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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 181 - Nr. 190 (6. August - 16. August)
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schiedene Sachverständige werden über die Schrift
in den aufgefundenen Briefen vernommen. Der
Hausmeister Fonoons bezeugt, daß Ortiz Fonoon
besucht habe, was dieser leugnet. Der Leiter des
Laboratoriums, Gerard, erklärt die bei Fonoon ge-
fundenen Bomben und bezeichnet sie als gefährlich.
Dann werden die Entlastungszeugen vernommen,
worauf der Generaladvocat die Anklagerede hält.
Petersburg, 8. Aug. Da das P eter h o f er
Theater nur 350 Personen faßt, mußten die
Einladungen zur Prunkvorstellung sehr beschränkt
werden. Vom diplomatischen Corps sind sämmtliche
Chefs der Missionen geladen und nur diejenigen
Botschaften, beziehungsweise Gesandtschaften voll-
ständig, aus deren Staaten fürstliche Hochzeitsgäste
anwesend sind, also die deutsche, englische, dänische
und griechische. Das junge Paar reist Ende der
Woche über Moskau nach Ai Todor, einem Gut
des alten Großfürsten Michael in der Krim, ab.
Der Zar geht in der nächsten Woche mit dem
Thronfolger für einige Tage ins Lager von Kras-
noje-Selo. Die Abreise zu den Smolensker Ma-
növer» ist auf den 6. September anberaumt. Es
verlautet, zu den späteren Jagden bei Spala würde
möglicher Weise auch der Großfürst Georg aus dem
Kaukasus kommen, Professor Sachargin habe ihm
bei der wesentlichen Besserung seines Zustandes in
letzter Zeit Aussichten dazu gemacht.
Petersburg, 7. Aug. „Die Bürger der Stadt
Sistowa und die Einwohner der umliegenden Ort-
schaften haben sich heute, an dem für jeden Be-
wohner von Sistowa denkwürdigen Tage des Donau-
Ueberganges der russischen Truppen, versammelt; sie
beten für die gefallenen russischen Krieger und ent-
bieten ihren russischen Brüdern und Befreiern ihren
Gruß!" Vorstehendes Telegramm hatten die am
26. Juni in Sistowa versammelten Bürger nach
Rußland gesandt, doch war das Telegramm in So-
fia mit Beschlag belegt worden. Auf eine Be-
schwerde erhielten die Absender die Antwort: Die
bulgarische Regierung halte den Ausdruck solcher
russenfreundlichen Gefühle nicht für zeitgemäß;
außerdem könnte ein derartiger Ausdruck die von
der Regierung in Aussicht genommenen Maßnahmen
für eine Einigung mit Rußland schädigen.
Aus Hluy und Jern.
§ Plankstadt, 9. Aug. Bei der gestern hier
stattgefundenen Bürgermeisterwahl wurde Herr
Friedrich Treiber mit 28 gegen 2 Stimmen ge-
wählt.
* Schwetzingen, 8. Aug. Die Hopfenpflanze
macht jeden Tag weitere Fortschritte. Die Früh-
bopfen sind sämmtlich in Dolden übergegangen
und der Späthopfen steht vollständig in Blüthe.
Es giebt überall Hopfen genug, nach der heutigen
Schätzung beinahe eine dreioiertel Ernte.
' Mannheim, 8. Aug. Delegirtentag des
Kneipp-Vereins. Das Programm zu dem am 21.
August l. I. am hiesigen Platze stattfindenden II.
Delegirtentag der Sektionen der Kneipp-Vereine ist
nunwehr endgültig festgesetzt und finden folgende
Veranstaltungen statt: Montag, den 20. August
1894. Von Nachm. 4 Uhr ab: Empfang der
ankommenden Gäste am Hauptbahnhof. Abends
halb 9 Uhr: Gesellige Zusammenkunft im Stadt
park. Dienstag, den 21. Aug. Vorm. von 7
bis 9 Uhr: Empfang der ankommenden Gäste am
Hauptbahnhof. Vorm. 9 Uhr: Begrüßung der
Delegirten durch den Vorsitzenden der Sektion
Mannheim in den Sälen des Ballhauses, sodann
Beginn der Verhandlungen. Nachm. 3 Uhr: Ge-
meinsames Festmahl im „Hotel Neckarthal" (Preis
des trockenen Gedecks Mk. 2). Nachm. halb 5
Ubr: Besichtigung der Wandelbahn mit dem Block-
haus des Kneipp-Vereins Mannheim. Nachm. 5
Uhr: Festmahl mit Musik auf dem Rhein, behufs
Besichtigung der Mannheimer Hafenanlagen. Abends
halb 9 Uhr: Familienabend mit Konzert, italie-
nischer Nacht, Feuerwerk rc. im Garten des Ball-
hauses, bei ungünstiger Witterung im Saale.
