernd 17,8 Millionen Mark sich erhöhen und -u seiner
Deckung auf die Vermögensbestände der Amortisationskasse an-
gewiesen werden muß.
Da auch mit dem Zugriff auf die Betliebsüberschüsse früherer
Jahre immer noch ein etatmäßiger Fehlbetrag von rund
14,8 Millionen Mark verbleibt, dessen gänzliche Verweisung auf
die Vermögensbestände der Amortifationskasse unthunlick ist, da
die der freien Verfügung des Staats unterliegenden Aktiven dieser
Kasse nur 9Vs Millionen Mark betragen, so erübrigt nur für
den Fall des Bedarfs die Aufnahme einer schwebenden

Schuld, wofür nach dem Vorgang anderer Staaten die Aus-
gabe von Schatzanweisungen, und zwar bis zu einer
Höhe von 5 Millionen Mark in Vorschlag gebracht wild.
(Schluß folgt.)

DSNtschsS KsLch.
— Neben Kiel und Breslau hat nun als dritte preu-
ßische Universität auch Marburg eine Adresse an
Mommsen gerichtet.
— Bei der am 30. November vorgenommenen Nach-
wahl zum Reichstag im Wahlkreis Wiesbaden erhielt
Bartling (natl.) 4813, Fuchs (Zentr.) 365!, Dr. Erüger
(freis. Volkspartei) 5555 und Dr. Quarck 8521 Stimmen.
Eine Anzahl Bezirke fehlen noch. Es kommt also wieder
zur Stichwahl zwischen dem Freisinnigen und dem Sozial-
demokraten. Die nationalliberalen Stimmen haben sich
seit der letzten Wahl zwar vermehrt, doch nicht soweit?
daß die Nationalliberalen in die Stichwahl gekommen
wären.

Deutscher Weichstag.
Berlin, 30. Nov. Der Reichstag hat heute die
zweite Lesung der Seemannsordnung fortgesetzt
und die Beratung in einer fünfstündigen Sitzung um eine
Anzahl Paragraphen gefördert, ohne daß sich das Ende
der Beratung absehen ließe. Die Bänke des Hauses sind
dabei so schwach beseht, daß es selbst einer der kleinen
Parteien, wenn sie nur vollzählig vertreten wäre, ein Leichtes
wäre, in wichtigen Punkten das Gesetz ihren eigenen Wünschen
entsprechend zu gestalten. Grundsätzlich bedeutsame Fragen
wurden heute nicht verhandelt.
8 41 (Auszahlung der Heuer) wird ohne Debatte angenommen.
Eine längere Debatte entsptnnt sich über 8 42, welcher ziemlich
nach dem Kommissionsantrag angenommen wird. 8 43 wird
debattelos angenommen.
8 44 wird nach längerer Debatte unter Ablehnung eines
sozialdemokratischen Abänderungsantrages in der Kommissions-
sassung angenommen
Z 45, betreffend die Anlegung eines Abrechnungsbuches und
eines Heuerbuches für den Schiffsmann, wird mit unerheblichen
Aenderungen in der Kommissionsfassung angenommen.
8 46 (Verteilung und Vergütung der während der Reise
durch Verminderung der Mannschaft'entstehende» Arbeit) gibt
Veranlassung zu einer erregten Auseinandeisitzung über Miß-
handlung auf Hamburger Schiffen durch Kapitäne zwischen dem
Senator Dr. Klügmann und dem Abg. Metzger, Dr. Semler und
Raab. 8 46 gelangt schließlich mit unwesentlichen Aenderungen
zur Annahme, ebenso die 88 47 bis 49.
Bei 8 50 tadelt Abg. Wurm (Soz.-Dem.) heftig die unzu-
länglichen sanitären und hygienischen Verhältnisse auf vielen
Schiffen. Die 88 50 bis 53 werden mit geringen Aenderungen
in der Kommissionsfassung genehmigt. Mit 8 54 wird die Be-
ratung abgebrochen.
Montag 1 Uhr erste Lesung des Zolltarifs.

