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Petitzeile oder deren Raum.
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18««.
Wochen - Chronik.
(Born 4. bis zum 10. Februar.)
Febr. 4.: Der britische Botschafter Monson verläßt Paris.
Er demonstrirt damit gegen die Auszeichnung eines
französischen Zeichners, der beschimpfende Karrikaturen
der Königin von England verfertigte.
. 5.: Baller ist nördlich vom Tugela in einen neuen
Kampf mit den Buren eingetreten.
„ 5.: Prinz Heinrich von Preußen trifft aus Ost-
asien in Neapel ein.
„ 6.: Das englische Unterhaus verwirft den die
Regierung tadelnden Antrag Fitzmaurice.
„ 7.: Der Reichstag beendet die zweite Lesung der sogen,
lex Heintze.
„ 8.: General Butler muß, nachdem er einen Theil des
Vaalkranz-Hügels am 5. Februar eingenommen hatte,
wieder zurück, da er dem Kreuzfeuer der Buren-
Artillerie ausgesetzt ist. Er geht wieder über den
Tugela zurück. Der dritte Versuch, Ladysmith zu ent-
setzen, ist gescheitelt.
« 8.: Der Reichstag beginnt die erste Berathung der
Flottenoorlage.
« 10.: Der Reichstag überweist die Flottenvorlage
einer Kommission. Aus der Debatte geht hervor, daß
die Stimmung im Reichstag der Flottenverstärkung
günstig ist.
Born Prinzen Heinrich.
Wie der Wiener Berichterstatter des Berliner Tagebl.
schreibt, gewannen Alle, die den Prinzen Heinrich in Wien
sahen, den Eindruck, daß die Anstrengungen Und Strapazen
des zweijährigen Aufenthaltes in Ostasien und die Ein-
flüsse des dortigen Klimas Spuren in der äußeren Erschei-
nung des Prinzen zurückgelassen haben, indem er um vieles
schlanker geworden, und auch das Gesicht nicht mehr die
frühere Fülle und Rundung zeigt. Doch scheint die Ein-
wirkung lediglich äußerlich zu sein, da der Prinz sich des
besten Wohlseins erfreut. In seinen Bewegungen ist der
Prinz ungemein elastisch und stramm, nur war er von der
langen Reise etwas angegriffen und ermüdet.
Am Montag nahm der Prinz bei dem deutschen Bot-
schafter in Wien, der an diesem Tage seinen 53. Geburts-
tag beging, das Frühstück ein. Der Prinz hatte gleich
bei der Ankunft in der Botschaft dem Fürsten Eulenburg
seine herzlichsten Glückwünsche ausgesprochen.
Bemerkenswerth war, daß Prinz Heinrich in seiner ge-
wohnten Schweigsamkeit von seinen Erlebnissen und den
Erfahrungen seines Aufenthalts in Ostasten und von den
Ereignissen seiner großen Seereisen fast gar nicht sprach.
Auch bei dem Dejeuner war davon keine Rede. Nach dem
Dejeuner um 3 Uhr verließ der Prinz die Botschaft, um
noch einige Besuche zu machen. Zahlreiche Wiener Photo-
graphen hatten in der Botschaft die Vergünstigung erbeten,
Porträts des Prinzen aufzunehmen, was aber bet der
Kürze des Aufenthaltes nicht gewährt werden konnte.
Der Kaiser von Oesterreich bezeugte dem Prinzen be-
sondere Fürsorge und Aufmerksamkeit, die ein Beweis der
Sympathieen ist, welche der Prinz bei dem Monarchen
gewonnen hat. Noch Sonntag Abend nach dem Souper
stattete der Kaiser, bevor er sich selbst zur Ruhe begab,
dem Prinzen in dessen Appartements einen Besuch ab, um
'bn nochmals als Hausherr in der alten Kaiserburg zu
bewillkommnen. Auch Montag schon zeitig des Morgens
kam der Kaiser zu dem Prinzen, um sich zu erkundigen,
wie er geschlafen habe. Bezeichnend für die Auszeichnung,
wit der der Prinz am Wiener Hofe ausgenommen wurde,
'fl auch die Pracht und der Prunk, die bei der Hoftafel
am Abend entfaltet wurden. Dieselbe fand im neuen
Saal auf dem äußeren Burgplatz statt. Der Saal ist
ein Prachtstück der modernen Wiener Architektur und De-
korationskunst, doch sind alle starken Farbencffekte ver-
micden, und der Saal ist nach der alten Tradition des
Wiener Hofes ganz in Weiß und Gold gehalten. Einen
Hauptschmuck erhielten diese Säle durch eine Fülle selten-
ster blühender Pflanzen und Blumen und einziger tropischer
Gewächse aus den kaiserlichen Glashäusern. Die Tafel
für achtzig Personen war ganz mit Gold gedeckt und alle Gänge
wurden auf Gold servirt. Man sah Tafelaufsätze, Meister-
stücke alter Goldschmiedekunst, die im Licht elektrischer Luftres
einen prachtvollen Anblick boten. Beim Eintritt des
Hofes schritt Prinz Heinrich in der Oberstenuniform seines
österreichischen Regiments mit der Erzherzogin Maria Josefa
voran. Ihm folgte der Kaiser in deutscher Admiralsuni-
form mit der Erzherzogin Maria Anunciata, Erzherzog
Franz Ferdinand mit der Erzherzogin Jsabella, dann die
übrigen Erzherzoge, Hofwürdenträger und Hofdamen.
