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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-126 (1. Mai 1900 - 31. Mai 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0541

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

«r. 113.

Wtnstaz, den 15. Mol

isov.

Zur Schulreform.
In der am Sonntag vor 8 Tagen in Berlin abgehaltenen
Hauptversammlung des Vereins für Schulreform
theilte, wie berichtet wird, der Vorsitzende mit, was ihm aus einer
zuverlässigen Quelle über die Pläne des preuß.
Kultusministeriums in der Schulreform-
frage zur Kenntniß gekommen sei. Das Latein soll nach
wie vor im Gymnasium sowohl wie im Realgymnasium
mit der Sexta beginnen und in beiden Anstalten wesent-
lich verstärkt werden. Das Griechische soll im Gymna-
sium bis Obersckunda hinaufgeschoben, von da aber
Mit acht wöchentlichen Stunden betrieben werden. Das
Englische soll in der Obersekunda des Realgymnasiums be-
ginnen. Ucberhaupt sollen die beiden Schulen einander so
genähert werden, daß sie als Einheitsschule mit Gabelung
von Obersekunda an erscheinen. Dies geschieht mit Rück-
sicht auf die Zulassung des Realgymnasialabiturienten zum
Studium der Medizin. Die Zulassung zum Studium der
Rechtswissenschaft wird erwogen. Hierbei soll der Rath
hoher Militärs nicht ohne Einfluß gewesen sein, die im
Interesse der Kadettenkorps wünschen, daß die in
diesen realgymnasialcn Anstalten gewährte Vorbildung außer
für die militärische Laufbahn künftig auch zur Medizin und
auch zur Jurisprudenz berechtige. Die Oberrealschulen sollen
im Wesentlichen unverändert bleiben, also auch im Punkte
der Berechtigungen. Die Reformschulen wünscht man auch
fernerhin als „Experiment" zu behandeln, man wird sie
also weiter bestehen lassen und will auch Atadtgemeinden,
die darum bitten, nach wie vor die Erlaubniß zur Ein-
richtung geben, im Uebrigen aber weder fördernd noch
hindernd eingreifen. Dieser Reformentwurf soll demnächst
einer Konferenz von Sachverständige» zur Berathung vor-
gelegt werden.

Deutsches Reich.
— Der Kaiser richtete an den Oberbürgermeister eine
Cabinetsordre aus Urville vom 8. d. M., in der er für
die begeisterte Aufnahme, die die Reichshauptstadt dem
Kaiser Franz Joseph, seinem treuen Bundesgenossen und
Freunde, wie auch seinen anderen Gästen bereitet hat, und
für die herzliche Antheilnahme der Bevölkerung an dem
bedeutsamen Fest der Großjährigkeit des Kronprinzen seinen
Wärmsten Dank und seine Anerkennung ausspricht. Der
Kronprinz richtete an Magistrat und Stadtverordnete
ein Handschreiben, in dem er ihnen für ihre treuen Wünsche
anläßlich seines Geburtstages aufrichtig dankt.
— Zu einer im Berliner Tagebl. veröffentlichten Mit-
theilung, daß es am Kiwu-See zwischen den t sch e n
Askarisoldaten und Congotruppen zum Kampf
gekommen sei, erfährt Wolffs telegraphisches Bureau von
zuständiger Seite, daß bis jetzt in Berlin nichts darüber
bekannt ist.
Rüdes heim, 13. Mai. Die Feier am Nieder-
walddenkmal bei Anwesenheit der Mannschaften von
ber Torpedoflottille war erhebend. Viele hundert
Krieger hatten sich eingefunden. Kalle-Wiesbaden und
Ehrist-Rüdesheim hielten Ansprachen. Capitän Funke legte
einen Kranz am Denkmal nieder. Ein Telegramm wurde
wi den Kaiser gerichtet. Beim Festmahl sprach noch Re-
gierungspräsident Wenzel aus Wiesbaden.
Bingen, 14. Mai. Heute Morgen gegen 9'/, Uhr
traf der Großherzog von Hessen ein und ging sofort
"n Bord eines der von Rüdesheim herübergekommeneu
Torpedoboote. Die Flotte dampfte dann nach Mainz
°b. — In Mainz kam die Torpedoflottille gegen zwölf

