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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-126 (1. Mai 1900 - 31. Mai 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0565

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xi. 118.

Montag, den 21. Mai

I9VV.

Die I-vx Heinze im Reichstag.
Berlin, 19. Mai. Das Haus ist stark besucht.
Fortsetzung der Beralhung der Isx Heinze; eine Reihe
neuer Anträge ist eingegangen; dieselben finden die nöthige
Unterstützung.
Abg. v. Jazdzewski (Pole) zur Geschäftsordnung: Seine
Fraktion habe bis jetzt mit der Mehrheit gestimmt; so lange die
Minderheit sich in den Grenzen der Geschäftsordnung halten
wollte, wolle seine Partei derselben nicht hindernd in den Weg
treten, ihre gegentheilige Meinung zu äußern und zu vertreten.
Seine Partei wolle auch den Schein meiden, daß sie die Rede-
freiheit beschränke. Sie stimme daher gegen den Antrag auf
Schluß der Debatte.
Nunmehr beginnt die namentliche Abstimmung über den
Antrag auf Schluß der Debatte. Die Conservativen,
die Reichspartei, das Centrum und die Mehrheit der Reform-
Partei stimmen dafür, die Nationalliberalen, Freisinnigen, Sozial-
demokraten und Polen dagegen, Präsident Graf Ballestrem ent-
hält sich. Der Antrag wird mit 185 gegen 118 Stimmen
angenommen.
Präsident Graf Ballestrem will nunmehr sämmtliche 25
zu 8 358 gestellten Anträge zur Abstimmung bringen, die auf
Antrag Singer eine namentliche sein soll.
Abg. Singer (Soc.) führt aus: Abg. Spahn erklärte
gestern Namens seiner Partei, es sei nicht beabsichtigt, die Dis-
cussion über die neu eingebrachten Anträge zu verhindern. Die
große Mehrheit des Hauses sei also der Ansicht, daß die Dis-
kussion nicht sür diejenigen Anträge geschlossen werde, deren
Beratbung noch nicht eröffnet war.
Präsident Graf Ballestrem entgegnet, daß er gestern am
Ende der Geschästsordnungsdebatte gesagt habe, der Schluß der
Debatte beziehe sich auf sämmtliche zu § 362 eingebrachten An-
träge. Der Präsident wird die später eingebrachten Anträge
nicht zur Abstimmung bringen.
Abg. Bassermann (null,) spricht namens seiner politischen
Freunde den Wunsch aus, daß die Discussion sür die Anträge
zugelassen und eventuell eine Entscheidung des Hauses hierüber
herbeigeführt werde. Allerdings wäre es richtiger gewesen, nach-
dem während der Rede des Abg. Frohme eine Reihe weiterer
Anträge eingereicht worden wäre, den Antrag auf Schluß der
Debatte zurückzuziehen, damit die Materie nicht in zwei Thetle
getheilt werde. Das ist nicht geschehen. Es wird durch den
angenommenen Discussionsschluß nun der Schluß für diejenigen
Aniräge herbeigeführt, über die die Discussion statlgefunden hat.
Wir können unmöglich über Anträge abstimmen, deren Begrün-
dung wir überhaupt nicht gehört haben.
Abg. Dr. Spahn (Ctr.) schließt sich den Vorrednern an.
Abg. Heine (Soc.): Jedenfalls werde jetzt nur über die-
lenigen Anträge adgestimmt, deren Discussion bereits stattge-
tuuden habe.
.. Abg. Singer (Soc.) beantragt, die Discussion über die
übrigen Anträge zu eröffnen.
Präsident Gras Ballestrem: Er stimme völlig mit dem
Vorredner überein; er habe nur gemeint, daß jetzt in der Ab-
stimmung ein Antrag über die Eröffnung der Discussion unzu-
lässig sei.
Abg. Sattler (natl.): Der Präsident möge sich klar und
lchlüssig darüber aussprechen, ob eine Discussion stattfinden solle
oder nicht.
Der Präsident erwidert, die Discussion solle jetzt gleich
nicht statlfinden.
. Abg. Dr. v. Levetzow (cons.): Da der Antrag Singer vor
der Einbringung des Schlußantrags zur Discussion .noch nicht
ässtellt, könne man nach der Geschäftsordnung zunächst die Ab-
stimmung über den Paragraphen vornehmen, nachherstönne^noch-
Nials die Discussion eröffnet werden.
Abg. Singer (Soc.) beantragt, die Abstimmung über Z 362
ouszusetzen.8
y Präsident Graf Ballestrem schlägt vor, zunächst über den
Antrag Beckh-Koburg, über die drei Anträge Heine zu 8 362 und
den Antrag Albrccht, schließlich über die einzelnen Absätze und
dann über den ganzen Paragraphen abzustimmen. (Großer
>ärui; Rufe.) Präsident Graf Ballestrem.(fortfahrend) : Also
as Haus ist mit der Vornahme der Abstimmung.einverstanden.