* Mannheim, 8. Aug. Ein aufregender
Vorfall ereignete sich gestern Vormittag in der

Neckarstraße zwischen II 1 und II 1. Das 19
Monate alte Kind eines daselbst wohnenden Metzger-
meisters war auf die Straße gerathen und lief gerade
unter einen vorbeifahrenden Abfuhrwagen. Als
der Vater des Kindes dies bemerkte, sprang er hin-
zu, erhielt jedoch von der Deichsel des Fuhrwerks
einen Stoß, wurde zu Boden geworfen und gerieth
unter die Pferde, deren eines ibm einen Schlag
an der Kniescheibe beibrachte. Das Kind selbst
kam unverletzt davon.
* Wiesloch, 8. Aug. Herr Amtmann Dr.
Cron dahier wurde durch Entschließung S. K. H.
des Großherzogs zum Großh. Oberamtmann
ernannt.
' Eberbach, 8. Aug. Der erste Bienenkurs
an der hiesigen Jmkerschule wurde am Montag
Nachmittag durch eine öffentliche Prüfung in der
Aula der höheren Bürgerschule geschlossen. Die
Prüfung wurde in Anwesenheit des Aufsichtsrathes
der Jmkerschule abgehalten und lieferte wie dieses
unter der anerkannten Leitung deö Herrn Roth
nicht anders zu erwarten, ein sehr schönes Resultat.
Der zweite Kars (Damen und Herren) beginnt
heute und endigt am 18. August. Nicht verfehlen
wollen wir, darauf aufmerksam zu machen, daß
ein neues Lehrbuch über die Bienenzucht von Hrn.
Roth erschienen ist und in seiner vollendeten prak-
tischen Ausführung auf allen Gebieten der Bienen-
zucht jedem Bienenzüchter der beste Rathgeber sein
wird und im Besitze jeden Bienenzüchters sein soll.
* Karlsruhe, 8. August, lieber die Armen-
kinderpflege in Baden bringt die „Bad. Corresp."
eine längere Auslassung und u. A. nachstehenden
Passus: In einem geschichtlichen Rückblicke auf
die Entwickelung der Armenkinderpflege weist Dr.
Hauser darauf hin, wie sie aus dem Bereiche
rein privater und namentlich auch kirchlicher
Wohlthätigkeitspflege erst allmählich, und nur erst
vereinzelt da und dort, als Pflichtobjekt in die
Obhut auch anderer öffentlicher Wohlthätiqkeits-
vereinigungen überging, und daß es speziell der
badische Frauenverein unter dem segensreichen
Protektorate Ihrer Königlichen Hoheit der Groß-
herzogin war, welcher, bald nach seinem Entstehen,
auch diesem Gebiete praktischer Nächstenliebe seine
volle Aufmerksamkeit zuwandte. Das Luisenhaus
in Karlsruhe, das vom Jahre 1864 an 10 Jahre
lang, größtentheils unter der Leitung einer Donau-
eschingerin (Therese Kalliwoda) der Armenkinder-
pflege sich hingab, ist auch heute noch, trotz seiner
veränderten Bestimmung, Zeuge hiefür. Mit der
allmählichen Herausbildung des Begriffes des
modernen Staates fiel ganz von selbst den Kreisen
die Fürsorge für ihre Armen bezw. Armenkinder
zu; unter Oberaufsicht des Staates verwalteten
und verwalten seit Jahrzenten die Armenräthe
der Gemeinden, und die hierzu berufenen Sonder-
ausschüsse der Kreise, die Armen- und Armen-
kinderpflege- Der Badische Frauenverein hat aber
auch nach der im Jahre 1874 erfolgten Auf-
hebung des Luisenhauses als Kinderheim nicht
aufgehört, sich mit der Armenpflege zu beschäftigen:
wenn auch nicht mehr als selbständiger Ver-
'waltungskörper auf diesem Gebiete thätig, hat er
sich seit dieser Zeit bei Armenräthen und Kreis-
verwaltungen, sporadisch wenigstens, eine Art
Mitbeaufsichtigung der Armenkinder zu verschaffen
und zu erhalten gewußt, so daß heute außer dem
Zentralverein Karlsruhe 53 Zweigvereine im
Lande in der Sache und in obiger Weise thätig sind.
' Karlsruhe, 8. Aug. Für die diesjährigen
lan d wfirt hsch a ftl i ch en Gau feste sind
nunmehr folgende Tage festgesetzt: Pforzheim 15.
bis 17. September; Adelsheim 20. September;
Boxberg 25. und 26. September; Stetten a. k.
M. 27. September; Lörrach 29. September bis
2. Oktober; Engen 29. September bis 1. Ok-
tober; Offenburg 30. September bis 1. Oktober;
Baden 6. und 7. Oktober; Ladenburg 6. bis 8.
Oktober; Ueberlingen 13. Oktober.
Pforzheim, 7. Aug. Bei den Grabungen
nach Wasser im hiesigen Bauhof wurde ein
großer, interessanter alter Stein mit Inschrift

und Resten von Figuren ausgegraben. Gestern
Nachmittag war einer der hervorragendsten Kenner
römischer Alterthümer, Herr Gymnasial-Direktor
Haug von Mannheim hier, um den Fund zu
besichtigen. Der Stein ist regelmäßig viereckig
behauen, mit 4 Lang- und 2 Breitseiten. Die
Breitseiten sind gleichmäßig 85 om im Quadrat,
ringsum sind an den 4 ca. 36—36^ om hohen
Längsseiten Figuren und eine Inschrift cingehauen.
Die Inschrift auf der ersten Längsseite ist sehr
deutlich zu lesen und lautet zweifellos: I II
Honorem Domas Divinaa (Zur Ehre des kaiser-
lichen Hauses) I ovi Oxtimo Kaximo (Dem
Jupiter, dem Gütigsten und Größten) 0.
(Oazus HiKrmus oder Hi^rinius). Die Tafel
der Inschrift ist zu beiden Seiten von geflügelten
Genien gehalten. Es ist also der Stein ein
Bruchststück aus einem Altar, den der Oajas
HiFrinus dem Jupiter geweiht hat. Daß es ein
Altar ist, bestätigen auch die an den übrigen
Längsseiten angebrachten Figuren. Auf den
beiden Seiten neben der Jnschrifttafel ist deutlich
ein ausschreitendes Pferd mit einem daneben-
stehenden nackten Manne erkenntlich. Der bei
dem Manne sichtbare Stab deutet auf den Götter-
oder Herrscherstab hin und bei der Gleichheit
beider Bilder wird man nicht fehlgehen, wenn
man behauptet, daß beide Bilder Castos und
Pollux vorstellcn, wie sie auf Altären des Jupiters
öfters vorkommen. Auf der letzten vierten Längs-
seite sicht man den Rest einer Frauenfigur mit
reichem Faltengewand, daneben einen Schild, den
ein kleiner Knabe hochhält. Die Frauenfigur
stellt den einen Fuß auf ein kleines Postament,
ganz in der Art, wie die Stellung der Venus
von Milo. Es ist wohl anzunehmen, daß die
Figur eine Viktoria darstellt, wie sie auf den
Schild den Namen eines Helden einschreibt, eine
Darstellung, die sich auch sonst noch findet. Es
ist also der Stein wohl ein Bruchstück aus einem
Altar, der zum Dank und zur Erinnerung an
einen römischen Sieg aufgestellt war. Was die
Zeit der Aufstellung des Altars anbelangt, so ist
wohl der schönen deutschen Schrift nach zu schließen,
etwa das zweite Jahrhundert nach Christus an-
zunehmen. Wie der „Pforzh. Bote" hört, soll
der interessante Fund, der gegenwärtig im Hofe
des provisorischen Rathhauses zu sehen ist, dem
im neuen Rathhaus zu gründenden Archiv ein-
verleibt werden.
* Rastatt, 7. Aug. Vergangene Nacht halb
1 Uhr brach im Bäcker Haitz'schen Hause in der
Schloßstraße Feuer aus, wodurch erheblicher Schaden
entstand. Der Brand konnte zwar durch die Haus-
bewohner und Nachbarschaft wieder gelöscht werden,
doch traf auch dis Feuerwehr in aller Kürze ein,
um noch helfend einzugreifen. Dem Vernehmen
nach wurde ein Bäckergeselle des Hausbesitzers
wegen Verdachts fahrlässiger Brandstiftung in Haft
genommen.
