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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 211 - Nr. 220 (10. September - 20. September)
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die den polnischen Adel erw.uthigten. Trotz alledem
seien im Vergleich zur Mitte dieses Jahrhunderts
Fortschritte gemacht worden. Die Hauptsache sei die
Erziehung der Familie in deutscher Art und des-
halb schließt er mit einem Hoch auf die deutschen
Frauen. Dann brachte Gymnasialdirektor Kiel
aus Bromberg ein Hoch auf die Fürstin Bismarck
aus. Der Fürst trat nun unter die Versammlung
und redete mit mehreren. Dann marschirte der
Zug unter den Klängen zweier Militärkapellen an
ihm mit Hüteschwenken vorüber und zum Baknhof
zurück. Die Ausschußmitglieder wurden vom Fürsten
zur Tafel gezogen.
Karlsruhe, 16. Sept. Nach den dem Bundes-
rath vorliegenden, auf Erweiterung der Unfall-
versicherung und Abänderung der Unfallver-
sicherungsgesetze gerichteten Gesetz-Entwürfen ist
beabsichtigt, die bisherige Bestimmung der Unfall-
versicherungsgesetze, wonach Hinterbliebene eines
Ausländers einen Anspruch auf Unfallrente nicht
haben, sofern sie zur Zeit des Unfalls nicht im
Jnlande wohnten, aus Billigkeitsgründen nach
zwei Richtungen zu mildern. Und zwar soll der
Bundesrath, wie in § 34 Ziffer 4 des Jnvalidi-
täts- und Altersversicherungsgeietzes, ermächtigt
werden, jene Vorschrift für bestimmte Grenz-
bezirke außer Kraft zu fetzen. Aus den an
die deutsche Grenze anstoßenden Bezirken des Aus-
landes nehmen zahlreiche Personen auf längere
Zeit oder auch dauernd innerhalb des Reichsge-
bietes Arbeit, ohne ihren Wohnsitz im Auslande
aufzugeben; sic lassen ihre Familien in dem be-
nachbarten Orte des Auslandes und kehren dort-
hin nur für kurze Zeit zurück. Wenn solche Fa-
milien ihren Ernährern nicht folgen, so geschieht
dies in der Regel, weil sie auch jenseits der
Grenze der inländischen Arbeitsstätte ihres Er-
nährers nahe genug wohnen. Solche Ausländer
stehen in allen sür die Unfallversicherung wesent-
lichen Beziehungen den Inländern gleich; es ist
daher billig, auch ihre Hinterbliebenen hinsichtlich
der Unfallrente den Inländern gleich zu be-
handeln. Aehnliche Billigkeitsgründe sprechen da-
für, die Unfallfürsorge den Angehörigen solcher
Staaten, welche nach Lage ihrer Gesetzgebung im
Stande und bereit sind, deutschen Arbeitern die
gleichen Vortheile zu gewähren, ohne Rücksicht auf
die größere oder geringere Nähe ihres Wohnorts
in demselben Umfange wie den Inländern zuzu-
wenden. Die Prüfung des Vorhandenseins dieser
Voraussetzungen und die sich darauf gründende
Beschlußfassung soll, „Bad. Korr." zufolge, dem
Bundesrath überlassen bleiben.
Strahb«rg, 17. Sept. Der Grvßherzog von
Baden fuhr gestern Morgen zur Thomaskirche und
wohnte dort dem Militärgottesdienste bei, in dem
der Divistorwpfarrer Bachstein eine erbauliche
Predigt hielt. Um 6 Uhr nachmittags folgte der
Großherzog einer Einladung des kommandirenden
Generals v. Blume zum Diner. Gegen 10 Uhr
abends fuhr der Großherzog zum Gasthof „zur
.Stadt Paris" zurück. Heute Morgen mit dem
Zuge um 6.52 Uhr fuhr er nach Hochfelden.
Dort steht em Wagen bereit, welcher ihn ins
Manöverfeld bringen wird. Heute Nachmittag
ward der Großherzog die Fortsbauten bei Mutzig
besichtigen und abends um 6 Uhr von Molsheim
hierher zurückkehren.
