Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 101-126 (1. Mai 1900 - 31. Mai 1900)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0601

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
- Erscheint täglich.
sonntags ausgenommen.
Preis
Vit Familienblättern
monatlich 50 Pf.
»frei in's Haus gebracht.
^Urch die Post bezogen
, dierteljährl. 1.25 Mk.
^schließlich Zustellgebühr.
^rnsprech-Anschluß Nr. 82.

WlOkM ZkitW.

Jnferttonsgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzelyen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafcln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Sir. 12K.

Dmmnrlag, den 31. Mai

I90V.

Bestellungen
die Heidelberger Zeitung für den Monat Juni
z^rden bet allen Postanstalten, den Briefträgern,

in

den
der

Ernten, bei den Trägern in der Stadt, sowie
Spedition, Untere Ncckarstr. 21, angenommen.
..Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
Fracht; durch die Post bezogen für den Monat Juni,
am Schalter abgeholt, 42 Pfg., mit Zustellgebühr
Pfg. weiter.

Der Eintritt des Kronprinzen in den
Militärdienst.
Potsdam 20. Mai. Bei glänzendem Wetter fand
^ Feier des Heereseintritts des Kronprinzen
1. Garderegiment zu Fuß im Beisein des
^'ierpaares, der meisten Prinzen des königlichen Hauses,
^ Staatssekretärs Grafen Bülow und der österreichisch-
"garischen und russischen Botschafter statt,
i Per Kronprinz meldete sich Vormittags 11'/, Uhr
tz' dem Kaiser im königlichen Stadtschlosse zu Potsdam.
^ Kaiser und der Kronprinz trugen die Paradeuniform
tz 1. Garderegiments mit dem Band und der Kette des
schwarzen Adlerordens und allen anderen preußischen
L'deri sowie den königlichen Hausorden von Hohenzollern.
b ' der Meldung waren sämmtliche direkte Vorgesetzten
^ Kronprinzen zugegen, und zwar der kommandirende
^?erai des Gardekorps, General der Infanterie v. Bock
Polach, der Kommandeur der 1. Garde-Jnfantcrie-
Generalleutnant und Generaladjutant v. Kessel,
(, Kommandeur der 1. Garde-Jnfanteriebrigade, General
suita v. Moltke, der Kommandeur des 1. Garde-
^°'venls. Oberst und Flügeladjutant Freiherr v. Pleiten,
d. ^ der Kommandeur des 1. Bataillons, Major Nickisch
tz.^osenegk, der Chef der 2. Kompagnie, bei welcher der
dprinz Dienst thun wird, Hauptmann Graf zu
"tzau.
i^^ach erfolgter Meldung begab sich der Kaiser mit
Kronprinzen in den Lustgarten, woselbst das 1. Garde-
»^ent mit enthüllten Fahnen im offenen Viereck Parade-
tzs "Hung genommen hatte. Als der Kaiser mit dem
!>kr Krätzen, denen sich die übrigen kaiserlichen Söhne und
!^j Militärische Dienst angeschlossen hatten, aus dem
suchen Schlosse heraustrat, wurde präsentirt, die
^ spielte den Präsentirmarsch, die Fahnen senkten sich,
^ die Generale und Offiziere salutirten. Der Kaiser
Fronten der Bataillone ab nahm dann mit dem
^ieij Minzen in der Mitte des Vierecks Aufstellung und
den Kronprinzen und an den Oberst Freiherrn
. Arnberg folgende Ansprache:
°chdem Seine kaiserliche und königliche Hoheit der Kron-
si»k,j1.den Bildungs- und Entwickelungsgang, der für die
Armee und ihre Offiziere vorgeschriebe» ist, durch,
k "d vollendet hat. durch Bestehen des Examens, das seine
^«ten mit meiner königlichen Belobigung zu belohnen gc-
WSi^> . stelle ich Dich nunmehr als aktiven, dienslthuenden
?> Io« die Reihen meines Regimentes ein. Soweit überhaupt
M^Mer Offizier für seinen Beruf vorbereitet werden kann, so-
F'chm "llcs geleistet. Es wird nun an ihm sein, in der ge-
iMw-^EN altklassischen Atmosphäre, die in den Reiben dieses
Ms weht und feine Fahnen umspielt, den Dienst in allen
Km^dasen kennen zu lernen. Es ist eine Ehre für ihn, in
k?^llezeichneten Regiment nunmehr in das militärische
^Si>r,A"elnzutreten. Ich hege das vollste Vertrauen zu meinem
A,,' daß, wie es so manchen preußischen König und man-
de/n und Heerführer ausgebildet und aus seinen Reihen
,?Se K°rgehe„ sehen, es sich auch an meinem Sohn bewähren
v*» )?d ihm will ich wünschen, daß er in den Reihen meiner
^ Even Kompagnie dieselbe Freude empfinde im Verkehr mit
Vvn ,"den und dieselbe Kameradschaft unter seinen Offizieren
^ allen Dinaen dasselbe Vertrauen seiner Leute sich er-