Uhr an. Zwei Festdampfer mit den „Spitzen" und ge-
ladenen Gästen waren ihr bis Eltville entgegengefahren.
Metz, 14. Mai. Heute um 11 Uhr begab sich der
Kaiser mit der Bahn nach Devant-les-Ponts; die Kaiserin
war, durch ein leichtes Unwohlsein verhindert, daheim ge-
blieben. In Devant-les-Ponts besichtigte der Kaiser ein-
gehend die Bildhauerwerkstätte der Kathedrale unter Führung
des Bauraths Tornow und des Bildhauers Dujardin und
besuchte dann die Kathedrale selbst. Ganz besonderes
Interesse erweckte die neu aufgedeckte Krypta, in der eine
große Anzahl Bischöfe ihre Grabstätte gefunden haben.
Um I V, Uhr traf der Kaiser im Bezirksprästdium ein, wo
im Familienkreise das Frühstück eingenommen wurde. Um
3'/. Uhr erfolgte die Rückfahrt mit der Eisenbahn nach
Urville.
Deutscher Reichstag. Berlin, 14. Mai. Der Reichstag
setzte die zweite Berathung der Novelle der Unfall-
versicherungsgesetze für Forst- und Landwirth-
schaft bei Z 10 a, (Beschäftigungsform) fort.
Der § 10 » wird mir einem Unterantrag Hoffmann-Dillenburg,
wonach solche Personen auszunehmen sind, die nicht der Kranken-
versicherung unterliegen, soweit eS sich um forstwirthschaftliche
Betriebe bandelt, angenommen.
Eine Reihe von Paragraphen wird debattelos angenommen.
Eine weitere Anzahl von Paragraphen führt zu kurzer Debatte,
einige werden mit kleinen Abänderungen, die meisten jedoch in
der Kommissionsfassung angenommen. Schließlich wird der Rest
des Gesetzes in der Kommissionsfassung angenommen.
Es folgt Berathung des Bauunfall. Versicherungs-
gesetzes.
Es wird auf Antrag Roesicke« Dessau (wild-lib.) debattelos
sn bloo angenommen.
Morgen 1 Uhr: 2. Lesung der Militärstrafgerichtsordnung
für Kiautschou, Unfallversicherungsgesetz, Nachtragsetat.
Baden. 6l. Kehl, 12. Mai. Wie die Haltung der
Sozialdemokraten bei der Stich Wahl, die am 25.
l. M. angesetzt worden ist, sein wird, ist noch zweifelhaft.
Von der Parteileitung soll Stimmenthaltung als Parole
ausgegeben werden, was auch angesichts des gepfefferten
Wahlaufrufs vor dem 1. Wahlakt kaum anders denkbar
ist; denn darin ist am Centrum aber auch kein guter
Faden gelassen; es ist weit mehr auf die Schwarzen als
auf die bösen Liberalen losgezogen worden. Werden alle
der Parole folgen? Nun, am 25. wird man sehen, wie
weit der Einfluß der Parteileitung reicht.
L.O. Karlsruhe, 14. Mai. Hinsichtlich des An-
trags Fieser u. Gen. betreffend Erhöhung des Staats-
zuschusses an die Kreisverbände und der Petitionen
einiger Kreisverbände in gleichem Betreff stellt die Budget-
kommission den Antrag auf empfehlende Ueberweisung
in dem Sinn, daß die Regierung ersucht wird, 1) noch
dem gegenwärtigen Landtag ein Gesetz vorzulegeu, wodurch
die Kreisdotation, wie sie durch das Gesetz vom 27. Dec.
1891 festgesetzt worden ist, zu Gunsten der Kreise Kon-
stanz, Lörrach und Mosbach mit Wirkung vom 1. Januar
1900 von 960 000 Mk. auf 1 Million erhöht werden soll;
2) bei Aufstellung des nächsten Budgets die Position
Staatsunterstützung für Kreisstraßen und Gemeindewege
(Titel IX 8 § 1) entsprechend zu erhöhen und a.) ent-
weder auf Vorlage der einzelnen Gesuche um Gewährung
einer Staatsunterstützung einen höheren Prozentsatz des
Bauaufwands zu gewähren, als dem bisher üblichen Ver-
theilungsverhältniß entsprechen würde oder b) einzelnen
finanziell weniger leistungsfähigen Kreisen auf Vorlage
eines von der technischen Staatsbehörde geprüften Bau-
programms für eine Reihe v-m Unternehmungen bestimmte
Staatszuschüsse für eine oder mehrere Budgetperioden zur
Verfügung zu stellen. Die Regierung hat sich in der
Kommissionssitznng bereit erklärt, den Antrag in Erwägung
zu ziehen und zunächst noch in diesem Jahr mit Wirkung

