brschciut täglich.
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t»!t Familienblättern
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Fer>
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taseln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
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I». 35. Elftes Mit.
Smstlls, Le« 10. Mime
ISVV.
Die erste Lesung der Flottenvorlage
Reichstage.
im
(Zweiter Tag.)
Berlin» 9. Febr. Präsident Graf Ballestrem ei-
gnete die Sitzung um 1 Uhr 20 Minuten.
Abg. Gras v. Arnim (Reichsp.): Wer unbefangen und vor-
vrtheilslos die Ereignisse in den letzten Jahren beobachtet, be-
Wßt die Vorlage mit Gcnuglhuung. Die gegenwärtige Lage
Mochte ich mit der vergleichen, in der wir uns vor Durchführung
Ar preußischen Militärreorganisation befanden. In Betreff der
Ackungssrage ist eS nicht angängig, den Reichshaushalt für eine
lange Reihe von Jahren zu binden. Das kann man nicht
Anmal im Privathaushalt. Bei der steigenden Zunahme der
Avölkerung wird es möglich sein, die finanziellen Erfordernisse
Ar Vorlage ohne nene Steuern zu decken. Bor Anleihen würden
Ar nicht zurückschrecken Wer die Reichsfinanzreform mit der
Mottenvorlage verknüpfen will, will letztere nur zu Fall bringen.
Unsere Nation fühlt, daß sie durch ihre Vitalität berufen ist zu
?roßen idealen und wirthschaftlichen Aufgaben jenseits des Meeres.
(Beifall rechts.)
» .Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky: Gestern wurde
Mt spöttisch über die Flottenschwärmerei geredet — mit Unrecht.
-Kenn alle grogen nationalen Bewegungen sind aus solchen
Schwärmereien hervorgegangen. Möge hierbei die Jugend über-
lchäumen; darüber können wir uns nur freuen. Im klebrigen
t°Mnit es nur darauf an, ob eine Vermehrung der Flotte nöthig
llt und ob das deutsche Volk eine solche tragen kann. In den
Uten 20 Jahren stieg die deutsche Ein- und Ausfuhr um etwa
A0 Millionen, Der Werth der Rohprodukte, die für die Jndu-
Me eingeführt wurden, stieg in dem gleichen Zeitraum um 500
Aillionen. Ungefähr 70 Prozent der Einfuhr ist Seeeinfuhr,
gestern wurde behauptet, daß eine Anzahl der verbündeten Re-
Dstrungen bisweilen der Vorlage ablehnend gegenüber gestanden
Vatte. Amtlich war hiervon nichts bekannt. Das Protokoll be-
tveist, daß i» der ersten und zweiten Berathung der Floitenvor-
tüge diese einstimmig angenommen wurde. (Bravo rechts.)
Abg. Richter (freis. Volksp.): Die Flottenschwärmerei ist
Acht von unten gekommen, wie die Schwärmerei für das Reich,
Andern von oben. Damals riskirten die Schwärmer den Verlust
threr Stellung und Gefängniß, heute bekommen sie Orden. (Zu-
Uttninung links.) Die Steigerung des Seehondels hat sich gerade
Allzogen in der Zeit des Mangels an Kreuzern und hängt mit
Am wirthschastlichen Aufschwung im Innern zusammen, mit der
Ahöhung der Lebenshaltung, dem vermehrten Verbrauch und der
Weigerten Nachfrage nach Genußmitteln. Daß die englische
Industrie hinter der unseligen zurückgeblieben sei, wird von sach.
Arsiändiger Sette darauf zurückgeführt, daß die englische Jndu-
»Ne sich zu sehr auf die politische Macht verläßt, ohne die Kon.
Arrenz zu studiren. Die Vorgänge bei Manila beweisen, daß
Ae Machtentfaltung zur See an unrichtiger Stelle viel eher zu
Verwicklungen führt, als zu einer friedlichen Beilegung. England
Ast allen Grund, Deutschlands Freundschaft zu suchen. Wir
Asten ja auch, daß die Schiffbcschlagnahmen nicht stattfanden
As Befehl der Centralregierung (?), sondern daß die Kapitäne sie
Abnahmen, sei es aus eigener Machtvollkommenheit, sei es ge-
">tet durch Denuncialionen. Die Beschlagnahmen kamen gelegen
AA ein Attentat bei der Umsturzvorlage. Ich theile die Ent-
-Ustung über die englischen Uebergriffe und über den frivol be-
A"nenen Krieg, aber ich bin darum noch nicht bereit, eine Schuld
An vielen Millionen zu contrahiren. Wenn der Staatssekretär
arauf hingewiesen hat, daß der Reichstag und die Flotte an cmem
Alle geboren sind, so vergißt er, daß die Mutter Germania
Ach andere Kinder hat und daß eines der kräftigsten das
Knndheer ist, der erstgeborene Sohn. Wir stehen vor dem Ab-
Muß neuer Handelsverträge. Diese sind aber nur mit vollem
^st"tel abzuschließen. Man muß in der Lage sein, die Zölle
A.chzulasien, wenn man von anderen Zollverminderung verlangt.
eA Tendenz der Vorlage ist ganz klar: man soll das Eisen
schmieden, so lange es heiß ist. Es ist durchaus falsch, zu be-
Aupten, mir lehnten jede Forderung des Heeres und der Ma-
ab. Ich erinnere nur an unsere Haltung bei der Berathung
twi Militärsepkennats im Jahre 1887. Hüten wir uns, nicht zu
Aperialistjsch zu werden! Sonst machen wir die Erfahrung, die
^Aland jetzt in Südafrika macht. Wir halten uns in keiner
, bräjudizirt durch meine Ausführungen, aber die Bedenken
a„k . "wneller und finanzieller Art machen es uns unmöglich,
den Boden der voiltegenden Novelle zu treten. (Best, links.)
^ Staatssecretär Tirpitz: Auf Einzelheiten werde ich in der
(..Amission antworten. Ich habe nie behauptet, daß die bisher
bjArderte Flotte einer der stärkeren Flotten gewachsen sei. Auch
i-A "unmehr geforderte Flotte ist an Zahl noch schwach. (Ge»
links.) Abg. Richter verwendet seine reichen Kenntnisse
Jahr für Jahr dazu, unsere Marine so klein als möglich zu
halten, d. h. nach unserer Meinung wehrlos. Ich wollte von
ganzem Herzen, daß die Geschichte nicht einmal einen Urtheils.
spruch hierüber zu fällen haben wird.
Abg. Rickert (freis. Ver.): Seine Partei erkenne die Noth-
wendigkeit der Flottenvermehrung an, und ebenso, daß sich die
Verhältnisse gründlich geändert haben. Er wolle felbftverständlich
gründliche Durchberathung in der Commission. Es gebe auch
zahlreiche Mitglieder der freisinnigen Volkspartei, die mit seiner
Partei in dieser Frage auf gleichem Boden ständen. Was die
Franzosen thun, können wir uns auch leisten. Erwünscht wäre
gemeinsame Berathung der Deckungsfrage. Er persönlich sei
einer Retchsetnkommensteuer nicht abgeneigt, besonders weil man
sie auch Jahr für Jahr nach dem Bedarf quotisiren kann. Er
hoffe auf eine Verständigung, auch mit dem Centrum.
Abg. Motty (Pole) spricht sich gegen die Vorlage aus,
Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Ref.-P.) und Sma.
lakys (wild, Lithauer) für sie.
Weiterberathung morgen 1 Uhr.
Deutsches Reich.
— Aus Berliner Hofkreisen verlautet, daß der Kaiser
für seinen Bruder, den Prinzen Heinrich, bei seiner
Rückkehr aus Asien eine große Empfangsfeier angeordnet
hat. Prinz Heinrich, der, wie man weiß, am Sonntag in
Wien erwartet wird, um sich beim Kaiser Franz Joseph
für seine Ernennung zum österreichisch-ungarischen Vice-
Admiral zu bedanken, wird am Dienstag Vormittag auf
dem Anhalter Bahnhof in Berlin eintreffen, um dort vom
Kaiser persönlich empfangen zu werden. Der Prinz ist seit
dem 16. September 1897 von Deutschland abwesend.
— Der Central News wird aus New-Iork gemeldet,
dort sei über Victoria (Britisch-Kolumbia) aus Bangkok
die Nachricht eingetroffen, daß Prinz Heinrich von
Preußen bei seinem Besuche in Bangkok einmal von
Banditen angehaltcn worden sei, welche ihm tausend
Dollar baar und zwei Fahrräder abnahmen.
— Die Krankheit des Reichstagsabgeordneten Lieber
ist ein Gallensteinleiden, das zu einer weitgehenden Leber-
vereiterung geführt hat. Der Kräftezustand Liebers ist
schwach.
Hessen. Darmstadt, 5. Febr. Zu dem gestrigen
Vortrag des Hrn. Professors Busley aus Berlin
hatte sich eine so große Zuhörerschaft eingefunden, daß in
dem großen Saale des Saalbaues viele der Anwesenden
keinen Sitzplatz mehr fanden und auch die Galerie über-
füllt war. In lautloser und nur von patriotischem Bei-
fall unterbrochener Stille lauschte die große Versammlung
den Darstellungen des gewandten Redners, der etwa Folgen-
des ausführte:
Kein Staat von größerer Macht könne zur Bethätigung der-
selben und zur Wahrung seiner Interessen und seines Ansehens
eine diesem entsprechende Seemacht entbehren. Was eine tüchtige
Flotte zur Erlangung und Erhaltung einer Machtstellung für
den Staat vermöge, bewiese die Geschichte der Römer im Kampfe
gegen Karthago, die Geschichte des mächtigen Spaniens im
Mittelalter und in neuester Zeit das Aufblühen der amerikani-
schen Union nach dem Secessionskriege in Beschaffung einer der
Macht entsprechenden Flotte. Die Römer hätten es dem Respekt
vor ihrer jungen überlegenen Seemacht zu danken gehabt, daß
Hanibal zur Invasion Italiens nicht den bequemen Umweg
wählte, sondern den beschwerlichen und aufreibenden Uebergang
über die Alpen nahm und sehr geschwächt nach großen Verlusten
an Streitkräften und Kriegsmaterial den Kampf ui Italien führte.
Demselben Respekt hätten es die Römer zu danken gehabt, daß
Hanibal in Italien keinen Nachschub von seinen Landsleuten
erhielt. Die Macht Spaniens, in dessen Reich die Sonne nicht
unterging, sei durch die Seemacht geschaffen und erhallen worden
und mit der Vernichtung der Armada 1588 auch dahin gewesen;
von da ab habe Englands Ueberlegenheil begonnen und sei eben-
falls durch die Seemacht zu threr Höhe gelangt. Im Secessions-
kricg hätten die Amerikaner die Nothwendigkeit einer starken
Flotte dermaßen erkannt, daß sie bei Anschaffung derselben in
der Eile große Fehler begangen hätten; Redner sei in England
gewesen und habe dort Maschinenbau und Schiffsbau studirt.
Das habe die junge Generation nicht nöthig, da jetzt'der deutsche
Schiffs- und Maschinenbau dem englischen ebenbürtig sei. Wieder-
holt habe die kleine Seemacht Deutschlands in transoceanifchen
Ländern deutsches Leben und deutsches Interesse zu schützen ge-
habt und habe dies seither auch mit gutem Erfolge gethan. Red-
ner führte die einzelnen Fälle ausführlich an. Soll- diese Ach-
tung und dieser Erfolg immer bestehen, so bedürfe Deutschland
eine dieser Aufgabe entsprechende Seemacht.
Bayern. Die häßliche „Flaggengeschichte", die
in diesen Tagen von allen Blättern besprochen worden ist,
hat bekanntlich ihren Anfang in Würzburg genommen.
Dort hatten am Geburtstage des Kaisers die Universttäts-
gebäude Flaggenschmuck angelegt. Es erging aber darauf,
von wem wird nicht gesagt, unter Hinweis auf eine mini-
sterielle Anweisung die Aufforderung, die Flaggen wieder
herunter zu nehmen, da in Bayern die Staatsgebäude nur
am Geburts- und Namenstag des Königs, bezw. Regenten
und am Fronleichnamstag, und zwar nur in bayerischen
Farben beflaggt werden dürften. Der Aufforderung wurde
Folge geleistet mit Ausnahme vom berühmten Physiker
v. Röntgen, der im physikalischen Institut der Würz-
burger Universität eine Amtswohnung inne hat. Der
wackere Gelehrte erklärte, seine Wohnung sei privates Ge-
biet, da könne er flaggen, wenn er wolle. So kam es,
daß das physikalische Institut in Würzburg als einziges
staatliches Gebäude im Flaggenschmuck prangte. Da Rönt-
gen demnächst bekanntlich an die Münchener Universität
übersiedeli, wird sich Dr. Sigl's Bayerisches Vaterland
diesen „Preußen" wohl bald einmal zu einer Extraspeise
Herrichten.
Preuße». Berlin, 8. Februar. Der Reichsanzeiger
berichtet über die heutige Eidesleistung des Kölner
Erzbischofs Dr. Simar im Rittersaale des königlichen
Schlosses: Der Erzbischof war nebst seiner Begleitung in
einer königlichen Equipage von seiner hiesigen Wohnung
abgeholt worden. Erfchienen waren außer dem Oberst-
kämmercr der Oberceremonienmeister, der dienstthuende Hof-
marschall und die Flügeladjutanten, der Präsident des
Staatsministeriums, der Hausminister, die Minister für
Justiz, Kultus und Inneres, die drei Kabinetschefs, daS
dienstthuende Hauptquartier, und der Unterstaatssekretär im
Kultusministerium. Die Vorstellung des Erzbischofs er-
folgte durch den Kultusminister. Der Erzbischof hielt da-
rauf eine Ansprache an den Kaiser und sprach seinen
innigsten Dank für die kaiserliche Huld aus. Bei seiner
Arbeit vertraue er zuversichtlich auf den göttlichen Gnaden-
beistand, je weniger er die hohe Auszeichnung erstrebt
habe. Er gelobe, wie bisher so auch fernerhin ein treu
katholischer Bischof und zugleich ein treu patriotischer
Bischof zu sei», der niemand nachstehen möchte an Treue
und liebevoller Ergebenheit gegen die Person des Kaisers
und an thatkräftigem Interesse für des theueren Vater-
landes Wohlfahrt und Größe. Nunmehr leistete der Erz-
bischof den Eid. Der Kaiser schloß hierauf den feier-
lichen Akt mit folgenden Worten:
Ich habe das Gelöbniß der Treue, das Sie, hochwürdiger
Herr, soeben abgelegt, selbst entgegennehmen wollen und freue
mich. Sie bei Antritt Ihres neuen Amtes vor mir zu sehen.
Als Letter der Diöcese Paderborn haben Sie die Mühen und
den Segen der bischöflichen Pflichten in reichem Maße erfahren.
Wenn sie gewiß mit schwerem Herzen aus Verhältnissen scheiden,
die Ihnen lieb und werlh geworden sind, so habe ich doch mit
Befriedigung vernommen, daß Sie Ihrer Berufung auf den erz-
bischöflichen Stuhl von Köln freundlichst folgen wollen. Ich
habe dem dortigen Metropolitankapitel gern meine Genehmhal-
tung Ihrer Erwählung eröffnen lassen und ich crthetle Ihnen
wohlgeneigt meine landesherrliche Anerkennung. Ich habe die
Zuversicht, daß Sie, wie in dem bisherigen, so nunmehr auch
in dem größeren Wirkungskreise mit aller Hingabe die Ihrer
oberherrlichen Leitung anvertraute Diöcese in allen trefflichen
Tugenden unterweisen, besonders aber den Geist der Ehrfurcht
und Treue an mich und mein Haus vfleaen werden. Ihre Auf-
«)
Fürst Margoui.
Roman von Moritz Lilie.
(Fortsetzung.)
bedauere, daß Du Dick nicht auf einen freundschafl-
Fuß mit Valerie stellst, Helene." nahm jetzt der
ven ^ Wort, .wir haben sie einmal in unser Haus auf-
lech^A.*" und müssen nunmehr auch mit dieser Thatsache
n,^?^esonders klug war das nicht gehandelt, Papa, Du
pAA mir dieses Wort schon verzeihen," versetzte jene. „Ich
siAWens habe davon keinen Nutzen, wohl aber machen
di, nachdem Valerie erst so kurze Zeit hier ist.
empfindlichsten Nachtbeile geltend-
lern- öw Vortheile wirst Du sehr bald kennen
rasA"'. Helene, verlaß Dich daraus I" warf der alte Herr
Summen - dann werden Deine Klagen sicherlich ver-
Helene schaute ihrem Vater verwundert ins Gesicht.
schglAA versiehe ich nicht!" sagte sie mit ungläubigem Kopf-
tret-Am »und es müßten ganz seltsame Wandlungen ein-
ich daran glaube."
^ erhob sich.
-«u willst gehen?" fragte die Gräfin.
gedenke, meine Nochmittagspromenade im Stadt-
dte i-n. machen," erwiderte Helene, .dort findet man um
Mutz ^e Zeit die vornehme Welt der Residenz, und ich
Ä(ok--^c>letzt ernstlich darum kümmern, was die diesjährige
'°de m Frühiabrsmäntcln bietet."
ldne so^ Valerie auffordern. Dich zu begleiten?" fuhr
Mädchen seufzte leise.
->^ch muß wohl, aber es wäre mir keineswegs unlieb,
wenn sie mein Anerbieten ausschlagen würde," war die
Antwort. . .
Dann verließ sie mit einem flüchtigen „Adieu!" das
Zimmer. ^
Eine Pause trat ein. Die Zurückgebliebenen waren
mit ihren eigenen, verschiedenartigen Gedanken beschäsligt.
die freilich bei beiden einen und denselben Gegenstand be-
trafen. '
„Wenn doch Helene sich den Verhältnissen etwas mehr
anbequemen wollte," sagte der Graf, indem er ausstand und
unruhig auf und ab zu wandeln begann. „Es geht doch
nicht, daß wir ihr unsere nichts weniger als glänzende Lage
in ihrem wahren Lichte zeigen, wenn sie aber sortsährt,
Valerien durch ihr abstoßendes Wesen den Aufenthalt in
unserem Hause zu verleiden, dürfen wir uns nicht wundern,
wenn sie eines Tages ihre Koffer Packt und zu ihrem Oheim
zurückkehrt. Dann aber ist jede Hoffnung, die drohende
Katastrophe zu verhindern, geschwunden.
Er strich sich mit einer gewissen nervösen Erregtheit
den weißen Schnurrbart und trat ans Fenster, gedankenvoll
auf die Straße schauend.
„Im Grunde darfst Du es unserer Tochter nicht ver-
argen, wenn sie zu dem neuen Ankömmling nicht gerade die
freundschafilichsten Gesinnungen hegt." erwiderte die Gräfin.
«Sie hat nicht Unrecht, wenn sie fürchtet, von Valerie
verdunkelt und infolge dessen weniger als bisher beachtet
zu werden, und eine solche Wahrnehmung wird ein junges
Mädchen immer verstimmen."
Der Graf wandte sich überrascht um.
„Ader ich bitte Dich. Agathe, ist denn hier ein Vergleich
überhaupt denkbar?" rief er, und es war seinen Worten
anzuhören, daß sein Erstaunen nicht erkünstelt war. „Helene
ist nahezu vierundzwanzig Jahre alt, sie besitzt Bildung
und Tournure einer vollendeten Weltdame, und niemand
wird behaupten, daß sie häßlich sei. Ihr gegenüber erscheint
doch die Kleine wie eine Einfalt vom Lande. Dieses Mäd-
chen, das mit ihren sechzehn Jahren noch ein halbes Kmd
ist, kann in Bezug auf gesellschaftlichen Chic in Helene nur
ein nachahmungswürdiges Vorbild erblicken."
Die Gräfin schüttelte das Haupt.
„Du beurtheilst Valerie nach Männerart. während wir
Frauen in solchen Dingen einen viel schärferen Blick be-
sitzen," versetzte sie. „Was Dir an dem Mädchen bäuerisch
erscheint, ist Natürlichkeit, ungezwungene Naivetät. Die
Mehrzahl der jungen Herren wird in Valerie keineswegs das
unbeholfene Mädchen erblicken, das Du in ihr siehst, im
Gegentheil, man findet die ungezierte Art, sich zu unter-
halten, neu uud pikant und freut sich, einmal einem Wesen
zu begegnen, bei welchem nicht jedes Wort aus Stelzen
geht, nicht jede Bewegung in Gegenwart von Herren
mit bis zur Bizarrerie cmporgeschraubter Grazie ausgeführt
wird."
„Ich gestehe, daß ich für diese hausbackene Erziehungs-
Weise kein Verständniß habe, bemerkte Hellwarth achsel-
zuckend. „Ich würde me dulden, daß meine Tochter die Rück-
sichten auf den feinen Ton auch nur mit einer Miene aus
den Augen verlöre."
„Du wirst hoffentlich nicht glauben, Otto, daß ich ein
saloppes Betragen in guter Gesellschaft billige," warf die
Gräfin verletzt ein. „Aber grade das Ungewohnte srappirt
im Anfänge und ist sogar imstande, die betreffende Person
in gewissem Sinne interessant zu machen. Und dann
darfst Du vor allen Dingen nicht vergessen, daß Valerie
von Helene in den Augen der heirathslustigen Herrenwelt
einen ganz gewaltigen Vorzug besitzt, der sie manchem be-
gehrenswerih erscheinen lassen würde, selbst wenn sie
weniger hübsch und lebensfroh wäre: dieser Vorzug ist ihre
halbe Million."
(Fortsetzung folgt.)
^^!»!tags ausgenommen.
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und den Plakatsäulen.
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I». 35. Elftes Mit.
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Die erste Lesung der Flottenvorlage
Reichstage.
im
(Zweiter Tag.)
Berlin» 9. Febr. Präsident Graf Ballestrem ei-
gnete die Sitzung um 1 Uhr 20 Minuten.
Abg. Gras v. Arnim (Reichsp.): Wer unbefangen und vor-
vrtheilslos die Ereignisse in den letzten Jahren beobachtet, be-
Wßt die Vorlage mit Gcnuglhuung. Die gegenwärtige Lage
Mochte ich mit der vergleichen, in der wir uns vor Durchführung
Ar preußischen Militärreorganisation befanden. In Betreff der
Ackungssrage ist eS nicht angängig, den Reichshaushalt für eine
lange Reihe von Jahren zu binden. Das kann man nicht
Anmal im Privathaushalt. Bei der steigenden Zunahme der
Avölkerung wird es möglich sein, die finanziellen Erfordernisse
Ar Vorlage ohne nene Steuern zu decken. Bor Anleihen würden
Ar nicht zurückschrecken Wer die Reichsfinanzreform mit der
Mottenvorlage verknüpfen will, will letztere nur zu Fall bringen.
Unsere Nation fühlt, daß sie durch ihre Vitalität berufen ist zu
?roßen idealen und wirthschaftlichen Aufgaben jenseits des Meeres.
(Beifall rechts.)
» .Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky: Gestern wurde
Mt spöttisch über die Flottenschwärmerei geredet — mit Unrecht.
-Kenn alle grogen nationalen Bewegungen sind aus solchen
Schwärmereien hervorgegangen. Möge hierbei die Jugend über-
lchäumen; darüber können wir uns nur freuen. Im klebrigen
t°Mnit es nur darauf an, ob eine Vermehrung der Flotte nöthig
llt und ob das deutsche Volk eine solche tragen kann. In den
Uten 20 Jahren stieg die deutsche Ein- und Ausfuhr um etwa
A0 Millionen, Der Werth der Rohprodukte, die für die Jndu-
Me eingeführt wurden, stieg in dem gleichen Zeitraum um 500
Aillionen. Ungefähr 70 Prozent der Einfuhr ist Seeeinfuhr,
gestern wurde behauptet, daß eine Anzahl der verbündeten Re-
Dstrungen bisweilen der Vorlage ablehnend gegenüber gestanden
Vatte. Amtlich war hiervon nichts bekannt. Das Protokoll be-
tveist, daß i» der ersten und zweiten Berathung der Floitenvor-
tüge diese einstimmig angenommen wurde. (Bravo rechts.)
Abg. Richter (freis. Volksp.): Die Flottenschwärmerei ist
Acht von unten gekommen, wie die Schwärmerei für das Reich,
Andern von oben. Damals riskirten die Schwärmer den Verlust
threr Stellung und Gefängniß, heute bekommen sie Orden. (Zu-
Uttninung links.) Die Steigerung des Seehondels hat sich gerade
Allzogen in der Zeit des Mangels an Kreuzern und hängt mit
Am wirthschastlichen Aufschwung im Innern zusammen, mit der
Ahöhung der Lebenshaltung, dem vermehrten Verbrauch und der
Weigerten Nachfrage nach Genußmitteln. Daß die englische
Industrie hinter der unseligen zurückgeblieben sei, wird von sach.
Arsiändiger Sette darauf zurückgeführt, daß die englische Jndu-
»Ne sich zu sehr auf die politische Macht verläßt, ohne die Kon.
Arrenz zu studiren. Die Vorgänge bei Manila beweisen, daß
Ae Machtentfaltung zur See an unrichtiger Stelle viel eher zu
Verwicklungen führt, als zu einer friedlichen Beilegung. England
Ast allen Grund, Deutschlands Freundschaft zu suchen. Wir
Asten ja auch, daß die Schiffbcschlagnahmen nicht stattfanden
As Befehl der Centralregierung (?), sondern daß die Kapitäne sie
Abnahmen, sei es aus eigener Machtvollkommenheit, sei es ge-
">tet durch Denuncialionen. Die Beschlagnahmen kamen gelegen
AA ein Attentat bei der Umsturzvorlage. Ich theile die Ent-
-Ustung über die englischen Uebergriffe und über den frivol be-
A"nenen Krieg, aber ich bin darum noch nicht bereit, eine Schuld
An vielen Millionen zu contrahiren. Wenn der Staatssekretär
arauf hingewiesen hat, daß der Reichstag und die Flotte an cmem
Alle geboren sind, so vergißt er, daß die Mutter Germania
Ach andere Kinder hat und daß eines der kräftigsten das
Knndheer ist, der erstgeborene Sohn. Wir stehen vor dem Ab-
Muß neuer Handelsverträge. Diese sind aber nur mit vollem
^st"tel abzuschließen. Man muß in der Lage sein, die Zölle
A.chzulasien, wenn man von anderen Zollverminderung verlangt.
eA Tendenz der Vorlage ist ganz klar: man soll das Eisen
schmieden, so lange es heiß ist. Es ist durchaus falsch, zu be-
Aupten, mir lehnten jede Forderung des Heeres und der Ma-
ab. Ich erinnere nur an unsere Haltung bei der Berathung
twi Militärsepkennats im Jahre 1887. Hüten wir uns, nicht zu
Aperialistjsch zu werden! Sonst machen wir die Erfahrung, die
^Aland jetzt in Südafrika macht. Wir halten uns in keiner
, bräjudizirt durch meine Ausführungen, aber die Bedenken
a„k . "wneller und finanzieller Art machen es uns unmöglich,
den Boden der voiltegenden Novelle zu treten. (Best, links.)
^ Staatssecretär Tirpitz: Auf Einzelheiten werde ich in der
(..Amission antworten. Ich habe nie behauptet, daß die bisher
bjArderte Flotte einer der stärkeren Flotten gewachsen sei. Auch
i-A "unmehr geforderte Flotte ist an Zahl noch schwach. (Ge»
links.) Abg. Richter verwendet seine reichen Kenntnisse
Jahr für Jahr dazu, unsere Marine so klein als möglich zu
halten, d. h. nach unserer Meinung wehrlos. Ich wollte von
ganzem Herzen, daß die Geschichte nicht einmal einen Urtheils.
spruch hierüber zu fällen haben wird.
Abg. Rickert (freis. Ver.): Seine Partei erkenne die Noth-
wendigkeit der Flottenvermehrung an, und ebenso, daß sich die
Verhältnisse gründlich geändert haben. Er wolle felbftverständlich
gründliche Durchberathung in der Commission. Es gebe auch
zahlreiche Mitglieder der freisinnigen Volkspartei, die mit seiner
Partei in dieser Frage auf gleichem Boden ständen. Was die
Franzosen thun, können wir uns auch leisten. Erwünscht wäre
gemeinsame Berathung der Deckungsfrage. Er persönlich sei
einer Retchsetnkommensteuer nicht abgeneigt, besonders weil man
sie auch Jahr für Jahr nach dem Bedarf quotisiren kann. Er
hoffe auf eine Verständigung, auch mit dem Centrum.
Abg. Motty (Pole) spricht sich gegen die Vorlage aus,
Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Ref.-P.) und Sma.
lakys (wild, Lithauer) für sie.
Weiterberathung morgen 1 Uhr.
Deutsches Reich.
— Aus Berliner Hofkreisen verlautet, daß der Kaiser
für seinen Bruder, den Prinzen Heinrich, bei seiner
Rückkehr aus Asien eine große Empfangsfeier angeordnet
hat. Prinz Heinrich, der, wie man weiß, am Sonntag in
Wien erwartet wird, um sich beim Kaiser Franz Joseph
für seine Ernennung zum österreichisch-ungarischen Vice-
Admiral zu bedanken, wird am Dienstag Vormittag auf
dem Anhalter Bahnhof in Berlin eintreffen, um dort vom
Kaiser persönlich empfangen zu werden. Der Prinz ist seit
dem 16. September 1897 von Deutschland abwesend.
— Der Central News wird aus New-Iork gemeldet,
dort sei über Victoria (Britisch-Kolumbia) aus Bangkok
die Nachricht eingetroffen, daß Prinz Heinrich von
Preußen bei seinem Besuche in Bangkok einmal von
Banditen angehaltcn worden sei, welche ihm tausend
Dollar baar und zwei Fahrräder abnahmen.
— Die Krankheit des Reichstagsabgeordneten Lieber
ist ein Gallensteinleiden, das zu einer weitgehenden Leber-
vereiterung geführt hat. Der Kräftezustand Liebers ist
schwach.
Hessen. Darmstadt, 5. Febr. Zu dem gestrigen
Vortrag des Hrn. Professors Busley aus Berlin
hatte sich eine so große Zuhörerschaft eingefunden, daß in
dem großen Saale des Saalbaues viele der Anwesenden
keinen Sitzplatz mehr fanden und auch die Galerie über-
füllt war. In lautloser und nur von patriotischem Bei-
fall unterbrochener Stille lauschte die große Versammlung
den Darstellungen des gewandten Redners, der etwa Folgen-
des ausführte:
Kein Staat von größerer Macht könne zur Bethätigung der-
selben und zur Wahrung seiner Interessen und seines Ansehens
eine diesem entsprechende Seemacht entbehren. Was eine tüchtige
Flotte zur Erlangung und Erhaltung einer Machtstellung für
den Staat vermöge, bewiese die Geschichte der Römer im Kampfe
gegen Karthago, die Geschichte des mächtigen Spaniens im
Mittelalter und in neuester Zeit das Aufblühen der amerikani-
schen Union nach dem Secessionskriege in Beschaffung einer der
Macht entsprechenden Flotte. Die Römer hätten es dem Respekt
vor ihrer jungen überlegenen Seemacht zu danken gehabt, daß
Hanibal zur Invasion Italiens nicht den bequemen Umweg
wählte, sondern den beschwerlichen und aufreibenden Uebergang
über die Alpen nahm und sehr geschwächt nach großen Verlusten
an Streitkräften und Kriegsmaterial den Kampf ui Italien führte.
Demselben Respekt hätten es die Römer zu danken gehabt, daß
Hanibal in Italien keinen Nachschub von seinen Landsleuten
erhielt. Die Macht Spaniens, in dessen Reich die Sonne nicht
unterging, sei durch die Seemacht geschaffen und erhallen worden
und mit der Vernichtung der Armada 1588 auch dahin gewesen;
von da ab habe Englands Ueberlegenheil begonnen und sei eben-
falls durch die Seemacht zu threr Höhe gelangt. Im Secessions-
kricg hätten die Amerikaner die Nothwendigkeit einer starken
Flotte dermaßen erkannt, daß sie bei Anschaffung derselben in
der Eile große Fehler begangen hätten; Redner sei in England
gewesen und habe dort Maschinenbau und Schiffsbau studirt.
Das habe die junge Generation nicht nöthig, da jetzt'der deutsche
Schiffs- und Maschinenbau dem englischen ebenbürtig sei. Wieder-
holt habe die kleine Seemacht Deutschlands in transoceanifchen
Ländern deutsches Leben und deutsches Interesse zu schützen ge-
habt und habe dies seither auch mit gutem Erfolge gethan. Red-
ner führte die einzelnen Fälle ausführlich an. Soll- diese Ach-
tung und dieser Erfolg immer bestehen, so bedürfe Deutschland
eine dieser Aufgabe entsprechende Seemacht.
Bayern. Die häßliche „Flaggengeschichte", die
in diesen Tagen von allen Blättern besprochen worden ist,
hat bekanntlich ihren Anfang in Würzburg genommen.
Dort hatten am Geburtstage des Kaisers die Universttäts-
gebäude Flaggenschmuck angelegt. Es erging aber darauf,
von wem wird nicht gesagt, unter Hinweis auf eine mini-
sterielle Anweisung die Aufforderung, die Flaggen wieder
herunter zu nehmen, da in Bayern die Staatsgebäude nur
am Geburts- und Namenstag des Königs, bezw. Regenten
und am Fronleichnamstag, und zwar nur in bayerischen
Farben beflaggt werden dürften. Der Aufforderung wurde
Folge geleistet mit Ausnahme vom berühmten Physiker
v. Röntgen, der im physikalischen Institut der Würz-
burger Universität eine Amtswohnung inne hat. Der
wackere Gelehrte erklärte, seine Wohnung sei privates Ge-
biet, da könne er flaggen, wenn er wolle. So kam es,
daß das physikalische Institut in Würzburg als einziges
staatliches Gebäude im Flaggenschmuck prangte. Da Rönt-
gen demnächst bekanntlich an die Münchener Universität
übersiedeli, wird sich Dr. Sigl's Bayerisches Vaterland
diesen „Preußen" wohl bald einmal zu einer Extraspeise
Herrichten.
Preuße». Berlin, 8. Februar. Der Reichsanzeiger
berichtet über die heutige Eidesleistung des Kölner
Erzbischofs Dr. Simar im Rittersaale des königlichen
Schlosses: Der Erzbischof war nebst seiner Begleitung in
einer königlichen Equipage von seiner hiesigen Wohnung
abgeholt worden. Erfchienen waren außer dem Oberst-
kämmercr der Oberceremonienmeister, der dienstthuende Hof-
marschall und die Flügeladjutanten, der Präsident des
Staatsministeriums, der Hausminister, die Minister für
Justiz, Kultus und Inneres, die drei Kabinetschefs, daS
dienstthuende Hauptquartier, und der Unterstaatssekretär im
Kultusministerium. Die Vorstellung des Erzbischofs er-
folgte durch den Kultusminister. Der Erzbischof hielt da-
rauf eine Ansprache an den Kaiser und sprach seinen
innigsten Dank für die kaiserliche Huld aus. Bei seiner
Arbeit vertraue er zuversichtlich auf den göttlichen Gnaden-
beistand, je weniger er die hohe Auszeichnung erstrebt
habe. Er gelobe, wie bisher so auch fernerhin ein treu
katholischer Bischof und zugleich ein treu patriotischer
Bischof zu sei», der niemand nachstehen möchte an Treue
und liebevoller Ergebenheit gegen die Person des Kaisers
und an thatkräftigem Interesse für des theueren Vater-
landes Wohlfahrt und Größe. Nunmehr leistete der Erz-
bischof den Eid. Der Kaiser schloß hierauf den feier-
lichen Akt mit folgenden Worten:
Ich habe das Gelöbniß der Treue, das Sie, hochwürdiger
Herr, soeben abgelegt, selbst entgegennehmen wollen und freue
mich. Sie bei Antritt Ihres neuen Amtes vor mir zu sehen.
Als Letter der Diöcese Paderborn haben Sie die Mühen und
den Segen der bischöflichen Pflichten in reichem Maße erfahren.
Wenn sie gewiß mit schwerem Herzen aus Verhältnissen scheiden,
die Ihnen lieb und werlh geworden sind, so habe ich doch mit
Befriedigung vernommen, daß Sie Ihrer Berufung auf den erz-
bischöflichen Stuhl von Köln freundlichst folgen wollen. Ich
habe dem dortigen Metropolitankapitel gern meine Genehmhal-
tung Ihrer Erwählung eröffnen lassen und ich crthetle Ihnen
wohlgeneigt meine landesherrliche Anerkennung. Ich habe die
Zuversicht, daß Sie, wie in dem bisherigen, so nunmehr auch
in dem größeren Wirkungskreise mit aller Hingabe die Ihrer
oberherrlichen Leitung anvertraute Diöcese in allen trefflichen
Tugenden unterweisen, besonders aber den Geist der Ehrfurcht
und Treue an mich und mein Haus vfleaen werden. Ihre Auf-
«)
Fürst Margoui.
Roman von Moritz Lilie.
(Fortsetzung.)
bedauere, daß Du Dick nicht auf einen freundschafl-
Fuß mit Valerie stellst, Helene." nahm jetzt der
ven ^ Wort, .wir haben sie einmal in unser Haus auf-
lech^A.*" und müssen nunmehr auch mit dieser Thatsache
n,^?^esonders klug war das nicht gehandelt, Papa, Du
pAA mir dieses Wort schon verzeihen," versetzte jene. „Ich
siAWens habe davon keinen Nutzen, wohl aber machen
di, nachdem Valerie erst so kurze Zeit hier ist.
empfindlichsten Nachtbeile geltend-
lern- öw Vortheile wirst Du sehr bald kennen
rasA"'. Helene, verlaß Dich daraus I" warf der alte Herr
Summen - dann werden Deine Klagen sicherlich ver-
Helene schaute ihrem Vater verwundert ins Gesicht.
schglAA versiehe ich nicht!" sagte sie mit ungläubigem Kopf-
tret-Am »und es müßten ganz seltsame Wandlungen ein-
ich daran glaube."
^ erhob sich.
-«u willst gehen?" fragte die Gräfin.
gedenke, meine Nochmittagspromenade im Stadt-
dte i-n. machen," erwiderte Helene, .dort findet man um
Mutz ^e Zeit die vornehme Welt der Residenz, und ich
Ä(ok--^c>letzt ernstlich darum kümmern, was die diesjährige
'°de m Frühiabrsmäntcln bietet."
ldne so^ Valerie auffordern. Dich zu begleiten?" fuhr
Mädchen seufzte leise.
->^ch muß wohl, aber es wäre mir keineswegs unlieb,
wenn sie mein Anerbieten ausschlagen würde," war die
Antwort. . .
Dann verließ sie mit einem flüchtigen „Adieu!" das
Zimmer. ^
Eine Pause trat ein. Die Zurückgebliebenen waren
mit ihren eigenen, verschiedenartigen Gedanken beschäsligt.
die freilich bei beiden einen und denselben Gegenstand be-
trafen. '
„Wenn doch Helene sich den Verhältnissen etwas mehr
anbequemen wollte," sagte der Graf, indem er ausstand und
unruhig auf und ab zu wandeln begann. „Es geht doch
nicht, daß wir ihr unsere nichts weniger als glänzende Lage
in ihrem wahren Lichte zeigen, wenn sie aber sortsährt,
Valerien durch ihr abstoßendes Wesen den Aufenthalt in
unserem Hause zu verleiden, dürfen wir uns nicht wundern,
wenn sie eines Tages ihre Koffer Packt und zu ihrem Oheim
zurückkehrt. Dann aber ist jede Hoffnung, die drohende
Katastrophe zu verhindern, geschwunden.
Er strich sich mit einer gewissen nervösen Erregtheit
den weißen Schnurrbart und trat ans Fenster, gedankenvoll
auf die Straße schauend.
„Im Grunde darfst Du es unserer Tochter nicht ver-
argen, wenn sie zu dem neuen Ankömmling nicht gerade die
freundschafilichsten Gesinnungen hegt." erwiderte die Gräfin.
«Sie hat nicht Unrecht, wenn sie fürchtet, von Valerie
verdunkelt und infolge dessen weniger als bisher beachtet
zu werden, und eine solche Wahrnehmung wird ein junges
Mädchen immer verstimmen."
Der Graf wandte sich überrascht um.
„Ader ich bitte Dich. Agathe, ist denn hier ein Vergleich
überhaupt denkbar?" rief er, und es war seinen Worten
anzuhören, daß sein Erstaunen nicht erkünstelt war. „Helene
ist nahezu vierundzwanzig Jahre alt, sie besitzt Bildung
und Tournure einer vollendeten Weltdame, und niemand
wird behaupten, daß sie häßlich sei. Ihr gegenüber erscheint
doch die Kleine wie eine Einfalt vom Lande. Dieses Mäd-
chen, das mit ihren sechzehn Jahren noch ein halbes Kmd
ist, kann in Bezug auf gesellschaftlichen Chic in Helene nur
ein nachahmungswürdiges Vorbild erblicken."
Die Gräfin schüttelte das Haupt.
„Du beurtheilst Valerie nach Männerart. während wir
Frauen in solchen Dingen einen viel schärferen Blick be-
sitzen," versetzte sie. „Was Dir an dem Mädchen bäuerisch
erscheint, ist Natürlichkeit, ungezwungene Naivetät. Die
Mehrzahl der jungen Herren wird in Valerie keineswegs das
unbeholfene Mädchen erblicken, das Du in ihr siehst, im
Gegentheil, man findet die ungezierte Art, sich zu unter-
halten, neu uud pikant und freut sich, einmal einem Wesen
zu begegnen, bei welchem nicht jedes Wort aus Stelzen
geht, nicht jede Bewegung in Gegenwart von Herren
mit bis zur Bizarrerie cmporgeschraubter Grazie ausgeführt
wird."
„Ich gestehe, daß ich für diese hausbackene Erziehungs-
Weise kein Verständniß habe, bemerkte Hellwarth achsel-
zuckend. „Ich würde me dulden, daß meine Tochter die Rück-
sichten auf den feinen Ton auch nur mit einer Miene aus
den Augen verlöre."
„Du wirst hoffentlich nicht glauben, Otto, daß ich ein
saloppes Betragen in guter Gesellschaft billige," warf die
Gräfin verletzt ein. „Aber grade das Ungewohnte srappirt
im Anfänge und ist sogar imstande, die betreffende Person
in gewissem Sinne interessant zu machen. Und dann
darfst Du vor allen Dingen nicht vergessen, daß Valerie
von Helene in den Augen der heirathslustigen Herrenwelt
einen ganz gewaltigen Vorzug besitzt, der sie manchem be-
gehrenswerih erscheinen lassen würde, selbst wenn sie
weniger hübsch und lebensfroh wäre: dieser Vorzug ist ihre
halbe Million."
(Fortsetzung folgt.)