werben könne, wie es mir einst gelungen ist, und daß er sich eng
verwachsen fühle mit den Söhnen meines Landes. So übergebe
ich Euch meinen Sohn in der Hoffnung, daß er dereinst ein tüch-
tiger preußischer Offizier und ein ordentlicher General sein möge.
Darauf zog der Kronprinz seinen Säbel, salutirte vor
dem kaiserlichen Vater und den direkten Vorgesetzten und
trat als Zugführer bei der zweiten Kompagnie ein. Oberst
v. Plettenberg dankte darauf dem Kaiser und ließ das Re-
giment präsentiren. Bei dem darauf folgenden Parade-
marsch führte der Kronprinz seinen Zug. Die Kaiserin sah
dem feierlichen Vorgänge mit den Prinzessinnen von den
Fenstern des Schlosses aus zu.

Zur Frage der Wahlpflicht.
Die Deutsche Juristenzeitung enthält in ihrer letzten
Nummer einen Aufsatz von Professor Dr. Laband in
Straßburg über die Reform des Wahlrechts in
Belgien, dessen Ausgestaltung mit der Einführung der
Pluralität der Stimmen, der obligatorischen Wahlpflicht,
der Abschaffung der vom Standpunkt der politischen
Moral aus bedenklichen Stichwahlen und der Einführung
des proportionellcn Wahlrechts er mit Recht als eine der
Aufmerksamkeit aller Staatsmänner und Politiker werthe
Neuerung bezeichnet. Wir glauben, daß die Leser dankbar
sein werden, wenn wir als Probe aus dem Labandschen
Aufsatz hier abdrucken, was der geistreiche Verfasser darin
über die allgemeine Wahlpflicht ausführt. Wir
lesen da:
Gleichzeitig mit dem allgemeinen Wahlrecht wurde
in Belgien die allgemeine Wahlpflicht eingeführt. Ihre
Erfüllung wurde gesichert durch eine Reihe von Strafen,
welche vom Verweise oder einer Buße von einem
Franken bis zur Suspension des Wahlrechts auf die
Dauer von 10 Jahren für Rückfällige ansteigen. Der
Name desjenigen, der seiner Wahlpflicht nicht genügt
hat, wird während eines Monats an der Thüre des
Gemeindehauses angeschlagen, und wer mit der Su-
spension des Wahlrechts bestraft wird, kann während
dieser Zeit zu keinem Ehrenamt oder einer öffentlichen
Funktion berufen werden. Die Wahlpflicht wird in der
politischen Literatur meistens sehr ungünstig beurtheilt;
geht man aber von dem richtigen Gesichtspunkte aus,
daß das Wahlrecht kein subjektives Recht ist, welches
dem einzelnen Wahlberechtigten in seinem persönlichen
Interesse zusteht, sondern daß es eine öffentlich,
recht 5i che Funktion ist, welche das Ver-
fassungsrecht den Staatsbürgern zumZweck
der Bildung gewisser staatlicher Organe
zuweist, so steht die Pflicht, diese Funktion zu vcr-
sehen, mit dem Wesen des Wahlrechts in vollem Ein-
klang. Der politische Werth der allgemeinen
Wahlpflicht besteht darin, daß diejenigen Klassen
der Bevölkerung an der Wahl theilzunehmen gezwungen
sind, welche sonst wegen der Maßlosigkeit und Thorheit
der Wahlprogramme und aus Ekel an der Zügellosigkeit
des Wahlkampfes sich von der Wahl fernhalten würden.
Dies sind keineswegs die politisch indolenten, sondern
grade die besonnenen und gemäßigten Elemente, welche
der Aufhetzung durch die Wortführer der extremen Par-
teien einen passiven Widerstand entgegensetzen und an
einem Erfolge der gemäßigten Richtung gegenüber dem
Einfluß, welchen zelotische Demagogen auf die Massen
ausüben, verzweifeln. Die Behauptung, daß die obli-
gatorische Wahlpflicht thatsächlich undurchführbar sei,
wird durch die in Belgien gemachte Erfahrung glänzend
widerlegt. Vor Einführung derselben betrugen die
Wahlenthaltungen 16 Prozent, nach Einführung der-

Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.

(Fortsetzung.)

makellosen Vorleben der Angeklagten ließ sich
V^eAnhalt für einen rachsüchtigen Charakter, für
VbreÄÄ und Veritellungskünste und noch viel weniger
sähiaung zu einem so schrecklichen Verbrechen
Nicht unter kleinmüthigem Weinen und
Vb>e>n ' "'Hl unter herzbewegenden Ansbrüchen der
M ej>i»isUng betheuerte sie ihre Unschuld, sondern sie that es
Ue» / ehernen Festigkeit, wie sie nur einem reinen Ge-
«dtg^llen zu sein pflegt. Dennoch sollte der günstige
den dies auf den Gerichtshof machte, schwer er-
OchL werden.
Kahrend der öffentlichen Prozeßverhandlung, die
U in Anspruch nahm, traf die Nachricht ein, daß
>«7>er„, Vater sich erschossen habe. Der Gram, seine
iis.Ki Mörderin angeklagt zu wissen, konnte ihn zu
''siegte «L^wstungsschritt getrieben haben. Gleichzeitig
stKbg sä» aber auch, daß er durch seine Bürgschafls-
^ Einen flüchtig gewordenen Freund in Konkurs
und demnach konnte der verübte Selbstmord
h« Folge seines materiellen Ruins gewesen sein.
Aatkn^ "Eau Bruschers hatte sich mithin bewahrheitet,
V'lfe Kelche die Angeklagte veranlassen konnten.
V bjz o, lür ihren Vater zu erbitten, waren.

dessen intime Selbstmordsgedanken, vorhanden
I^Jachi.'Uwann auch das von ihr abgeleugnete Motiv zu
»Vden Awtiael! Handlung an dem reichen, seine Hilfe ver-
H«,bvch -lehrten als Schuldbeweis an Kraft. Aber es
Ein sehr schwerwiegendes Indizium hinzu. Der
>bffssgEuerEjsenwaarenhandlung in der Nachbarschaft des
^^eui KEinnerte sich, daß wenige Tage vor dessen
i^nde die Angeklagte einen Hammer bei ihm

