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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) (2) — 1894

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Nr. 221 - Nr. 230 (21. September - 2. Oktober)
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nach Süden und zwar nach Livadia zu ermöglichen.
Allgemein halt man hier ein noch längeres Ver-
schweigen des wahren Zustandes des Zaren für
kaum mehr durchführbar, was aber nicht ausschließt,
daß dennoch ein solcher Versuch gemacht wird.
Changhai, 29. Sept. Eine Meldung des
Reuterfchen Bureaus besagt: Nach einem hier
umlaufenden unbestimmten Gerüchte landeten die
Japaner nördlich von Chefoo große Truppen-
mengen und setzen die Landung fort. In der
Fremdenkolonie von Peking und Tientsin herrscht
große Besorgniß. In Tientsin werden Maß-
regeln zur Vertheidigung der Stadt getroffen,
Aus Wcry und Aern.
" Mannheim, 29. Sept. Emen frechen Be-
trug verübte dieser Tage ein geriebener fein ge-
kleideter Gauner bei einer pfälzischen Eisenbahn-
station. Der Gauner trat an den Billetschalter,
stellte sich dem Einnehmer als einen Beamten
von Hagenau vor und erklärte, er habe sein
Portemonnaie verloren und könne nun nicht nach
Hause gelangen. Er ersuchte den betr. Einnehmer
um ein Darlehen was dieser auch in Form eines
Billets nach Hagenau gewährte. Nun stellt sich
aber heraus, daß der „Herr Beamte" ein Hoch-
stapler war.
* Mannheim, 28. Sept. Wie die „Karlsr.
Atg." mittheilt, kann der neue Rheinhafen am 15.
Okt. dem Verkehr noch nicht übergeben werden.
* Weinheim. 29. Sept. Gestern Vormittag
ereignete sich schon wieder ein Unglückssall auf
der Weinheim-Mannheim-Heidelberger Nebenbahn.
Der Fuhrmann von Herrn Landwirth Busch
wollte aus dem Wege am früheren Duschbad bei
den Eartenanlagen des Herrn Oekonom Michel
mit einem mit Kies beladenen Wagen nach der
Chaussee fahren. Als er kurz vor der Chaussee
angelangt, kam plötzlich ein Zug herangepraust.
Trotzdem der Fuhrmann seine ganze Kraft an-
wandte, um das Fuhrwerk auf die Seite zu
ziehen, bekam der Wagen einen kräftigen Ruck;
dem einen Pferde wurde das ganze Sattelzeug
u. s. w. weggerissen und über das andere Pferd
in den Graben geschleudert, letzteres ist am Kopse
verletzt und hat eine größere Geschwulst davonge-
tragen.
* Helmstadt, 27. Sept. Hier wurde am
Samstag ein 60 Jahre alter, verheiratheter Tag-
löhner von hier wegen Vergehen gegen die Sitt-
lichkeit verhaftet und ins Amtsgefängnis Neckar-
bischofsheim abgeführt.
* Elfen; (A. Eppingen), 28. Sept. Hier
wurde ein 22jähriges Mädchen verhaftet wegen
Ermordung ihres unehelich geborenen Kindes.
' Mosbach, 29. Sept. Die staatliche An-
kaufskommission für Zuchtstuten belgischer Rasse,
bestebend aus Herrn Hauptmann a. d. Fischer,
Vorstand des standespferdezuchtvereins, und Herrn
Bezuksarzl Vaeth von Mosbach, wird sich Ende
dieser Woche nach den Ardennen und nach Bra-
bant begeben, um die durch die Vermittlung der
Regierung bestellten Stutfodlen zu erwerben. Im
hiesigen Bezirk sind 16, im ganzen im Unterlonde
88 Fohlen bestellt. Mit der Zeit dürste im ba
dischen Unterlande eine Zucht des belgischeen Schlages
bestehen, die mit jeder anderen in die Schranken
treten kann.
* Karlsruhe, 29. Sept. Nachdem der Stand
der Maul- und Klauenseuche unter den Wehbe
ständen Italiens sich in neuerer Zeit günstiger ge-
staltet hat, ist durch Verfügung grogh. Ministeriums
des Innern unter theilweiser Abänderung der Be-
kanntmachung vom 14. Dezember 1893 die Ein-
fuhr von Schlachtvieh (Rindvieh und Schweinen)
aus Italien in die Schlachthöfe der Städte Freiburg
Konstanz, Karlsruhe und Mannheim unter den s.
Zt. bekannt gegebenen Bedingungen bis auf Weiteres
gestattet worden
* Freiburg, 29. Sept. Unter den badi-
schen Künstlern, die im Auslande zu hohem An-
ehen gelangten, nimmt August Wolf, ein Sohn

des verstorbenen Pfarrers Wolf in Weinheim und
rüher Goldschmied, eine hervorragende Stelle
ein, Noch in jüngeren Jahren ließ er sich häus-
lich in Venedig nieder und machte sich nament-
lich mit der Malweise der dortigen alten Meister
o vertraut, daß er vom Grafen v. Schack mit
der Herstellung von etwa 45 Kopien nach den
besten Gemälden der Venetianer bedacht und auf
das Günstigste in dessen Beschreibung der Galerie
beurtheilt wurde. In Anerkennung der Ver-
dienste unseres Landsmannes ernannte ihn die
Akademie zu Venedig, wo er seit 24 Jahren
wohnt, zu ihrem Ehrenmitgliede. Außer zahl-
reichen Originalgemälden, die meistens nach Ame-
rika kamen, und anderen Kopien nach den
Meisterwerken zu Florenz und Rom für sonstige
Privatsammlungen fertigte Wolf seit zehn Jahren
im Auftrage des Großherzogs von Oldenburg
ür die dortige Galerie zwölf Kopien nach G.
Bellini, Vonifazio, Tizian, Palma B., Bordone
und Raphael, darunter nach Tizian's Kolossal-
gemälde der „Assunta" (15Fuß Hochsundzweier
anderer seiner Altarbilder, nach G. Bellini's 3
Meter breitem Bilde „Der reiche Mann und
arme Lazarus", nach Raphael's „Madonna del
Granduca" u. s. w. Da Wolf zu den seltenen
Kopisten gehört, die den geistigen Inhalt Ker
Originale mit aller Meisterschaft wiederzugeben
verstehen, fielen dementsprechend die genannten
Arbeiten so glänzend aus, daß unterm 8. August
d. I. der Großherzog von Oldenburg unserem
badischen Landsmann das Ritterkreuz 2. Klasse
des Haus- und Verdienstordens verlieh.
' Bergheim, 28. Sept. Am 25. ds. Nachts
brach in dein Hause des Landwirths A. Feuer aus,
welches das ganze Anwesen zerstörte. Eine Kud,
drei Schweine und eine Anzahl Hühner fielen dem
Feuer zum Opfer. Der Gesammtschaden beträgt
über 8000 Mk. Die Entstehungsursache ist un-
bekannt.
* Ans Vaden, 29. Sept. Nimbürg. Das
Wohnhaus des Jak. Frei ist theilweise abgebrannt.
— Heitersheim. Der Knecht des Herrn Jos.
Hieß ist mit Roß und Wagen verschwunden. —
K o nst anz. Der 22 Jahre alte Taglöhner Leopold
Stadelhofer von Wollmatingen, genannt Gabele,
ertränkte sich in einer Lehmgrube._
Werrnrfchtes.
— Ein unverbesserlicher Verbrecher schlimm-
ster Art ist der 40jährige Spenglergeselle Friedrich
Böhring, der kürzlich nach Verbüßung einer acht-
jährigen Zuchthausstrafe aus der Landesstrafanstalt
Wolfenbüttel entlassen worden ist. Nachdem er sich
in Braunschweig kurze Zeit obdachlos umhergetrieben,
faßte er den Entschluß, sich durch Brandstiftungen
von Neuem Unterkommen zu verschaffen. Er setzte
zunächst einen großen Strohhaufcn in Brand und
schrieb dann an den Polizeidirektor eine mit seinem
Namen unterzeichnete Postkarte, in der er mittheilte,
daß er das Stroh in Brand gesetzt habe und be-
absichtige, noch einige Wohnhäuser einzuäschern, um
wieder in's Zuchthaus zu kommen, ohne welches er
nicht leben könne. Glücklicherweise ist es der Polizei
gelungen, den Unhold dingfest zu machen, ehe er
weiteres Unheil anrichten konnte.
— Eine Blutthat wird aus Bochum gemeldet.
Aus geringfügiger Ursache sind dort in der Nacht
zum Sonnabend zwei Geschwister von einer Rotte
junger Burschen niedergestochen worden. Ein jun-
ges Mädchen hatte seinen auswärts arbeitenden
Bruder vom Bahnhofe abgebolt; auf dem Heim-
wege kehrten sie in einem Wirthshause ein, um
noch ein Glas Bier zu trinken, und lassen die
Schiebkarre, auf der die vom Bruder mitgebrachten
Sachen lagen, vor der Thüre stehen. Als sie die
Wirthschaft betreten wollen, kommt eben eine Ge-
sellschaft junger Leute heraus, die sofort mit der
Karre allerlei Unfug zu treiben beginnen. Die
Geschwister verwahren sich dagegen, es entsteht ein
Streit, die rohen Patrone ziehen die Messer und
bearbeiten die Geschwister derart, daß die Schwester
sofort todt auf dem Platze bleibt, während der

Bruder lebensgefährlich verletzt wird und nun be-
tnnungsloS im Krankenhause darniederliegt. Die
Thäter sind bis auf einen verkästet.
— Ein gestohlener Nachtwächter. In der
ungarischen Gemeinde Nagylak haben jüngst zwei
übermüthige Dorfinsassen in Folge einer Wette den
ebrenwerthen Nachtwächter Josef Maray gestohlen.
Die Bauern gingen dabei ganz einfach zu Werke.
Sie traktirten den Nachtwächter so lange mit Brannt-
wein, bis der treffliche Mann das Bewußtsein ver-
lor; dann schleppten sie den Trunkenen nach dem
Kirchhofe und banden ihn an ein Grabkreuz. Erst
'pät erhielt die Gemeinde ihren kostbaren Nacht-
wächter unbeschädigt zurück. Die Bauern hatten ihre
Wette gewonnen, allein sie werden sich jetzt wegen
Entweihung des Gottesackers zu verantworten baben.
— Humor aus der Schule. Ein kleines
Mädchen von acht Jahren entschuldigt sich bei seinem
Lehrer für die letzte Stunde des Unterrichts und
bittet: „Herr Lehrer, lassen Sic mich noch Hause
gehen; ich muß auf meinen Schwager aufpassen."
Der Lehrer glaubt nicht recht gehört ,u baben und
fragt: „Auf wenn sollst Du aufpassen?" Unbe-
fangenerwiderte dieKleine: „Aufmeinen Schwager."
„Wer ist denn Dein Schwager?" fragt der Lehrer
weiter. „Meiner Schwester ihr Kleines," erwiedert
treuherzig das Mädchen.
Gemeinnütziges.
* Um Apfelmost einzusiedeu, wird derselbe
unmittelbar von der Presse in einen gut verzinnten
Kessel gebracht, dort erwärmt und zum Sieden ge
bracht. Je mehr man denselben einsieden läßt, desto
bessere Qualität wird erzielt. Most, der zur Hälfte
eingesctten wird, steht an Gehalt keinem Weine
nach. Nach dem Sieden wird der Most in eine
Stande gebracht und erst nach dem vollständigen
Erkalten in ein Faß geschüttet. Die Füllung des
Fasses soll aber nicht in tagelangen Zwischenräumen
«folgen. Auf größtmöglichste Reinlichkeit ist eben-
falls zu achten. Most, der zu ^4 oder mehr ein-
gesotten wird, bleibt auf Jahre hinaus haltbar, im
zweiten oder drillen Jahre wird er sogar noch viel
angenehmer zu trinken. Verwendet man so einen
Ueberfluß wie 1893 in dieser oder einer andern
Art, so daß etwa der Aufbewahrungsraum verringert
wird, so ist das jedenfalls vernünftiger, als das
Beispiel eines Obstbauern, dem beim Ausbleiben
der Obsthändler sein zu Spottpreisen verkäuflicher
Obstreichtbum so zu Herzen ging, daß er hinging
und sich erhängte. So geschehen im Herbst 1893.
* Für s Hans. Angerostete Stellen an Messern
bestreiche man mit Petroleum und reibe sie mit
heißem Sand oder heißer Steinkohlenasche ab. —
Kitt sür Fußbodenfugen, der ganz hart und im
Wasser unlöslich wird, gewinnt man, wenn man
einen Theil ungelöschten Kalk mit fünf Theilen
frischem Käse (sogenannten Quark) vermischt und
dann die Fugen damit ausfüllt. Man kann dem
Kitt durch gelben Ocker noch eine Färbung geben.
— Kcrbwaaren, bronciert, vergoldet, versilbert man,
indem man Gold-, Silber- oder andere Bronzen
mit durch Spiritus verdünnten Schellack mischt
und damit die Gegenstände anstreicht. Derartige
Broncen erhält man in Drogengeschäften. — Perl-
mutter-Gegenstände reinigt man mit weißem Thon
und Wasser, in einem Falle mit Seife.
Mittheilungen aus dem Bereiche des
Schulwesens
1. Bekanntmachungen.
Die Kandidatenprüfung am Lehrerseminar I. in
Karlsruhe haben bestanden u. A.: Oskar Braun von
Münzesheim, PH. Hartmann von Schriesheim, PH.
Kübler von St. Ilgen, Wilh. Lutz von Walldorf,
Friedr. Petri von Schriesheim, Karl Sauer von
Leimen, Alb. Straßer von Neckarbischofsheim, Wilh.
Wettmann von Neckargerach, Gustav Winter -
bauer vonHelmstadt, AugustZiegler von Gemmingen
Die Dienstprüfung am Lehrerseminar in Ettlingen
haben bestanden:
Ebenso am Lehrerseminar Ettlingen. Jak. Böser
Heidelberg, Otto Katzenmaier von Hockenheim,
a. für erweiterte Volksschulen:
Joh. Karl Heinrich von Mannheim.
b. für einfache Volksschulen:

Friedr. Baumeister von Neidenstein Philipp
Mattern von Sandhaufen, Engelbert Span nagel
von Rauenberg.
Die Befähigung zur Ertheilnng des Unterrichts
in weiblichen Handarbeiten wurde u. A. folgenden zu-
erkannt Babette Hartmann von Schriesheim, Sus,
Hocker von Hockenheim, Anna Kummler von Wieb-
lingen, Frieda Ni schwitz von Weinheim, Luise Kath.
Pfisterer v. Leimen, Elisabeth Weiß v. Hockenheim,
Von nachbenannten Kandidatinnen , die der Lehrer-
innen-Prüfung sich unterzogen haben, sind befähigt er-
klärt worden zur Unterrichtsertheilung:
n. an Höheren Mädchenschulen:
Emma Finner Sinsheim, Ida Krieger von
Neckarzimmern.
b. Höheren Mädchenschulen:
Elsa Braun von Neckarbischofsheim, Nany
Hepp von Mosbach, Elsa Restle von Weinheim,
Marie Roth von Heidelberg, Mina Say von Wein-
heim, Auguste Schüler von Heidelberg, Frieda
Trautwein von Kirchheim.
Die Dienstprüfung am Lehrerseminar I in Karls-
ruhe haben bestanden:
n. für erweiterte Volksschulen:
Karl Köhler von Heidelberg, Karl La ule von
Neckargemünd
b. für einfache Volksschulen:
Jakob Raudoll von Weinheim, Friedrich
Scheuermann von Zwingenberg, Peter Weyg 0 ldt
von Lützelsachsen.
Versetzungen nnd Ernennungen
Bolksschulcn:
Schilling, Ang., Hilfslehrer, von Mannheim
nach Aglasterhausen, A. Mosbach. _
KLilttztMungen
a«S Ltadt und Amt Heidelberg.
Seide,der«, 1. Oktober 1894.
* Die Generalversammlung des badischen
Volksschnllehrervereins. Es sind bereits gestern eine
Anzahl von Lehrern hier eingetroffen, die vom hiesigen
Lehrerkomitee am Bahnhofe empfangen wurden und
welche sich zu einer Vorversammlungtgestern Abend im
Liederkranz-Lokal zahlreich einfanden.: Herr Hauptlchrer
Büchler von hier begrüßte die Gäste auf's Herzlichste
und sprach den Wunsch aus, es möge allen in Alt
Heidelberg Wohlgefallen, damit sie die ernsten Geschäfte
des heutigen Tages freudig beginnen und zum Wohle
des engeren Vaterlandes erledigen möchten. Herr Ob-
mann Heyd, der hierauf im Namen des engeren Aus-
schusses ebenfalls die Versammlung begrüßte, betonte,
daß es ein gutes Omen sei, da bei den Vorberatun-
gen sämmtliche Resolutionen einstimmig angenommen
worden seien. Er ermahnte alle Anwesenden, der Devise,
einig zu sein, jederzeit einzugedmken, da nur dadurch
es möglich wäre, die edlen Ziele, die der Lehrerverein
anstrebe, zu erreichen. Sein Hoch galt der Einigkeit
Deutschlands Lehrerschaft. Die Begeisterung, er die er-
weckte, zeigte zur Genüge, wie die badische Lehrerschaft
ihren wackeren Kämpen verehrt, wie sie die Interessen
der badischen Volksschule in guten Händen geborgen
Weitz. So verfloß der Abend in dem Toaste auf Fürst
und Reich, Deutschlands Lehrerschaft u. s. w., mit Ge-
sangs- und Musikvorträgen abwechselten in fröhlichen
Beisammensein. Als die vorgeschrittene Zeit zum Auf-
bruch mahnte, löste sich die Vorversammlung auf, um
sich am heutigen Tag zu ernster Arbeit in den Räumlich-
keiten der Harmonie zusammenzufinden. Wir alle rufen
den hier versammelten Lehrern ein herzliches Will-
kommen zu. Glück auf!
* Deutscher Gcwerk-Berein. Der Bezirksver-
band der Gewerkvereine Heidelberg beging gestern
Mittag im großen Saale zum Zwinger sein lojühriges
Stiftungsfest. Zu der Festlichkeit, welche durch zwei
Musikstücke von der hiesigen Feuerwehrkapelle unter der
Direkllon des Herrn Alban Meister eingeleitet
wurde, waren Vertreter der hiesigen Stadt und hie-
siger Vereine, sowie zahlreiche Mitglieder und Freunde
der Gewerkvereine von auswärts und hier erschienen.
Der Vorstand Herr I. A. Jakob begrüßte die Er-
schienenen etwa in folgender Rede: „Verehrte Fest-
genossen, werthe Freunde! Aus Anlaß des Verbands-
festes haben wir uns hier zusammengefunden. Zehn
Jahre sind es her, seit der Samen deutscher Gewerk-
vereine nach Heidelberg gebracht wurde. Welche guten
Früchte er gebracht hat, beweist unser 16 Ortschaften
umfassender Verband mit 9 0 Mitgliedern. Es
ist ein weiterer Beweis dafür, daß unser Vater-
land noch Männer hat, die e>' verstehen, die Achtung
und Ordnung in unserem Volke aufrecht zu erhalten.
Im vorigen Jahre hatten wir bereits die Ehre, bei
nnsercm Verbandsfeste ein Mitglied der städtischen Be-
hörde begrüßen zu dürfen und auch heute wird uns
die große Ehre zu Theil, unseren allverehrten Herrn
Bürgermeister Dr. Walz in unserer Mitte zu haben.
Laßt uns aber auch der Männer gedenken, die um das
Wohl unseres Volkes väterlich Sorge tragen und stimmt
unt nur em in den Ruf: „Se. Majestät der Kaiser
Wilhelm und Se. Köuigl. Hoheit der Großherzog
Friedlich, sie leben Hoch." Stehend wurde dann die
Nationalhymne „Heil Dir im Siegerkranz" abgesungen
Hierauf folgte ein Prolog, von Herrn B.' Nething
vorgetragen, eine Aufmunterung für alle Mitglieder der

werk her mehr denn einmal nach dem Salon gefolgt
war. in welchem die Herrin dieses Hauses todt aufge-
funden worden war, wo — immer das gleiche Ziel —
die nächtliche Wanderung ihr Ende fand..
Die Frau, welche fo lange als Hausdame hier eine
dominierende Rolle gespielt hatte, schloß kein Auge zum

Eine heiße Röthe bedeckte momentan ihre Wangen;
aber dieselbe ging so schnell, wie sie kam.
Den Blick ruhig erhebend, deutete sie auf den
Salon, dessen Thür Heinrich eilfertig öffnete.
„Bitte, Herr Doktor, wollen Sie eintreten?"
Er ließ ihr den Vortritt nnd folgte ihr. Heinrich
schloß hinter beiden die Thür.
Einander allein gegenüber standen die beiden jungen
Menschenkinder, welche mehr sich liebten, denn sonst
alles auf der Welt. Jertha mußte sich überwinden,
den jungen Mann, wie doch die Konvenienz es for-
derte, zn bitten, sich zu setzen.
Sie nahm ihm gegenüber am Tische Platz; es war
in demselben S°ssel, in welchem die Herrin dieses Hauses
todt aufgefunden worden war.
Alex, durch Dr. Wilbrandt mit der ganzen Si-
tuation eng vertraut, sah es mck Schaudern.
„Ich komme in einer höchst ernsten Angelegenheit
zu Ihnen, Fräulein Volkheim", hob er an, ihre
fragenden Blick warnehmend. „Der Himmel nur weiß,
was ich darum geben würde, wenn der Grund, der
mich meine Schritte hierher lenken ließ, ein anderer
wäre. Meine Mission ist, Ihren Herrn Vater und
Sie selbst zu bitten, mich nach der Charite zu be-
gleiten."
Jertha's Hard auf der Sessillehnc zitterte; ihr
Blick ward intensiv.
„Nach der Charite?" wiederholte sie. „Weshalb?"
Wie es ihm gleich Feuer auf der Seele brannte,
mit ihr von weit anderen Dingen zu sprechen, deren
Alpha und Omega in dem einen endlosen Wort: Liebe
gipfelte! Und doch wußte er ihr antworten, fachlich
und fachlich, wie sein Amt als Abgesandter des Gerichts
es ihm auferlegte.
„Die Sektion Ihrer theuer n Mutter findet in
dieser selben Stunde statt, Fräulein Volkheim," sprach
er gedämpften Tones. „Ihre Gegenwart ist dahier
drin end erforderlich!"
Sie erbebte, aber fest sah sie ihn an.
„Wird mein Vater darein willigen?"
„Er wird es nicht verweigern können," versetzte
Alex mit leichsim Stirnrunzeln. „So befangen der alte

Die verborgene Kcrnö.
Krimmal-Roman aus der neuesten Zeit
von E. von der Have.
49) (Fortsetzung.)
Mit Widerstreben wich sie, der die Worte galten,
ihm von der Seite; sie schritt auf die Thür zu, wie
noch hoffend, daß ein Widerruf des fast gelähmten sie
^irückyalten würde; umsonst. Sie öffnete, schloß die
^Das Allgewaltige der Situation, in der sie sich
befand, keine Sekunde verkannte sie es; aber vielleicht
gab eben das ihr die übermäßige Spannkraft, derer sie
bedurfte. - ..
Der Diener Heinrich lehnte im Korridor mit ge-
kreuzten Armen gegen die Fensterbrustung.
„Weshalb sind Sie Nicht iin Parterre auf Ihrem
Posten?" herrschte die Hausdame ihn an, und ohne seine
Antwort abzuwarten, fügte sie hinzu: „Benachrichtigen
Sie das Fräulein, daß der gnädige Herr ihre Gegen-
wart wünscht!"
Der Diener verbeugte sich bejahend; hinter der sich
Entfernenden sah er mit einem Gesicht drem, welches
alles andere denn Respekt verrieth. „
Nach wenigen Minuten betrat Jertha das Gemach
ihres Vaters. . . .
Sie fand denselben geradezu machtlos m seinem
Sessel. Erschüttert eilte sic auf ihn zu.
E im Himmel, Vater, was ist dir begegnet.
stieß sie aus, sich im Stillen Vorwürfe machend, daß
sie ihn verlassen habe.
Er wehrte mit der Hand ab und versuchte, sich
aufzurichten, aber matt sank er gegen die Kissen zurück.
„Ich will es dir erklären," stammelte er. „Vor
allem laß mich fassen, denn — 0, Jertha, mein grauen-
haftester Verdacht, er ist für mich Wahrheit, gräßliche
Wahrheit geworden!
Der Diener Heinrich wartete in dieser Nacht ver-
geblich auf die weise Gestalt, der er vom oberen Stock-

in seinem llrtheil sein mag, er wird nicht die Unpartei-
lichkeit des Gerichts in Abrede stellen können."
