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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 101-126 (1. Mai 1900 - 31. Mai 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0505

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fernsprcch-Anschluß Nr. 82

Xr. M. Elker Mit. Smslag, den 5. Mni

I8V0.

Vom deutschen Kronprinzen.
Im Hinblick auf die morgen bevorstehende feierliche Er-
klärung der Großjährigkeit des deutschen Kron-
prinzen erscheint es durchaus begreiflich, daß man sich
in den weitesten Kreisen unseres Vaterlandes lebhaft mit
der Frage beschäftigt, zu welchen Hoffnungen der Erbe der
deutschen Kaiserkrone berechtigt. Von Interesse ist hier
aus naheliegenden Gründen eine Auseinandersetzung der
Münch. Ällg. Ztg., in der es heißt:
Wenn wir in kurzen Zügen ein ungefähres Bild vom
Wesen des deutschen Kronprinzen auf Grund von Aus-
sagen ebenso glaubwürdiger wie wohlunterrichteter Personen
zu entwerfen versuchen, so freuen wir uns, mit der Fest-
stellung beginnen zu können, daß sein Auftreten frei ist
von jeder Betonung des Bewußtseins seiner zukünftigen
Stellung. Er kehrt weder im Verhältniß zu seinen Brüdern,
Noch im Umgang mit irgend welchen minder bevorzugten
Sterblichen den künftigen Herrscher hervor. Den Grund-
zug seines Wesens bildet eine ungezwungene vornehme
Liebenswürdigkeit, und die Art seines Auftretens berührt
durchaus sympathisch. — Von den an der geistigen Aus-
bildung des Prinzen betheiligten Persönlichkeiten wird ihm
übereinstimmend eine gute Auffassungsgabe, Selbstbeherr-
schung und schnelles Zurechlfinden in gegebenen Verhält-
nissen nachgerühmt. Die Kenntnisse des Prinzen gehen
über das Durchschnittsmaß der wissenschaftlichen Vorbil-
bung gleichaltriger Gymnasialabiturienten erheblich hinaus.
Es braucht nicht verschwiegen zu werden, daß es wesent-
lich auf den Einfluß des Kaisers selbst zurückzuführen ge-
wesen ist, wenn der Rath der Erzieher des Kronprinzen
äur Anerkennung gelangte, die wissenschaftliche Vorbildung,
bie ihm und seinen ihm im Alter am nächsten stehen-
den Brüdern zu Theil werden sollte, nicht in Potsdam,
^sp. Berlin ihrem Abschluß entgegenzuführen, wo das
Maß der zuträglichen Zerstreuungen schwer zu kontroliren
Üewescn wäre, sondern in Plön, wo sich viel eher die
Möglichkeit bot, die für die Erholung zu bestimmende
Zeit in richtigen Einklang zu bringen mit den nicht ge-
igen Anforderungen des Unterrichts. Denn in verhält-
AKmäßig kurzer Zeit mußte der Anschluß au die übliche
Vorbildung zur Universität erreicht werden, die für den
^onprinzen sich nicht einfacher, sondern eher noch an-
^kfichsvoller gestaltete als für andere Abiturienten. Der

fler, der wie von jeher auch während der ganzen

l^öner Ausbildungszeit des Kronprinzen den einschlägigen
l-rziehungsfragen die ernsteste Aufmerksamkeit znwendete,
Wahrte den einmal von ihm gewählten Erziehern und
Adlern fortgesetzt sein Vertrauen und nahm an der un-
sieftörten Durchführung des Unterrichts ein Interesse,
die nach sachverständigem Urtheil sehr günstig
"^gefallenen Schlußergebnisse in erster Linie zu ver-
danken sind.
Gesund an Leib und Seele, verspricht der Kronprinz
auch in seiner ferneren Entwickelung um so mehr den Er-
. urtungen Derer, denen sein Wohl am Herzen liegt,
»sbesondere seiner kaiserlichen Eitern, seiner Verwandten,
ud aller, die sich berufs- und pflichtmäßig mit der Unter-
Utzung seines Studieneifers befassen, gerecht zu werden,
^ er in seinem Wesen schon jetzt etwas Reifes, in sich
^^estigtes erkennen läßt, etwas von dem „An sich halten
Nnen" der Hohenzollern, das namentlich bei seinem
(x'r ichen Urgroßvater so überaus charakteristisch in die
^scheinnng trat. Wie jeder junge Deutsche wird der
ronprinz zunächst ein Jahr lang Militärdienste thun und
"n die Universität beziehen.
j>. Zur Feier der Großjährigkeit des Kronprinzen kommen
lsE Kaiser von Oesterreich, der ein Pathe des Kronprinzen
eui- Zahlreiche deutsche Bundesfürsten und Vertreter ver
^ opälschen regierenden Fürstenhäuser nach Berlin, sodaß
sein ^auprinz in einer sehr großen erlauchten Versammlung
uen Eintritt in die Großjährigkeit feiern wird.

