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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 1-26 (2. Januar 1900 - 31. Januar 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0009

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^ Erscheint täglich.
sonntags ausgenommen.
. Preis
Mt Familienblättern
. monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Pest bezogen
Vierteljahr!. 1.25 Mk.
ausschließlich Zustellgebühr.


Ferusprech-Auschluß Nr. 82.

ei-elbeiW MiU,

Ar. 2. Wes Klxtt.

Jnsertionsgebühr
15 Pf. für die lspaltige
Petitzetle oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeiycn bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anichlag
der Inserate auf den Plakat-
taseln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Mittwoch, dt« 3. Zoiliiar

I9VV

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für das 1. Vierteljahr 1900
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Spedition, Untere Neckarstraße 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen, Mk. 1.25 vierteljährlich,
"ui Zustellgebühr Mk. 1.65.

Die Neujahrsrede des Kaisers.

Die im Auszug schon mitgetheilte Ansprache des
Kaisers an die Offiziere der Garnison Berlin bei der
Jahrhundertfeier im Jahre 1900 im Zeughause
lautete wie folgt:
Der erste Tag des neuen Jahrhunderts steht unsere
Armee, d. h. unser Volk in Waffen, um seine Feldzeichen
geschaart vor dem Herrn der Heerschaaren, knieen und
wahrlich, wenn irgendwer besonderen Grund hat, sich heute
dar Gott zu beugen, so ist es unser Heer. Ein Blick
duf unsere Fahnen genügt als Erklärung, denn sie ver-
'orperu unsere Geschichte. Wie fand das vergangene Jahr-
hundert bei seinem Anbruch unser Heer? Die glorreiche
Armee Friedrichs des Großen war auf ihren Lorbeeren
Angeschlafcn, im kleinlichen Detail des Gamaschendienstes
verknöchert, von altersschwachen, kriegsuntüchtigen Generalen
geführt; ihr Offizierkorps fördernder Arbeit entwöhnt, in
^upus und Wohlleben und thörichter Selbstüberhebung
verkommen, mit einem Worte, die Armee war ihrer Auf-
gabe nicht nur entwachsen, sie hatte sie vergessen. Schwer
war die Strafe des Himmels, die sie ereilte und unser
Aalk traf. In den Staub ward sie geworfen, Friedrichs
^luhm verblich, ihre Feldzeichen waren zerbrochen. In den
Neben langen Jahren schwerster Knechtschaft lehrte Gott
vnser Volk auf sich selbst besinnen und unter dem Drucke
eines übermüthigen Eroberers gebar unser Volk aus sich
heraus den hehrsten Gedanken, daß cs die höchste Ehre
im Waffendienste seinem Vaterlande Gut und Blut zu
weihen, die allgemeine Dienstpflicht. Mein Ur-
großvater gab ihr Form und Leben und neuer Lorbeer
'rönte die ueuerstandene Armee und ihre jungen Fahnen.
Ihre eigentliche Bedeutung jedoch gewann die allgemeine
^'enstpfljcht erst durch unfern großen dahingegangenen

In stiller Arbeit entwarf er seine Reorganis a tion
Unserer Armee, trotz des Widerstandes, den Unverstand
jbni entgegensetzte. Die siegreichen Feldzüge krönten jedoch
lein Werk in nie geahnter Weise. Sein Geist erfüllte die
Reihen seines Heeres ebenso wie sein Gottvertrauen das-
stlbe zu unerhörten Siegen hinriß. Mit dieser seiner
Eigenen Schöpfung führte er die deutschen Stämme wieder
zusammen, und gab uns die lang ersehnte deutsche
Einheit wieder. Ihnen danken wir es, daß kraft dieser
Armee das deutsche Reich achtunggebietend seine
G*l bestimmte Stellung im Rathe der Völker wieder ein-
wmmt.