* Achern, 8. Aug. Gestern Nacht wollten
Fuhrleute mit einem Möbelwagen und einem binten
angehängten Wagen, beide geladen mit den Möbeln
des nach Söllingen versetzten Herrn Pfarroerwesers
Maier von Oensbach, über den Lautenbacher Bahn-
übergang der Rheinstraße zu nach Söllingen fahren.
Die Wagen blieben auf dem Schienengeleise stecken,
als gerade der Nachtschn-llzug daherbrauste. Der-
selbe zertrümmerte den Hinteren Wagen total und den
vord-ren thsilweise. Die Maschine des Zuges wurde
betriebsuufähig. Der Bahnwart hatte sein nöthiges
Signal abgegeben, es wurde aber nicht bemerkt.
* Freiburg, 8. Aug. Gestern Abend halb
7 Uhr kam der König von Rumänien, sowie
''eine Gemahlin (Carmen Sylva) mit großem
Gefolge auf dem hiesigen Hauptbahnhof an.
Derselbe fuhr alsbald nach dem Schloß Umkirch
zum Besuch der Fürstin Mutter von Hohenzollern.
Nächste Woche soll auch die Gräfin von Flandern
zum Besuch in Umkirch eintreffen. — In dem
Dachraum eines Hauses auf der Kaiserstraße
brach vorgestern ein Schadenfeuer aus, indem ein
auf dem Boden der Dachkammer liegendes Deck-

bett auf bis jetzt unaufgeklärte Weise Feuer finA
und den Fußboden auf eine Fläche von etwa
1,50 Quadratmeter anbrannte. Glücklicherweise
konnte das Feuer bald gelöscht werden.
* Aus Bade», 8. Aug. Im Rhein bei Lie-
dolsheim wurde di- Leiche eines unbekannten, etwa
40 Jahre alten Mannes mit starker Glatze ge-
funden. Die Leiche muß schon lange im Wasser
gelegen haben. — Der verheirathete Transporteur-
meister G. Strubel von Käfertbal verunglückte beim
Transport eines Kessels. Es mußte ihm das rechte
Bein abgenommen werden. — In Konstanz ist
das 6jährige Kind des Metzgers Tschudin im See
ertrunken.
* Stuttgart, 7. Aug. Vor Beginn der
heutigen Verhandlungen des Verbandstages
deutscher Uhrenmacher, theilt der Schrift-
führer mit, die Mitgliederzahl des Verbandes
beträgt 1509. Auf Antrag des Zentralvorstandes
erhöht die Versammlung den Jahresbeitrag für
die Schule in Glashütte von 1000 auf 1300
Mark. Der Verein Hirschberg beantragt Be-
kämpfung der Mißstände in Folge der Schädig-
ungen durch die Offiziers-, Beamten und Konsum-
vereine sowie auch die Pfandleihgeschäfte durch
Zusammengehen mit anderen fachgewerblichen Ver-
einigungen. Der Antrag wird mit großer Mehr-
heit angenommen. Der Verein Magdeburg be-
antragt, der Zentralvorstand wolle veranlassen,
daß in der Gewerbeordnung Titel 3, Paragraph
56 statt Taschenuhren: Uhren gesetzt werde, da-
mit Uhren vom Verkauf im Umherziehen über-
haupt ausgeschlossen seien. Der Verein Nürnberg
beantragt, der Zentralvorstand wolle veranlassen,
daß dem Gesetz, das Hausiren mit Gold- und
Silberwaaren verbietet, mehr Geltung verschafft
werde. Beide Anträge wurden angenommen,
ferner ein Antrag des Vereins Havelland, wonach
die Reichsregierung ersucht werden soll, die Un-
fallversicherung als werthlos nicht auf das Uhr-
machergewerbe auszudehnen, da in diesem Unfälle
selten seien. Außerdem genehmigte die Versamm-
lung den Antrag des Vereins Ruhrort-Duisburg
auf Unterstützung von gesetzlichen Maßregeln wider
den unlauteren Wettbewerb. Mehrere Anträge
über den Geschäftsverkehr zwischen Uhrmachern
und Fabriken nahm die Versammlung als Wünsche
zu Protokoll. Als Ort des nächsten Verbands-
tages (1897) wurde Hamburg bestimmt. Die
Vorstandschaft wird von Berlin nach Stuttgart
verlegt.
Wennifchtes.