Mölsheim, 17. Sept. Der Großherzog von
Baden traf deute mit dem fahrplanmäßigen Zug
um 1 Uhr 48 Min. aus dem Manövergebiet von
Wasselnheim kommend auf dem hiesigen Bahnhof
ein und reiste mit dem Zug um 2 Uhr 8 Min.
nach Mutzig werter. Mit dem Oberstlieutenant
z. D. und Bezirkskommandeur Zinnow, welcher
auf dem Bahnhof Molsheim zur Begrüßung war,
unterbi.lt sich der Großherzog in huldvoller Weise.
Von hier begibt sich der Großherzog mit der Draht-
seilbahn zur Besichtigung der Festungswerke auf
den Molsheimer Berg. In Mutzig, wo der Groß-
herzog bereits bei früheren Gelegenheiten glänzend
empfangen wurde, soll auch diesmal ein schöner
Empfang stattfinden. Auf dem Molsheimer Berg

wird ein Frühstück eingenommen. Die Rückreise
nach Straßburg erfolgt mit dem 6 Uhr-Zug.
Ausland.
Pest, 16. Sept. Der Kaiser empfing
heute um 12 Uhr die Reichsraths-
delegation in feierlicher Audienz. Frhr. v.
Chlumccky sicherte in einer Ansprache dem Kaiser
die Festhaltung der traditionellen patriotischen Opfer-
willigkeit zu und betonte die Nothwendigkeit der
Entfaltung der geistigen und materiellen Volks-
kräfte, guter Finanzen und eines geregelten Geld-
wesens für die Entwicklung der Wehrkraft. Der
Kaiser erwiderte: „Die Versicherungen Ihrer
treuen Ergebenheit, die ich soeben vernommen habe,
erfüllen mich mit aufrichtiger Genugthuung. Es
gereicht mir zur lebhaften Befriedigung, daß die
Zuversicht, die ich, als die Delegationen das letzte
Mal versammelt waren, auf die Erhaltung und
Consolidirung des Friedens aussproch, in der Heu
tigen beruhigteren europäischen Lage ihre Bestätigung
findet und daß die sehr freundschaftlichen Beziehungen,
die wir mit allen Mächten pflegen, zu der Hoff-
nung berechtigen, daß wir uns auch fernerhin der
Wohlfahrt unserer Völker werden widmen können.
Immerhin bleibt es eine Nothwendigkeit, und meine
Regierung hält es gleich den anderen Mächten für
ihre Pflicht, in der Fortentwicklung der Wehrkraft
der Monarchie keine Unterbrechung eintreten zu
lassen." Die Ansprache des Grafen Tisza, des
Präsidenten der ungarischen Delegation, die um I
Uhr empfangen wurde, erblickt in dem Dreibunde
ein wirksames Werkzeug für die Sicherstellung des
Friedens, dem eine doppelte Wichtigkeit zukomme
angesichts der neuen in Europa wahrnehmbaren
Strömungen bezüglich der Organisation des Staates
und der Gesellschaft, damit alle Staaten ihre ganze
Kraft den inneren Angelegenheiten, der Ausglei-
chung der Gegensätze widmen könnten.
Pest, 17, Sept. Der auswärtige Ausschuß
der Delegation sprach dem Grafen Kalnoky mit
allen Stimmen gegen einen Jungczechen sein Ver-
trauen aus. In seiner Darlegung führte Kal-
noky aus, der Dreibund fei nicht gegen Rußland
gerichtet und bezwecke nur die Erhaltung des
Friedens. Man fürchte den Dreibund nicht mehr,
aber rechne mit ihm, in Folge dessen seien die
Beziehungen mit allen Mächten, auch mit Eng-
land, gut. Frankreichs Sympathien hätten sich
bei der Kaiferreise gezeigt. Der Abschluß des
russischen Vertrags habe auch die politischen Be-
ziehungen verbessert. „Angesichts dieser Umstände
beunruhigen die Ereignisse in den kleinen Staaten
nicht. Wir wollen in Serbien keine Politik
machen; unsere Beziehungen zu ihm haben sich
seit anderthalb Jahren gebessert. Die inneren
Vorgänge in Bulgarien alteriren nicht unsere
Beziehungen zu ihm. Die Bulgaren sind klug
und werden die errungene Stellung nicht auss
Spiel setzen."