An Ihnen ist es nun, meine Herren, auch im neuen
Jahrhundert die alten Eigenschaften z» bewähren und zu
bethätigcn, durch welche unsere Vorfahren die Armee groß
gemacht haben, Einfachheit und Anspruchslosigkeit im
ganzen Leben, unbedingte Hingabe an den königlichen
Dienst, volles Einsetzen aller Kräfte des Leibes und der
Seele in rastloser Arbeit an der Ausbildung und Fortent-
wickelung unserer Truppen. Wie mein Großvater für
Kin Lanbheer, so werde auch ich für meine Marine unbe-
irrt in gleicher Weise das Werk der Reorganisation fort- und
hu^chfükren. damit auch sie gleichberechtigt an der Seite

meiner Streitkräfte zu Lande stehen möge und durch sie
das deutsche Reich auch im Auslande in der Lage sei,
den noch nicht erreichten Platz zu erringen. Mit
beiden vereint hoffe ich in der Lage zu sein, mit festem
Vertrauen auf Gottes Führung den Spruch Friedrich
Wilhelms I. wahrzumachen: „Wenn man in der Welt etwas
will dccidiren, will es die Feder nicht machen, wenn sie
nicht von der koros des Schwertes soutenirt wird!"

Der deutsch-englische Zwischenfall.
Auch heute noch fehlt die authentische Angabe darüber,
durch welche Umstände England sich für berechtigt erachtet
hat, den deutschen Dampfer „Bundesrath" in der Nähe
der Delagoabai anzuhalten und nach Durban zu schleppen,
woselbst er am Staden festgemacht worden ist und von
englischen Marinesoldaten bewohnt wird. Die Times gibt
in einer Depesche aus Lozreno-Marquez an, der Dampfer
sei von den Engländern angehalten worden, weil die
Schiffspapiere gefälscht gewesen seien. Die
Deutschen, die angeblich als Mitglieder der Ambulanzen
nach Transvaal gehen wollten, seien Abenteurer, die sich
des Rothen Kreuzes nur bedienten, um die Grenze über-
schreiten zu können. Die vom Prisengericht eingcleitete
Untersuchung werde bald erweisen, ob diese Beschuldigung
gerechtfertigt ist.
Hierzu ist zu bemerken, daß Lorenzo-Marquez ein
portugiesischer Hafen ist, daß England mit Portugal im
Frieden lebt und den genannten Hafen nicht für blockirt
erklärt hat. Ganz zutreffend hat sich, wie Daily Chron.
meldet, der frühere englische Unterstaatssekretär des Aeußern,
Sir Charles Dilke, über das Durchsuchung srecht Eng-
lands an der Delagoabai folgendermaßen ausgesprochen:
Es ist doch einleuchtend, daß England, nachdem cs durch
schiedsrichterliche Entscheidung mit seinen Ansprüchen auf die
Delagoabai abgewiesen worden, diese nicht besetzen kann. Aller
Wahrscheinlichkeit nach werden sich auch die Dinge während des
Krieges nicht ändern und die Leute, welche die Buren in E uropa
und Amerika anwerben, können daher nach wie vor über die Delagoa-
bai nach Transvaal gelangen. Da sie keine Waffen haben, so
kann man ihnen auch nicht Nachweisen, daß sie Angeworbene der
Burenarmce sind. Sie sind eben harmlose Reisende und geben
an, in den Minen von Transvaal Arbeit suchen zu wollen. Man
muß ferner berücksichtigen, daß diese Minen nach wie vor
arbeiten und die portugiesischen Behörden daher keinen Grund
haben, den Leuten die Durchreise durch portugiesisches Gebiet zu
verweigern. Im besten Falle kann die Einfuhr von Waffen
und Munition, welche die Buren in Deutschland und Frankreich
bestellt haben, verhindert werden.
Da von der Schiffsgesellschaft erklärt worden ist, daß
Waffen und Munition nicht an Bord waren, und die
Passagiere, selbst wenn sie die Absicht haben, Kriegsdienste
bei den Buren zu nehmen, nicht als Contrebande anzu-
sehen sind, so ist das Verfahren Englands nicht haltbar.
In Frankreich macht sich eine gewisse Schadenfreude
über den Zwischenfall wegen des „Bundesrath" bemerkbar,
da man es dort für ausgeschlossen hielt, daß die Engländer
sich dergleichen gegenüber einem deutschen Postdampfer er-
lauben würden. Der französische Dampfer „Gironde",
welcher am 21. December mit einer Anzahl Passagiere für
Transvaal von Sansibar nach Lorenzo Marquez gefahren
ist, scheint übrigens mit einem englischen Kreuzer gleich-
falls Unannehmlichkeiten gehabt zu haben, denn bis vor-
gestern war die Ankunft desselben in der Delegoa-Bai
noch nicht gemeldet worden. Wenn die Engländer in der
bisherigen Weise sortfahren, ihr Untersuchungsrecht auszu-
üben, werden sie bald mit den Ver. Staaten von Amerika,
Deutschland und Frankreich in Streit gerathen.
Zwischen der deutschen und der englischen Regierung
wird lebhaft in dieser Sache verhandelt. Man erwartet
in Berlin, daß die Londoner Regierung sich beeilen wird,