— Der Schah von Persien hat sich eins
ganz neue und sehr ergiebige Einnahmequelle ge-
schaffen. Er, der früher ein abgesagter Feind der
Wettrennen war und seiner Zeit in Berlin er-
klärte: „Daß ein Pferd eher ankommt als das
andere, weiß ich. Welches aber dieses Pferd ist,
ist mir ganz gleichziltig" er hat nun ein persisches
Derby geschaffen und sind — 300 Pferde, dar-
unter 27 Se. Majestät selber, gelaufen. Für alle
Pferde, die liefen, mußte ein größerer Betrag ein-
gesetzt werden. Die Pferde, die geschlagen wurden,
erhielten natürlich nichts und die Sieger auch nichts,
weil sie es gewagt hatten, die Pferde des Schah
zu schlagen. Ja, im Gegentheil, sie wurden ob
dieses Frevels mit Beschlag belegt und dem kaiser-
lichen Marstall einverleibt, die Setzgelder aber
strich Se. Majestät in huldvollster Weise ein. Der
aber diese Geschichte von dem persischen Rennen zum
Besten gegeben hat, ist kein Anderer als der Prinz
von Wales.
— Ei» hitziger Duellant. Aus Berlin meldet
die „Nordd. Allg. Ztg." eine sonderbare Geschichte:
Der hier ansässige Wiener Schriftsteller M. (das
Blatt nennt den Namen nicht) war mit einem
Bankier im Kaffeehause in Streit gerathen, der mit
einer Herausforderung endigte. Auf dem Kampf-
plätze im Grünewald ergab es sich, daß ein Sekun-
dant, dem die Waffenbeschaffung aufgetragen worden
war, durch Versehen den Pistolenkasten vergessen
h tte. Hierüber gerieth M. so sehr in Wut, daß

„Thut, wie ich euch gesagt!" sprach er hastig.
„Die Pflicht geht über alles!"
Hastige Schritte, das Hausthor schlug dumpf
hinter ihm zu. Dem alten Manne fiel die Hand
bleischwer von den Augen und zitternd sank er auf
die Knie.
„Heiliger, grundgütiger Gott", stöhnte er, „hilf,
daß es ein Trug sei, ein grauenhafter, aber doch
nur ein Trug!"

Und rauschend fielen ungezählte Tropfen von
den Blättern, sobald der Wind durch die Zweige
strich, und das Geräusch mischte sich mit dem Plät-
schern der Wellen gegen das steinige Ufer. Dunkel
lag der Garten, dunkel der Fluß dahinter, dunkel
und schweigend.
Da — waren das nicht Schritte, war das
nicht Flüstern von Stimmen? Oder war es wieder
nur der Tropfenfall, das Rascheln des Windes in
den Blättern?...
Dicht das Ufer verfolgend, streicht ein Kahn
über die Fluth hin, langsam, lautlos. Eine ein-
zige Gestalt befindet sich in demselben, zusammen-
geduckt, als fürchte sie, trotz der Finsterniß dennoch
gesehen zu werden.
Da — blitzschnell, unwillkürlich* fährt der Kopf
empor. Ein anderes Boot nähert sich; pfeilschnell
schießt es daher, vorüber, verschwindet es in der
Dunkelheit, jäh, wie es aufgetaucht.
„Verteufelt!" knirschte die zusammengekauerte
Gestalt, sich aufrichtend. „Entwischt! Jetzt — jetzt
steht es fest: — es giebt ein Geheimniß! Aber
welches — welches? Um was — um was handelt
es sich? Und wer — wer ist es " >

Zweites Kapitel.
Zwielicht.
Morgendämmerung lag über der Erde. Der
in dieser Nacht aus Norden wehende Wind hatte
nachgelassen. Kaum regte sich jetzt eins der nur
noch wenigen Blätter an den Bäumen und ein
weißgrauer, leichter Nebel hatte sich über dem dem
Flusse zu gelegenen, tieferen Erdboden und dem
Flusse selbst erhoben, der auf einige Entfernung ein
deutliches Erkennen erschwerte. Aber wen konnte
um diese Stunde das bekümmern?
Von den leichten Schwankungen des kaum merk-
lichen Wellenschlages gegen das Ufer geschaukelt,
wiegten sich die hinter den Gärten der eleganten
Villen liegenden Böte in gleichmäßigen Zwischen-
räumen hin und her. Ab und zu fiel noch ein
schwerer Tropfen von den Zweigen oder löste sich
ein Blatt und schwebte zur Erde, sonst war alles
still, lautloser still selbst als in der Nacht, die eben
dem anbrechenden Morgen wich.