London, 17. Srpt. Der Berichsirstatter der
„Central News" in Soeul meldet: DieJap a n er
haben am Samstag einen groß en Sieg über
die Chinesen erfochten. Ungeheure Mengen
an Vorräthen, Waffen sind in die Hände der
Japaner gefallen. Dir Chinesen haben 16 000
Mann an Tobten, Verwundeten und Gefangenen
verloren, sowie Hunderte von Fabnen. Unter den
Gefangenen ist auch General Jko-Tanka, der
Oberbefehlshaber der Mandschu-Armee, der sich tapfer
v rtheidigte, bis er verwundet und gefangen wurde.
Die Japaner hatten nur 30 Tobte und 270 Ver-
wundere, darunter 11 Offizieren, verloren. Die
Flüchtlinge wurden eifrigst verfolgt. Sie hatten
meist die Waffen weggeworfen und ergaben sich frei'
willig. Vielleicht wird der Guerillakrieg noch fort-
dauern, aber bis es China gelingt, eine neue Armee
nach Korea zu werfen, bleibt Korea in den Hänoen
der Japaner.
Aus Mud und Fern.
* Schwetzingen, 17. Sept. Bei dem Preis-
turnfest in Friedrichsfeld errangen sich vom „Turner-

bund" Germania" hier folgende Turner Preise:
Den 1. Karl Singer, den 5. Abraham Ueltzhöffer,
den 11. Thomas Jöst, den 15. Ehr. Schuh-
macher unter 95 Preisturnern; vom hiesigen
Turnverein die Turner Schreiner und Wißmaier
je einen Preis.
* Plankstadt, 17. Sept. Wie wir hören soll
am Samstag auf der Rheinau ein hiesiger verhei-
ratheter Arbeiter durch Säure derart verbrannt sein,
daß er schwer verletzt nach dem Krankenhaus ge-
führt werden mußte.
* Mannheim, 17. Sept. Die Einweihung
des Kaiser W lhelm-Denkmals findet nunmehr am
Samstag, 13. Oktober und Sonntag, 14. Oktbr.
statt. Der Enthüllungsakt geht am Sonntag vor
sich. Das Programm ist bereits festgestellt, bedarf
aber noch der Zustimmung des Stadtraths und
der Genehmigung des Großherzogs.
* Mannheim, 17. Sept. Vergangenen Sams-
tag Nacht schlich sich ein Viehtreiber Namens
Karl Heck in den Stall des städtischen Schlacht-
hauses, um daselbst sein Nachtquartier zu nehmen.
Doch dieses unberechtigte Einschleichen sollte der
Viehtreiber schwer büßen. Es machte sich nämlich
in der Nacht ein in dem Stall untergebrachter
Fasse! los und richtete dem Viehtreiber dermaßen
zu, daß letzterer mit einigen Nippen, welche ihm
eingedrückt wurden und den rechten Arm, den er
dabei brach, bewußtlos vom Platze getragen und
ins städtische Krankenhaus verbracht werden
mußte.
* Weinheim, 16. Sept. Gestern Nachmittag
erhängte sich der verheirathete Fabrikarbeiter
Stefan Wittermann in seinem Weinberge an der
Burg Windeck. Da die Familienverhältnisse des
Lebensmüden sich in bester Ordnung befinden,
kann Wittermann, der ein braver, fleißiger Ar-
beiter war, nur in einem Anfalle von Geistesge-
störtheit die unglückliche That verübt haben.
* Wiesloch, 17. Sept. Schon Jahre lang
wird hier von einer zu erstellenden Wasserleitung
gesprochen und immer schärfer wurde der Wunsch
nach einer solchen laut, wenn man erfuhr, daß
in diesem und jenem Städtchen, ja in Dörfern
Wasserversorgungen eingerichtet wurden. Endlich
ist ein Schritt in dieser Frage gemacht. Die so-
genannte Stadtmühle im südöstl. Theil der Stadt
(Oberstadt) soll, nach einem in der gestern Abend
stattgehabten Bürgerausschußsitzung mit 23 gegen
21 Stimmen gefaßten Beschluß angekauft werden.
Diese Mühle soll, sobald die Errichtung einer
Wasserleitung beschossen sein wird, zu einem Pump-
werk benützt werden, da die hiesigen Terrain- und
Quellenverhältuisse ein solches nöthig machen.