vom 1. Januar 1900 an die Dotationssumme um 40000
Mark, also auf 1 Mill. Mark zu erhöhen und aus dieser
Erhöhung dem Kreis Konstanz 20 000 Mk., dem Kreis
Lörrach 15 000 Mk. und dem Kreis Mosbach 5000 Mk.
jährlich weiter zuzuwenden. — (Ein bezüglicher Gesetz-
entwurf wurde heute der Zweiten Kammer vorgelegt.)
LH. Karlsruhe, 14. Mai. Unter äußerst starker Be-
theiligung fand heute hier der 17. Verbandstag der badischen
landwtrthschaftlichen Konsumvereine statt. In der
vorhergehenden Versammlung wurde die Gründung einer Cen-
tralkasse der bad. landwirthsch. Ein- und Verkaufsgenossen-
schaften beschlossen. Es trugen sich sofort 55 Vereine und Einzel-
mitglieder ein. Dem Verbandstagc wohnten als Regierungs-
vertreter Ministerialrath KemS und Reg.-Rath Märklin bei. Dem
Verbände traten im letzten Jahre 32 Genossenschaften zu, eS
schieden aus 4, sodaß am Jahresschluß 470 Genossenschaften mit
80 000 Mitgliedern dem Verbände angehörten. Der Kassenumsatz
des Verbandes stieg auf 4V» Millionen. Den Vereinen konnten
82 000 Mk. Rückvergütungen gewährt werden. Der Reservefond
der einzelnen Vereine beläuft sich auf über 200000 Mk. Es
wurde beschlossen, daß der Verband mit 20 Anlheilen der Ccntral-
kasse beitrete. Im Verlaufe der Verhandlungen wurde empfohlen,
die Vereine eintragen zu lassen, der Bezug von Maschinen durch
Vermittelung des Verbandes zur rationelleren Gestaltung des
landwirthschaftlichen Betriebes und die Bildung von Eier- und
Milchabsatzgenossenschaften. Nachdrücklich befürwortet wurde die
Unterstützung zur Förderung des in den letzten Jahren anhaltend
zurückgehenden Tabakbaues. Unter anderem wird gefordert: Be-
seitigung des Maklerwescns, Erhöhung des Zolles auf aus-
ländischen Tabak und Tabakfabrikale, Verkauf oes Tabaks nur
in ausgereiftem Zustand, Bildung von Tabakoereinen, bessere
Sortenwahl rc. Zum 1. Direktor der Kasse wurde Commerzten-
raih Reiß, zum 2. Direktor Verbandssekretär Riehm, beide in
Karlsruhe, gewählt.
Badischer Landtag, ö. 6. Karlsruhe, 14. Mai.
(78. Sitzung der Zweiten Kammer.) Was kundige
Leute zum Voraus wußten, ist eingetrelen: Fieser kam
auch heute wieder nicht zum Schlußwort über das Kultus-
budget, trotzdem nur noch ein Redner für die allgemeine
Berathung vorgemerkt war. Dieser Redner hieß eben
Wacker, der erfahrungsgemäß noch nie etwas nach der
kostbaren Zeit des Landtages gefragt hat, wenn es galt,
das Kulturkampfrößlein zu tummeln. Und heute fühlte
er sich so recht in seinem Element. Für den nöthigen
Stoff hatten Staatsminister Nokk und die „Erzkultur-
kämpfer" Fieser und Obkircher gesorgt. Wacker ist zwar
als Dauerredner längst bekannt und gefürchtet; mit seiner
heutigen Leistung hat er aber alle früheren weit in den
Schatten gestellt: Ec, der „nur mit einem gewissen Wider-
willen das Wort zum zweiten Mal ergriffen", sprach
volle drei Stunden lang über alles Erdenkbare, an-
fangs in erregtem Tone, dann immer gemäßigter, zuletzt
auffallend ruhig, wohl infolge der Heiserkeit, die sich
nach und nach einstellte.
Mit breitem Behagen cttirte er alle Viertelstunden einen
längeren Passus aus einem der vielen Bücher und Broschüren,
die auf seinem Pulte aufgestapelt waren und führte je nach Be.
dürfntß, bald einen liberalen, bald einen ultramontanen Schrift-
steller als Kronzeugen für seine Behauptungen auf. Zunächst
wandte er sich gegen die Obkircher'sche Rede, die ihm anscheinend
schwer auf den Nerven saß. Von einem Spätling der badischen
Kulturkämpfer, meinte er spöttisch, halte er etwas Besseres er-
wartet. Obkircher habe wieder sein Kullurkämpferlhum als einen
Ehrentitel angesehen; mit dieser Anschauung stehe er mit Fieser
allein im nattonalliberalen Lager. Sie sollten doch endlich ein-
sehen, daß nur wenige Nationalliberale die kulturkämpferische
Aera als ein Ruhmesblatt in der badischen Geschichte betrachten.
Es zeige sich auch bet dieser Debatte wieder, daß andere hervor-
ragende Mitglieder der nattonalliberalen Partei keine Freude
mehr an kulturkämpferischen Reden haben. ^Der jesuitische Kniff
ist, wie aus der Erklärung Wllckens heroorgeht, nicht gelungen.)
Wacker suchte nun zu beweisen, daß nur Regierung und national-
liberale Partei an dem Kulturkampf die Schuld trugen. Wo in
aller Welt sei ein Anlaß gegeben gewesen zum unseligen Examen,
gesetz, zur Zerstörung der Seminare, zum Altkatholikengesetz?
In der Besetzung des Erzbischöflichen Stuhles habe die Regie-
rung stets inkorrekt gehandelt. Die Unterstellung Fteser's, als