Auch bei der Abreise zeichnete Kaiser Franz Josef den
Prinzen aus. Es war ursprünglich nicht im Programm
festgesetzt gewesen, daß der Kaiser den Prinzen auf den
Bahnhof begleite. Der Kaiser entschloß sich hierzu nach
der Hoftafel und theilte es dem Prinzen, als dieser bei
ihm zur Verabschiedung erschien, mit. Offenbar wollte
Kaiser Franz Josef seinem Gaste dadurch noch einen Be-
weis seiner Werthschätzung geben. Es ist ganz zweifellos,
daß der Besuch des Prinzen Heinrich in Wien höhere
politische Bedeutung und Wichtigkeit hatte und nicht
lediglich als Akt der Courtoisie aufzufassen ist. Die offi-
ziöse Politische Korrespondenz betont deßhalb auch, daß
der Prinz dem Grafen Goluchowski einen längeren Be-
such abstattete. Bemerkt wird ferner, daß der Prinz, wie
bereits gemeldet, beim Herzog von Cumberland seine Karte
abgab.
In Berlin hatte sich am 13. d. eine riesenhafte Menge am
Anhalter Bahnhof eingefunden, »m den Prinzen zu empfangen.
Gegen 11 Uhr traf der Kaiser am Bahnhof ein. Er
wurde vom Publikum sehr lebhaft begrüßt und dankte be-
ständig sehr freundlich. Er war offenbar angenehm be-
rührt von dem kolossalen Umfang, in dem sich die Bevöl-
kerung Berlins an der Begrüßung des Prinzen Heinrich
bctheiligte. Einige Minuten nach 11 Uhr fuhr der Zug,
der den Prinzen Heinrich in die Heimath zurückführte, un-
ter den Klängen der Militärmusik in die Halle. Der über-
aus herzlichen Begrüßung des Prinzen Heinrich mit dem
Kaiser und den Prinzen des königlichen Hauses folgte die
Vorstellung der vom Kaiser zur Begrüßung befohlenen
militärischen und civilen Würdenträger, die dem Prinzen
Heinrich noch nicht persönlich bekannt waren. Der Kaiser
begrüßte und beglückwünschte die Offiziere, die den Prinzen
auf seiner Reise begleitet hatten, in herzlicher Weise, nahm
dann den Arm seines Bruders und ging mit ihm die
Treppe herab. Der Kaiser und sein Bruder bestiegen da-
rauf einen offenen Wagen und fuhren im gemäßigten Trabe
vom Bahnhof ab. Der Kaiser trug die Uniform der Ma-
rine-Infanterie, Prinz Heinrich die goldstrahlrnde Gala der
Admirale. Das Publikum bereitete dem Heimkehrenden
geradezu enthusiastische Ovationen, für die der Prinz sehr
ernst dankte, während die Züge des Kaisers, der lebhaft
zu seinem Bruder sprach, so freudig erregt erschienen, wie
man den Kaiser selten steht. Das allgemeine Gesprächs-
thema des Publikums bildete die Aehnlichkeit des Prinzen
Heinrich mit seinem verstorbenen Vater, dem Kaiser Friedrich.
Prinz Heinrich trägt gleich ihm einen stattlichen blonden
Vollbart, seine aufrechte Haltung, die großen, blauen Augen,
die schlanke, hohe Fignr erinnern Alle, die den Kaiser
Friedrich aus seiner Jugendzeit kannten, lebhaft an ihn.
Die Fahrt zum Schloß gestaltete sich zu einer Kette
von Ovationen, die sich Schritt für Schritt steigerten und
am Schloß selbst unter dem Donner der im Lustgarten
placirten Geschütze ihren Höhepunkt erreichten.
Der Trinkspruch, den der Kaiser beim Festmahl
am Dienstag auf den Prinzen Heinrich ausbrachte, ist
schon mitgetheilt worden. Die Erwiderung des Prinzen
lautete wie folgt:
Ew. Majestät wolle mir gnädigst gestatten, meinen unter-
thänigsten, tiefgefühltesten, herzlichen Dank für die gnädigen
Worte auszusprechen, sowie für den Empfang, den Ew. Majestät
heute für mich zu befehlen geruht hat. Der größte Sporn meiner
bisherigen Thättgkeit war, daß ich wußte, Ew. Majestät steht
hinter mir, wie hinter Ew. Majestät die Flotte. Dieser Gedanke
befähigte mich sowohl, wie die Offiziere im Auslande zu immer
neuen erfrischenden und ermuthtgenden Thaten. Auch möchte ich
nicht verfehlen am heutigen Tage, da ich das erste Mal wieder
in Gegenwart Ew. Majestät sein darf, auszusprechen, wie treue
und patriotische Unterthanen jene Menschen sind, die ich in Ost-
asien verlassen habe, um in die Heimath zurückzukehren. Ew.