d

(Bedeutender Lärm; Rufe: nein, nein.)
. Abg. Haußmaun (südd. Volksp.) verlangt Auskunft, ob
?^c Diskussion zugelassen sei oder nicht. Der Präsident möge
ls'Ne persönliche Meinung darüber äußern, sonst tappe mau im
Dunkeln.
^Präsident Graf Ballcstrem: Persönliche Meinungen habe
? überhaupt nicht auszudrücken. Im übrigen sollten Sie mich
m weit kennen, daß ich Ihnen keine Fallstricke lege.
Abg. Singer (Soz.) zieht seinen Antrag zurück.
Es folgt die namentliche Abstimmung über den Antrag Beckh-
, oburg. Der Antrag wird mit 225 gegen 75 Stimmen adge-
?Ehnt, bei einer Stimmenthaltung; der erste Absatz des 8 362
mit 255 gegen 56 Stimmen bei einer Stimmenthaltung
aufrecht erhalten. Es folgt sodann namentliche Abstimmung
wird mit 229 gegen 71 Stimmen unver-

äb

. er 8 362. Dieser
"den angenommen.
Sodann wird über den Eventualantrag Albrccht und Ge-
gossen zu 8 362 namentlich abgestimmt und der Antrag mit 224
°egen 77 Stimmen abgelehnt; ein weiterer Antrag Albrecht wird
?enfalls in namentlicher Abstimmung mit 226 gegen 78 Stim»
^en abgelehnt.
k,, ^s folgt die sechste namentliche Abstimmung. 8 362 Abs. 4
g 'r° in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Lesung mit 238
^gen 57 Stimmen angenommen.
. Es wird die siebente namentliche Abstimmung über den An-
k Heine, nach dem die sittenpolizetlichc Kontrolc nur nach
. rangegangenem gerichtlichem Urtheil zulässig sein soll, vorge-
°wmen. Er wird mit 216 gegen 76 Stimmen abgelehnt,
ia, ochter namentlicher Abstimmung wird der Antrag Heine,
h- Arbeitshaus- untergebrachle Personen von jugendlichen Personen,
>n einer Besserungsanstalt tnternirt sind, getrennt zu halten,
214 gegen 72 Stimmen abgelehnt. — Ein weiterer Antrag
Me, Glücksspicler im Arbeitshause unterzubringen, wird mit
Segen 60 Stimmen abgelehnt und in der zehnten nament-
Abstimmung 8 362 mit 200 gegen 64 Stimmen ange-
">Men.
Hierauf wird ein Vertagungsantrag debatteloS angenommen.
Präsident Graf Ballestrem schlägt für Montag den Rest
heutigen Tagesordnung vor.
Üb S i n g er (Soc.) bittest die eingebrachte Interpellation
Da» Contracibruch der ländlichen Arbeiter auf die nächste
sesordnung zu fetzen.
räsident: Der Reichskanzler habe erklärt, er würde die
>r,jj ^stcUatton am Montag nicht beantworten können, da er erst
oen Regierungen Rücksprache nehmen müsse.

Abg. Singer (Soc.) wiederholt seine Bitte; er würde ab-
warten, was der Reichskanzler sage.
Abg. Spahn (Centr.) beantragt, die Interpellation an zweiter
Stelle auf die Tagesordnung zu setzen.
Präsident: Er fasse die Geschäftsordnung nicht nach dem
Buchstaben, sondern nach dem Geiste auf. Als zweiter Punkt
Würde die Interpellation ebenso wenig zur Besprechung kommen,
als wenn sie nicht auf der Tagesordnung stände.
Abg. Spahn zieht seinen Antrag zurück.
Montag 1 Uhr: Interpellation Singer; dann Fortsetzung der
heutigen Äerathung.
Schluß 7'/. Uhr. _

Deutsches Reich
— Die Erklärung, die der Abgeordn. Bassermann
Namens der Nationalliberalen am letzten Freitag
im R ei chs t a g begab, lautete folgendermaßen:
Meine politischen Freunde sind der Ansicht, daß die nachträg-
lich eingeretchten Anträge zur Diskussion zugelassen
werden müssen, und zwar auf Grund des 8 20, Absatz 2
der Geschäftsordnung, der dahin lautet: „Abänderungsanträge
zu einem einzelnen Artikel können in der Zwischenzeit und im
Laufe der Verhandlungen eingebracht werden." Ich möchte mich
auch meinerseits gegen die Aeußerung des Herrn von Kardorff
wenden, daß die Majorität Herr über die Geschäftsord-
nung sei. Das würde in der That eine Vergewaltigung
der Minorität bedeuten, die wir in keiner Weise billigen können
(Lebhafter Beifall.) Das würde Zustände in unseren Parlamen
ten herbeiführen, die kein Patriot für wünschenswerth halten
kann. (Lebhafter Beifall.) Die Geschäftsordnung ist das G e-
sctz dieses Hauses. (Beifall.) Wir sind der Ansicht, daß
jede Partei gleichmäßig ein Interesse daran haben muß, daß
dieser Gesetz nicht verletzt wird. (Beifall.) Wenn die Geschäfts-
ordnung unzureichend ist oder wenn eine Partei dieser Meinung
ist, dann möge man den Mnth haben (sehr gutl), Anträge au'
Abänderung der Geschäftsordnung zu stellen; dann werden
sie im Hause geprüft werden, man wird einen Beschluß darüber
fassen. Wir haben uns, was meine Fraktion anlangt, an der
letzten Obstruktion, die in den Märztagen erfolgt ist, in
keiner Weise betheiligt. Wir haben auch in keiner Weise die
Diskussion durch Reden oder Stellung von Anträgen aufgehalten.
Wir haben uns an der Obstruktion nicht betheiligt, weil wir das
gewählte Mittel für ein unrichtiges halten, und weil wir im Eiw
klang mit den Aeußerungen von vorhin auch unserseits der An
sicht sind, daß, wenn das Mittel der Obstruktion wiederholt wer-
den sollte auch bei andern Fragen, damit thalsächlich eine Ge-
fährdung des ganzen parlamentarischen Systems verbunden wäre.
(Hört, hört! und Beifall rechts.) Aber wenn wir diesen Stand'
Punkt eingenommen, die Obstruktion scharf mißbilligt haben, so
ist unserseits die Voraussetzung für unsere Betheiligung an den
Abstimmungen die, daß das Gesetz des Hauses in keiner Weise
verletzt wird. (Sehr gut! links.) Die gestellten Anträge sind
zulässig nach 8 20 Absatz 2 der Geschäftsordnung, sie sind
rechtzeitig eingebracht während des Verlaufs der Diskussion, über
sie mug die Diskussion eröffnet werden. Ich möchte
dringend die Majorität des Hauses bitten, daß sie in diesem
Sinne verfährt. Geschieht das dennoch nicht, so werden wir
daraus die nothwendigen Consequenzcn ziehen. (Stur
Mischer Beifall links und große Bewegung.)
— Der Antrag auf Vertagung, der am Freitag
zur namentlichen Abstimmung und Konstatirung der Be
schlußuufähigkeit des Reichstags führte, ist von den
nationailiberalen Abgeordneten Bassermann, Sattler und