Da — war das Ruderschlag? Der Nebel,
der über dem Flusse ziemlich dicht lag, ließ zwar
nichts erkennen, aber das Geräusch ward deutlicher,
es nährte sich offenbar und jetzt tauchte ein dunk-
ler Punkt in dem Nebel auf. Von den Thürmen
der Stadt herüber verkündeten eben die Glocken die
fünfte Morgenstunde. Die helleren Glockentöne
der Johanniskirche mischten sich in die noch nicht
verhallten, dumpferen Stundenschlägen der Stadt-
glocken.
„Sakrament!" murmelte der Jklsasse des Bootes,
erhöhte Anstrengungen machend, „da fehlt nicht
viel, und ich komme zu spät. Und doch darf noch
> keiner wach sein, ehe ich in Sicherheit bin. Aber

dieser vertrackte Nebel, da finde der Henker den
Weg. Wie lange hätte ich wohl schon drüben sein
können, ohne dieses Hin- und Herkreuzen. Ah, da
sind wir!"
Das Boot schoß eben auf den Volkheim'schen
Garten zu. Im nächsten Moment bugsierte es vor
der kleinen, steinernen Landungstreppe. Der In-
sasse richtete sich auf und sprang auf die unterste
Stufe, sich niederbückend, um das Boot an seine
Kette zu befestigen.
Mit einem Aufathmen nahm er hierauf den
Hut ab, zog das Taschentuch hervor und trocknete
sich die Stirn, auf der Schweißtropfen perlten.
Die Morgendämmerung war noch ziemlich
matt, aber sie ließ dennoch den Ankömmling deut-
lich erkennen.
Er war ein hochgewachsener, noch sehr junger
Mann von berückendem Aeußcrn. Seine Gestalt
war schlank und von größtem Ebenmaß. Alles an
ihm war wohl proportioniert; feine Hände und
Füße waren klein, sein Gesicht von jenem griechi-
schen Schnitt, welcher als der edelste in der ganzen
Weit gilt. Das bestechlichste darin waren unzweifel-
haft die Augen, diese fast dämonisch bezwingenden
Augen, welche unwillkürlich fesselten und in ihren
Bann schlugen, was sie fesseln wollten.
Es war ein schönes Gesicht, welches einen in
allem schönen Körper krönte, aber ein Gesicht von
verhängnihvoller Schönheit. Das lehrte der erste
Blick.
Selbst jetzt nach einer offenbar durchwachten,
vielleicht sogar wüst durchbrachten Nacht entbehrten
diese Züge nichts von ihrem Reiz, machte die leichte
Blässe sie nur noch interessanter.

Mit zwei, drei Sprüngen eilte der junge Mann
die Treppe hinan. Seitwärts von derselben, dem
Flusse zu, zwischen Bäumen fast versteckt und nur
dem Wasser zu offen, lag ein kleiner Pavillon.
Derselbe hatte, zum Schutz gegen Wind und Regen
offenbar, bunte Glasfenster und Glasthürsn. Die-
selben waren jetzt geschlossen.
Der junge Mann war schon auf dem Wege
dem Hause zu, als er Plötzlich seine Schritte wandte
und dem Pavillon zulenkte.
„Ob ich es dort vielleicht verloren habe?"
murmelte er für sich. „Jetzt kann noch niemand
dagewesen sein!"
In wenigen Sekunden stand er vor dem Pa-
villon. Er griff in die Tasche und zog einen Schlüssel
hervor, den er in das Schlüsselloch der Glasthür
steckte. Aber derselbe versagte. Er legte die Hand
auf den Drücker; die Thür sprang auf.
„Unverschlossen?" entfuhr es dem frühen Be-
sucher wie ein Hauch. „Habe ich denn nicht ab-
geschlossen ? Potz Blitz, ich möchte doch darauf
wetten!"
Damit überschritt er die Schwelle, im nächsten
Moment stand er wie gebannt. Seine Augen er-
weiterten sich, als sähen sie eine Vision.
„Was ist denn das?" stieß er aus. „Wie
kommt denn das hierher? Das ist —das ist Gas-
geruch, offenbarer Gasgeruch! Die Thür auf, un-
verschlossen, und dieser — dieser offenbare Gas-
geruch! Teufel noch einmal, was bedeutet das?"
Er stand einige Minuten in einer Erwartung,
die jeder Beschreibung spottet; Plötzlich schien er
sich zu erinnern.
(Fortsetzung folgt.)
 
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