Majestät danke ich ferner für das unentwegte Vertrauen, welches
mir während der beiden vergangenen Jahre gezeigt worden ist,
und ich versichere, daß wo ich auch sein möge, jeder Dienst für
Ew. Majestät und das Vaterland mich auch i» Zukunft auf dem
Posten finden wird. Oft erklang im fernen Osten der Ruf»
welcher die Deutschen draußen und uns Kameraden in Ostasien
besettte bet gemeinsamen Zusammensein und bei festlichen Anläsfen.
Dieser Ruf möge auch heute laut erschallen. Mit Genehmigung
Ew. Majestät fordere ich die Herren auf, etnzustimmen in den
Ruf, Seine Majestät unser allergnädigster König und Herr,
Hurrah, Hurrah, Hurrahl
Am Mittwoch Vormittag stattete Prinz Heinrich dem
Reichskanzler einen Besuch ab. Dienstag Abend em-
pfing er den Oberbürgermeister Kirschner; der Prinz sprach
seine Freude aus über den ihm bereiteten Empfang und
beauftragte den Oberbürgermeister, der Berliner Bevölke-
rung seinen Dank auszusprechen.
Deutsches Reich.
— Der Reichsanzeiger veröffentlicht die Bestimmungen
über die M i li t ä rpfl i chtigke i t der Volksschul-
lehrer und Kandidaten des Volksschulamtes. Danach
werden die Volksschullehrer u. s. w. nach bestandener vor-
schriftsmäßiger Prüfung, sofern sie nicht als Einjährig-
Freiwillige dienen, nach einjähriger activer Dienstzeit bei
einem Infanterie-Regiment zur Reserve beurlaubt; ste neh-
men soweit als möglich an der Nekrutenausbildung der
Einjährigen theil. Hinsichtlich der Heranziehung zu Hebungen
werden die Volksschullehrer wie die übrigen Mannschaften
behandelt.
— Das Wolff'sche Telegraphenbureau erfährt aus
Apia vom 7. d. M.: Zur Feier des Geburtstages des
deutschen Kaisers entsandten beide samoanischen Par-
teien Abordnungen angesehener Häuptlinge, unter ihnen
Tamasese, ins deutsche Konsulat, um die Unterwerfung
unter die deutsche Herrschaft zu erklären und ihre Glück-
wünsche zu dem Tage zu überbringen. Auf den Inseln
Upolu und Sawaii herrscht völlige Ruhe.
— Nach der Deutschen Tagesztg. wurde die Angele-
genheit Szmula-Dr. Hahn durch Austausch gegenseiti-
ger Erklärungen erledigt.
Deutscher Reichstag. Berlin, 14. Februar. Zweite
BerathUng des Etats der Schutzgebiete bei den
Eisenb ah n bau ten in Ostafrika.
Berichterstatter Prinz Arenberg berichtet über die
Commissionsverhandlunaen.
Abg. Dasbach: Ob die für die Colonieen diesmal
aefordecten 30 Millionen werbendes Capital seien, sei sehe
zweifelhaft. Jedenfalls beantrage er. die sur die Vorarbeiten
der Fortführung der Bahn von Korogwe bis Mvmbas ein-
gesetzten 72 000 M. zu streichen. Die Hoffnungen des letzten
Jahres hätten sich nicht verwirklicht. Die Kaffeeplantagen
hätten gelitten, sodaß einige Pflanzer den Kaffeebau schon
aufgegeben hätten. Immerhin könnte sich hier das deutsche
Cav tat betbe-ligen. dem man nachlaae, es nebe nicht aern
10)
Fürst Margoni.
Roman von Moritz Lilie.
(Fortsetzung.)
. »Im siebenjährigen Kriege erst sind die Hohenfels ge-
best worden, und zwar ist es ein Schuster gewesen, dem
>ese Auszeichnung zu theil geworden ist, und der dadurch
Mn Ahnherrn dieser Familie wurde/ erzählte Helenens
ftutter weiter. «Der Mann ist Anführer der Bürgerwehr
!"er kleinen befestigten Stadt gewesen und hat dieselbe bei
>ner Belagerung so tapfer vertheidigt. daß die Truppen
"verrichteter Sache wieder abziehen mußten und der Platz
em rechtmäßigen Landesh-rrn erhalten blieb."
-War das sein Verdienst?" fragte Helene.
VUV fern
-.Sein einziges, und dafür erhält der Mann das Adels-
blom!" bestätigte die alte Dame mit höhnischem Lachen.
Nan bat ihm zur Erinnerung an seine Waffenthat zwei
tteuzte Schwerter im blauen Mde als Wappen verliehen,
v glaube, es würde
01er entsprochen haben,
"en Stiefelabsatz
den Traditionen der Familie
wenn man statt der Schwerter
gewählt hätte; das blaue Feld^konnte
.... ^nciccamav gewayil yane j
wen, zur Erinnerung an so manchen blauen Montag
" der knieriemenschwingende Ahnherr sicherlich gefeiert hat/
«Der alte Legationsrath rieb sich schmunzelnd die
eifall' ^ Affige Bemerkung der Gräfin fand dessen vollen
..-Verzeihung, gnädige Frau, aber der damalige Schuster
r wahrscheinlich durch seinen Heldenmut- Dem Land und
Fürsten einen großen Dienst erwiesen." nahm der
"ü^Gardeosfizire das Wort. «Im Kriege hängt oft von
-l ^baltung einer Festung, und sei diese auch klein, sehr
" "b, und wenn daher ein schlichter Handwerker den Feind
^"ffzuge zwang, so ist die ihm gewordene Anerkennung
.,5 wohlverdiente, und der Adelsstand braucht sich eines
ichen Zuwachses nicht zu schämen."