Hoffen wir, daß nun auch bald über die Erbau-
ung einer Wasserleitung beschlossen, wird.
chsi Wiesloch, 17. Sept. In der Nacht von
Sonntag auf Montag machte ein Radfahrer
eine hochromantische Mondscheintour von hier
über Bruchsal, Grötzingen, durch das Pfinzthal
nach Maulbronn und von da auf demselben Wege
wieder zurück. Der Weg beträgt etwa 120 Kilo-
meter und wurde von Abends 8 Uhr bis morgens
5 Uhr mit 2 bis 3 Stunden Aufenthalt zurück-
gelegt.
Eschelbronn, 17. Sept. Bei der heute
Nachmittag 3 Uhr stattgefundencn Bürgermeister-
wahl wurde der bisherige Bürgermeister Braun
mit 26 Stimmen wiedergewählt.
* Epfenbach, 17. Sept. Bei der am 12
d. Mts. dahier stattgehabtcn Versteigerung des All-
mend Obstes wurden 747 Mk. 20 Pfg. erlöst,
gegen 2480 Mk. im vorigen Jahre.
* Rappenau, die Gemeinde hat bei der dies-
jährigen Obstversteigerung einen Erlös von 1838
Mk. 10 Pfg. erzielt. I« Allgemeinen ist das
Obst nicht schön. Aepfel und Zwetschgen fehlen
beinahe ganz. Vieles Obst fiel vor der Verstei-
gerung von den Bäumen ab und war unbrauchbar
In Anbetracht dieser Verhältnisse hat die Gemeinde
immerhin eine bohe Einnahme zu verzeichnen.
^- Waibstadt, 17. Sept. In der heutigen
Bürgerausschußsttzung wurde Punkt 1 der Tages-

ordnung, Genehmigung des Schulhausbaues des
Kapitals dafür von 42 000 Mk. betr., einstimmig
angenommen; desgleichen Punkt 3, Genehmigung
eines Anlehens für Anschaffung von Musikinstru-
menten des zu gründenden Musikorchesters, sowie
des Gehaltes des Musiklehrers mit 200 Mark-
Punkt 2, Genehmigung eines Anlehens zu Baum-
pflanzungen auf städt. Gelände im Betrag von
1000 Mark stieß leider auf heftigen Widerstand,
obwohl Herr Bürgermeister Wittmann klar dar-
legte, welch' großen Nutzen diese nur scheinbare
Ausgabe hätte, wie das ausgelegte Kapital.
Z Aglasterhausen, 17. Sept. Bei der am
5. d. Mts. abgehaltenen Gemeindeobstversteigerung
wurden 250 Mk. erlöst, ungefähr das Doppelte wie
im Vorjahr.
* Uuterschwarzach, 17. Sept. Nach mehr-
jährigen eifrigen Bemühungen unserer Ortsbe-
hörde haben wir es endlich erreicht, daß demnächst
die Straßenverbesserung von hier nach Aglaster-
hausen, was allgemein als eine große Nothwen-
digkeit angesehen wird. In die Baukosten theileu
sich der Staat, der Kreis und die Gemeinde mit
je einem Drittel. Diese Nachricht wird hier wie
in Aglasterhausen gewiß mit Freude ausgenommen
werden.
* Sinsheim, 17. Sept. Am gestrigen Sonn-
tage wurde hier ein seltenes, in einer Kreiö-
P fleg eansta lt wohl noch nie dagewesenes
Fest gefeiert. Die Johann Beisel Eheleute, die
seit dem 8. Februar d. I. sich in unserer Anstalt
befinden, feierten ihre goldene Hochzeit. S. K. H-
der Großherzog hat dem Jubelpaar das huldvolle
Gnadengeschenk mit 30 Mk. gespendet, welches
demselben am Geburtstage des geliebten Landes-
vaters von dem Vorstande der Anstalt in geeigneter
Form übergeben wurde. Die kirchliche Feier fand
gestern, nach dem Gottesdienste in der Anstalt in
einfacher, würdiger Weise statt und nahmen die
Pfleglinge beider Konfessionen daran Antheil.
