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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-126 (1. Mai 1900 - 31. Mai 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0597

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


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und den Plakatsäulen.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 125.

Mittwoch, den 30. Mai

IW«.

Bestellungen

auf die Heidelberger Zeitung für den Monat Juni
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat Juni,
wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., mit Zustellgebühr
15 Pfg. weiter.
Chronik.
(Vom 13. bis zum 26. Mai.)
Mai 13.: Beim Nationaldenkmal auf dem Niederwald
findet eine erhebende Feier in Anwesenheit der Mann-
schaften und Offiziere der nach dem Rhein entsendeten
Torpedobootsdtvision statt.
„ 15.: Die Budgetkommission des Reichstags beginnt die
zweite Berathung der F l o t t e n v o r l a g e.
„ 15.: Ter Kaiser begiebt sich von Urville nach Wies-
baden.
, 15.: Die Zweite badische Kammer beendet die
Berathung des K u l t u s b u d g e t 8.
, 17.: Der Reichstag setzt die durch Obstruktion vor
Ostern unterbrochene dritte Lesung derlsxHeinze
fort. Die Linke beginnt sofort wieoer die Berathung
durch Abänderungsanträge in die Länge zu ziehen.
« 18.: Da die Reichstagsmehrbeit bei Berathung der Isr
Heinze Miene macht, sich über die Geschäftsordnung
hinwegzusetzen, helfen die N a t i o n a l l i b e r a l e n
die Beschlußunfähigkeit des Reichstags künstlich herbei-
führen , indem sie sich bei der namentlichen Ab-
stimmung über einen Vertagungsantrag der Stimm-
abgabe enthalten. Dies Verfahren macht im Verein
mit der in gebildeten Kreisen herrschenden Aufregung
über die Isx Heinze einen großen Eindruck.
„ 18.: Die Buren haben die Belagerung von Mafeking
aufgeben müssen.
, 19.: Offiziere und Mannschaften der Torpedooboot-
division auf dem Rhein statten Heidelberg
von Mannheim aus einen Besuch ab.
, 21.: Das Centrum kapirulirt in Sachen der lor
Heinze. Der fast durchberathene Gesetzentwurf w'rd
fallen gelassen, an seine Stelle tritt ein Initiativantrag,
der den Thealerparagraphen und den Kunstparagraphen
nicht enthält.
,21.: Im Reichstagswahlkreis Offenbur g-
Kehl beschließen die Sozialdemokraten für die Stich-
wahl die Unterstützung des natiouallibcralen Kandidaten.
„ 22.: Der Rcichstag nimmt den an Stelle der lox Heinze
getretenen Antrag Hompesch in allen drei Lesungen an.
, 22.: Der Reichstag nimmt das Fleischbeschau-
gesetz in dritter Lesung nach dem Kompromitzantrag
Aichbichler an.
. 22 : In der Verfassungskommission der Zweiten
badischen Kammer erklären die National-
liberalen, der direkten Wahl zur Zweiten Kammer
zuzustimmen, falls die Abgeordneten um sieben durch
die Bürgerausschüsse der größten Städte zu wählende
Abgeordneten vermehrt werden. .
„ 25.: Im Reichstagswahlkreis Offenburg-Kehl
siegt das Centrum mit der kleinen Mehrheit von
465 Stimmen.
, 25.: Der Kais er begiebt sich nach Schlettstadt und Straß-
bürg und von da nach Berlin.
, 26.: Der ReichLtag geht bis zum 6. Juni in die Pfingst-
selten.
__ ___
Die Reichseinnahmen aus Zöllen und
Verbrauchssteuern.
... Soeben wird der Ausweis über die Einnahmen ver-
deutlicht, die an Zöllen und Verbrauchssteuern im Rech-
nungsjahre 1899, das am 1. April d. I. abgeschlossen hat,
,.°r Reichskasse zugcflossen sind; die Einnahmen belaufen
insgesammt auf 784.5 Mill. Mark, rund 2,2 Mill.
^«rk mehr als im verflossenen Jahre. Zur Würdigung
^Ergebnisses stellen wir in Millionen Mark und in ab-

4)

Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.
(Fortsetzung.)
Der ermordete Professor Georai. obwohl erst fünsund-
-rzig Jahre alt. hatte sich infolge eines zunehmenden Brust-
Eis schon seit längerer Zeit von seiner Thatigkett als
stversitätslehrer zurückgezogen. Sein bedeutendes Ver-
?»en. wozu auch daS von ihm bewohnte Haus gehörte,
Uattele ihm. ganz seiner Gesundheit zu leben, Er war
Molo»; durch anhaltende Studien batten seine Augen
"tten und bedurften der Schonung; da er aber nach wre
5 an seiner Wissenschaft hing, und die neuen Ereignisse
selben eifrig in der Fachliteratur verfolgte, so hatte er
d dorlesen lassen. Früher bediente er stch hierzu ärmerer
wdenten, die zu bestimmten Stunden zu ihm kommen
Men und dafür honorirt wurden. Seit einem Jahre
^ er sich in der Person Konstanze Herbronns eine eigene
'«escrin. Und dieses junge Mädchen stand nun unter der
^Eren Anschuldigung, den Gelehrten, chren Brodherrn,
s^rdet zu haben, und mußte vor dem Schwurgericht auf
Anklagebank erscheinen. , . ^ r».
Der Kriminalkommissar hatte bei einer zufälligen Be-
üUng ihrer rechten Hand an zwei oder drei Fingern Vlut-
Ueg bemerkt, die sich bei näherer Untersuchung noch reich-
zEt auf der inneren Handfläche zeigten. Seine Frage, wie
.Blut an ihre Hand gekommen sei, versetzte sie in große
^Wirrung. Sie wollte sich durchaus nicht erinnern
Ben. mit den blutigen Wunden des Ermordeten m Be-
!"ung gekommen zu sein, und doch konnte ein so scharter
Pachter, wie der Kommissar, ihr leicht anmerken, daß sie
8 die volle Wahrheit sprach, daß sie etwas verschwieg,
? Ar nicht über die Lippen wollte. Infolgedessen wurde
Zustimmung des hinzugekommenen Staatsanwalts eine

gerundeten Zahlen die einzelnen Posten in den jetzt vor-
liegenden Nachweisen und im Etat für 1899 gegenüber:

Wirkliche Einnahme
Etat
Zölle
461,8
442,4
Tabaksteuer
11,9
12,0
Zuckersteuer
104,7
92,1
Salzsteuer
48,7
47,2
Branntweinsteuer
a) Maischbottichsteuer
17,0
16,8
b) Verbrauchsabgabe
109,7
102,4
Brausteuer
30,9
29,1

Insgesammt sind für das Wirthschaftsjahr 1899 in
den Etat rund 742 Mill. Mark an Einnahmen aus den
angeführten Finanzguellen eingestellt worden. Im December
vorigen Jahres erwartete die Reichsfinanzverwaltung gegen
den Etat ein Mehr von 38 Mill. Mark. Diese Rechnung
hat sich als durchaus vorsichtig erwiesen, denn der erhoffte
Mehrertrag beträgt rund 42 Mill. Mark. Im Vergleich
zum vorangegangenen Jahre sind die Einnahmen freilich
nur um 2,2 Mill. Mark gestiegen. Doch dürfen daraus
keine nachtheiligen Schlüsse auf die Entwickelung der
Reichsfinanzen gezogen werden. Denn der MehLertrag
gegen das vorangegangene Jahr wäre erheblich größer,
wenn nicht die Zölle um 13,9 Mill. Mark zurückgegangen
wären, und zwar in Folge der besseren Ernte, die eine
Verminderung der Getreideeinfuhr zur Folge gehabt hat.
Mit Ausnahme der Tabaksteuer, die etwa um ^ Million
gegen das Vorjahr zurückgeblieben ist, und der Maisch-
boltich- und Branntweinmaterialsteuer, die einen Rück-
gang von 2,7 Millionen Mark aufweist, sind die übrigen
Einnahmen gestiegen: die Zuckersteuer um 8 Millionen
Mark, die Salzsteuer um 1,6 Millionen Mark, die
Verbrauchsabgaben von Branntwein um 10 Millionen
Mark und die Brausteuer um 0,8 Millionen Mark. Da
die Mindereinnahme an Getreidezöllcn, weil durch die
günstigere Ernte verursacht, eine wirthschaftlich erfreuliche
Erscheinung ist, so läßt sich das Gesammtergebniß des
letztverflossenen Wirthschaftsjahres dahin zusammenfassen,
daß die günstigen Finanzverhältnisse des Reiches weiter in
erfreulicher Aufwärtsentwickelung sich befinden und, worum
es sich in den nächsten Wochen handelt, auch weitere
Mehraufwendungen für den Ausbau der Flotte zur Siche-
rung der überseeischen Interessen des Reiches in vollem
Umfange rechtfertigen.