«Nun, ich sollte meinen, daß auch aut die Antecedentien
der Träger adeliger Namen etwas gegeben werden müßte,"
warf die Gräfin etwas pikirt ein, »und ich gestehe, daß es
mir durchaus nicht gleichgültig ist, welcher gesellschaftlichen
Sphäre der Stammherr einer aristokratischen Familie einst
angehörte. Es bleibt gewöhnlich etwas im Blute zurück, das
an den Ursprung erinnert; das sehen Sie ja recht deutlich
an den HohenselS. die eigentlich doch recht wenig Distinguirtes
an sich haben."
„Darin stimme ich Mama bei," meinte Helene, sich in
den Sessel zurücklehnend und den Fächer in lebhafte Be-
wegung setzend, «wenn erst Schuster und Handschuhmacher
durch Nobilitirung uns ebenbürtig gemacht werden, so hat
der Gedurtsadel absolut nichts mehr voraus, und deshalb
haben die Angehörigen unseres Standes die Pflicht, gegen
diese Unsitte anzukämpsen und, wo ein solcher Empor-
kömmling auftaucht, denselben einfach als nicht zu ihnen
gehörig zu betrachten. Wir drängen uns auch nicht
den bürgerlichen Kreisen aus, mögen also diese auch uns
fernbleiben!"
„Aber wenn die Verleihung des Adels eine Belohnung
für wirkliche hervorragende Verdienste ist, eine Voraussetzung,
die fast immer zutrifft — werden Sie auch dann gegentzeine
solche Auszeichnung sein?" fragte Wendelstein.
«Auch dann!" fiel die Komteß rasch ein, «denn den
Fürsten stehen andere Mittel zu Gebote, besondere Leistungen
zu belohnen. Man gebe dem Betreffenden irgend einen
Titel, der mit seinem Tode erlischt, oder man finde sie mit
Geld ab; aber der Adel erbt fort, und nicht selten wird damit
nur das vornehme Proletariat verstärkt, das dem Hohne und
der Spottsucht der niederen Klassen nur zu oft reichlichen
Stoff gibt."
«Ich bedauere unendlich. Ihre Ansicht nicht theilen zu
können," erklärte der Offizier, während eine Wolke des Un-
muthes sich aus seiner hohen Stirn lagerte; «es gibt Ver-
dienste, die mit Geld zu belohnen eine Beleidigung wäre.
Schauen Sie sich um, meine Damen, und forschen Sie dem
l
!
!
Urlprunge unserer edelsten und ältesten Geschlechter noch,
Sie werden fast immer finden, daß sie in den niederen
Schichten des Volkes wurzeln. Der Ahnherr des Hauses
Kielmannsegge war ein schlichter Bauer, die Freiherren von
Triller stammen von einem Köhler ab, und der Stifter des
Geschlechtes derer von Bergen war gar ein Scharfrichter-
Es gab eine Zeit, wo man Standesunterschiede überhaupt
nicht kannte, wo cs also auch keine bevorzugten Klassen gab;
ich bin überzeugt, daß damals die Menschen zufriedener
lebten als jetzt."
(Fortsetzung folgt.)
Stadt-Theater.
Heidelberg, 15. Februar.
„Fidelio". Große Oper in 3 Akten. Musik von Ludwig
van Beethoven.
Die Aufführung bedeutet ein Wagniß, das noch viel kühner
erscheint, als das der „Hugenotten" von neulich, da das klassische
Werk in seinem schwierigen, ungewohnten, oft recht unsanglichen
Styl Anforderungen stellt, die weit über die der großen modernen
Oper hinausgehen.
Der Beifall, den das Wagniß gestern erntete, die Hervorrufe
der Darsteller und des Dirigenten bewiesen einen ungewöhnlichen
Enthusiasmus. Man durfte diesen dem Leiter wie allen mit-
wirkenden Kräften von Heizen gönnen. Zweifellos stand man
da wiederum Leistungen gegenüber, die alle Hochachtung und
Werthschätzung verdienen. Mußte auch in manchem das Wollen
für das Können htngenommen werden, man hatte es in der
Gesammtwirkung mit einer ernst zu nehmenden Belebung des
sacrosancten Werkes zu thun, was mit Bezug auf eine kleine
Opernbühne sehr viel sagen will.
Es war sicherlich ein unendlicher Fleiß auf die Aufführung
verwendet worden. Radig hatte das Orchester gan, in der
Hand, das sich seiner Aufgabe, kleinere Unebenheiten abgerechnet»
auf's tapferste gewachsen zu zeigen wußte. Vor dem Schlußakt
eingeschoben wurde in üblicher Weise die Leonoren-Ouverture
Sonntags ausgenommen.
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(Born 4. bis zum 10. Februar.)
Febr. 4.: Der britische Botschafter Monson verläßt Paris.
Er demonstrirt damit gegen die Auszeichnung eines
französischen Zeichners, der beschimpfende Karrikaturen
der Königin von England verfertigte.
. 5.: Baller ist nördlich vom Tugela in einen neuen
Kampf mit den Buren eingetreten.
„ 5.: Prinz Heinrich von Preußen trifft aus Ost-
asien in Neapel ein.
„ 6.: Das englische Unterhaus verwirft den die
Regierung tadelnden Antrag Fitzmaurice.
„ 7.: Der Reichstag beendet die zweite Lesung der sogen,
lex Heintze.
„ 8.: General Butler muß, nachdem er einen Theil des
Vaalkranz-Hügels am 5. Februar eingenommen hatte,
wieder zurück, da er dem Kreuzfeuer der Buren-
Artillerie ausgesetzt ist. Er geht wieder über den
Tugela zurück. Der dritte Versuch, Ladysmith zu ent-
setzen, ist gescheitelt.
« 8.: Der Reichstag beginnt die erste Berathung der
Flottenoorlage.
« 10.: Der Reichstag überweist die Flottenvorlage
einer Kommission. Aus der Debatte geht hervor, daß
die Stimmung im Reichstag der Flottenverstärkung
günstig ist.
Born Prinzen Heinrich.
Wie der Wiener Berichterstatter des Berliner Tagebl.
schreibt, gewannen Alle, die den Prinzen Heinrich in Wien
sahen, den Eindruck, daß die Anstrengungen Und Strapazen
des zweijährigen Aufenthaltes in Ostasien und die Ein-
flüsse des dortigen Klimas Spuren in der äußeren Erschei-
nung des Prinzen zurückgelassen haben, indem er um vieles
schlanker geworden, und auch das Gesicht nicht mehr die
frühere Fülle und Rundung zeigt. Doch scheint die Ein-
wirkung lediglich äußerlich zu sein, da der Prinz sich des
besten Wohlseins erfreut. In seinen Bewegungen ist der
Prinz ungemein elastisch und stramm, nur war er von der
langen Reise etwas angegriffen und ermüdet.
Am Montag nahm der Prinz bei dem deutschen Bot-
schafter in Wien, der an diesem Tage seinen 53. Geburts-
tag beging, das Frühstück ein. Der Prinz hatte gleich
bei der Ankunft in der Botschaft dem Fürsten Eulenburg
seine herzlichsten Glückwünsche ausgesprochen.
Bemerkenswerth war, daß Prinz Heinrich in seiner ge-
wohnten Schweigsamkeit von seinen Erlebnissen und den
Erfahrungen seines Aufenthalts in Ostasten und von den
Ereignissen seiner großen Seereisen fast gar nicht sprach.
Auch bei dem Dejeuner war davon keine Rede. Nach dem
Dejeuner um 3 Uhr verließ der Prinz die Botschaft, um
noch einige Besuche zu machen. Zahlreiche Wiener Photo-
graphen hatten in der Botschaft die Vergünstigung erbeten,
Porträts des Prinzen aufzunehmen, was aber bet der
Kürze des Aufenthaltes nicht gewährt werden konnte.
Der Kaiser von Oesterreich bezeugte dem Prinzen be-
sondere Fürsorge und Aufmerksamkeit, die ein Beweis der
Sympathieen ist, welche der Prinz bei dem Monarchen
gewonnen hat. Noch Sonntag Abend nach dem Souper
stattete der Kaiser, bevor er sich selbst zur Ruhe begab,
dem Prinzen in dessen Appartements einen Besuch ab, um
'bn nochmals als Hausherr in der alten Kaiserburg zu
bewillkommnen. Auch Montag schon zeitig des Morgens
kam der Kaiser zu dem Prinzen, um sich zu erkundigen,
wie er geschlafen habe. Bezeichnend für die Auszeichnung,
wit der der Prinz am Wiener Hofe ausgenommen wurde,
'fl auch die Pracht und der Prunk, die bei der Hoftafel
am Abend entfaltet wurden. Dieselbe fand im neuen
Saal auf dem äußeren Burgplatz statt. Der Saal ist
ein Prachtstück der modernen Wiener Architektur und De-
korationskunst, doch sind alle starken Farbencffekte ver-
micden, und der Saal ist nach der alten Tradition des
Wiener Hofes ganz in Weiß und Gold gehalten. Einen
Hauptschmuck erhielten diese Säle durch eine Fülle selten-
ster blühender Pflanzen und Blumen und einziger tropischer
Gewächse aus den kaiserlichen Glashäusern. Die Tafel
für achtzig Personen war ganz mit Gold gedeckt und alle Gänge
wurden auf Gold servirt. Man sah Tafelaufsätze, Meister-
stücke alter Goldschmiedekunst, die im Licht elektrischer Luftres
einen prachtvollen Anblick boten. Beim Eintritt des
Hofes schritt Prinz Heinrich in der Oberstenuniform seines
österreichischen Regiments mit der Erzherzogin Maria Josefa
voran. Ihm folgte der Kaiser in deutscher Admiralsuni-
form mit der Erzherzogin Maria Anunciata, Erzherzog
Franz Ferdinand mit der Erzherzogin Jsabella, dann die
übrigen Erzherzoge, Hofwürdenträger und Hofdamen.
Auch bei der Abreise zeichnete Kaiser Franz Josef den
Prinzen aus. Es war ursprünglich nicht im Programm
festgesetzt gewesen, daß der Kaiser den Prinzen auf den
Bahnhof begleite. Der Kaiser entschloß sich hierzu nach
der Hoftafel und theilte es dem Prinzen, als dieser bei
ihm zur Verabschiedung erschien, mit. Offenbar wollte
Kaiser Franz Josef seinem Gaste dadurch noch einen Be-
weis seiner Werthschätzung geben. Es ist ganz zweifellos,
daß der Besuch des Prinzen Heinrich in Wien höhere
politische Bedeutung und Wichtigkeit hatte und nicht
lediglich als Akt der Courtoisie aufzufassen ist. Die offi-
ziöse Politische Korrespondenz betont deßhalb auch, daß
der Prinz dem Grafen Goluchowski einen längeren Be-
such abstattete. Bemerkt wird ferner, daß der Prinz, wie
bereits gemeldet, beim Herzog von Cumberland seine Karte
abgab.
In Berlin hatte sich am 13. d. eine riesenhafte Menge am
Anhalter Bahnhof eingefunden, »m den Prinzen zu empfangen.
Gegen 11 Uhr traf der Kaiser am Bahnhof ein. Er
wurde vom Publikum sehr lebhaft begrüßt und dankte be-
ständig sehr freundlich. Er war offenbar angenehm be-
rührt von dem kolossalen Umfang, in dem sich die Bevöl-
kerung Berlins an der Begrüßung des Prinzen Heinrich
bctheiligte. Einige Minuten nach 11 Uhr fuhr der Zug,
der den Prinzen Heinrich in die Heimath zurückführte, un-
ter den Klängen der Militärmusik in die Halle. Der über-
aus herzlichen Begrüßung des Prinzen Heinrich mit dem
Kaiser und den Prinzen des königlichen Hauses folgte die
Vorstellung der vom Kaiser zur Begrüßung befohlenen
militärischen und civilen Würdenträger, die dem Prinzen
Heinrich noch nicht persönlich bekannt waren. Der Kaiser
begrüßte und beglückwünschte die Offiziere, die den Prinzen
auf seiner Reise begleitet hatten, in herzlicher Weise, nahm
dann den Arm seines Bruders und ging mit ihm die
Treppe herab. Der Kaiser und sein Bruder bestiegen da-
rauf einen offenen Wagen und fuhren im gemäßigten Trabe
vom Bahnhof ab. Der Kaiser trug die Uniform der Ma-
rine-Infanterie, Prinz Heinrich die goldstrahlrnde Gala der
Admirale. Das Publikum bereitete dem Heimkehrenden
geradezu enthusiastische Ovationen, für die der Prinz sehr
ernst dankte, während die Züge des Kaisers, der lebhaft
zu seinem Bruder sprach, so freudig erregt erschienen, wie
man den Kaiser selten steht. Das allgemeine Gesprächs-
thema des Publikums bildete die Aehnlichkeit des Prinzen
Heinrich mit seinem verstorbenen Vater, dem Kaiser Friedrich.
Prinz Heinrich trägt gleich ihm einen stattlichen blonden
Vollbart, seine aufrechte Haltung, die großen, blauen Augen,
die schlanke, hohe Fignr erinnern Alle, die den Kaiser
Friedrich aus seiner Jugendzeit kannten, lebhaft an ihn.
Die Fahrt zum Schloß gestaltete sich zu einer Kette
von Ovationen, die sich Schritt für Schritt steigerten und
am Schloß selbst unter dem Donner der im Lustgarten
placirten Geschütze ihren Höhepunkt erreichten.
Der Trinkspruch, den der Kaiser beim Festmahl
am Dienstag auf den Prinzen Heinrich ausbrachte, ist
schon mitgetheilt worden. Die Erwiderung des Prinzen
lautete wie folgt:
Ew. Majestät wolle mir gnädigst gestatten, meinen unter-
thänigsten, tiefgefühltesten, herzlichen Dank für die gnädigen
Worte auszusprechen, sowie für den Empfang, den Ew. Majestät
heute für mich zu befehlen geruht hat. Der größte Sporn meiner
bisherigen Thättgkeit war, daß ich wußte, Ew. Majestät steht
hinter mir, wie hinter Ew. Majestät die Flotte. Dieser Gedanke
befähigte mich sowohl, wie die Offiziere im Auslande zu immer
neuen erfrischenden und ermuthtgenden Thaten. Auch möchte ich
nicht verfehlen am heutigen Tage, da ich das erste Mal wieder
in Gegenwart Ew. Majestät sein darf, auszusprechen, wie treue
und patriotische Unterthanen jene Menschen sind, die ich in Ost-
asien verlassen habe, um in die Heimath zurückzukehren. Ew.