Büsing gestellt worden. Die ausführlichen Berichte über
das auf die Antragstellung Folgende erzählen:
Es erfolgt zunächst die Abstimmung über den Ver-
tagungsantrag. Dafür stimmen Nationalliberale, Frei-
sinnige und Sozialdemokraten. Das Bureau ist zweifelhaft. Die
Gegenprobe mit Centrum und Rechten ergiebt ebenfalls Zweifel.
Das Haus entscheidet also durch Hammelsprung. Der Präsident
läßt den Saal räumen. Als die Thüren zur Abstimmung ge-
öffnet werden und Konservative und Centrum in langen Reihen
zur Neinthür hereinflicßen, erscheint Niemand in der I a-
thür. Präsident v. Ballestrem wiederholt mehrmals unter fort-
währender Heiterkeit der wenigen Anwesenden die Aufforderung,
den Eintritt zu bewirken. Es wird aber alsbald die Absicht
der Linken klar, angesichts des Versuchs vomCentrum
und den Konservativen, die Obstruktion in einer Dauersitzung
auszuh ungern, die Beschlußunfähigkeit hcrbei-
zuführcn. Von den Parteien der Linken einschließlich der National-
liberalen erscheinen die Parteiführer mit wenigen Mitgliedern;
sonst bleiben die Bänke leer. Dagegen sieht man durch die weit
geöffnete Jathür auf der konservativen Seite die in dem Foyer
dicht zusammengepferchte Schaar der Linken, welche außerhalb
des Saales auf den Schluß der Abstimmung wartet. Vor der
Thür drängen sich abwechselnd Gruppen der Konservativen,
welche die draußen Stehenden haranguiren.
Der Präsident schließt die Abstimmung. Das Bureau stimmt
ab. Graf Ballestrem enthält sich der Stimmabgabe. Die Thüren
werden geöffnet und die übrigen Abgeordneten strömen wieder in
den Saal hinein. Die Rechte und das Centrum enthalten sich
geräuschvoller Kundgebungen, zu denen einzelne Herren anfangs
angesetzt haben. Der Präsident verkündet das Abstimmungs-
erge b n i ß: 10 mit ja, 183 mit nein, 1 Stimmenthaltung,
also Beschlußunfähigkeit. (Stürmische Heiterkeit der
Linken.)
— Nachdem so viel über die katholische Fakultät
der Universität Straßburg gesprochen und geschriebent
worden ist, hat es ein besonderes Interesse, was Herr v.
Hertling, der die Verhandlungen mit Rom führte, in
der gestrigen Sitzung der Centrumsfraction darüber erzählt
hat. Wie die Germania berichtet, hat Herr v. Hertling
sich dahin geäußert, daß ihm der heilige Vater noch in der
Abschiedsaudienz die Geneigtheit ausgesprochen habe, dem
Wunsche der deutschen Regierung und der weit überwie-
genden Mehrheit der kirchlichen, politischen und journalisti-
schen Vertretung des katholischen Deutschlands nachzukom-
men, ebenso sei Kardinal Rampolla kein Gegner des Pla-
nes, auch nicht Kardinal Steinhuber, endlich auch nicht
die Jesuiten, sodaß man sich mit einigem Staunen fragen
muß, wer denn dann eigentlich, da keine einflußreichen
Gegner des Planes vorhanden sind, seine zum mindesten
zeitweise Hintertreibung durchgesetzt haben kann. Darüber
scheint Herr v. Hertling nur eine leichte, und, wie wir