weitere Erklärungen aus Durban zu bekommen, denn es
muß ihr nach Lage der Verhältnisse daran gelegen sein,
nächstens die absolute Berechtigung der Beschlagnahme zu
erweisen oder den Mißgriff wieder gut zu machen.
Der deutsche Kreuzer „Schwalbe" ist am 2. d. M.
ven Dar-es-Salaam nach Lorenzo Marquez abge-
gangen.

Deutsches Reich
Baden. Mannheim, 1. Jan. Der Vorstand des Katholischen
Arbeitervereins warnt die kathol. Arbeiter vor der Theilnahme
an dem geplanten Volkshochschulkurs, weil in den Lehr-
plan u. A-auch Vorträge von Prof. Klaatsch über „Darwins
Leben und Lehre" und von Prof. De iß mann über die „Ge-
schichte der Entstehung des Neuen Testaments" ausgenommen sind.
Wie ängstlich, wie kleinlich!
Preuße». Wie die Berl. Corresp. meldet, sind die
Landräthe z. D. v. Dallwitz in Lüben und Kreth in
Gumbinnen zu Regierungsräthen ernannt worden. Der
elftere wurde dem Oberpräsidium in Posen, der zweite der
Regierung in Potsdam überwiesen. Damit wäre der An-
fang zur Wiederanstcllung der wegen ihrer Canalfcind-
lichkeit zur Disposition gestellten Beamten gemacht.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Referendär Dr- Alfred Hanemann aus Rastatt zum Amts-
richter in Meßkirch und nach erfolgtem Einverständniß mit dem
Erzbischöflichen Ordinariat den Notar Johannes Schweitzer in
Oberkirch unter Verleihung des Titels „Assessor" zum Kollegial-
mitglied des Katholischen Obeistiftungsraths ernannt, den Lehr-
amtspraktikanten Emil Schweickert von Gernsbach und Georg
S chlnndt von Wertheim unter Ernennung derselben zu Pro-
fessoren je eine etatmäßige Profefforenstelle, und zwar dem
Elfteren an dem Progymnasium in Durlach, dem Letzteren an
jenem in Donaueschingen übertragen, sowie die Eisenbahn-
ingenieure Johann Schwerteck in Mannheim und Karl
Böni » g in Offenburg landesherrlich angesteUt.
— Mit Entschließung des Großh. Ministeriums des Großh.
Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten wurden die
Eisenbahnpraktikanten (Expeditionsgehilfen) Karl Bitterich
und Franz Hauser, sowie Eisenbahnaspirant (Expeditions-
gehilfe) Georg Häfele zu Expeditionsassistenten ernannt.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
nachgenannten Hof- und Staatsbeamten die bcigcsetzten OrdenS-
auszeichnungen verliehen und zwar: aus dem Bereiche der Groß-
herzoglichen Hofverwaltung: vom Orden Berthold des Ersten
das Ritterkreuz: dem Geheimen Kabinetsrath Richard von Che-
lius; vom Orden vom Zähringer Löwen das Eommandeurkreuz
II. Klasse: dem Präsidenten der Generalintendanz der Groß-
herzoglichen Civillistc Dr. Eduard N icol a t; das Ritterkreuz
I. Klasse mit Eichenlaub: dem Direktor der Markgräflichen Do-
mänenkanzlei der Bodenseefideikommisse Hermann Helmle; das
Ritterkreuz I. Klasse: dem Vorstand des Rentamts Zwingenberg,
Forstmeister Hugo Kirchgessner; das Ritterkreuz II. Klasse
mit Eichenlaub: dem Kammersänger Hermann Rosenberg
und dem Hofschauspieler und Vortragsmeister Wilhelm Wasser-
mann in Karlsruhe; das Ritterkreuz II. Klasse: den Rech-
nungsräthen Friedrich Sauer und Florian Staiger, den
Kanzleiräthen Ernst Lorenz und Ludwig Prieur, sowie dem
Registrator August Müller in Karlsruhe; aus dem Geschäfts-
kreise der Oberrechnungskammer: das Ritterkreuz I. Klaffe: dem
Kanzletrath Johann Baptist Mathis; das Ritterkreuz II. Klasse:
dem Obcrrechnungsrath Karl Edelmann; aus dem Geschäfts-
kreise des Ministeriums des Großherzogltchen Hauses und der
auswärtigen Angelegenheiten: vom Orden Berthold des Ersten
das Kommandeurkreuz I. Klasse: dem Geheimen Rath II. Klasse
Karl Freiherrn von Reck, Vorsitzenden Rath im Ministerium
des Grobherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegen-
heiten ; vom Orden vom Zähringer Löwen das Kommandeurkreuz
I. Klasse: dem Geheimen Rath I. Klasse Dr. Eugen von Jage-
mann, Gesandten in Berlin; das Kommandeurkreuz II. Klasse:
dem Geheimen Legationsrath Dr. Hugo Freiherrn von Babo,
Vorstand des Geheimen Kabinets, dem Direktor August Roth,
Vorstand der Verkehrsabtheilung der Generaldirektion der
Staatseiseubahnen; das Ritterkreuz I. Klasse mit Eichenlaub:
dem Baudirektor Adolf Wasmer, dem Betriebsdirektor Karl
Seiz dnd dem Oberbaurath Oswald Englerbei der General-
direktion der Staatseisenbahnen; das Ritterkreuz I. Klasse: dem

Mord?
Mach-in-r wahren Begebenheit.)
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Ichem im Haule. einem M°nne vermählen, den sre nicu
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.Äcwöbncn?! Welch UN
lungeS, blühendes Geschöpf! Ware sie »ehn Jahre ^ Dem
man mußte an eine Versorgung beulen. lonn
Bestimmung begreifen; aber warum soll uns re n ^ir fl
zehniährige Evi einem Manne angetrant ^°e ^
nicht ltedt, den sie nicht einmal leiden wag. vor oem
Eine kleine Pause entstand, .^^geregt üwg^ der jung
Mann >m Zimmer aus und ab. dann bl, d ^
Schreibtisch stehen. Er legte d,e Hand aus vre «nur
Vaters, der im Lehnstuhl sinnend sah. bestimmet
„Vater, lieber guter Vater, was kann D n >
plötzlich so grausam gegen unsern kleinen L>el «ö Si
Für Evi wird sich wohl noch ein anderer Ma . ^»niä
'st jung, schön, klug und liebenswerth. ne lebt m verum
glücklichen Verhältnissen." . ... der alt
„Weißt Du das so genau?", unterbrach >h" ver »
Mann und sah ihm fest in die Augen. Darrt, zua^ ^
lammen. Sollte da der Grund liegen. ^ . P^e
kumären Verhältnisse schlecht sollte der^
große Verluste gehabt daben? Ver emcm
d-eS ja sehr leicht möglich. ^dl, seme kleine, d
Schwester, sollte für verfehlte Spekulationen du« " ö
sollte das Opfer sein? Auf den Trümmern chr-s -evens

glückeS sollte das alte Geschäft von neuem aufdlühen. Nein,
nein, und tausendmal nein. Er war jung und verstand zu
arbeiten. Wenn es nicht anders ging, wollte er seine
Karriere aufgeben und etwas anderes ergreifen, was Ärod
brachte für ihn, Evi und den Vater.
Er verlieb diesen Gedanken Worte. Aber da kam er
schön an. Erregt erhob sich der Vater. Harry sah sein
todtenblasses Gesicht ganz nahe vor sich.
„Was soll das beißen? Was sind das für Albernheiten?"
herrschte er ihn zornbebenv an.
„Habe ich Dich deshalb studiren, Dir die feinste Er-
ziehung geben lassen? Leicht ist es Dir nicht geworden,
Deinen Doktor und Referendar zu machen, ich weiß es. Ich
kenne Deine Fähigkeiten und habe Deinen Fleiß nnd Deine
Ausdauer oft bewundert, mit welchen Du Dir Deine
Examina abgerungen hast, und das sollte alles umsonst ge-
wesen sein, bloß weil ein kleines, eigensinniges Mädel einen
reichen, in den glänzendsten Verhältnissen lebenden Mann
nicht heirathen will? Warnhöfen ist ein eleganter hübscher
Mann mit guten Manieren, Kavalier vom Scheitel bis zur
Sohle."
„Das ist er nicht," antwortete Harry bestimmt. „In
seinem Gesicht liegt etwas Brutales, in seinen Augen etwas
Verstecktes, das mich stets verhinderte, mit ihm Freundschaft
zu schließen. Seine guten Mamerey verdecken das in Gesell»
schait, aber ich bin seit überzeugt, daß dieser Mann in
Stunden, wo er es nicht für nöthig hält, sich zu beherrschen»
erschrecklich werden kann. Und dann die Hauptsache: Evi
liebt ihn nicht!"
„Liebe! Liebe!" eiferte der Alte, „sprich nicht io thönchl.
Junge, von etwas, was Du nicht verstehst. Deine Mutter
hat mich geliebt und ich habe sie geliebt. Es war eine echte
Liebesheirat!,, und doch trotz aller ihrer Liebe hat sie mich
säst an den Bettelstab gebracht."
„Vater," schrie Harry auf.
„Ja, Du bist alt genug, um den wahren Grund meiner
augenblicklich so traurigen Verhältnisse zu erfahren. Eure
Mutter war eine der reizendsten und schönsten Frauen, die

es je gegeben hak. Sie halte auch ein aniehnlicheS Ver»
mögen. Ich hätte sie, da ich sie über alles liebte, auch ohne
einen Pfennig Mitgiit, ja selbst ohne Aussteuer geheiratdet.
Nachdem wir kaum zehn Jahre verheirathet waren, besaß
ich nichts mehr von ihrem Vermögen. Wir lebten weit über
unsere Verhältnisse, nnd ich war zu schwach, um ihrer
großen Verschwendungssucht zu steuern. Ich sah mit dem
Auge des Geschäftsmannes ganz klar, daß. wenn wir auf
solchem großen Fuße fortleblen, solche glänzenden Feste
weiter gaben, und wenn meine Frau, Eure Mutter, noch
weiterhin solche Unsummen Geldes für ihre Toiletten und
ihren Schmuck verausgabte, der Bankerot sicher war.
Trotzdem wehrte ich ihr nicht, denn ich liebte sie zu sehr.
So lebten wir weiter, sie unter Lachen und Scherzen, ich
mit dem sicheren Ruin vor Augen. Bald konnte ich die
Ausgaben nicht mehr decken und mußte das Kapital, mit
welchem ich arbeitete, angreifen.
Es verringerte sich rapid und ich hatte bereits mit den
schwersten sorgen zu kämpfen, als Eure Mutter von jäher
Krankheit dahingerafft wurde. Ich war fast wahnsinnig vor
Schmerz, denn aller Kummer und alle Sorgen, die sie über
mich gebracht, hatten meine brennende Liebe für sie nicht
abgekühlt. Als der erste Schmerz um ihren Verlust vorüber
war, mußte ich mir nach ruhiger Ueberlegung sagen, daß
ihr schneller Tod eine Fügung Gottes war. Durch rastlose
Arbiil und weise Beschränkung der Ausgaben war es mir
möglich, das Geschäft, an dem ich mit Leib und Seele hänge,
vor dem Konkurs zu bewahren, Dich studiren und Evi eine
gute Erziehung geben zu lassen. Zum alten Glanze konnte ich
das Geschält nicht mehr bringen.
Du wirst mich bald nicht mehr brauchen, Harry, und Evis
Zukunst will ich durch eine glänzende Heirath sicherstellen.
Evi hat vielAehnlichkeit mit ihrer verstorbenen Mutter und
würde sich in kleinen beschränkten Verhältnissen sehr unglück-
lich fühlen. Glaube mir, mein Junge, meiner Menjchen-
kenntnlß und reifen Lebenserfahrung."
Eine drückende Pause folgte.
(Fortsetzung folgt.)
 
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