Majestät danke ich ferner für das unentwegte Vertrauen, welches
mir während der beiden vergangenen Jahre gezeigt worden ist,
und ich versichere, daß wo ich auch sein möge, jeder Dienst für
Ew. Majestät und das Vaterland mich auch i» Zukunft auf dem
Posten finden wird. Oft erklang im fernen Osten der Ruf»
welcher die Deutschen draußen und uns Kameraden in Ostasien
besettte bet gemeinsamen Zusammensein und bei festlichen Anläsfen.
Dieser Ruf möge auch heute laut erschallen. Mit Genehmigung
Ew. Majestät fordere ich die Herren auf, etnzustimmen in den
Ruf, Seine Majestät unser allergnädigster König und Herr,
Hurrah, Hurrah, Hurrahl
Am Mittwoch Vormittag stattete Prinz Heinrich dem
Reichskanzler einen Besuch ab. Dienstag Abend em-
pfing er den Oberbürgermeister Kirschner; der Prinz sprach
seine Freude aus über den ihm bereiteten Empfang und
beauftragte den Oberbürgermeister, der Berliner Bevölke-
rung seinen Dank auszusprechen.
Deutsches Reich.
— Der Reichsanzeiger veröffentlicht die Bestimmungen
über die M i li t ä rpfl i chtigke i t der Volksschul-
lehrer und Kandidaten des Volksschulamtes. Danach
werden die Volksschullehrer u. s. w. nach bestandener vor-
schriftsmäßiger Prüfung, sofern sie nicht als Einjährig-
Freiwillige dienen, nach einjähriger activer Dienstzeit bei
einem Infanterie-Regiment zur Reserve beurlaubt; ste neh-
men soweit als möglich an der Nekrutenausbildung der
Einjährigen theil. Hinsichtlich der Heranziehung zu Hebungen
werden die Volksschullehrer wie die übrigen Mannschaften
behandelt.
— Das Wolff'sche Telegraphenbureau erfährt aus
Apia vom 7. d. M.: Zur Feier des Geburtstages des
deutschen Kaisers entsandten beide samoanischen Par-
teien Abordnungen angesehener Häuptlinge, unter ihnen
Tamasese, ins deutsche Konsulat, um die Unterwerfung
unter die deutsche Herrschaft zu erklären und ihre Glück-
wünsche zu dem Tage zu überbringen. Auf den Inseln
Upolu und Sawaii herrscht völlige Ruhe.
— Nach der Deutschen Tagesztg. wurde die Angele-
genheit Szmula-Dr. Hahn durch Austausch gegenseiti-
ger Erklärungen erledigt.
Deutscher Reichstag. Berlin, 14. Februar. Zweite
BerathUng des Etats der Schutzgebiete bei den
Eisenb ah n bau ten in Ostafrika.
Berichterstatter Prinz Arenberg berichtet über die
Commissionsverhandlunaen.
Abg. Dasbach: Ob die für die Colonieen diesmal
aefordecten 30 Millionen werbendes Capital seien, sei sehe
zweifelhaft. Jedenfalls beantrage er. die sur die Vorarbeiten
der Fortführung der Bahn von Korogwe bis Mvmbas ein-
gesetzten 72 000 M. zu streichen. Die Hoffnungen des letzten
Jahres hätten sich nicht verwirklicht. Die Kaffeeplantagen
hätten gelitten, sodaß einige Pflanzer den Kaffeebau schon
aufgegeben hätten. Immerhin könnte sich hier das deutsche
Cav tat betbe-ligen. dem man nachlaae, es nebe nicht aern
10)
Fürst Margoni.
Roman von Moritz Lilie.
(Fortsetzung.)
. »Im siebenjährigen Kriege erst sind die Hohenfels ge-
best worden, und zwar ist es ein Schuster gewesen, dem
>ese Auszeichnung zu theil geworden ist, und der dadurch
Mn Ahnherrn dieser Familie wurde/ erzählte Helenens
ftutter weiter. «Der Mann ist Anführer der Bürgerwehr
!"er kleinen befestigten Stadt gewesen und hat dieselbe bei
>ner Belagerung so tapfer vertheidigt. daß die Truppen
"verrichteter Sache wieder abziehen mußten und der Platz
em rechtmäßigen Landesh-rrn erhalten blieb."
-War das sein Verdienst?" fragte Helene.
VUV fern
-.Sein einziges, und dafür erhält der Mann das Adels-
blom!" bestätigte die alte Dame mit höhnischem Lachen.
Nan bat ihm zur Erinnerung an seine Waffenthat zwei
tteuzte Schwerter im blauen Mde als Wappen verliehen,
v glaube, es würde
01er entsprochen haben,
"en Stiefelabsatz
den Traditionen der Familie
wenn man statt der Schwerter
gewählt hätte; das blaue Feld^konnte
.... ^nciccamav gewayil yane j
wen, zur Erinnerung an so manchen blauen Montag
" der knieriemenschwingende Ahnherr sicherlich gefeiert hat/
«Der alte Legationsrath rieb sich schmunzelnd die
eifall' ^ Affige Bemerkung der Gräfin fand dessen vollen
..-Verzeihung, gnädige Frau, aber der damalige Schuster
r wahrscheinlich durch seinen Heldenmut- Dem Land und
Fürsten einen großen Dienst erwiesen." nahm der
"ü^Gardeosfizire das Wort. «Im Kriege hängt oft von
-l ^baltung einer Festung, und sei diese auch klein, sehr
" "b, und wenn daher ein schlichter Handwerker den Feind
^"ffzuge zwang, so ist die ihm gewordene Anerkennung
.,5 wohlverdiente, und der Adelsstand braucht sich eines
ichen Zuwachses nicht zu schämen."