* Eppingen, 17. Sept. Gestern Nachmittag
fand im Gasthaus „zum deutschen Kaiser" hier
eine landwirthschaftliche Besprechung des Bezirks-
Vereins Eppingen statt, welche durch eine an-
gemessene Begrüßung des Vereinsdirektors, Herrn
Oberamtmann Keim eröffnet wurde. Zugleich
machte derselbe auf die am Schluffe der Besprechung
stattfindende Vertheilung der bei der diesjährigen
Prämiirung sür Rindvieh bewilligten Prämien
in der Gesammtsumme von 1100 Mk. aufmerk-
sam. Hierauf hielt Herr Oekonomierath Jung-
Hans, Vorstand der Ackerbauschule Hochburg, über
Zucht und Haltung der Schweine einen interes-
santen, belehrenden Vortrag.
* Neckarzimmern, 17. Sept. Da die Dienst-
zeit des hiesigen Bürgermeisters Fritz abgelaufen,
so fand am 15. d. M. die Neuwahl eines Bürger-
meisters statt. Von 31 Wahlberechtigten übten 30
ihr Wahlrecht aus, und es erhielt der seitherige
Bürgermeister Fritz 29 Stimmen, während 1 Zettel
leer blieb. H rr Fritz ist somit wieder einstimmig
zum Bürgermeister gewählt.
* Karlsruhe, 14. Sept. Herrn Oberamtmann
Lang! Ich habe von dem gestrigen Tage in
Tauberbischofsheim unvergeßliche Eindrücke em-
pfangen, und es ist meinem Herzen Bedürfniß, der
tiefen Dankbarkeit Ausdruck zu ^eben, welcher
ich der unzähligen Kundgebungen der Liebe und
Anhänglichkeit gedenke, welche mir von allen Seiten
und in mannigfachen Weisen entgegengebracht worden
sind. An Sie richte ich die Bitte, der Vermittler
meines wärmsten Dankes sein zu wollen und der
Freude und Rührung Ausdruck zu geben, mit
welchem ich der Stunden in Mitten der Bevölkerung
von Tauberbischofsheim stets gedenken werde. Groß-
herzogin.
Karlsruhe, 17. Sept. Heute früh kurz
nach 6 Uhr kam der verheirathete Arbeiter Johann
Grether aus Durlach in der Eisenbahnhauptwerk-
stätte beim Schieben von Wagen mit dem Ober-
körper zwischen die Puffer. Er wurde sehr schwer
verletzt und sofort ins städt. Krankenhaus verbracht.
Sein Zustano ist hoffnungslos.

lag es vor ihren Augen aber dann hoben sich ihre Lider
und gletchsam gebannt blieb ihr Blick haften auf dem
Gesichte eines ihr fremden Mannes, der inmitten des
Zimmers, voll dem Licht zugekehrt, stand.
„Sre wünschen, mein Herr?" hob sie mit ihrer
klangvollen Stimme an, indeß ihre Augen sich fest auf
den Besucher richteten.
„Habe ich die Ehre, Fräulein Volkheim geuenüber-
zustehen?" erwiederte dieser mit gedämpfter Stimme.
„Ich komme in der Angelegenheit eines andern. Sie
verzeihen also die Frage."
„Ich finde dieselbe fiyr gerechtfertigt, wenn der
Auftrag, der Sie hierher führte, ein wichtiger ist," ver-
setzte Jertha reserviert. „Dürfte ich auch Ihren Namen
wissen?"
Der Unbekannte verbeugte sich.
„Mein Name ist Janos Sandory/ sprach er, seine
Augen, die wahre Feuergarben sprühten, auf das junge
Mädchen richtend. „Ich komme m Veranlassung Ihres
Bruders Hans!"
Jertha sah den Sprecher forschend an.
„Sie haben Nachricht von ihm?"
„Der Umstand daß ich Sie hier aufsuchen konnte,
beweist Ihnen mehr als alles," versetzte der Ungar,
„daß ich Ihres Bruders volles Vertrauen besaß. Wie
sollte ich sonst Ihren Aufenthalt wissen, der aller Welt
em Geheimnitz ist?
Jertha erbleichte, wider Willen, sie sank in einen
Sessel nieder und bedeutete ihm mit einer Handbe-
weguna, gleichfalls Platz zu nehmen.
„Gnädiges Fräulein." sagte er mit Gewandtheit,
„ich bin von der völligen Schuldlosigkeit des aus der
Heimath Verbannten überzeugt, aber die Gesellschaft
urtheilt anders. Was spricht die Welt, fragte sie.
Er nahm einen resignierten Ausdruck an und sagte
gepreßt: In dem Hause Volkheim hat ein geheimniß-
voller Todesfall und zugleich ein bedeutungsvoller Raub
stattgefunden. Man vereint beides zu einer That und
legt diese kurzweg Ihrem Bruder zur Last!"
Hatte er erwartet, daß sie ohnmächtig werden würde,
so sollte er sich getäuscht sehen. Sie erhob sich sogar
von ihrem Sessel.

„Mit welcher Berechtigung?" fragte sie scharf.
„Welche Gründe hat die Gesellschaft, so einfach den
Stab über einen Schuldlosen zu brechen?"
Der Ungar zuckte die Achseln.
„Sie vergessen, meine Gnädige, daß die Gesellschaft
Ihren Bruder eben für schuldig hält, — ein verhäng-
nißvoller Jrrthum," beeilte er sich hinzuzufügen, „aber
ein Jrrthum, den sie eben einmal begeht. Sein Ver-
schwinden von dem Schauplatz, seine überstürzte Ab-
reise giebt dem Verdacht Ust den festesten Halt.
„Und wer ist der Schuldige?"
Die Frage kam so plötzlich, so unvermittelt, daß
der Ungar unwillkürlich um zwei, drei Schritt zurück-
wich unter dem Eindruck derselben. e<ber schnell hatte
er sich wieder gefaßt.
„Fräulein Volkheim, von der Frage geleitet, kam
ich hierher. Haben Sie keinen, wenn auch nur den
leisesten Anhalt, ob überall ein Verbrechen vorliegt und
wie dann die That geschehen sein könnte?"
„Daß ein Verbrechen verübt worden ist, unterliegt
für mich keiner Frage," sprach sie, „wenn ich auch keine
Spur sehe, welche auf den Thäter oder auf die Thäterin
hinlenkt!"
In seinen Augen blitzte es auf, dämonisch.
„Die Thäterin; sing er ihre Worte auf. „Wie
kommen Sie auf den Gedanken, an die Ausübung des
Verbrechens durch eine weibliche Hand zu glauben?"
„Meinen Sie vielleicht Frau Baumgart?"
Jertha blickte überrascht auf. Woher wußte dieser
Mann, den sie in ihrem Elternhause nie gesehen, den
für einen Fremden doch gewiß äußerst nebensächlichen
Namen der Hausdame?
chr Erstaunen in ihrem Blick.
Interesse Ihres Bruders," nahm er das
Wort, „stattete ich Ihrem Herrn Vater einen Besuch
ab. Derselbe scheint schwer zugängig zu sein. Ich
mußte vorher ein förmliches Kreuzverhör dieser Haus-
dame bestehen. Dabei erfuhr ich ihren Namen."
Die Erklärung klang recht einfach, und deßhalb
stellte dieselbe sie zufrieden.
„Sie knüpfen infolge dieser nächtlichen Begegnung
einen Verdacht an diese Person?" forschte er weiter.

„Das habe ich nicht gesagt," antwortete sie.
Der Ungar zeigte das ehrlichste Gesicht von der
Welt.
„Fräulein Volkheim, ich stehe vollständig zu Ihren
Diensten. Befehlen Sie über mich. Wie Ihnen, liegt
mir an der Feststellung der Wahrheit, um Haus'
willen. Wenn Sie irgend eine -Entdeckung machen
sollten, wollen Sie mir versprechen, mich davon un-
verweilt in Kenntniß zu sehen? In keine teueren
Hände können Sie das Geschick Ihres Bruders legen,
als in die meinigen!"
