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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 (1. März 1900 - 31.März 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0287

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82


Mouias, dt» 12. War!

19«v.

Ostafrika in der Budgetkommission des
Reichstags.
Berlin, 9. März. Die Köln. Ztg. berichtet:
Wenn man bei der zweiten Lesung im Plenum wie
"" der Kommission der Kolonial-Verwaltung nicht
leiten den Vorwurf gemacht hatte, daß sie zur Begründung
'hrer Forderungen und namentlich der Eisenbahnbauten
Nicht mit der genügenden Gründlichkeit oorgegangen sei, so
N»rd man jetzt anerkennen müssen, daß die Kolonial-
derwaltung alles gethan hat, was sie vielleicht schon vor-
her hätte ihun sollen, um die Mitglieder über die Bedeu-
tung vxs Plantagengebietes, durch welches die
"sambarabahn geführt werden soll, aufzuklären. Man
Nwg ja darüber zweifelhaft sein, ob es gerade sehr er-
wünscht war, den Mitgliedern der Budgetkommission heute
Einen vortrefflichen Usambarakaffee vorzusetzen, Cigarren
"US Neuguinea und Chocolade aus Kamerun herum-
'Eichen zu lassen, aber die weiter gegebenen Aufklärungen
Uber die beiden vorstehenden Projekte waren jedenfalls von
"Hergrößter Bedeutung. Ein Pflanzer aus jenen Gegen-
"En. Herr Mismahl, der seit sechs Jahren eine Kaffee-
Auntage mit Erfolg betreibt und zur Zeit auf Besuch in
Deutschland weilt, gab eine vortreffliche Schilderung dessen.
Was wirthschaftlich aus jenen schönen Bergen gemacht
werden kann; erklärte auch, daß die Gefahren und Schä-
digungen der Trockenheit nicht annähernd so groß seien,
sie vielfach geschildert würden, daß vor allen Dingen
vortreffliche Hölzer in Hülle und Fülle vorhanden seien,
we. sobald Eisenbahn-Verbindung geschaffen, sicherlich an
^rt und Stelle zu Balken und Brettern verarbeitet an die
^üste gebracht werden könnten und Frachtgelegenheil für
w Eisenbahn bieten würden. Er betonte auch aus eigener
^ENntniß, daß sich We st - U sa mb ar a mit seinem milden
^ltma vortrefflich zur Ansiedlung für Europäer
^gnen würde und daß nach den Koch'schen Receptcn die
rs'Eoer der Küstengegend bei schneller Durchreisung unge-
fährlich seien. Das Endergebniß war, daß, trotz einzelner
"Ut werdenden Zweifel, auch von den Freisinnigen aner-
""ut wurde, daß man die zweite und letzte Rate von 2'/,
?'ill. Mk. für die Fortführung der Bahn bis Korogwe
°°willigen müsse.
^ Streit blieb nur darüber, ob man auch die geforderten
«000 Mark zu den Vorarbeiten für eine weitere
- "hu nach Mombo zur Erschließung West-Usambaras
jetzt in den Etat einstellen solle. Der Abgeordnete
Mesc erklärte sich dagegen, Graf Arnim zeigte jedoch unter
"Legung vortrefflicher Karten jenes Gebirgslandes, wie
, wünsch! es sei, auch dort baldigst Verkehrsmittel zu
,?"ffen, um das zukunflreiche Gebiet aufschließen zu
^"Nen. Aus Briefen, die ihm von der Plantage des
^fwzerr Albrecht zugegangen waren, wies er nach, wie
^"gleich das Land sei, wie lohnend der Betrieb von
"gewerken bei der vorhandenen Wasserkraft sich gestalten
""lse, und hoffte, daß jenes fruchtbare Gebiet gar bald
,'che Erträge abwerfen würde. Auch seien die Plantagen
.,^it, auf eigene Koste» Seilenbahnen von der Hauptlinie
äuzweigen, um die Zufuhr der Frachten zur Hauptbahn
^Erleichtern. Müller-Fulda hatte aber gegen die
soll 0 Mark lebhafte Bedenken und wünschte sogar, man
-»"E nach preußischem Muster erst Ertragsberechnungen
H." hie in Aussicht genommenen Bahnen, auch von den
^ "wagenbcsitzern Zuschüsse und Beiträge fordern; Herr
*hach meinte, mindestens die Vorarbeiten für die
H "Verführung der Bahn sollten die Plantagenbesitzer jener
^^nd tragen. Dr. Hasse widerlegte aber diese Foroe-
^-^En in treffender Weise und zeigte, daß man für die