Radischer Landtag.
Karlsruhe, 30. November. (4. Sitzung der
Zweiten Kammer.) Präsident Gönner eröffnete V4IV
Uhr die Sitzung. Am Regierungstisch: Finanzminister
Buchenberger. Sekretär Rohrhurst (natl.) zeigte die neuen
Einläufe an. Es war u. a. eiye Petition der Bureauge-
htlfen und der Bureaugehilfen-Anwärter der badischen

verdammt und umlretsten uuuntervrochcn die Mosaikviloer, die
unten an dieser Säule mit ihrer Mannigfaltigkeit prunken. Es
wird einem wirblig im Kopfe. Es muß unbehaglich sein, ein
Gebilde der Trotha-Freund'schem Phantasie als Akteur verkörpern
zu müssen- Aehnlich mögen die Gefühle eines Menschen sein,
der gezwungen wird, in einem Panoptikum eine Wachsfigur zu
vertreten. Wie Larven sind diese Lustspielgestalten starr, glatt,
hart, kein Hauch von Leben in ihnen, keine Spur eines festen
Zuges, einer scharfen Linie, eines Charakters in diesem Gelich-
ter. Das Gewand und die Haltung ist schließlich die Hauptsache.
Die Darsteller fanden sich mit der unsagbaren Albernheit
dieses Schwankes humorvoll ab. Frl. Kögl war wieder ein
liebenswürdiger, frischer Backfisch ohne weitere charakteristische
Merkmale als daß sie das Unglück hat, von ihrem znkünst'gm
Gatten, zweimal für e'n Stubenmädchen angesehen zu werden.
Frl. Jungmann bot eine ganz hübsche Darstellung eines sym-
pathischen, klugen, adeligen Landfräuleins. Die Väter und der Justiz-
rat, der Hauptmann und auch der Vetter sind von den Autoren
dürftig ausgcstattet; trotzdem gelang es dem Herrn Wiegner
Schneider und Feldner soviel komische Kraft aufzubrtngen,
daß ein Lacherfolg gesichert wurde. Nur mit der Maske des
Herrn Feldner war es nicht in Ordnung. Ein Landedelmann
aus Brandenburg, auch wenn er phlegmatisch ist, darf niemals
aussehen wie Herr Pommuchelskopp aus der „Stromtid". Die
zweite Gruppe: eine repräsentierende und eine komische Alte; die
Damen Hohenau und Jelly widmeten sich diesen Aufgaben
mit anerkennenswertem Eifer. Bleiben die Liebhaber und ein
drolliges Domestrkcnpaar. Herr Lassen zeigte sehr viel Frische;
im Salonrock wie in der Livree war er gleich lustig bei der Sache.
Herr Bernau fand für die häufigen Verlegenheiten des Rechts-
anwalts mit den zahlreichen Mißverständnissen den richtigen Ton.
Eine Jungfer, die'nicht aus den Mund gefallen ist: in diesem
Element fühlte sich Frl. Müller recht wohl. Die Art. wie der
geschätzte Darsteller des verschrobenen Dieners, HerrGroßmann
die Sache heute anffaßte, erschien nicht richtig, es war alles zur
Groteske hinaufgestergert; das störte etwas den Stil des Ganzen,
wenn man bei einer Nichtigkeit, Wie diese „Liebesprobe" eine ist,
überhaupt von Stil reden darf, L.

Kleine Zeitung.
— Hochschnlnachrichten. Berlin, 30. Nov. Der
berühmte Sanskritforscher, ordentliche Professor an der Uni-
versität, Alb r e cht W e be r, Mitglied der Akademie der
Wissenschaften, ist heute im 77. Lebensjahre gestorben.
— Köln, 30. Nov. Me Untersuchung der Ursache
des Eisenbahnunglücks bei Buir ergab, daß
eine Eisenbahnschiene mittelst eines starken Drahtes der
Länge nach auf der Geleisschiens befestigt war. Die
Schiene hatte ein Gewicht von 5 Zentr., was die Betei-
ligung an dem teuf Irschen Anschläge von meh-
reren Personen voraussetzt. Bisher hat man von den
Verbrechern keine Spur.
— Essen a. d. Ruhr, 30. Nov. Der Sch nellzug
Nr. 24 Dortmund-Köln fuhr gestern Abend 7 Uhr 50
Min. bei der Einfahrt irr den Hauptbahnhof Düsseldorf
auf eine Lokomotive. Beide Lokomotiven sind beschädigt.
Eine Person ist leicht verletzt worden.
— London, 30. Nov. Ueber einen Unfall, der dem
Herzog von Teck, dem Schwager des Kronprinzen,
zugestoben, melden die Blätter: Der Herzog befand sich
auf derFuchsjagd, als sein Pferd an einem Stacheldraht
hängen blieb und zu Fall kam. Der Herzog fiel auf
den Kopf und wurde halb bewußtlos in ein benachbartes
Bauernhaus gebracht, wo ihm ärztliche Hilfe zuteil wurde.
Später wurde er nach Grosvenor, der Wohnung der Her-
zogin, gebracht. Man glaubte, er habe eine Gehirn-
erschütterung und eine ernste Quetschung erlitten. Der
Unfall stellt sich indessen als weniger gefährlich heraus?
in Kurzem wird der Herzog wieder hergestellt sein. Eine
Gehirnerschütterung hat nicht ftattgefunden.
 
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