„Ja," antwortete er, obgleich ganz andere Worte
sich ihm auf die Lippen drängten. „Ich preise indeß
den glücklichen Zufall, der mich zuerst in ihren Weg
führte.
„Sie wünschen, daß ich dem Vater das Bevor-
stehende bekannt gebe ?"
Sie war sichtlich voll bei der Sache, während seine
Gedanken nur zu weit davon abschweiften.
„Nein, — Sie verstehen mich vollständig falsch,"
versetzte er leise, aber in furchtbarer Bewegung." „Ihrem
Vater werde ich selbst meine Mission ausrichtcn, aber
-Jertha. ahnen Sie denn nicht, was es mich kostet,
Ihnen io ruhig gegenübersitzen zu sollen, nachdem ick)
so lange Ihre Gegenwait entbehren mußte, nachdem
mein Herz so lange sich verzehrte in Sehnsucht nach
Ihrem Anblick? Denn 0, Jertha, — Sie müssen —
Sie müssen es ja längst wissen, daß ich Sie liebe, —
daß Sie und nur Sie allein das einzige Weib für
mich auf Erden sind!"
Heraus war es; wie ein mächtiger Bergstrom, der
alle Hindernisse aus dem Wege wälzt mit wilder Ge-
walt, so war es hervorgebrochen, msi der ganzen all-
mächtigen Urkraft, mit welcher die Liebe alle Dämme
bricht, mit welcher die Liebe selbst den Himmel stürmt.
Und wie die Worte ihm entflossen, ohne daß er
selbst es recht wußte, so hätte er sich auch nie Rechen-
schaft darüber geben können, wie es gekommen war, daß
er ihr zu Füßen kniete, daß er die Arme um sie ge-
schlungen, daß ihre Lippen sich fanden und einten zum
endlosen Kusse und daß schließlich ihr Haupt an seiner
Schulter lehnte, als wollte sie ausruhcn, ohne Ende,
von allem Weh und allem Kampf, den dieses Leben
bietet.
So still war es in dem Raume, daß kaum ein
Hauch sich hören ließ. Nur ihre Herzen pochten in
lauten, heftigen Schlägen und sagten einander das
tiefste Geheimniß der Liebe, welche keiner Worte des
Eingeständnisses bedurfte, welche vielmehr in mächtigem
Strome Seele in Seele fluthen ließ.
(Fortsetzung folgt.)

Schlaf in dieser Nacht. Sie hatte nicht einmal ihr
Lager gesucht Regungslos, starr lehnte sie in ihrem
Sessel, die Hände krampfhaft ineinander verschlungen.
„Verloren," war alles, was wieder und immer
wieder über ihre farblosen Lippen sich rang, „verloren
— verloren! Sie ist ausgespielt, diese elende Komödie
des Lebens!"
Hell, wenn auch kalt, strahlte die Wintersonne auf
die Erde herab, als der Ungar Janos Sandory aus
seinem Hotel auf die Straße trat, um sich zu einem
Probekonzert zu begeben, von dem er nicht fern bleiben
konnte.
Mit einem wahren Falkenblick überschaute er vom
Portal des Hotels aus das Terrain, um dann unent-
wegt auf den Restaurantpavillon zuzuschreiten, der dem
Hotel gerade gegenüber lag und auf dessen Glasterrasse
ein Mann, eine Tasse Kaffee schlürfend, in einem Stuhl
lehnte. Ehe er sich's versah, stand der Ungar vor ihm.
,,AH, mein lieber Herr Falb!" redete er ihn an.
„Mein Scharfblick täuschte mich also nicht. Sie sind
es wirklich! — Erwarteten Sie mich? Sie sehen, ich
stehe zu Ihrer Verfügung. Ich bin ganz und gar der
Ihrige. Hat das gestrige Intermezzo noch ein Nach-
spiel ? Bitte, sprechen Sie sich frei aus. Womit kann
ich Ihnen dienen?"
35. Kapitel.
Ein dubiöser Fund.
„Herr Doktor!"
„Fräulein Volkheim!"
Der soeben von Heinrich ins Haus Eingelassene
stand, sich tief verbeugend, vor dem jungen Mädchen,
welches, die Treppe aus dem oberen Stockwerk herab-
kommend, sich unerwartet dem Besucher gegenübersah.
 
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