Erschließung solcher Gegenden nicht preußische und deutsche
Maßstäbe anlegen könne. Er sei angenehm überrascht, von
einem alten Kenner zu hören, daß West-Usambara selbst
für deutsche Ansiedelungen zu gebrauchen sei. Man solle
vorläufig die Bedingungen für Kultaranfänge schaffen.
Der Regierungsvertreter v. d. Decken schildert in beredten
Worten die landschaftlichen und wirthschaftlichen Vorzüge
jener Gegend und bat dringend, lieber an anderer Stelle
zu sparen, aber das Eisenbahnwesen unter allen Umständen
auszudauen. Ein wirksamer Vertreter dieser Anschauung
war auch Herr Gröber, der aus persönlicher Bekanntschaft
namentlich mit Herrn Mismahl den Nachweis führen
konnte, daß dort thatsächlich durch Fleiß und Arbeitsamkeit
Tüchtiges geleistet werden könne. Müller-Sagau und Bebel
waren natürlich durch alles dieses noch nicht befriedigt.
Zu einer Abstimmung kam es aber nicht, da Müller-Fulda
die Entscheidung über die 72 000 Mark davon abhängig
macht, wie man sich zur ostafrikanischen Cenlralbahn
stelle. Darüber wird die nächste Sitzung wohl die Ent-
scheidung bringen.

Deutsches Reich
— Dem Reichstage ist vom Staatssekretär des Aus-"
wärtigen Amts das zwischen Deutschland, England und
den Vereinigten Staaten abgeschlossene Abkommen zur
schiedsgerichtlichen Regelung der Schadenersatz-
ansprüche auf Samoa zur Kenntnißnahme zugegangen.
Das Schiedsrichteramt soll der König von Schweden
führen.
— Die Proteste gegen das Verbot der Fleisch-
einfuhr mehren sich; ebenso die Proteste gegen die lex
H e i n tz e.
— Reichstagsabgeordneter Roeren, der geistige Vater
der lex Heinze, kommt am 26. März nach München,
um in einer großen öffentlichen Versammlung des „Volks-
vereins für das katholische Deutschland" für das Gesetz zu
sprechen.
— In Potsdam ist der Generalleutnant z. D.
Friedrich Freiherr v. d. Goltz, früher Kommandeur des
1. badischen Leib-Dragoner-Regiments Nr. 20, dann
der 6. Kavallcriebrigade und zuletzt Kommandant von
Rastatt, im 70. Lebensjahre gestorben. Seine älteste
Tochter ist mit dem Landgerichtsrath Emil Freiherrn
Stockhorner v. Starein in Karlsruhe verheirathet.
Wilhelmshaven, 10. März. Der Kaiser traf in
Begleitung des Prinzen H e i n r i ch und des Erbgroßherzogs
von Oldenburg mit einem Hofzug heule Vormittag hier
ein und wurde am Bahnhof vom Staatssekretär Ttrpitz,
Chef der Marinestation, Vizeadmiral Thomseu, und dem
Geschwaderchef, Vizeadmiral Hoffmann, empfangen. Der
Kaiser begab sich nach dem Exerzierhaus, wo die Rekruten-
vereidigung stattfindet. Die Vereidigung wurde von dem
Adjutanten der zweiten Matrosendiviston, Oberleutnant
z. S. v. Levetzow vorgenommen. Nach der Vereidigung
besichtigte der Kaiser unter Führung des Oberwerftdirektors
Hugo v. Schuckmann den Neubau des auf Stapel stehen-
den Linienschiffes „0", sowie den in Reparatur befind-
lichen Kreuzer „Viktoria Luise" und begab sich nach dem
Marinekasino.
Wilhelmshaven, 10. März. Der Kaiser nahm
um 4 Uhr die Besichtigung der Kiautschoumannschaften
vor, welche in ihrem neuen Tropenanzuge mit Schirmmütze
auf dem Torpedo-Exerzierplätze angetreten waren, und ver-
abschiedete sich von den Leuten mit warmen Worten, in
denen er treue Pflichterfüllung, strenge Disziplin und
tadelloses Verhalten empfahl. Er verlange von ihnen,

