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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 127-149 (1. Juni 1900 - 30. Juni 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0623

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^nsprech-Anschluß Nr. 82.

HckrlbkM ÄltilN.

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Für hiesige Geschäfts- und
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tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

131.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Donnerst»«!, den 7. Juni

I9VV.

Cinc dritte Rede des Prinzen Ludwig
von Bayern.
Die neueste Rede des Prinzen Ludwig von Bayern
mpfelt m einem Hoch auf das Bayerland und das
putsche Reich. Sie wurde in Bäu menheim ge-
Eten. wohin der Prinz sich nach Beendigung der Wander-
«.^rsammlung der bayerischen Landwirthe in Nördlingen
"Egeben hatte. Bei der in Bäumenheim veranstalteten
^Versammlung antwortete nämlich Prinz Ludwig
einen Toast auf den Prinzregentcn mit einer Rede,
^"er die die Münch. N. Nachr. Folgendes berichten:
Prinz Ludwig betonte zunächst, daß er in den letzten
^ Tagen verschiedene Theile des Bayerlandes besucht
?^be und überall auf das freundlichste willkommen ge-
lben worden sei. Er habe daraus ersehen, daß die
Ätzern überall treu zu ihrem Königshause stehen — ein
"lut, ein Volk! und besonders seinem (des Prinzen) er-
suchten, von ihm hochverehrten Vater anhängen, der trotz
Ellies hohen Alters mit nie ruhendem Eifer die Regent-
schaft führe. Er habe auch auf seinen Reisen zu seiner
3roße„ Freude die Wahrnehmung gemacht, daß alle Volks-
Massen in Bayern in befriedigenden Erwerbsverhältnissen
lkbcn und deshalb auch im großen Ganzen sich allgemeine
Zufriedenheit zeige. Es könne mit Recht gesagt werden,
baß jede Arbeitskraft ihre Gegenleistung so finde, wie sie
Arbeit gewachsen ist, und daß auch die Arbeiter in
Bäumenheim ihr gutes Fortkommen haben. Der Redner
kam sodann auf die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und
Arbeitern zu sprechen. Die Fabrik Bäumenheim bezeich-
nte er als eine Musteranstalt. Im weiteren Laufe der
Rede betonte Seine königliche Hoheit, daß es überall
Sorgen gäbe, in den niederen Volksschichten seien es
hauptsächlich Nahrungssorgen, es sei aber durchaus irrig,
unzunchmen, daß die höheren Stände sorgenfrei seien.
Die in bevorzugteren Ständen sich befindenden Personen
hätten in noch viel höherem Grade ihre Sorgen, die Ver-
antwortung wachse mit dem Wirkungskreise. Das könne
ft aus eigener Erfahrung am besten bestätigen. Es sei
aber sehr zu bedauern, daß die Bestrebungen und guten
Absichten so häufig verkannt werden. So sei es ihm in
dielen Fällen ergangen und besonders auch in seinen Be-
strebungen in der Kanalfrage. Das ganze westliche
Deutschland sei durch den Rhein, das nördliche durch ver-
schiedene andere Ströme mit dem Meere verbunden, auch
das jenseitige Bayern habe Verbindung mit dem Meere,
während das diesseitige sowie Württemberg eine derartige
Verbindung vollständig entbehre und deshalb in der Kon-
kurrenz mit dem Auslande gegenüber dem übrigen Deutsch-
land wesentlich benachtheiligt sei. Es sei daher zu hoffen,
daß die Wichtigkeit der Kanalfrage, die für die Zukunft
don hervorragender Bedeutung sei, immer mehr anerkannt
werde. Seine Thätigkeit in dieser Frage bezweck: ja nur
das allgemeine Gedeihen. Wenn die einzelnen Staaten
Vrosperiren, dann gedeihe auch das ganze deutsche Reich.
Er freue sich deshalb, durch Förderung der bayerischen
Interessen auch zur Wohlfahrt des ganzen Reiches bei-
tragen zu können. Nur durch das Zusammenwirken aller
Kreise könne daS allgemeine Beste gefördert werden, und
er wünsche, daß nicht nur Bayern, sondern mit demselben
auch das ganze deutsche Reich blühe und gedeihe, und
gelte deshalb dem Bayerlande wie auch dem Reiche sein
Hoch.
Diese Rede hat vor den neulichen Kundgebungen des
Prinzen Ludwig den Vorzug, daß sie durchaus gemein-
verständlich ist. Außerdem ist aber auch der Inhalt der
Rede ein solcher, daß man ihm zustimmen kann.