Deutsches Reich
— Der Kaiser hat gestern Vormittag auf dem
Tempelhofer Felde bei Berlin die Parade über die zweite
Gardeinfantcriebrigade abgenommcn und die Brigade dann
unter seinem Kommando exercieren lassen. Die Kaiserin
erschien auch auf dem Paradefeld.
— Ein in San Francisco eingetroffener Schuner
meldet, auf den Karolinen sei seit der Abtretung an
Deutschland Friede und Wohlstand eingetreten.
Der Gouverneur walte seines Amtes mit Gerechtigkeit.
Die Raubzüge der Häuptlinge von einer Insel zur anderen
haben aufgehört; die Häuptlinge, welche sich nicht fügten,
wurden bestraft. Ein japanischer Schuner, der mit
Waffen und Schießvorrath zum Verkauf an Eingeborene
an der Küste von Ponape erschienen war, wurde aufge-
fordert, innerhalb 24 Stunden sich zu entfernen bei Strafe
der Beschlagnahme. Der Schuner ist verschwunden; seit-
dem wurde nicht mehr versucht, Waffen und Schießbedarf
an die Eingeborenen zu verkaufen.
Baden. L. 0. K arlsruhe, 29. Mai. Wir haben
schon vorgestern darauf hingewiesen, daß die katholische

genaue Untersuchung ibres ElgentvumS vorgenommen, und
in einem Fache ihres Schrankes fand man zwischen Weiß-
zeug verborgen einen Hammer. Es war ein Hammer, wie
man ihn in jeder Hauswirihschaft zum Einschlagen von
Nägeln benutzt: er war noch neu, wie frisch aus dem Laden
gekommen und paßte genau in die Kopfwunden des Er-
mordeten. Blutspuren fanden sich nicht an dem Werkzeuge,
diese waren offenbar unmittelbar nach vollbrachter That
sorgfältig abgewaschen und der Hammer noch naß oder
feucht zwischen das sein gebügelte Weißzeug versteckt worden,
welches an den Stellen, wo der Hammer lag, durch die
Nässe den Glanz eingebüßt hatte.
Kaum zwanzig Jahre alt, in allem eine hohe Geistes-
bildung verrathend, dazu von geradezu bestrickender Schön-
heit, und mit einer Stimme, welche selbst noch im
Beben höchsten Seelenleidens wie Musik klang, war Kon-
stanze für den Gerichtshof wie für das Kopf an Kopf ge-
drängte Publikum mehr ein Gegenstand der Theilnahme als
des Abscheus.
Welches Motiv mochte das junge Mädchen bei ihrer
Schreckensthat geleitet haben? Nach den Aussagen der
Wirthschafterin konnte nur ein Akt der Rache 'vorliegen.
Frau Bruscher. welche, seit sie vor 10 Jahren Wittwe ge-
worden, der Haushaltung des Professors Vorstand, hatte
einige Tage vor dessen traurigem Ende bemerkt, daß
Konstanze sich in einem Zustande außerordentlicher Auf-
regung befand. Wie sie Frau Bruscher aus deren theil-
nehmendes Befragen erzählte, war ihr Vater, welcher in
einer thüringischen Stadt ein kleines Kolonialwaarengeschäst
betrieb, für einen seiner Wachsten Freunde, mit einer
Summe, die über seine Kräfte ging, als Bürge einge-
trelen. Der ehrlose Freund hatte sich bei Nacht und Nebel
davon gemacht, Herbronn stand vor seinem Ruin und ging
mit Selbstmordgedanken um. In seiner Verzweiflung schrieb
er dies seiner Tochter und beschwor sie, ihm bei ihrem
reichen Brodherrn ein Darlehen von.einigen tausend Mark
zu erwirken.