«Nun, ich sollte meinen, daß auch aut die Antecedentien
der Träger adeliger Namen etwas gegeben werden müßte,"
warf die Gräfin etwas pikirt ein, »und ich gestehe, daß es
mir durchaus nicht gleichgültig ist, welcher gesellschaftlichen
Sphäre der Stammherr einer aristokratischen Familie einst
angehörte. Es bleibt gewöhnlich etwas im Blute zurück, das
an den Ursprung erinnert; das sehen Sie ja recht deutlich
an den HohenselS. die eigentlich doch recht wenig Distinguirtes
an sich haben."
„Darin stimme ich Mama bei," meinte Helene, sich in
den Sessel zurücklehnend und den Fächer in lebhafte Be-
wegung setzend, «wenn erst Schuster und Handschuhmacher
durch Nobilitirung uns ebenbürtig gemacht werden, so hat
der Gedurtsadel absolut nichts mehr voraus, und deshalb
haben die Angehörigen unseres Standes die Pflicht, gegen
diese Unsitte anzukämpsen und, wo ein solcher Empor-
kömmling auftaucht, denselben einfach als nicht zu ihnen
gehörig zu betrachten. Wir drängen uns auch nicht
den bürgerlichen Kreisen aus, mögen also diese auch uns
fernbleiben!"
„Aber wenn die Verleihung des Adels eine Belohnung
für wirkliche hervorragende Verdienste ist, eine Voraussetzung,
die fast immer zutrifft — werden Sie auch dann gegentzeine
solche Auszeichnung sein?" fragte Wendelstein.
«Auch dann!" fiel die Komteß rasch ein, «denn den
Fürsten stehen andere Mittel zu Gebote, besondere Leistungen
zu belohnen. Man gebe dem Betreffenden irgend einen
Titel, der mit seinem Tode erlischt, oder man finde sie mit
Geld ab; aber der Adel erbt fort, und nicht selten wird damit
nur das vornehme Proletariat verstärkt, das dem Hohne und
der Spottsucht der niederen Klassen nur zu oft reichlichen
Stoff gibt."
«Ich bedauere unendlich. Ihre Ansicht nicht theilen zu
können," erklärte der Offizier, während eine Wolke des Un-
muthes sich aus seiner hohen Stirn lagerte; «es gibt Ver-
dienste, die mit Geld zu belohnen eine Beleidigung wäre.
Schauen Sie sich um, meine Damen, und forschen Sie dem
l
!
!
Urlprunge unserer edelsten und ältesten Geschlechter noch,
Sie werden fast immer finden, daß sie in den niederen
Schichten des Volkes wurzeln. Der Ahnherr des Hauses
Kielmannsegge war ein schlichter Bauer, die Freiherren von
Triller stammen von einem Köhler ab, und der Stifter des
Geschlechtes derer von Bergen war gar ein Scharfrichter-
Es gab eine Zeit, wo man Standesunterschiede überhaupt
nicht kannte, wo cs also auch keine bevorzugten Klassen gab;
ich bin überzeugt, daß damals die Menschen zufriedener
lebten als jetzt."
(Fortsetzung folgt.)
Stadt-Theater.
Heidelberg, 15. Februar.
„Fidelio". Große Oper in 3 Akten. Musik von Ludwig
van Beethoven.
Die Aufführung bedeutet ein Wagniß, das noch viel kühner
erscheint, als das der „Hugenotten" von neulich, da das klassische
Werk in seinem schwierigen, ungewohnten, oft recht unsanglichen
Styl Anforderungen stellt, die weit über die der großen modernen
Oper hinausgehen.
Der Beifall, den das Wagniß gestern erntete, die Hervorrufe
der Darsteller und des Dirigenten bewiesen einen ungewöhnlichen
Enthusiasmus. Man durfte diesen dem Leiter wie allen mit-
wirkenden Kräften von Heizen gönnen. Zweifellos stand man
da wiederum Leistungen gegenüber, die alle Hochachtung und
Werthschätzung verdienen. Mußte auch in manchem das Wollen
für das Können htngenommen werden, man hatte es in der
Gesammtwirkung mit einer ernst zu nehmenden Belebung des
sacrosancten Werkes zu thun, was mit Bezug auf eine kleine
Opernbühne sehr viel sagen will.
Es war sicherlich ein unendlicher Fleiß auf die Aufführung
verwendet worden. Radig hatte das Orchester gan, in der
Hand, das sich seiner Aufgabe, kleinere Unebenheiten abgerechnet»
auf's tapferste gewachsen zu zeigen wußte. Vor dem Schlußakt
eingeschoben wurde in üblicher Weise die Leonoren-Ouverture