gekauft hatte, welcher offenbar mit dem Mordinstrumenle
identisch war. Der Eisenhändler kannte die Vorleserin
genau; sie halte öfter in seinem Laden kleine Einkäufe für
die Haushaltung des Professoes gemacht. Es war Abend
gewesen, als sie den Hammer kaufte; dadurch, daß sie sich
unter dem Schleier ein Taichentuch vor Mund und Wange
hielt, über heftiges Zahnweh klagte und kaum zu sprechen
vermochte, hatte sich der Vorgang dem Ladenbesitzer so genau
inS Gedächtniß geprägt» daß er seiner Sache vollkommen
sicher war.
Daß die Angeklagte auch diese Zeugenaussage als eine
vollständige Erfindung bezeichnet?, konnte nach allem Voran-
gegangenen selbstverständlich keinen Eindruck auf^ den Gerichts-
hof machen. Ihre Schuld war erwiesen, so unglaublich
die grausame That erschien, wenn man sie mit der bestechen-
den Erscheinung Konslanzes und ihrem unschuldsvollen
Wesen zusammenhielt, so fand dieses Räthsel doch durch ihr
epileptisches Leiden seine Lösung.
Die herbeigezogenen medizinischen Sachverständigen er-
klärten sie für unzurechnungsfähig auf Grund einer theil-
weisen Geistesstörung. Es erschien zweifellos, daß Kon-
stanz« von ihrem Vater her erblich belastet war. denn wie
jede Nervenkrankheit, so kann auch die Epilepsie von den
Eltern auf die Kinder übergehen. Bei Epileptikern kommen
heftige Aufregungszustände vor, während welcher sie häufig
Gewaltakte der gräßlichsten Art, Brandstiftung. Selbst-
mord und sogar Mord an anderen begehen, die ihnen nicht
zugerechnet werden können. Diese Handlungen entspringen
aus einem unwiderstehlichen Triebe, dessen sich der Kranke
häufig nicht bewußt ist, der aber auch auf einem bewußten
Gedanken beruhen kann. Seine Erinnerung an das, was er
in einem solchen anormalen Zustande erlebt oder thut, ist
gewöhnlich ganz ausgehoben. Solche geistige Störungen
können theils vor, theils nach epileptischen Krampfanfällen
austreten, sie können auch unabhängig von diesen sich ein-
stellen. ja, sie können von diesen sogar durch eine längere
Pause körperlichen und geistigen Wohlbefindens getrennt
'ein. In einem jener Zustände geistiger Störung beging die

selben sanken sie im Ganzen auf 5 Prozent, und nach
Abzug der durch Krankheit, Abwesenheit und andere ge-
setzliche Gründe Entschuldigten auf kaum ein halbes
Prozent der Wahlberechtigten. Wie sehr das politische
Gewicht der Wahlen dadurch erhöht wird, braucht nicht
näher dargelegt zu werden; sie sind in Wahrheit der
Ausdruck der politischen Gesinnung des ganzen Volkes
und nicht bloß das Resultat von Parteikämpfen, denen
ein großer Theil des Volkes vielleicht mit Interesse und
Spannung, aber ohne aktive Betheiligung zuschaut.

Der Rücktritt des französischen Äriegsministers
de Galliffet.
Durch den Rücktritt des Kriegsministers de Galliffe*
ist das gegenwärtige französische Ministerium einer seiner
interessanten Persönlichkeiten beraubt worden. Der Op-
portunist Waldeck-Rouffeau als Kabinetschef mit dem Kom-
munebesieger Galliffet zur Rechten, dem Sozialisten Mille-
rand an der Linken, das war ein ungewöhnlicher, ein
interessanter Anblick. Durch den Rücktritt Galliffets gleitet
das Ministerium in den Schooß der Alltäglichkeit zurück;
vermutlich wird es nun bald auch von den Ministersesseln
Heruntergleiten. Seine Feinde sind sehr geschäftig und
rührig; es regiert ihnen schon zu lange. Und seine Haupt-
stütze, der als Soldat und als Persönlichkeit hervorragende
Marquis de Galliffet fehlt. Man darf es als sicher ari-
schen, daß Galliffet im Wesentlichen durch Gesundheits-
rücksichten zum Rücktritt bestimmten worden ist. Er hat
kürzlich an Lungenentzündung krank darnicdergelegen und
war noch nicht ganz wiederhergestellt, als er in der Kam-
mer sich mit der skrupellosen Opposition herumzuschlagen
hatte. Er ist thatsächlich in den Sielen zusammengebrochen.
Was man über Differenzen mit dem Premierminister sagt,
hat keine große Bedeutung. Waldeck-Rouffeau bezichtete
den Hauptmann Fritsch der Felonie, des Treubruchs, ein
Ausdruck, den Galliffet als zu stark befunden haben soll.
Aber Galliffet selbst hatte den pp. Fritsch sehr scharf ge-
kennzeichnet, so daß er den vom Premierminister gebrauch,
tcn Ausdruck nicht tragisch zu nehmen brauchte.
Der neue Kriegsminister, General Andre, der im
Alter von 62 Jahren steht, kommandirte zuletzt die fünfte
Division in Rouen. Zur Zeit des Dreyfusprozeffcs ge-
hörte er zu den wenigen Militärs, die für Revision waren.
Er ist Republikaner und gilt für einen thatkräfti gen Mann.
Mit ihm erhält Frankreich, seit es wieder Republik ist,
seinen 31. Kriegsminister. Galliffet hat das Kriegsmini-
sterium 11 Monate und 7 Tage geleitet.