- Geistlichkeit im Bezirk Offenburg in der Reichstagswahl
eine unerhörte Agitation zu Gunsten der Kandidatur
Schüler entfaltete. Daß die hochwürdigen Herren dabei
nicht besonders wählerisch zu Werke gingen, davon weiß
der Ort. Bote ein Beispiel zu erzählen: In einem Orte
des Kinzigthals sagte der Pfarrer den Kindern in der
Schule: „Geht heim und sagt Eurem Vater, wenn er
liberal wählt, kommt er in die Hölle!" An-
gesichts eines solchen Gewissensdrucks auf der Gegenseite
ist die hohe Stimmenzahl des nationalliberalen Kandidaten
doppelt ehrenvoll.
i Badischer Landtag. L. O. Karlsruhe, 29. Mai.
i Die Erste Kammer erledigte in ihrer heutigen Sitzung
: zunächst den Gesetzentwurf betr. das Genehmigungsverfah-
i ren bei Eisenbahnanlagen, sodann den zweiten Nachtrag
l zum Budget der Verkehrsanstalten (Verlegung des Karls-
: ruher Bahnhofs) nach den Beschlüssen der Zweiten Kam-
> mer und endlich das Budget der Eisenbahnschuldentilgungs-
l kaffe. Die Petition der Gemeinde Waibstadt um bessere
i Zugsverbindung auf der Bahnstrecke Meckesheim—-Neckar-
: elz wurde der Regierung zur Kenntnißnahme überwiesen.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
Professor Dr. Karl Rath gen an der Universität Marburg zum
ordentlichen Professor der Nationalökonomie und Finanzwisfen-
schaft an der Universität Heidelberg, die Bahnverwalter Hermann
Fröhlich in Pforzheim und Emil Geiger in Schaffhausen
zu Güterverwaltern, ferner den Betriebskontroleur Joses Hof-
Herr in Basel, sowie die Stattonskontroleure Adolf Gerhard
in Mannheim und Friedrich Merk in Freiburg zu Bahnver-
waltern ernannt.
— Es wurden übertragen: dem Güterverwalter Hermann
Fröhlich die Güterverwaltnng Freiburg, dem Güterverwalter
Emil Geiger die Güterverwaltung Konstanz, dem Bahnverwalter
Josef Hof Herr das Stationsamt Lauda, dem Bahnoerwalter
Adolf Gerhard das Stationsamt Emmendingen und dem
Bahnverwalter Friedrich Merk das Stationsamt Schaffhausen.
Ferner wuroen ernannt: zum Betriebskontroleur: Siations-
kontroleur Adolf Laub in Basel; zu StationSkontro-
leuren: Betriebsassistent Friedrich Kehr deck in Karls-
ruhe, Betriebssekretär August Fingado in Karlsruhe. Belriebs-
assisteni Paul Herrmann in Heidelberg; versetzt wurden:
Bahnverwalter Karl Schneider in Lauda nach Pforzheim,
Bahnverwalter Eduard Hönig in Villingen nach Konstanz, Be-
triebskontroleur Josef Bertram in Freiburg nach Villingen
zur Versetzung des Stationsamtes daselbst; zugetheilt wurden:
Betriebskontroleur Adolf Laub dem Großh. Betriebstnspektor
in Basel, Stationskontroleur Robert Schmidt in Karlsruhe
dem Großh. Betriebsinspektor in Freiburg zur Versehung der
Stelle eines Betriebskontroleurs, Stationskontroleur Hermann
Sänger bei der Großh. Generaldirektion der Staatseisen-
bahnen dem Großh. Stationsamt Karlsruhe, Stationskontroleur
Friedrich Kehrbeck dem Großh. Stationsamt Basel. Stations-
kontroleur August Fingado der Großh. Generaldirektion der
Staatseisenbahnen und Stationskontroleur Paul Hermann dem
Großh. Stationsamt Freiburg.
— Finanzassistent Friedrich Kraus, erster Gehilfe beim
Domänenamt Thicngen, wurde als Buchhalter etatmäßig an-
gestellt.
Karlsruhe, 29. Mai. Der Großherzog ver-
brachte eine bessere Nacht; Höchstsein Befinden ist dem-
entsprechend heute ein befriedigenderes. Auch der katarrhalische
Zustand hat günstige Fortschritte gemacht, so daß nach
ärztlichem Ausspruch die Rekonvalescenz als begon-
nen zu betrachten ist. Die Kronprinzessin von Schwe-
den und Norwegen ist heute Mittag gegen 1 Uhr hier
eingetroffen und von der Großherzogtn am Hauptbahnhof
empfangen worden. Zur Begrüßung waren die Prinzessin
Wilhelm und Prinz Max anwesend. Die Kronprinzessin
ist begleitet von der Hofdame Baronin von Wedel-Jarls-
berg und dem Kammerherrn Baron von Rälamb.

Georai schlug seiner Vorleserin die Bitte ab, und das
junge Mädchen war hierüber in eine Erbitterung gerathen,
die alles Maß überstieg. Sie erging sich über die Hartherzig-
keit des Gelehrten in Ausdrücken des Hasses, welche Frau
Bruscher in ihrem sonst so sanften Naturell gar nicht geiuchc
hätte, stieß sogar dunkle Drohungen aus und fiel zuletzt in
Krämpfe. Schon Monate vorher hatte Konstanze in Gegen-
wart Frau Bruschers zwei schwere Anfälle von Epilepsie ge-
habt. Auf Wunsch des Professors hatte die Wirthschafterin
über das Leiden des jungen Mädchens geschwiegen. Von
Konstanze selbst war ihr gesagt worden, daß es ein Erbtheil
ihres Vaters sei. Gleich am Tage nach dem letzten Ansalle
batte Frau Bruscher eine kleine Reise unternommen.
Bei ihrer Rückkehr fand sie ihren Herrn nicht mehr am
Leben.
Die Angeklagte leugnete jede Schuld. Sie wollte jenen
Hammer, das verhängnißvolle Beweisstück ihres Verbrechens,
nie vorher gesehen haben und wußte stch nicht zu erklären,
wie er unter ihr Weißzeug gekommen war. Daß ihr Vater
durch den Vertrauensbruch eines Freundes ins Unglück ge-
rathen sei und sich mit Selbstmordgedanken trug, war ihr
völlig unbekannt. Nie hatte sie der Wirthschafterin etwas
derartiges erzählt, nie batte sie von ihrem Vater eine
solche Mittheilung erhalten. Er schrieb überhaupt selten;
sein letzter Brief war drei Monate alt und halte ihr den Tod
der schon lange kränkelnden Mutter gemeldet. Demnach war
es von selbst ausgeschlossen, daß sie eine Geldhilfe für ihren
Vater erbeten haben una wegen Verweigerung derselben sich
in Drohungen und Schmähungen über den Professor ergangen
haben sollte, der ihr stets mit Güte begegnet war. Daß ihr
Vater Epileptiker war, gab sie zu; daß sie selbst aber mit
diesem Leiden behaftet sei, daß sie sich erinnern könne, jemals
einen derartigen Ansall gehabt zu haben, stellte sie mit aller
Entschiedenheit in Abrede.
_ (Fortsetzung folgt.)
 
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