wenn es gelte, für den deutschen Namen einzustehen, wie
von jedem Soldaten, zu siegen oder zu sterben. Adieu
Kameraden! Hierauf fuhr der Kaiser, von der tausend-
köpfigen Menge begeistert begrüßt, an Bord des Flagg-
schiffs Kurfürst Friedrich Wilhelm.
Deutscher Reichstag. Berlin, 10. März. Diezweite
Beralhung des Fl eis ch b e s ch aug e s etzes wird forgesetzt.
Die 88 3 und 7 werden angenommen. 8 8 in der Regierungs-
vorlage will, daß die Untersuchung nach der Schlachtung bei
Schweinen sich auch auf Trichinose zu erstrecken habe, aus-
schließlich der Hausschlachtung. Die Kommission beantragt
Streichung.
Abg. Wurm (Soc.) befürwortet einen Antrag Albrecht, die
Hausschlachtung nicht von der Untersuchung auf Trichinose
auszuiiehmeii.
Abg. Graf Ortola (natl.): Der sozialdemokratische Antrag
bezwecke nur, die kleinen Bauern gegen das Gesetz unzufrieden
zu machen.
Präsident Graf Ballestrem theilt mit, daß über 8 8
namentliche Abstimmung beantragt sei.
Abg. Graf Klinkow ström (cons): Die Conservativen
werden die Arbeiter, zumal die ländlichen, über die Taktik der
Socialdemokraten ausklären. (Beifall rechls; Lachen links.)
Abg. Singer (Soc.): Der Antrag auf namentliche Abstim-
stimmung sei aus sachlichen Gründen gestellt.
Abg. Marke (Centr.) empfiehlt Streichung des 8 8.
Abg. Schräder (freis. Ber.) erklärt sich für den Antrag
Albrecht.
Der Präsident des Reichsgesundheitsamtes Köhler: Der
Antrag Albrecht gehe zu weit, die Regierungsvorlage wolle die
Schau bei Hausschlachtungen nicht verbieten, sondern sie nur
nicht obligatorisch machen und dies den Landesgesetzen überlassen.
ES folgen weitere Bemerkungen der Abgg. Holtz (Reichsp.)
und Müll er-Sagan (freis. Volksp.), die für den Antrag Albrecht
eintreten.
Abg. Roes icke bezeichnet den Entrüstungsrummel gegen das
Gesetz als künstliche Mache; ganz plötzlich erscheinen den Herren
die deutschen Trichinen um so viel gefährlicher als die englischen.
Die süddeutschen Verhältnisse müßte» berücksichtigt werden.
Abg. Vielhaben schließt sich dem an.
Abg. Nißler begrüßt namens der bayerischen Bauern mit
Freuden, daß die Commission den 8 8 gestrichen habe. Man
ergreife jede Gelegenheit, den kleinen Bauern zu belasten; bet
selbstgezogenen, gutgemästeten Schweinen sei die Trichine selten.
Glauben sie nicht, daß der bayerische Bauer so weit zurück sei,
daß er sein Vieh unrein schlachte. Nein! Unsere Bauern find
ebenso reinlich wie Sie. (Stürmische Heiterkeit.)
Abg. Wurm (Soc.): Die Sozialdemokratie bezwecke mit dem
Antrag durchaus nicht, die Bauern zu schädigen oder unzufrieden
zu machen. Wir verlangen, daß das ausländische Fleisch ebenso
behandelt wird bezüglich der Trichinenschau wie das inländische;
wir wünschen auch, daß die Kosten der Trichinenschau der Reichs-
kasse zur Last gelegt werden. Redner nennt die Acußcrung des
Abg. Klinkowström eine objektive Unwahrheit; da Lügen kurze
Beine haben, wird niemand im Lande ihm seine Bemerkung
glauben.
Präsident Graf Ballestrem ruft den Redner wegen des
Ausdrucks „Lügen" zur Ordnung.
Abg. Wurm (fortfahrend): Nur durch die Annahme des
sozialdemokratischen Antrages wird Gewähr geboten, daß Unsere
Arbeiter wirklich unschädliches Fleisch bekommen.
Abg. Schrempf (cons.): Für die schwäbischen Verhältnisse
sei die Trichinenschau, namentlich bet den Hausschlachlungen, gar
nicht durchführbar; diejenigen, die für den Paragraphen stimmen,
sollten verurtheilt werden, als Trtchinenbeschauer im Schwarzwald
angestellt zu werden. Die Fürsorge des Abg. Wurm für die
armen Leute sei beinahe christlich zu nennen, aber auch nur
beinahe. (Heiterkeit.)
Abg. Weibhagen (Centr): Die Trichinenschau sei in
Bayern undurchführbar, außerdem sei sie überflüssig.
Abg. schwarz (wtld-lib.): Die Maßregeln zur Bekämpfung
der Trichine seien der Landesgesetzgebung zu überlassen.
Nach Bemerkungen des Abg. Müll er-Sagan schließt die
Debatte; es folgen persönliche Bemerkungen der Abgg. Graf
Klinkowström. Singer und Beckh-Koburg. Der Antrag Albrecht
wird abgelehnt. Es folgt namentliche Abstimmung über 8 8 der
Regierungsvorlage, der mit 165 gegen 66 Stimmen gestrichen
wird. Die 88 9-11 werden angenommen.
Zu 8 12 befürwortet Abg. Singer (Soc.) einen Antrag
Albrecht, wonach Händlern und Gastwirthen der Verkauf brauch-
bar gemachten Fleisches nicht nur mit Genehmigung der Polizei,