Kaiser Franz Joseph in Berlin.
Io ^erlitt, 4- Mai. Kaiser Franz Joseph ist um
Bat, * Vormittags auf dem reich geschmückten Potsdamer
grgA'hofe eingetroffen und vom Deutschen Kaiser nebst
Schalk Gefolge empfangen worden. Kaum hatte der Zug
Sriih "is der Kaiser aus dem Wagen stieg. Die Be-
der beiden Monarchen trug einen außerordentlich
küß, Charakter. Beide reichten sich die Hände und
^u>ia"»?ch wiederholt entblößten Hauptes. Nach Vorstel-
^osevn ^ beiderseitigen Gefolges begrüßte Kaiser Franz
^en w ^ Generalität. Unter den Klängen der österreichi-
Dlit Volkshymne wurde die Ehrenkompagnie abgeschritten.
^ öen, Kronprinzen sprach Kaiser Franz Joseph längere
i-orrü Das Aussehen des österreichischen Kaisers war ein
Elchen Bald nach 10 Uhr erfolgte unter den brau-
^Uter ^"rrahrufen der dichten Volksmenge die Abfahrt,
vh^s, Vorausreiten des Polizeipräsidenten und des Polizei-
bech^u setzte sich der offene vierspännige Wagen mit den
her s Kaisern in Bewegung. Im zweiten Wagen fuhr
übri„ °^rinz und Prinz Heinrich. Hierauf folgten die
üyd fbugen mit den Kaiserlichen Kindern, den Prinzen
^lgtz Zeitlichkeiten. Je näher der Zug dem Potsdamer
Djx ^uw, desto wehr schwollen die begeisterten Zurufe
Balk^uwen schwenkten
"u»en.

an.
mit den Taschentüchern von den
Der Kaiser war sichtlich erfreut über den schö-

nen Anblick, den dieser vornehmste Platz Berlins in seiner
glänzenden Ausschmückung bot, und machte seinen hohen
Gast wiederholt auf alles aufmerksam.
Eingangs der Straße „Unter den Linden" war ein
kolossaler Triumphbogen errichtet, welcher das Branden-
burger Thor beinahe überragte. Als die Majestäten ein-
fuhreu, schmetterten Fanfaren und laute Hochrufe er-
schallten von den Mitgliedern des Magistrats, den Stadt-
verordneten, den Abgeordneten und Mitgliedern des Mini-
steriums und der Behörden, die vor dem Triumphbogen
Aufstellung genommen halten. Die Eskorte ritt nun im
Schritt durch den Mtttelbogen des Brandenburger Thors.
Der Wagen, in dem die beiden Kaiser saßen, hielt an und
Oberbürgermeister Kirschner trat zu einer Ansprache vor,
in der er Kaiser Franz Joseph in der Hauptstadt des
Deutschen Reiches namens der Bürgerschaft ehrfurchtsvollst
und herzlichst willkommen hieß. Kaiser Franz Joseph
antwortete:
Ich danke Ihnen, Herr Bürgermeister, für die
herzliche Begrüßung. Ich bin hoch erfreut über den
prächtigen Empfang, den Mir die Stadt Berlin durch
ihren Vertreter bereitet hat. Ich sehe darin einen neuen
Beweis, daß die unverbrüchliche Freundschaft, welche
Mich mit Ihrem erhabenen Herrscher vereint, auch
hier, wie bei uns, in der Bevölkerung vollen Wider-
hall findet. Ich bitte Sie. der Bürgerschaft der
Reichshauptstadt Meinen herzlichsten Dank und Gruß
zu entbieten.
Beide Kaiser verließen nunmehr den Wagen. Kaiser
Franz Joseph reichte dem Oberbürgermeister die Hand.
Nun trat Fräulein Kirschner vor und sprach einige von
Ernst v. Wildenbruch gedichtete Willkommenstrophen. Der
Kaiser dankte herzlich und bestieg dann mit dem Kaiser
Wilhelm wieder den Wagen. Die Fanfarenbläser spielten
die österreichische Hymne. Das diplomatische Corps war
in der russischen Botschaft versammelt, um Zeuge des
Einzuges zu sein.
An der Universität standen in farbenreicher Pracht
studentische Abordnungen. Gegenüber dem Hauptportal
des Schlosses war eine Tribüne errichtet, neben der die
Tscherkessen aus dem zoologischen Garten Aufstellung ge-
nommen hatten. Auf dem Schloßplatz standen das
Kaiser Alexander-, das Kaiser Franz- und das Königin
Augusta.Regiment. Sobald die beiden Kaiser an dem
Denkmal Friedrich des Großen v->rüberfuhren, wurde im
Lustgarten der erste Salutschuß abgegeben; die Truppen
präsentirten. Bei der Aufstellung des Alexander-Regiments
verließen die beiden Kaiser den Wagen und schritten die
Front dieses und des Kaser Franz-Regiments ab. Dann
nahmen sie vor dem Hauptportal des Schlosses den Vor-
beimarsch der drei Regimenter ab. Als die Truppen
vorüber waren, begaben sich die Kaiser um 10'/^ Uhr in
das Schloß, wo Kaiser Franz Joseph von der Kaiserin
und den Prinzessinnen empfangen wurde. Auf dem Schloß
wurde alsbald die Standarte des Kaisers von Oesterreich
und Königs von Ungarn gehißt.
Heute Mittag 1^ Uhr fand in dem Schloß bei dem
Kaiserpaare F amil t e nsrüh st ücksta fel statt, an der
theilnahmen: Kaiser Franz Josef, der Großherzog und die
Großherzogin von Baden, Prinz und Prinzessin Heinrich,
Prinz und Prinzessin Friedrich Leopold, Prinz Albrecht
von Preußen, der Kronprinz, Prinz Eitel Fritz und Prinz
Adalbert und Prinzessin Feodora von Schleswig-Holstein.
Kaiser Franz Josef ernannte den deutschen
Kaiser zum Generalfeld marschall der österreichisch-
ungarischen Armee. (Kaiser Wilhelm bekleidete bisher in der
österreichisch-ungarische» Armee den Rang eines Generals
der Kavallerie. Er ist in dieser Armee Inhaber des In-
fanterieregiments Wilhelm I., deutscher Kaiser und König
von Preußen, Nr. 34 und des Husarenregiments Wilhelm II.
deutscher Kaiser und König von Peußen, Nr. 7.)
Nachmittags besuchte Kaiser Franz Joseph persönlich die
hier anwesenden Mitglieder des königlichen Hauses, sowie
den Großherzog und die Grobherzogin von Baden und gab
seine Karte bei dem Reichskanzler Fürsten zu Hohenlohe und
dem Staatsminister Grafen Bülow ab.
Sodann begab er sich in der Uniform seines 15. preußischen
Husarenregiments in das Mausoleum zu Charlottenburg,
wo er zwei Kränze an den Särgen Kaiser Wilhelms und
der Kaiserin Augusta niederlegte. Er ließ ferner im Pots-
damer Mausoleum am Grabe Kaiser Friedrichs einen Kranz
niederlegen.
Kaiser Wilhelm verlieh dem Grafen Goluchow ski
die Brillanten zum Schwarzen Adlerorden.

Deutsches Reich.
— Der Kronprinz von Italien traf gestern
Nachmittag 4 Uhr in Berlin ein und wurde am Bahnhof
vom Kaiser empfangen. Die Kaiserin Friedrich
mußte die Absicht, zur Feier der Großjährigkeitserklärung
des Kronprinzen nach Berlin zu kommen, wieder aufgeben,
da ihre Gesundheit noch der Schonung bedarf.
Deutscher Reichstag. Berlin, 4. Mai. Fortsetzung
der zweiten Beralhung der Unfallversicherungs-
novelle.
Die Paragraphen 6 bis 6k werden unter Ablehung aller Ab-
änderungsanträge in der Kommtssionsfassung angenommen.

Ebenso werden die 8Z 7 und 7a unter Ablehnung verschiedener
Anträge in der Fassung der Kommission angenommen.
Montag 1 Uhr Fortsetzung; vorher 3. Lesung der Postdampfer-
novelle.
Der Präsident erbittet und erhält die Ermächtigung, namens
des Reichstags dem Kaiser und Kronprinzen zur Großjährigkeit
des letzteren die Glückwünsche des Hauses zu überbringen.
Badischer Landtag. ö. 0. Karlsruhe, 4. Mai
(70. Sitzung der Zweiten Kammer.) Die allgemeine
Berathung über das Eisenbahnbudget wird fort-
gesetzt.
Abg. Dreesbach (Soz.) wiederholt zunächst eine Forde-
rung nach der andern, die bereits Abg. Heimburger gestern auf-
gestellt hat, und bringt sodann einige Mannheimer Lokalwünsche
vor. Die dortige Kaufmannschaft findet das Benehmen der
Güterverwaltung zu bureaukratisch; viele Geschäftsleute ziehen
es daher vor, ihre Güter bet den viel konlanteren Beamten in
Ludwigshafen aufzugeben, so daß die badischen Staatseisenbah-
nen eine große Einbuße erleiden. Die Mannheimer Kaufmann-
schaft verlange in erster Reihe, daß ein Mitglied der General-
direk'ion in Mannheim seinen Wohnsitz nimmt. Abg. Neu-
ro irth befürwortet die Petition aus der Gegend von Neckacelz
um bessere Zugsverbindung mit Heidelberg und bemängelt die
kurzen Ladefristen, namenrlich aus dem Bahnhof in Waibstadt.
Abg Schmid (Eberbach) bringt einige Lokalwünsche vor.
(Der Saal hat sich beinahe völlig geleert; nur wenige Abgeord-
nete—etwa 20 —folgen der träge dahinschleichcnden Berathung.)
Abg. Breit» er (Centr.) begrüßt Versuche mit Serpolletwagen
und ersucht um Errichtung einer Güterstatton in Ubstadt. Abg.
Blümmel (Centr.) wünscht bessere Zugsverbindung von
Waldshut mit Basel. Der Umstand, daß der Krahnen im Güter-
bahnhof in Waldshut den Anforderungen nicht mehr genügt,
schein! ihm wichtig genug, um im Landtag, dazu noch in einer
Generaldebatte, besprochen zu werden.. Auch Abg. Fischer II-
(Centr.) kann es sich nicht versagen, in der allgemeinen Be-
rathung u. A. zu konstatiren, daß an der Baseler Landstraße in
Fre'burg sich nur zwei Laternen befinden.
Generaldirektor Eisenlohr erklärte auf das Verlangen
Blümmels, es möge der Kreis der Annahme von Eisenbahn-
kandidaten erweitert werden, daß cs im Interesse der Bewerber
und der Verwaltung liege, wenn der Kreis auf das Bedürfniß
beschrankt bleibt. Ein Haupthinderniß für die Vermehrung der
Züge auf der Strecke Mannheim—Heidelberg bilden die Bahn-
höfe in den genannten Städten. Gleich Dreesbach bedauere auch
er, daß Lagerhausverwalter Speer in Privatdienste übertrat, in-
dessen könne der Staat eben keine 18 000 Mk. bieten, wie die
Rheinaugcsellschaft.
Abg. Höring befürwortet dringend die Verstaatlichung der
Bahn Dinglingen-Lahr. Abg. Geppert (Centr.) wünscht in
den Zügen besondere Abtheile für Schüler und Marktweiber,
ferner ventilirbare Spezialwagen nach italienischem Muster für
den Obstverkehr. Abg. Dieterle (Centr.) ist außerordentlich
befriedigt, daß endlich seine Pfarrgemeinde Dogern eine Güter-
station bekommt. In jedem Personenzug sollte wenigstens ein
Abtritt errichtet werden. Abg. Zehnter (Centr.) befürwortet
die Berücksichtigung der Wünsche der älteren bad. Starions-
meister. Abg. Dr. W i l ck e n s legt in längeren Ausführungen
de» Standpunkt der Commission zu den Anregungen verschiedener
Redner dar, und bringt sodann einige Heidelberger Localwünsche
vor. Dort wrrd es u. A. unangenehm empsunden, daß der
Bahnhofplatz so schlecht beleuchtet ist und dag die Uhr auf dem
Hauptgebäude des Bahnhofs entfernt wurde. Minister von
Brauer erwidert, daß der Vorplatz des Heidelberger Bahn-
hofs in Bälde, wie es sich für eine so „erleuchtete" Stadt ge-
zieme, elektrisch beleuchtet wird. Die Uhr sei nicht beseitigt
worden, sondern der schadhafte Thurm (Heiterkeit); sie werde
übrigens wieder auf dem Hauptgebäude angebracht werden, und
zwar in verbesserter Auflage mit schönem, weithin sichtbarem
Zifferblatt, so daß man sie schon von weitem sehen kann.
Abg. Frank (natlib.) ist der Ansicht, daß man die Regie-
rung auf die Tarisreform nicht hindrängen soll, denn es komme
selten was besseres nach. Man sollte sich vorerst damit begnü-
gen, wenn Kilometerhefte zu 500 Km. ausgegeben werden.
Würde der Schnellzugszuschlag abgeschafft und gleichzeitig der
Preis des Kilometerhefts auf 20 reduzirt, dann würde ein
Andrang zu den Schnellzügen entstehen, den die Verwaltung
nicht bewältigen könnte (?I) Redner brachte sodann zahlreiche
Localwünsche vor. Adg. Hug (Centr.) brachte endlich etwas
mehr Schwung in die monotone Debatte. Er habe mit Befrie-
digung gesehen, wie die Regierung bemüht sei, in socialer Be-
ziehung für das nicht etatmäßig angestellte Eisenbahnpersonal
zu sorgen und dessen materielle Lage zu verbessern durch die
Arbetterpensionskasfe, die sich an das Alters- und Jnvaliditäts-
gesetz anschließl. Die Abtheilung L dieser Kasse gehe weit über
das Maß der gesetzlichen Verbindlichkeiten hinaus, indem sie
den versicherten Eisenbahnarbeitern Zusatzrenten und den Wittwen
und Waisen Pensionen gewährt. Die Gesammtrente betrage fast
durchweg das Doppelte der gesetzlichen Rente; trotzdem beabsich-
tige die Regierung, noch weitergehende Erhöhungen der Renten
eintreten zu lassen, was gewiß alle Anerkennung verdiene. Redner
lenkt sodann die Aufmerksamkeit des Hauses auf die Ge-
fahren, die der Ma t n - N e ck a r b a h n und unserer Staats-
bahn aus der Verstaatlichung der Hessischen Ludwtgsbahn und
der zwischen Hessen und Preußen abgeschlossenen Betriebs- und
Finanzgemeinschaft drohen. Durch den Abschluß dieser Gemein-
schaft habe Preutzen eine den Güterverkehr aus dem Norden be-
herrschende Stellung in Frankfurt a. M. errungen. Preußen sei
in der Lage, darüber zu entscheiden, ob der aus dem Norden
herrührende, nach der Schweiz und Italien bestimmte Güterver-
kehr auf der Gemeinschaftsbahn über Lampertheim nach Mann-
heim und von hier nach dem linken Rheinufer oder aber auf der
Main-Neckardahn und der bad. Staatsbahn nach Basel befördert
werde. In dankenswerther Weise habe sich Minister von
Brauer bemüht, die dem bad. Staat als Miteigenthümer der
Main-Neckarbahn drohenden Gefahren thunltchst zu mindern, in-
dem er über die Verthetlung des Güterverkehrs in Frankfurt a.
M. mit Preußen Vereinbarungen abschloß, wodurch der muth-
maßliche Ausfall im Ertrag aus dem Güterverkehr auf etwa
650 000 bis 500 000 beschränkt werden sollte. Er möchte
nun an Großh. Regierung die Anfrage richten, ob die über die
Theilung des Güterverkehrs getroffenen Vereinbarungen genau
eingehalten und weitergehende Schädigungen vermieden worden
seien.
Minister von Brauer erklärte, daß die neuen Jnstradirungs-
verträge von der preußischen Regierung loyal und korrekt ge-
halten wurden, daß wir gar keine Ursache haben, uns über irgend
etwas zu beschweren. Die Wirkung der Verträge habe er seiner-
zeit überschätzt. Während nämlich der Anlheil Badens an den
Ueberschüssen der Matn-Neckarbahn im Jahre 1898: 1099 000 Mk.
betrug, beziffert er sich im Jahre 1899 auf 716000 Mk. Der
Ausfall betrug also nur 383000 Mk., d. h. 117 000 Mk. weniger
 
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