Deutsches Reich.
— Es ist nicht uninteressant, daß in dem fernen
China, wie schon vorher gelegentlich im westlichen Afrika,
Deutsche und Franzosen gemeinschaftlich mit militäri-
scher Macht Vorgehen. Aus Deutschen und Franzosen
bestand die Kolonne, die zum Entsatz der in Tschansiting
eingeschlossenen Belgier sich von Tientsin aus auf den
den Weg machte. Die Entsatzkolonne hat ihren Zweck
erfüllt, am 29. d. ist sie mit 25 befreiten Belgiern in
Peking eingetroffen. Die Auffassung über den Umfang
und die Gefährlichkeit der Boxer-Bewegung in China ist
verschieden. In Hamburg hält man die Sache nicht für
sehr bedeutend. Ein Zeichen für die große Schwäche der
chinesischen Regierung ist sie auf alle Fälle.
Kiel, 28. Mai. Die Abfahrt des großen Kreuzers
Vineta nach den transatlantischen Gewässern ist, wie die
Köln. Ztg. hervorhebt, insofern ein Ereigniß von politischer
Angeklagte die Thal, deren sie sich nicht zu erinnern ver-
mochte, der aber ein unwiderstehlicher Trieb zu Grunde
lag, hervorgegangen aus einem gleichzeitigen Zusammen-
wirken heftiger seelischer Erregungen - dem tiefen Mit-
empfinden mit der verzweifelten Lage ihres Vaters; der
schmerzlichen Enttäuschung, ihre Bitte um Georais vielleicht
zuversichtlich erhoffte Hilfe abgeschlagen zu sehen, und des
wühlenden Gefühls ihrer Machtlosigkeit, den Vater vor
Untergang und schimpflichem Selbstmord zu retten.
Die Ohnmacht, in welcher die Angeklagte, nachdem sie
den Hammer vom Blute gereinigt und unter ihre Sachen
verborgen hatte, aufgesunden worden war, erschien als die
Nachwirkung eines epileptischen Anfalls, vor dessen Ausbruch
sie in jener geistig gestörten Stimmung den Mord begangen
hatte. Den Hammer hatte sie vielleicht gar nicht zu diesem
Zwecke gekauft. Ob ihr Ableugnen nachgewiesener Tdat-
sachen dem natürlichen Triebe entsprang, die Schuld von
sich abzuwälzen, oder ob dies auch noch auf Rechnung der
Geistesstörung zu setzen war, mußte dahin gestellt bleiben.
Eher war das letztere anzunehmen, da sie sogar ihr epilep-
tisches Leiden in Abrede stellte und sich dadurch ihres
einzigen Rettungsmittels, der Unzurechnungsfähigkeit, selbst
begab.
Richtern wie Geschworenen wäre es schwer geworden,
mit der Schuldigsprechung der Angeklagten, zu deren Schön-
heit sich so viel rührende Anmuth gesellte, über welcher sich
so vernichtend die Wucht tragischer Verhältnisse häufte, das
Todesurtheil zu verbinden. Selbst das Plaidoyer des
Staatsanwalts für ihre Schuld fiel matt aus. Konstanze
Herbronn wurde einer Irrenanstalt überwiesen, und so hart
die lebenslängliche Verbannung an diesen traurigen Ort
erschien, so ging doch durch die Menge, welche die Gallerien
füllte, eine Bewegung, wie ein erleichtertes Aufathmen, daß
dieses schöne jugendliche Haupt nicht dem Beile des Scharf-
richters überantwortet wurde.
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen