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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 78-100 (2. April 1900 - 30. April 1900)
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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 89. Wes Mit. Dunstig, den 17. April

190«

G

Die Eröffnung der Pariser Weltausstellung.
Man erwartet, daß die Pariser Weltausstellung Ende
Mai vollständig fertig sein wird, vorausgesetzt ist dabei,
daß tüchtig und flink gearbeitet wird. Die Eröffnung
des Riesenunternehmens fand, dem vor längerer Zeit ge-
faßten Beschlüsse entsprechend, am letzten Samstag statt.
Dem Publikum ist die Ausstellung, soweit sie eben fertig
dasteht, seit dem ersten Osterfeiertage zugänglich. Die
Unfertigkeit des Unternehmens bat begreiflicherweise auf
den feierlichen Eröffnungsakt gedrückt und ihm etwas
Erkünsteltes angeheftet. Man kann ihn nicht völlig ernst
nehmen und daher auch nicht voll würdigen.
Paris glänzte natürlich am Samstag im Festes-
schmuck. Schon von der Mittagsstunde ab, so erzählt ein
Bericht der Köln. Ztg., kreuzten Hunderte von Wagen mit
festlich gekleideten Insassen, Abgeordnete in ihren Schärpen,
Diplomaten, höhe Militärs in Galauniformen, Mitglieder
der Akademie in ihren grünen Palmenfräcken, Appell- und
Cassationsräthe in ihren purpurrothen hcrmelinbesetzten
Togen, und einfache Menschenkinder im schlichten schwarzen
Frack mit weißer Binde den Eintrachts-Platz, alle zu dem
gemeinsamen Ziele, der großen Festhalle auf dem Mars-
felde. Berittene Garde Republicaine besetzte die vom
Elysse dorthin führenden Alleen und Straßen. Ueberall,
wohin das Auge sich wendet, Glanz und Festesstimmung,
beleuchtet von den milden Strahlen der Frühlingssonne.
In den Champs Elysves und in den zu der Festhalle
führenden Straßen beginnen dichte Schaarcn Neugieriger
die Bürgersteige zu besetzen. Gegen 1'/, Uhr verläßt
Präsident Loubet in st la. Oaumout bespanntem Vier-
spänner, mit Montjarret als Vorreiter, das Elisse. An
seiner Seite und ihm gegenüber befinden sich der Minister-
präsident, die Chefs des Militär- und des Cioilcabimts,
Bailloud und Combarieu. Vier Landauer mit den Mit-
gliedern des Cabinets und den übrigen Offizieren des
Pfilitärcabincls bilden das Gefolge. Eine Schwadron
Garde Republicaine eröffnet und schließt den Zug. So
geht cs im Trabe zur Festhalle. Aus der Menge be-
grüßen zahlreiche Hochrufe auf Loubet und die Republik
bie Fahrt. Am Eingang der Festhalle hat mittlerweile das
seitliche Gewoge bereits seinen Höhepunkt erreicht. Ein
buntes Durcheinander von Farben und Trachte» wogt in
der Halle. Kurz vor 2 Uhr fährt der Präsioent der Republik
At seinem Gefolge vor. Der Handelsminister und der
Generalcommiffar Picard empfangen ihn. Das diplomatische
«orps wartet in der Vorhalle und schließt sich hier dem
Präsidenten an. Die weite, 100 Meter im Durchmesser
Äffende Fcsthalle, ein einziger Riesendom mit gewaltiger
Glaskuppel, durch dessen Malereien sich das Tageslicht in
bunten Reflexen bricht, ist mit einer Menschenmenge ange-
lullt, deren Zahl zu schätzen dem Auge unmöglich ist.
Punkt 2 Uhr erscheint Loubet auf der am Eingang der
Munde befindlichen Ehrentribüne. Die Klänge der
Marseillaise durchbrausen den Saal. Rechts von Loubet
U'wint der Senatspräsident Falliöres, links der Kammec-
bräsident Deschanel Platz. Weiler folgen in der ersten
Fritze auf der rechten Seite die Botschafter, als erster neben
^ullisres der deutsche Botschafter Graf Münster, mit dem
^Uhen Bande des Großkrcuzes der Ehrenlegion geschmückt.
,'uks neben Deschanel die Minister, diese im schlichten
Märzen Frack, den nicht einmal ein bescheidenes Ordens-
^chen schmückt. Haben sie ihre Orden daheim gelassen,
jhx Sprecher, der socialistische Handelsminister
Merand, dieses Schmuckes entbehrt? Es scheint, als
- uren es zwei verschiedene Welten, so hebt sich der Gegen-
^derschlichten schwarzen Kleider auf dieser Seile von


In hohen Regionen.
Erzählung von M. A. Zwickert.
(Fortsetzung.)

jl, »Hoheit, bitte, bitte, quälen Sie mich nicht; ich kann's
' bars es ja nicht sagen . . . "
P.jPhränen erstickten die Stimme des Mädchens. Der
b>irn U>>ch betreten zurück: „Die stolze Jutta von Wolfs-
ich ? weint — da muß es allerdings ernster sein, als
«achte. Kind, beruhigen Sie sich nur, ich will mich
>Lj7' m,t Gewalt in Ihr Vertrauen dränaen. Bedürfen
Nicht« er ie eines Freundes, so vergessen Sie Prinz Erich
schmaus, dem unfreiwilligen Lauscher dieser kleinen Scene,
das Herz in der Brust vor Liebe und Mitgefühl.
Heu» '"der Welt mochte sie nur haben? Wenn er ihr nur
lltiinl konnte! Hing, was sie quälte, mit seiner Person zu-
<e,d M .war er schuld an irgend etwas, was der Geliebten
;kat Leitete? Vergebens zermarterte er seinen Kopf. Da
!"rze aus dem kleinen Erker, in welchem sie das
'chew-k-wiegespräch mit dem Prinzen gehabt, hervor, an-
Zgf ffid völlig gefaßt, schön und unnahbar wie immer.
Kiichrho^iueilend. betdeiligte sie sich bald lebhaft an der
?>Sem^ wußte nicht, was er von der Geliebten und deren
Ae ga,,Mffchem Verhalten denken sollte- Er beobachtete sie
Mmen >k über verstohlen, konnte aber zu keinem Resultat
w>t - Auch der Prinz hätte sich vielleicht noch eingehender
Acht und dem geheimen Kummer beschäftigt, wäre er
>?bchsen>" simer eigenen Leidenschaft für Lola in immer
Mken Maße in Anspruch genommen worden. Die Be-
Acht ns,« eiche Klaus an jenem Abend vorgebracht, waren
^dftliw E Eindruck auf den Prinzen geblieben. Er ging
^ Mit sich zu Rathe. mied das Theater, wenn Lola aus-

den goldstrotzenden, ordenbesäten, weithin leuchtenden Gala-
gewändern der fremden Diplomaten auf der andern Seite
ab. Stehend wird die Marseillaise angehört; dann spielt
das Orchester den Festmarsch von Massenet und nun
ergreift der H andels minister Millerand das Wort.
Der Minister verlas eine ziemlich laugathmige Ansprache,
in der außer von dem Dank gegen die Mitarbeiter an der
Ausstellung von der süßen Pflicht der Gastfreundschaft,
von der Solidarität der Gesellschaft, der kommenden Friedens-
ära, der befreienden heiligen Arbeit u. s. w. die Rede war.
Hierauf erhob sich, freundlich begrüßt, Präsident L o u b et
und erklärte in einer verhältnißmäßig kurzen Ansprache in
der er hervorhob, daß die Ausstellung zur Anbahnung
der Eintracht zwischen den Völkern bestimmt sei, die Aus-
stellung für eröffnet.
Die Stimmung des am Eröffuungsakt theilnehmenden
Publikums war warm und festlich, aber nicht begeistert.
Die Pariser Blätter widmen der Ausstellung schwung-
volle Artikel, in denen mit Genugthuung hervorgehoben
wird, daß Frankreich trotz langer heftiger innerer Krisen
dieses Werk des Friedens und der Eintracht vollbringen
konnte. Der Temps schreibt: Das Werk der brüderlich
in Paris versammelten Völker rufe allen Menschen Frieden
zu, die guten Willens sind, und verleihe ihnen Vertrauen
zur Zukunft. Wissenschaft und Freiheit. Die Ausstellung
sei ein Loblied auf die Arbeit und die Verherrlichung des
Friedens.
Einige der Blätter lassen die Besorgniß durchblicken,
daß die Ausstellung sich nicht zu einem Triumphe Frank-
reichs, sondern zu einem solchen Deutschlands gestalten
werde. So schreibt der Matin: Die deutsche Industrie
wird derartige Erzeugnisse vorführen, daß alle Märkte der
Welt, die bisher noch für Frankreich offen waren, Gefahr
laufen, zu Gunsten Deutschlands verschlossen zu werden.
Deutschland hat friedlich geschafft, während die Franzosen
sich stritten, nachdem sie von der Wunde, die man ihnen
geschlagen, noch nicht einmal geheilt waren. So konnten
sich deutsche Unternehmungen entwickeln, die die Franzosen
kaum in Angriff nehmen können. Deutschland konnte seine
alten Preise dort aufrecht erhalten, wo die Franzosen die
ihrigen verdoppeln mußten. So wird die Ausstellung den
Ruhm Deutschlands künden, statt den Frankreichs, auf
unseren Ruinen wird sich Deutschland mit Kraft erheben.
Warum sollten sich bei einer solchen Sachlage die Deutschen
nicht freuen, nach Paris zu kommen und zu genießen?

Deutsches Reich
— Der Kaiser wird am 18. d. Mts. die Nagelung
und Weihe neuer Fahnen für eine Anzahl von Fußart.»
Regimentern vornehmen. Am 22. April wird er zum Be-
suche des greisen Großherzogs von Sachsen-Weimar er-
wartet, am 23. April dürfte er, nach alljährlicher Ge-
wohnheit, dem König Albert von Sachsen in der Villa
Strehlen bei Dresden persönlich seine Glückwünsche zum
72. Geburtstage darbringen. Hieran werden sich alsdann
die Besuche beim Grafen Schlitz genannt v. Görtz in Ober-
hessen, bei den großherzoglich badischen Herrschaften in
Karlsruhe und beim Fürsten zu Fürstenberg in Donau-
cschingen, und die dabei in Aussicht genommenen Auerhahn-
jagden anreihen. Am 2. Mai wird der Kaiser in Berlin
erwartet, da er alljährlich den Erinnerungstag an die
Schlacht von Großbeeren beim 1. Garderegiment zu Fuß
zu verbringen pflegt. Hieran wird sich der Besuch des
Kaisers Franz Joseph vom 4. bis zum 6. Mai und die
Großjährigkeitserklärung des Kronprinzen anreihen, und
am 8. Mai wird das Kaiserpaar sich zunächst nach Schloß

Urville begeben, woran sich vom 16. Mai an der Besuch
der Festspiele in Wiesbaden anschlicßen wird.
— Zur Feier der Gro ßjähr i gkei ts e r klä run g
des Kronprinzen, der am 6. Mai d. I. sein 18. Le-
bensjahr vollendet, sollen, der Schles. Ztg. zufolge, an alle
Pathen, soweit sie noch leben, Einladungen zu der bevor-
stehenden Feier ergangen sein. Die Pathen waren, abge-
sehen von den Mitgliedern des preußischen Königshauses
und denjenigen des herzoglichen Hauses von Schleswig-
Holstein, folgende: Königin von England, Kaiser von Ruß-
land, Kaiser und Kaiserin von Oesterreich, König von
Italien, König von Sachsen, König von Belgien, Prinz
von Wales, Kronprinz von Oesterreich, Großherzog und
Großhcrzogin von Baden, Großherzog von Sachsen-Wei-
mar, Herzog von Sachsen-Koburg-Gotha, Erbprinz und
Erbprinzessin von Meiningen, Fürst von Hohenlohe-Langen-
burg. Der Kaiser und die Kaiserin von Oesterreich wohn-
ten den Tauffeierlichkeiten, die am 11. Juni 1882 in
Potsdam stattfanden, damals nicht bei, dagegen erschien
Kronprinz Rudolf.
Baden, ö. 0. Karlsruhe, 16. April. Gegenüber
einer Mittheilung im Sitzungsbericht des Stadtrathes hatte
seinerzeit der Bad. Beob. behauptet, dem Kaplan Epp sei
„bezüglich eines gebesserten Verhaltens im Religionsunter-
richt nichts Erforderliches" mitgetheilt worden und die
Kirchenbehörde habe auf Grund eingehender Untersuchung
keine» Grund gefunden, den Kaplan Epp wegen ungehöri-
gen Verhaltens bei Ertheilung von Religionsunterricht
irgendwie zu maßregeln. Da dem Stadtrath die Mit-
theilung, dem Kaplan Epp sei durch die erzbischöfliche
Prüfungskommissär das Erforderliche bemerkt worden, vom
Großh. Oberschulrath zugekommen war, ersuchte er diese
Behörde mit Hinweis auf die gegenteilige Behauptung
des Bad. Beobachters um nähere Mittheilung über den
Sachverhalt. Der Großh. Oberschulrath theilte nun dem
Stadtrath mit, das erzbischöfliche Ordinariat habe an den '
erzbischöfl. Prüfungskommissär geschrieben: „Wir nehmen
an, daß Herr Kaplan Epp gelegentlich seiner Einvernahme
die nöthigcn Weisungen von Ihnen erhalten hat und
empfehlen dessen Unterricht, so lange er noch währt, Ihrer
besonderen Aufsicht." . . . „Demgemäß dürfte dem Kaplan
Epp unsere Mißbilligung seiner Taktlosigkeiten schwerlich
unbekannt geblieben sein. Wir haben indessen das Pfarr-
amt St. Stefan angewiesen, unter Beiziehung unseres
Kommissärs, Curat Brettle, den Kaplan Epp sofort mit
einer andern Kraft zu ersetzen und solche Großh. Ober-
schulrath zu benennen." Das erzbischöfl. Ordinariat habe
aber diese Entschließung, soweit sie einen Tadel gegen
Kaplan Epp enthalte, nachträglich wieder aufge-
hoben. Der Großh. Oberschulrath habe darauf erwidert,
daß er die in der früheren Entschließung des Ordinariats
niedergelegte Anschauung und Beurtheilung für maßgebend
und fortbestehend erachte. Der Stadtrath ersuchte nun
den Oberschulrath, die alsbaldige Enfernung des Kaplans
Epp aus dem Religionsunterricht an den Schulen der
Stadt Karlsruhe herbeizuführen, falls Epp sich wiederum
Ungehörigkeiten wie im Realgymnasium zu schulden kom-
men läßt.
v dl. Karl s ru he, 16. April. Das Gesetz- und Verord-
nungsblatt veröffentlicht das Gesetz betr. die Versicherung gegen
Hagelschaden.
Preußen. Bezüglich des Beschlusses des Staatsmint-
teriums über die Zulassung der Abiturienten von
Realgymnasien zum Studium der Medizin erfahren
die Berliner Neuesten Nachr., daß es sich dabei nicht um
die jetzigen Realgymnasien handelt, sondern es ist diese Zu-

trat, und beschäftigte sich bereits in Gedanken eingehend mit
einer längeren Reise, die er antreten wolle, um eine mög-
lichst große Entfernung zwischen sich und Lola zu legen.
Da trafen aus Wiesbaden, wo sich der Erbprinz zurKuraui-
hielt, die erfreulichsten Nachrichten ein. Ein französischer Arzt
hatte sich anheischig gemacht, den jungen Fürsten auf elektro-
therapeutischem Wege völlig wiederherzustellen; die Kur war
auch bereits begonnen und versprach den glänzendsten Erfolg.
Diese so überaus günstig lautenden Mittheilungen warfen
alle Vorsätze Prinz Erichs über den Hausen. „Jetzt bin ich
aller Pflichten ledig, darf der Stimme meines Herzens
folgen; darf glücklich sein und glücklich machen!" jubelte er
im Stillen. Daß Lola selbst schließlich nicht nein sagen
werde, wenn er um ihre Hand anhielt, unterlag für den
verwöhnten Liebling der Frauen keinem Zweifel; mochte es
auch schwer sein, dies stolze Herz zu bezwingen, er war sich
der Macht seiner Persönlichkeit hinreichend bewußt. So
nahm er denn seine regelmäßigen Theaterbesuche wieder aus,
wenn Lola spielte, und führte sich außerdem bei Frau von
Golm ein, deren vornehmer Charakter auch ihm volle Be-
wunderung abnöthigte. Es war in der Thal unmöglich, sich
dem Eindruck der glänzenden Eigenart des Prinzen zu
entziehen; die alte Freifrau schwärmte für ihren fürstlichen
Gast, und auch Lola gab sich ahnungslos dem gefährlichen
Zauber, der in dem Umgänge und der Unterhaltung des
Prinzen lag. hin. In der Gesellschaft der kleinen Residenz
gab es jedoch scharfe Augen und Ohren und noch schärfere
und bösere Zungen. Der ungewöhnliche Erfolg der Golm-
schen Damen hatte den Neid niedrig denkender Seelen in den
dem Hofe nahestehenden Kreisen wachgerufen. Daß die
Kolleginnen Lolas der jungen Künstlerin, die sie alle meilen-
weit überflügelte, nicht besonders grün waren, versteht sich
von seibst. Eine schon etwas angeiahrte Kollegin, welche
durch Lola völlig in den Hintergrund gedrängt worden war,
sorgte denn auch dafür, daß letzterer der elende Klatsch, die
anzüglichen Bemerkungen, die man sich über sie und den
Prinzen bereits leise in die Ohren raunte, bekannt wurden.
Viel zu stolz, um sich äußerlich vor der boshaften Zu-

! trägerin das Geringste merken zu lassen, blutete dem hoch-
gesinnten Mädchen doch daS Her, unter den giftigen Nadel-
stichen. und am Halse Juttas weinte und klagte sie bitter
über diese elende Gesinnung. Die Mutter freilich durste
, nicht das Geringste ahnen, dem Prinzen gegenüber jedoch
! hielt sie sich seitdem vorsichtig zurück. Au diesen wagte sich
natürlich der Klatsch und die Zwischenträgerei nicht so leicht
heran, so war er völlig ohne Ahnung, wodurch das ver-
änderte Benehmen Lolas bervorgerufen sein könnte. Aber
er war nicht der Mann, sich lange mit der Ungewißheit
zu plagen, bei erster Gelegenheit wollte er sich schon die
nöthige Klarheit verschaffen.
(Fortsetzung folgt.)

Stadt-Theater.
/X Heidelberg, 16. April.
„Das verlorene Paradies", Schauspiel in 3 Auf-
zügen von Ludwig Fulda.
Dein sozialen Zuge der Zeit hat auch Fulda seinen Tribut
dargebracht und ein Drama geschrieben, das die Welt der Hand-
arbeit und die Welt der Kopfarbeit im Gegensatz zu einander
zeigt. Vom soziologischen Standpunkt aus gesehen begeht der
Dichter dabei eine große Ungerechtigkeit: er läßt einen Fabrikanten
auftreten, der seit Jahren sich in seiner 300 Arbeiter zählenden
stetig gedeihenden (!) Fabrik kaum sehen läßt und doch aus ihr einen
jährlichen Gewinn von 70000 Mk. zieht. Einen solchen Fabri-
kanten giebt es nicht. Er läßt nicht nur diesen Fabrikanten,
sondern auch dessen zukünftigen Schwiegersohn, der nichts ist, als
der Sohn seines berühmten Vaters und Neserveleutnant, von den
Sorgen und den schlaflosen Nächten des Unternehmers reden. Das
ist nicht typische Wahrheit, wie sie der Dichter bieten soll, das ist
ein Hohn. ^ ^
Seit vierzig Jahren steht die Welt in dem Zeichen des Gegen-
satzes, von dem wir oben gesprochen, er drückt der Gegenwart seinen
Stempel auf, das Streben ihn zu überwinden spielt nicht nur m
alle Tagesfragen hinein, es durchdringt in seinen feinsten Ver-
 
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