„Ich werde Sie rufen lassen, wenn ich Ihrer Hilfe
bedürfen sollte," erwiderte sie einfach.
Eine tiefe Vorbeugung seinerseits, eine nochmalige,
kaum merkbare Kopfbewegung von ihrer Seite, und das
Gespräch war zu Ende.
Wenige Sekunden später schloß sich die Thür
draußen hinter dem Gehenden. —
Im Begriff, in das blaue Zimmer einzutreten,
fühlte Frau Wilsemann ihren Arm plötzlich fest um-
faßt. Zur Seite blickend, sah sie das aschgraue Gesicht
ihres Sohnes.
„Mutter," sprach er zu ihr und seine Stimme
klang heiser, „komm mit mir! Ich weiß die ganze Wahr-
heit und ich hörte alles! Still, keinen Laut , raunte
er ihr fast heftig zu, „sie darf nichts ahnen!"
Die Matrone fühlte ihre Kniee wanken, aber mit
Heroismuß hielt sie sich aufrecht und folgte hochklopfen-
den Herzens ihrem Sohne.
Heller Sonnenschein empfing den aus dem alter-
thümlichen Hause tretenden Ungar, während er die zu
beiden Seiten von mächtigen Beischlägen eingefaßten
Treppenstufen langsam hinabstieg und in dem gleichen
Tempo die Straße hinabschritt.
Er ging fast so langsam wie der alte Lumpen-
sammler, oder was derselbe sein mochte, der aus dem
Innern eines gegenüberliegenden Hauses hervorgetreten
war und jetzt denselben Weg schritt, den jener nahm.
Aber er war offenbar altersschwach, jener aber war ein
Mensch im rüstigsten Mannesalter, kaum einige Jahre
über die dreißig, und es mußten ihn ganz außerordent-

lich beschäftigende Gedanken sein, welche seinen Schritt
seihst heeinträchtigten.
Das bewegtere Treiben auf dem freien Platz, auf
welchen die Straße ausmündete, schien auch ihn mdeß
mit neuem Leben zu erfüllen. Sein Haupt hob sich,
seine Augen begannen intensiv zu leuchten, sein Schritt
verdoppelte sich, so daß der alte Lumpensammler, der
in die hübsche Gestalt des Vocanschreitenden sich förm-
lich vergafft zu haben schien, so hingen seine Augen an
ihm zu folgen vermochte.
Ein Spottlächeln kräuselte jetzt seine von einem
äußerst verwegenen, schwarzen Schnurrbart überragten
Lippen.
„Ein toller Plan," sprach er in sich hinein, „aber,
wie seine Vorgänger, ein Kapitalplan, wie er sich besser
nicht ersinnen-läßt und dem der Erfolg nicht fehlen
kann! Ich bin gezwungen, andere Saiten aufzuziehen.
Auf diesem Wege komme ich mit keinem Schritt meinem
Ziel näher, erreiche ich nie mein goldiges Ziel! Der
erste Versuch führte zu nichts, der "zweite muß glücken,
und er soll es, bei allen Teufeln! Ich will, ich will
es! . . . Hahaha, in meine Gewalt gegeben, sollst du
schon umsonst mit deinen Flügeln flattern, meine scheue
Taube! Du wirst dich mir fügen müssen, weil dir
keine Wahl bleibt, — keine Wahl, so stolz, wie unver-
gleichlich schon du bist!"
22. Kapitel.
Sch i cksa lsfäde n.
„Bist du cs, Markus?"
„Nein, nicht Markus, aber ein Freund, — öffnen
Sie nur!"
Die Lade an der Innenseite des Thürfensters
wurde losgeschraubt, zurückgeschlagen und ein altes Ge-
sicht lugte durch die kleinfenstrigen Scheiben auf den
Draußenstehenden, auf welchen der ungewisse Schein der
Gaslaterne fiel. Aber die Frau hatte offenbar scharfe
Augen; vielleicht auch ließ die Erinnerung sie den
Wartenden an dessen Stimme erkennen. Mit Eilfertig-
keit öffnete sie die Thür.
(Fortsetzung folgt.)
 
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