Das Nachtmahl.
Eine Geschichte aus dem Burenleben Südafrikas.
Erzählt von einem deutschen Arzte im Kaplande.
b) (Fortsetzung.)
Auch Jacobus bildete keine Ausnahme. Als er sich der
^lrche näherte, erschienen auch die Esterhuiz, denen er sich
Wchloß. Die Menge strömte nun in den großen, aber zu
Urjjxh erhellten Raum hinein; die meisten, auch das
schöne Geschlecht, waren noch in ihren Reisekleidern, und
jedenfalls nicht in dem vollen Staat, der erst Sonntags
-."gelegt wurde. Jede Familie hatte ihre bestimmte mit
Mein Namen bezeichnte Bank, von ihr als bleibendes
^'gentdum bei Fertigstellung der Kirche gestiftet. Jacobus,
nicht über einen eigenen Platz verfügte, fand in dem
xeräumigen Sitz der Esterhuiz noch genügend Platz für seine
"ehädige Person.
Dann folgte nach dem Ritus der niederländischen refor-
Astten Kirche der schlichte Gottesdienst. Es wurde ohne
Urgelbegleitung gesungen und der Gesang war — zum
Avonlaufen. Die Muse der Musik scheint sich nicht dazu
r, "schließen ^ können, an der Burenkinder Wiege zu
Kven. Für jede einzelne Note brauchte die andächtige
Gemeinde beinahe eine Minute, so daß sie sich durch einen
d "Klnen Vers etwa in derselben Zeit hindurcharbeitete, in
^V.">an in Deutschland mit einem ganzen Kirchenliede fertig
Jacobus hatte es fertig gebracht, neben Maria zu
„An. Das Thema der Predigt lautete: „Liebet Euch
s. ?tereinander," was ihm für seinen eigenen Seelenzustand
i.A angemessen zu sein schien. Aber er machte die pein-
hche Wahrnehmung, daß sich seine liebenden Gedanken
„"schaus nicht aus seine Nachbarin konzentrirten, sondern
l,,' deren hübsche und fesche Kousine. Da er dies als eil^e
"avifche Schwäche empfand, wandte er seine Aufmerksamkeit