28)

Fürst Margoni.
Roman von Moritz Lilie.
(Fortsetzung.)

darfst nicht zu Hause bleiben, Helene. Tu würdest
To»» "'kl versäumen I" sagte Valerie in sanftem, bittendem
"iDEnke Dir all die prächtigen Masken, die kostbaren,
kklvchnwEn Kostüme, die Spannung, in welche uns die Un-
"itar k ' ""Er sich hinter dieser oder jener Verkleidung ver-
"Nder """'Etzl, die Bemühungen und Anstrengungen, ein-
""enn i.flEgenseitig zu erkennen, und endlich das Erstaunen,
)Uwo, Maske fällt — das alles denke ich mir köstlich,
fihlt» mein erster Maskenball ist. Und Du wolltest
hüten o AUne. wolltest einsam und verlassen dos Haus
Hah^ . ^)as geht nicht, ich würde nur das halbe Vergnügen
habe^"^""ihE Dich nicht weiter, ich weiß, was ick zu tbun
Mig'rgn "Etzte jene kalt, „außerdem fühle ich wieder meine
!"ster stahen. die inicb, wie ich aus Erfahrung weiß,
^as hn>, dis drei Tagen niemals verläßt. Und was
°>ese Vergnügen beirifft, so hättest Du besser gethan,
^'EUiand ö» unterlassen; daran glaubt ja doch
Augen füllten sich mit Thränen. Sie war sich
» Hk» - Worte mit voller Aufrichtigkeit gesprochen zu
"E>t "krgolten^ w""^EN ihr dieselben mit verletzender Bitter»
""""E auch sehr schön, wenn sich Valerie recht
AOge -r°c/,"^."uulde, deshalb besucht nian doch wvh der-
»c?tte: "In',^krten," bemerkte die Gräfin in gleichgültigem
n "h di?i°,"n weiß, was Migräne zu bedeuten hat, der
ael/-» fifl/Er allen Verhältnissen als Entschuldigungs-
.A»L° , lassen."
sdem Ol, es ^ mein Wille, auch wenn ich kein

mein Ausbleiben

keine
anzuführen hätte," er- '