gleich hinzufügen wollen, nicht voll befriedigende Andeutung
gegeben zu haben, indem die Gegnerschaft des Kardinals
Gotti als ein öffentliches Geheimniß bezeichnet wird. Ueber
die Umtriebe des elsässischen Clerus uud über von außen
kommende Einwirkungen scheint Herr v. Hertling sich nicht
geäußert zu haben.
— Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Meldungen von
Regierungs- und Geri cht sasse sso ren zum Colo-
nial d i e n st gingen in letzter Zeit nur in geringer Anzahl
ein. Von zuständiger Seite wird darauf aufmerksam ge-
macht, daß für solche Herren im Colonialdienst gegenwärtig
noch Verwendung ist. Auskunft ertheilt die Colonial-
abtheilung des Auswärtigen Amtes.
Wiesbaden, 19. Mai. Nach dem Theater vereinigte
der Kaiser die Herren seiner Umgebung bei sich im
Schloß. Als er sich auf dem Balkon zeigte, wurde er
von einer überaus zahlreichen Menschenmenge stürmisch be-
grüßt. Heute Morgen 8 Uhr unternahm der Kaiser eine
Ausfahrt und daran anschließend einen Spaziergang im
Wald hinter dem Nerothal. Um 10 Uhr fand auf dem
Platz vor dem Kurhause eine Parade der hiesigen Garnison
und der Unteroffizierschule in Biebrich statt. Der Kaiser
wird gegen Mittag aus den Händen des russischen Marine-
attachss, Fregattencapitäns Pauli, die neue russische Marine-
Rangliste entgegennehmen.
Baden. 8.6. Karlsruhe, 18. Mai. Die Budget-
kommission der Ersten Kammer steht dem vielfach aus-
gesprochenen Wunsch nach Ausgabe von Kilometer-
heften » 500 Kilometer sympathisch gegenüber. Zum
mindesten sollten nach Ansicht der Kommission derartige
Hefte für die III. Klasse zur Ausgabe gelangen. Einer
Reduktion des Preises der Kilometerhefte dritter Klasse von
25 auf 20 Mk. will der Bericht des Geh. Raths Eng-
ler leider nicht das Wort reden; es könnte eine vorzeitige
Reduktion der Schnellzugspreise der cndgiltigen Erledigung
der angestrebten allgemeinen Tarifreform unter Umständen
nur hemmend im Wege stehen. Hinsichtlich der gesetz-
lichen Festlegung der Tarife (Antrag Heimbur-
ger u. Gen.) ist die Kommission der Ansicht, daß, weil
die Kammern das Recht haben, bei der Budgetberathung
das Vorgehen der Regierung und damit auch deren Maß-
regeln hinsichtlich des Tarifs einer eingehenden Prüfung
zu unterziehen, dasjenige Maß von Mitwirkung
und Kontrole gegeben erscheine (?), das sich mit der
Leitung eines solchen Betriebs vertrage. Die Platz-
karten für die O-Züge hält die Komimssion für eine be-
währte Einrichtung und spricht sich für deren Beibehaltung
aus. Mit Wärme tritt die Kommission sür Erhöhung der
Bezüge unserer Eisenbahubeamten, vor allem der höchsten
technischen Beamten ein. Nur auf diesem Wege werde es
möglich sein, dem Mangel an Ingenieuren abzuhelfen und
hervorragende Techniker für den staatlichen Dienst und für
die Eisenbahnverwaltung festzuhalten. Ein industrieller
Betrieb von dem gewaltigen Umfang der badischen Staats-
eisenbahnen sollte in Gestalt eines freien Dispositions-
fonds außerdem auch noch die nöthigen Mittel an der
Hand haben, um hervorragende Techniker, denen sehr oft
verlockende Anerbietungen zum Eintritt in privaten Dienst
gemacht werden, für den badischen Eisenbahndienst fest-
zuhalten.
8. U. Karlsruhe, 18. Mai. Die von der Großh.
Steuerdirektion gefertigte Statistik der Biersteuer im
Großherzogthum Baden für das Jahr 1899 giebt ein
interessantes Bild über die biersteuerlichen Verhältnisse.
Zu könstaliren ist wiederum eine Abnahme der Bier-
brauereien von 796 auf 733, also um 63, trotzdem hat
ein größerer Malzverbrauch und eine größere Biererzeugung
tattgefunden. Der Grund ist wohl darin zu finden, daß
eine größere Anzahl kleinerer Betriebe in die Großbrauereien
aufgegangen ist. An Malz wurden insgesammr 721000
Doppelcentner (ff- 16 621) verbraucht. Die Biererzeugung
stellt sich auf 3 093 743 di (ff- 178 288 dl). Hieraus
gingen an Steuern über 8 Mll. Mark ein. Die Bier-
ausfuhr mit 248 000 dl überwicgt die Biereinfuhr mit
237000 dl noch um einiges. Die stärkste Bierausfuhr
indet nach Elsaß-Lothringen mit 142 433 di statt und
die stärkste Biereinfuhr von Bayern mit 163 953 dl. Be-
merkenswerth ist die. Zunahme der einheimischen Bier-
erzeugung und der Biereinfuhr einerseits und dann die
Abnahme der Bierausfuhr andererseits, woraus sich ein
gesteigerter Verbrauch im eigenen Lande ergiebt.
8.0. Karlsruhe, 19. Mai. Die Budgetcom-
mission der Zweiten Kammer beantragte einstimmig der
m Aussicht genommenen Verlegung des Karlsruher
Bahnhofes zuzustimmen und für die Erwerbung des
erforderlichen Geländes eine erste Rate im Betrag von 1
Million Mark zu bewilligen. Für den Beschluß der Com-
mission war die Erklärung der Regierung ausschlaggebend,
daß sie bei der zu erwartenden weiteren Steigerung des
Verkehrs in absehbarer Zeit nicht mehr in der Lage sein
werde, die volle Verantwortung für die Sicherheit des Be-
triebs auf dem Karlsruher Bahnhof zu übernehmen. Außer-
dem kommt in Betracht, Laß die vorliegende Lösung der
Karlsruher Bahnhoffrage die billigste ist. Die Ent-
schließung über die Ausführung des Baues auf Vorlage
der definitiven Pläne und Kostenvoranschläge soll erst auf
dem nächsten Landtag erfolgen.
 
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