Deutsches Reich.
— Ein Parlamentsberichterstatter meldet, der
Seniorenkonvent des Reichstages sei überein-
gekommen, außer dem Flottengesetz mit seinen Deckungs-
vorlagen auch das ReichSseuchengesctz und das Handels-
provisorium mit England zu erledigen, so daß der Schluß
des Reichstages für den 12. ds. Mts. erwartet
werde.
— Die Abberufung des Generalkonsuls Focke
in Capstadt ist eine Folge der Klagen, die in letzter
Zeit gegen ihn erhoben wurden, und deren Entkräftigung
ihm nicht gelungen ist. Im wesentlichen erstreckten sie sich
darauf, daß Focke in Ausübung seines Amtes den deutsch-
nationalen Standpunkt nicht genügend zu wahren verstand
und sich in einem oder dem andern Falle zur deutschen
Kolonie nicht in das richtige Verhältniß gesetzt hat. Es
ist durchaus anzuerkennen, daß das Auswärtige Amt,
hierin zweifelsohne den Absichten des Kaisers folgend, die
Angelegenheit nicht vertuschte, sondern durch scharfes
disziplinäres Eingreifen sofort zum Abschluß brachte.
Unsere Beamten im Auslande, so führt die Köln. Ztg.
mit Recht aus, müssen sich daran gewöhnen, daß in den
Stellungen für jede Fremdthümelei kein Platz ist und daß
sie stets und unter allen Umständen dessen eingedenk sein
müssen. Der „Fall Focke", der übrigens nicht der erste
seiner Art ist, wird hoffentlich allgemein in der Beamten-
schaft beherzigt werden. Der Nachfolger Fockes, Herr
v. Lindequist, hat sich, bevor er in das auswärtige Amt
berufen wurde, mehrere Jahre als erster Regierungs-
beamter in Südwestafrika befunden, wo die Consolidirung
der Verhältnisse sehr viel seinem ruhigen und verständigen
Eingreifen zu danken hat. Wie ihm aus seiner afrikanischen
Zeit ein ausgezeichneter Ruf vorausging, so hat er auch
im Auswärtigen Amte sich als ein hervorragend tüchtiger
und taktvoller Beamter bewährt. Vor einigen Tagen
nahm er an den Verhandlungen der Goldminengesellschaft
als Vertreter der Regierung theil, wobei er sich die volle
Sympathie der Versammlung erwarb.
— Die Nordd. Allg. Ztg. erfährt: Kolonialdirektor
v. Buchka wird auf seinen Antrag von seinem Posten
enthoben werden; zu seinem Nachfolger ist der Gesandte
in Chile, St übel, auscrsehen. (Man hat es Herrn
v. Buchka zum Vorwurf gemacht, daß er große Land-
strecken im Kamerunbezirk geradezu verschenkt hat. Auch in
der Hauptversammlung der deutschen Kolonialgesellschaft
ist seine Geschäftsführung getadelt worden.)
Deutscher Reichstag. Berlin, 6. Juni. Das Haus
ist gut besucht. Auf der Tagesordnung steht die zweite
Berathung des Entwurfs einer Novelle zum Flotten-
gesetz.
Abg. Müller-Fulda berichtet als Referent über die Com-
missionsverhandlungen.
Slaatssecretäc Tirpitz will dem Bericht noch Einiges hinzu-
fügen ; Redner betont die Nothwendigkeit der Vermehrung der
Auslandsschiffe. Trotzdem haben die verbündeten Regierungen
vorgeschlagen, mit dem Mehrbedarf erst 1906 zu beginnen. Die
Motive für diese Verschiebung seien in der Regierungsvorlage
enthalten. Die Regierungen befanden sich hierbei in einer gewissen
Zwangslage. Das Wichtigste mußte zuerst in Angriff genommen
werden. Dieses Wichtigste war die heimische Schlachtflotte; die
Matertalreserve für die Auslandsflotte ist aufgebraucht. Allerdings
kann in den nächsten Jahren noch auf die Kreuzer der Schlacht-
flotte zurückgegriffen werden. Das höre aber auf, sobald die
Formation der letzteren beendet sei. In den Commissions-
berathungen wurde angeregt, für den Kriegsfall die Auslands-
schiffe zu benutzen. Das ist nicht gut möglich. Möglich ist es,
daß das Maß der Vermehrung zu hoch gegriffen, aber ebenso
möglich ist es, daß noch höhere Anforderungen bezüglich der Aus-
landsschiffe an uns heranlreten. In der Commission wurden die
Auslandsschiffe gestrichen. Ich glaube, die Regierungen werden
einer Vertagung der Entscheidung dieser Frage beistimmen

Abg. Bebel (Soc.): Wenn der Staatssccretär wohlwollend
mittheile, die Regierungen würden auf de» kleinen Abstrichen der
Commission nicht bestehen, so sei das kein Wunder. Nach sechs
Jahren werde das Centrum auch den Rest bewilligen. In den
Commissionsberathungen habe die Regierung nichts Neues vor-
gebracht; wer dadurch überzeugt worden sei, habe sich überzeugen
lassen wollen. Wie denke man sich die Situation in Europa bei
einem Krieg zwischen Deutschland und England ? Werde sich nicht
Frankreich und Rußland sofort etnmischcn? Die Handelsent-
wicklung sei unabhängig von der Zahl der Kriegsschiffe. Der
gegenwärtigen Vorlage werden nothwendig noch andere folgen.
Hundert und aber hundert Millionen würden buchstäblich ins
Wasser geworfen. Binnen wenigen Jahren seien die jetzigen
Schiffstypen veraltet, gerade so, wie jetzt Festungen mit unge-
heuren Köllen umgebant würden. Es sei wie im Jahre 1848,
wo der Berliner Magistrat die Rehberge absanden, das heißt
Sand von einer Ecke in die andere fahren ließ. In der Com-
mission sei klar aussprochen, daß man auf der rechten Seite für
eine Flottervermehrung nur stimmen wolle, wenn der Landwirth-
schaft in den künftigen Handelsverträgen stärkerer Zollschutz ge-
währt werde. Unter den übertrieben hohen Aufwendungen für
Heer und Flotte litten die Culturaufgaben. Welche Summen
habe man allein für die Flottenagitation ausgegcben? Das non
plus nltra dieser Agitation sei die Nheinfahrt der Torpedoflottille.
Caprtvt habe mit Recht gesagt, cs würden Zeiten kommen, wo
die Staaten einsehen würden, daß sie Besseres zu thun haben,
als sich gegenseitig bis aufs Blut auszusaugen, da sie alle Kräfte
anspannen müssen, um im weltgeschichtlichen Kampf milkommen
zu können.
Ab«. Graf S to lbe r g -We r nigerode (Cons.) erklärt, cS
wäre ihm lieber gewesen, wenn die Kommission die Ausland-
schiffe nicht gestrichen hätte. Auch Wähler der Sozialdemokraten
würden vermuthlich, wenn sie selbst abstimmen könnten, für die
Flottenverstärkung stimmen.
Abg. Bassermann (natl.) erklärt, seine Partei stimme für
die Vorlage in Berücksichtigung der Verstärkung der Wehrkräfte
anderer Länder. Im klebrigen sei der begeisterte Empfang der
Torpedoflottille, von dem der Abg. Bebel sprach, ein ehrlicher
gewesen.
Abg. Singer und Genossen beantragen namentliche Ab-
stimmung über 8 1.
Abg. Gro e ber (Centr.) weist die Angriffe Bebels zurück.
Von einem Umfall des Centrums sei keine Rede, die Vorlage sei
in der Kommission bedeutend verbessert worden. Das Ccntrum
bewillige die Vorlage in Anbetracht der Rüstungen anderer
Länder.
Abg. Richter (freis. Vp.): Die Mannschaften der Torpedo-
boote seien genug gefeiert worden. ,Je mehr jetzt bewilligt werde,
desto mehr würde später gefordert. Die geplante französische
Flattenvermehrung sei geringer als die deutsche und verthetle sich
auf das Mittelländische und Atlantische Meer.
Abg. Graf Arnim (Rp.) spricht sich für die Vorlage aus
und tritt den Ausführungen Richters entgegen.
Abg. Hilpert (daher. Bauernb.) lehnt die Vorlage ab.
Abg. Rickert (freis. Ver.) ist bereit, auch die Auslandsschiffe
zu bewilligen. Dem Kaiser müsse für die Erhaltung deS Friedens
ein starkes Schwert gegeben werden.
Abg. Liebermann v. Sonnenberg (Reformpartei) wird
für § 1 stimmen, behält sich aber eine endgiltige Stellung-
nahme vor.
Abg. Bebel (Soz.): Die Fahrt der Torpedoboote sei eine
Sache für politische Kinder, nicht für Männer.
Abg. Heyl zu Herrnsheim (natl.) protestirt gegen die
Darstellung, die Richter und Bebel von der Fahrt der Torpedo-
boote gegeben hätten. Tausende ernster Männer hätten die Boote
begeistert begrüßt.
Nach weiterer Debatte folgt die Abstimmung über 81
(Sollbestand). Dagegen stimmen die Sozialdemokraten, beide
Volksvarteien, Polen, bayerischer Bayernbund, Elsässer u. s. w.
8 1 wird mit 153 gegen 49 Stimmen angenommen.
Morgen 1 Uhr Fortsetzung.
Badischer Landtag. L. 6. Karlsruhe, 6. Juni.
(88. Sitzung der Zweiten Kammer.) Etngegangen
ist vom Großh. Ministerium der Justiz, des Kultus und
Unterrichts ein Gesetzentwurf „die Erziehung und den
Unterricht nicht oollsinniger Kinder betr." Auf der heutigen
Tagesordnung stand zunächst die Berathung des Antrages
der Abg. Dieterle u. Gen., Anlage eines Wasserwerks bei
Laufenburg betr. Derselbe lautet:
„Die Großh. Regierung sei zu ersuchen, wenn die Wasserkraft
bei Laufenburg der Industrie dienstbar gemacht werden soll, die
Konzessionsertheilung an die Bedingung zu knüpfen, daß die

Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.
10) (Fortsetzung.)
Als Schrecken der Verbrecherwelt war Allram nie seiner Haut
ftcher und schon einigemale nur mit knapper Noth der Rache
entlassener Sträflinge entronnen, welche er seiner Zeit hinter
schloß und Riegel gebracht. Daher hatte er auch seine
Wohnung in einer der belebtesten Straßen und in einem
Hause gewählt, wo zu allen Tageszeiten viele Leute ein- und
^usgingen, und einem revanchelüsternen Mordgesellen so
fticht keine Gelegenheit geboten war, unbemerkt zu kommen
)jnd zu gehen. Im Parterre lagen die Lokalitäten eines
o'elbesuchten Wiener Cass's; in der Hausflur batte ein
^räupler seinen Verkaussstanv errichtet; eine Treppe hoch
,Efand sich ein Tag und Nacht wohlbewachtes Bankgeschäft,
sind diesem gerade gegenüber in demselben Stockwerk war
M Eingang zu Herrn Titus Allrams bescheidener Wohnung.
war in geheimen Missionen vielfach auf Reisen, häufig
!°llar im fernen Auslande, und Doktor Gerth konnte daher
AM Glück sagen, daß er ihn zu Hause traf. Die äußere
Erscheinung des Detektives, der im Anfang der Vierzig
Ipden mochte, war eine ziemlich alltägliche, fast harmlose.
halte die gewöhnliche Mittelgröße: das glatt rasirte
.,Eficht erinnerte an einen Schauspieler, der er wohl auch
^Weilen sein mochte: in dem Blick seiner wasserblauen Augen
jsill eher etwas von Gutmüthigkeit als von jener durchboren-
Schärfe, die den Menschen bis ins Herz siebt und
jsiE ein böses Gewissen sogleich eine Warnung ist, auf seiner
^t zu sein.
e^Das Zimmer, in welchem Titus Allram den jungen Arzt
<yMng, war so einfach möblirt, daß es einen nichts weniger
»emüthlichen Eindruck machte. Man merkte, daß der
ftohner wenig auf Häuslichkeit hielt, da er selten dazu

. kam, sie zu genießen, und daß er sich nicht durch eine Be-
haglichkeit verweichlichen wollte, die sich mit dem beständigen
! gni-vivs seines Berufs nicht vertrug. Statt des Sophas
! diente ein mit Leder überzogener Lehnstuhl von ziemlich ehr-
! würdigem Alter. Aus diesem nahm Allram, wenn er jemand
! empfing, stets Platz, wobei sein Rücken den Fenstern zuge-
kehrt war, sodoß sich sein Gesicht im Schatten befand,
^ während das volle Licht auf seinen Besucher fiel. Von dem
letzteren trennte ihn ein riesiger runder Tisch, welcher mit
i Gegenständen bedeckt war, die mit der Schmucklosigkeit des
! Zimmers im seltsamsten Widerspruch standen. Da bildeten
! Bücher, Albums, aufrechtstehende Photographien in den ver-
schiedensten Rahmen, Bronzefiguren und andere kleine Luxus-
! fachen ein buntes, verwirrendes Chaos; aber sie hatten
keinen anderen Zweck als die Aufmerksamkeit von einem
sechsläufigen Revolver abzulenken, welcher unter den vielen
! hübschen Dingen wie aus Zufall so placirt war, daß Allram
ihn jeden Augenblick mit einer unmerklichen Bewegung seiner
Hand ergreifen konnte.
Der Detektiv kannte den Kriminalprozeß Georgi nur sehr
oberflächlich aus den Zeitungen des Auslandes, wo er sich
^ zu jener Zeit aufgehalten hatte. Sehr wahrscheinlich stand
ihm in den nächsten Tagen wieder eine weite Reise von
! längerer Dauer bevor. Es war daher kaum Hoffnung vor-
j Händen, daß er der Sache, die Doktor Gerth ihm vortrug,
I seine Dienste leihen konnte. Doch erklärte er wenigstens
seine Bereitwilligkeit, sich mit dem Prozeß näher bekannt zu
machen-
„Ich habe den stenographischen Bericht über die
Schwurgerichtsverdandlungen bei mir, und will Ihnen
denselben zurücklassen", sagte Gerth, die Broschüre aus der
Tasche ziehend- „Wann darf ich mir erlauben, wiederzu-
kommen?"
Der Detektiv antwortete auf diese Frage nicht. Er nahm
die Broschüre aus Gerths Hand, üderschlug sie rasch von
Anfang bis zu Ende, indem er die Blätter an seinem Daumen
abgleilen ließ, lehnte sich in seinen alten Sessel zurück und

begann von der ersten Seite an zu lesen, — als wäre sein
Besucher gar nicht vorhanden. Seine wasserblauen Augen
flogen sehr schnell, aber mit gespannter Aufmerksamkeit über
die Zeilen. Zuweilen ließ er die Schrift sinken und schien
ein paar Augenblicke nachzudenken. Aber ob er nun las oder
nachdachte, — seine Miene blieb immer unbeweglich wie
Stein, und vergebens strengte sich der junge Arzt an, aus
derselben irgend einen Eindruck herauszulesen.
So verging eine geraume Zeit, denn die Broschüre war
ziemlich umfangreich. Endlich legte sie der Detektiv vor sich
auf den Tisch. Er war zu Ende damit.
Gerths Augen hingen an dem Munde dieses Mannes.
„Der Fall liegt verzweifelt," sagte der Detektiv.
Dann trat ein längeres Schweigen ein.
„Der Vertheidiger hat zwar einige Punkte aufgegriffen,
aber damit sein Arsenal vollständig erschöpft," unterbrach
Allram endlich die Pause, indem er wieder nach der Broschüre
griff und darin blätterte. „Punkt eins: Wie dos Blut an
die Hand der Angeklagten gekommen sei, das ließe sich einfach
damit erklären, daß diese durch eine unwillkürliche Be-
wegung des Schreckens, welcher sie selbst nicht bewußt
gewesen, mit den Wunden des Erschlagenen in Berührung
gekommen sein könne. Viel unerklärlicher dagegen erscheine
es dagegen — und das ist Punkt zwei — daß an dem Mord-
instrumenle selbst keine Blutspuren entdeckt werden konnten.
Hätten diese sich von dem eisernen Hammerkops auch leicht
abwaschen lassen, so sei doch anzunehmen, daß, als der ganz
neue, offenbar frisch aus dem Laden gekommene Hammer zu
dem mörderischen Zwecke gebraucht wurde, der Stiel einige
Blutspritzer davongelragen habe, die aus dem weißen Holze
nicht spurlos entfernt werden konnten. Der Stiel sei aber
glatt, rein und unversehrt gewesen. Man könne daher die
Frage als eine offene betrachten, ob die Thal mit diesem
oder mit einem anderen Hammer von gleicher Größe aus-
geführt worden sei."
(Fortsetzung folgt.)
 
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