widerte das Mädchen im eigensinnigen Beharren auf
dem einmal gefaßten Vorsatz, „sprechen wir nicht weiter
darüber."
Sie erhob sich und mit einem kurzen unfreundlichen
„gute Nacht" verließ sie das Zimmer. Auch Valerie fühlte
sich unbehaglich in Gesellschaft ihrer mißlaunigen, einsilbigen
Großeltern und auch sie suchte bald ihr Zimmer auf.
Als Valerie ihr Zimmer betrat, fiel ihr ein Blättchen
Papier aus, welches auf der über den kleinen Nipptisch ge-
breiteten kirschfarbenen Plüschdecke lag. Das junge Mädchen
»ahm es und trat damit an den brennenden Armleuchter
heran. Es war mit Bleistift geschrieben und enthielt nichts
als die Worte:
„Hüten Sie sich vor Margoni!"
Sie betrachtete genau Buchstaben für Buchstaben, um-
sonst, die Handschrift war ihr völlig fremd. Auch die Unter-
schrift fehlte, so daß Valerie nicht die geringste Ahnung
hatte, wer der Absender oder die Absenderin sei; denn
daß auch ein weibliches Wesen die Warnerin sein könne,
schien ihr aus den weichen, unsicheren Schrfflzügen hervor-
zugehen.
Valerie klingelte dem Mädchen.
„War jemand während meiner kurzen Abwesenheit hier?"
fragte sie die Eintretende.
„Niemand, gnädiges Fräulein, versetzte die Zofe ver-
wundert.
„Weißt Du auch nicht, wer den Zettel auf jenes Tischchen
gelegt hat?" forschte Valerie weiter.
„Welchen Zettel?" rief das Mädchen.
Die Herrin hielt ihr das Papier hin, doch so, daß sie die
Schrift nicht lesen konnte.
„Ich weiß von nichts, gnädiges Fräulein," bethcuerte
jene; „hier ist niemand gewesen, ich hätte cs bemerken
müssen."
„Sonderbarl" sagte Valerie zu sich selbst; „das Papier
ist dock nicht durch Zauberei dorthin gekommen; besinne
Dich. Lisette!"

„Ich würde sofort einen Eid leisten, daß niemand Ihr
Zimmer betreten hat," versicherte die Gefragte; „die Wäscherin
war hier, um die geplätteten Röcke abzulicfern, sonst keine
Menschenseele, und die ist nicht über diese Schwelle ge-
kommen."
„Aus Dir ruht kein Verdacht I" rief Valerie lächelnd,
indem sie mit dem Kopfe nickte, für die Zofe das Zeichen,
daß sie gehen könne- Dann zerriß sie den Zettel in eine
Menge winzig kleiner Stückchen und warf dieselben in das
Feuer des Kamins.
„Ein Zettel ohne Unterschrift, eine heimtückische Ver-
dächtigung -was ist darauf für Werth zu legen?" sagte
sie zu sich selbst. „Wer nicht den Mnth besitzt, offen und
ehrlich sich auSzusprechen, wer es nicht verschmäht, aus dem
dunklen Hinterhalte heraus seine Pfeile zu verschießen, der
verdient keine Beachtung.
Sie »ahm ein Buch zur Hand, um den Rest des Abends
mit Lesen zu verbringen, aber unwillkürlich schweiften ihre
Gedanken wieder ab und vor ihren Augen schwebte der ge»
heimnißvolle Zettel mit dem Warnungsius:
„Hüten Sie sich vor Margoni I"
_. (Fortsetzung folgt.)
Stadt-Theater.
^ Heidelberg, 12. März.
„Doktor Klaus", Lustspiel in 5 Aklei, von Adolph
L 'A r r o n g e.
Gestern ist der brummige Prachtdoktor mit seinem Kutscher
Lubowski beim hiesigen Publikum zur jährlichen Visite vorgefahren
und hat den gewohnten freundlichen Empfang gefunden. Ob-
gleich er sich nun doch schon manches Jahr regelmäßig blicken
läßt, giebt es immer noch Leute, denen er nicht vorgestellt ist.
Man erkennt sie an dem herausplatzenden Lachen der Ueberraschung,
womit sie den Arzt und seinen freiwilligen Famulus begrüßen.
Gestern hatte der Doktor einen wirklichen Patienten, seinen
Schwager Griesinger, der vor Heiserkeit und Influenza weder
sprechen noch eine Miene verziehen konnte. Man muß es an«-
 
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