Maria zu und sah zu seinem Erstaunen, daß diese, während
sich ihre Augen nach einer Stelle im entgegengesetzten
Flügel die Kirche richteten, wo eine Gruppe von Männern
aufrecht bei einander stand, langsam und tief erröthetc. Und
in der unsicheren Beleuchtung erspähte er nun mit einiger
, Mühe die stattliche Gestalt eines hochgewachsenen jungen
j Mannes, den er wohl kannte; und plötzlich durchzuckte ihn
! der Gedanke, ob er sich mit der geplanten Bewerbung nicht
! vielleicht auf dem Holzwege befinden möchte. Aber er war
! doch Jacobus Smeerl und der da. der war nichts und hatte
! nichts! Nein, die Sache war beschlossen, beute Abend noch
i sollte sie ins Reine gebracht werden. Jedoch ärgerte er sich
und dachte, daß Betlie ganz gewiß nicht mit einem solchen
> Menschen Blicke tauschen würde.
Der Schlußgesang war verhallt, und es folgten jetzt noch
einige Mittheilungen des Predikanten über Gemeindeange-
legenheiten und das Programm der nächsten Tage. Unter
Anderem verlas er die Liste der am folgenden Vormittag
zu Prüfenden und nach bestandener Prüfung zu Konfirmiren-
den. Der alte Jan Esterhuiz machte plötzlich ein höchst
erstauntes Gesicht, als er dabei den Namen Hendrik van
Zijl als eines der Aufzunehmenden vernahm- Die Tante
schmunzelte: Bettie war sichtlich ebenfalls verwundert; Maria
aber schien ebenso überrascht als erfreut zu sein über den
simplen Namen, der da an ihr Ohr schlug.
Die Menge hatte sich zur Kirche hinausgedrängt. Jacobus
war zu Barnes geeilt, um an dessen Familientasel hastig
und einsilbig einen Imbiß einzunehmen. Dann verfügte er
sich ebenso eilig zu dem Quartier der Esterhuiz. Hier
wurde er in den großen Raum genöthigt, in dem die Familie
mit zahlreichen Gästen zu Abend speiste. Die freundliche
Einladung, mitzuessen, lehnte er dankend ab und wartete
geduldig in einer Ecke, bis man fertig sein würde. Es war
seine Absicht, die Mädchen zu einer Abendpromenaüe einzu-
laden, um das Leben und Treiben da draußen in Augen-
schein zu nehmen. Er hoffte, daß Bettie mit den zahlreichen
Freunden, die man antras, sich so ins Plaudern einlassen

würde, daß er Maria für sich haben und sich ihr unum-
wunden erklären könne. Seine Absicht gelang insofern, als
die Mädchen sehr willig waren, mitzukommen: was ihm
aber nicht paßte, war, daß die Tante sich anschloß.
Eigentlich war es selbitverständlin, daß man den köst-
lichen, wenn auch recht kühlen Mondscheinabend nicht im
Hause verbrachte und das thaten denn auch die wenigsten.
In den Läden herrschte wieder reges Treiben, draußen
wogte cs auf und ab. Zwischen den Wagen und Zelten
brannten jetzt Helle Feuer; gruppenweise saß man zusammen,
es wurde gekocht und geschmaust, gesungen und gelacht; hier
und da erklangen die Töne der Ziehharmonika, des einzigen
Instruments, das der Bur spielen lernt und für das er eine
große Vorliebe hegt. Manches Mädchen aber und mancher
junge Mann mußte wohl an dieser naturwüchsigen Gesellig-
keit keinen rechten Gefallen finden: sie zogen es vor. zu
verschwinden, und dort hinter der Kirche, wohin der Licht-
schein vom Lager nicht reichte, und im Schalten der
Bäume am Flußbett wunderte manches Pärchen selbander.
Amor feiert an solchen Tagen seine Siege über dies rauhe
Geschlecht.
(Fortsetzung folgt.)

Literarisches.
—Z Von den „Rad-Rundfahrten in Deutschland,
Führer für Radfahrer, von E. Wegener und I. Grüß", Verlag
von Franz Ebhardt u. Co., Berlin IV. 50, Schaperstraße 5>, die
sich als wahre Baedeker für Radfahrer darstellen, ist Band 16»
„Main-Gegend", erschienen. Der Gau X Würzburg des Deut-
schen Radfahrerbundes hat den vorliegenden Band zu seinem amt-
lichen Tourenbuch ernannt, gewiß ein gutes Zeichen für die Zu-
verlässigkeit und den praktischen Werth der „Rad-Rundfahrten in
Deutschland". Der Preis von Mk. 1,50 für den Band mit seiner
geographischen Karte, sieben Karten im Text, drei Stadlplänen
und vielen Illustrationen, ist niedrig.
 
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