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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (1. Februar 1900 - 28. Februar 1900)
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Hr. 29. Erstes Klstt. K»slag, den 3. Kbrssr

1SVV.

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auf die Heidelberger Zeitung für die Monate Februar und
März werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
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Expedition, Untere Neckarstraße 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich uur 50 Psg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für die Monate Februar
Und März, wenn am Schalter abgeholt, 84 Pfennig, mit
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Der Dank des Kaisers.
Der Reichsanzeiger veröffentlicht nachfolgenden Erlaß
des Kaisers: Unter dem schmerzlichen Einfluß des
Hinscheidens der Herzogin Friedrich habe ich
weinen diesjährigen Geburtstag mit wehmüthigen
Empfindungen begangen. Die Trauer um die hohe Ent-
schlafene bannte die sonstige Festesfreude in meinem
Hause. Um so lauter sprachen die zahlreichen Kund-
gebungen zu meinem Herzen, die mir mit der Theilnahme
an dem schweren Verluste treue Segenswünsche zu dem
Eintritt in ein neues Lebensjahr von nah und fern zum
Ausdruck brachten. Wahrhaft erhebend war für mich aus
Mannigfachen Zuschriften und Telegrammen zu ersehen,
welch lebhaften Widerhall Freud und Leid meines
Hauses in den Herzen des deutschen Volkes findet und
mit welchen freundlichen Gesinnungen meiner an diesem
Tage gedacht wird. Selbst in fernen Welttheilen, wo
bur immer Pioniere deutscher Kultur und Gesittung Fuß
gesaßt haben, vereinigten sich die Deutschen, um Zeugniß
von dem Gefühl der Zusammengehörigkeit mit der
Heimath und der Freude über das wachsende Ansehen des
deutschen Namens im Auslande abzulegcn. Mit besonderer
Befriedigung begegnete ich den Kundgebungen, die
das Verständniß für die dringende Noth-
wendigkeit bezeugten, eine der Weltstellung
des deutschen Reiches und seiner Handels-
interessen entsprechende Flotte zu schaffen,
und nehme die vielfachen Versicherungen treuer Mitarbeit
an dieser großen nationalen Aufgabe mit herzlicher Freude
entgegen. Allen aber, die mir zu meinem Geburtstage
freundliche Wünsche und Aufmerksamkeiten spendeten, gebe
ich hierdurch meinen wärmsten Dank zu erkennen.

Eine neue Schwierigkeit für England.

Während in Südafrika englische Generäle ein über
das andere Mal von den Buren geschlagen werden, hatte
England in Centralafrika Glück. Der Khalifa wurde von
ihnen geschlagen und gctödtet, sein allein übrig gebliebener
Häuptling Osman Digma fiel in englische Gefangenschaft.
Die Herrschaft des Mahdismus war damit nicht nur ge-
brochen, sondern auch im innersten Kern zerstört und ver-
nichtet. Das Glück lächelte England im Sudan.
Jetzt aber kommen Nachrichten, welche auch dort
Schwierigkeiten für England verkündigen. Wie man weiß,
dvt England Aegypten sehr gegen den Willen der Aegypter
"Esetzt. Der jetzige Khedive, ein junger Mann, hat mehr-
wals den Versuch gemacht, das englische Joch abzuschütteln,
über bei den ersten vorbereitenden Schritten legte sich
lrweils Englands schwere Hand auf ihn und zwang ihn
w eine demüthige Haltung zurück.
Englands Heeresmacht in Aegypten ist durchaus nicht
.^°ß, vielmehr stützt sich die englische Herrschaft im wesent-
,.chen auf die eingeborene ägyptische Armee, die von eng-
ten Offizieren geführt wird. Ein paar englische
^vtaillone geben diesen Offizieren den nöthigen Hinterhalt.
lange England andern Orts nicht engagirt war und
. ^ Großmacht unversehrt dastand, ging Alles gut. Seit
ein Burenkrieg aber reicht das Ansehen Englands in
Ägypten nicht mehr aus, um ihm seine Stellung dort zu
' Wern. Die ägyptischen Truppen werden unruhig, für
vgland ein fatales Ereigniß. Wenn Aegypten heute
wderum einen Araber-Pascha aufzuweisen hat, der, die
^Erlegenheit Englands ausnutzend, die Parole „Los von
Ngland" ausgiebt, dann wird die Situation für die
Ellen schon kritisch.
laut t ° dieser neuerdings vorliegende Meldung

Kairo, 2. Febr. Die öffentliche Meinung be-
schäftigt sich in lebhaften Worten mit der wachsenden
^"Zufriedenheit in der ägyptischen Armee.
Diese beklagt sich über die Mißhandlungen seitens der
Englische» Offiziere, sowie über heimliche Sendungen
ägyptischen Truppen und Kriegsmaterial nach Süd-
svika, was der Neutralität Aegyptens widerspricht. Die
Ngljsche Regierung, welche bezüglich der Haltung
er schwarzen Truppen in Unruhe ist, ersuchte den
hedive um Vermittelung; dieser forderte die
ruppen zum Gehorsam auf. Trotzdem besteht weiter
«roste Besorgniß. Aegypten ist fast völlig von europäischen
Gruppen entblößt.
wüks " ^ Engländer schon den Khedive bitten
schm- .f>er sich Englands Macht seit Jahren nur mit
Laa/i bezähmtem Groll und Haß fügt, dann muß die
u >n der That bedenklich geworden sein.

Deutsches Reich
— Nach der Freisinnigen Zeitung hat die Freisin-
nige Volkspartei „einmüthig und einstimmig"
den Beschluß gefaßt, die Novelle zum Fl vtten gesetz
abz »lehnen; sie hat sich aber Vorbehalten, bei den
Etalsberathungen „eventuell" auch gewisse Verstärkungen
der Flotte zu bewilligen. Was unter solchem Vorbehalt
„eventueller" Bewilligungen zu verstehen ist, weiß man
aus Erfahrung. So lauge Eugen Richter die freisinnige
Partei führt, ist an eine Aenderung dieser Verhältnisse
nicht zu denken. Soweit aus der Presse bekannt geworden,
haben Beschlüsse, die Novelle rundweg abzulehnen, bisher
nur die Polen, Welfen und Elsässer gefaßt.
Kiel, 2. Febr. Prinz Heinrich von Preußen
trifft am 18. Februar hier ein. Die Bürgerschaft bereitet
einen großen Festzug vor, wozu sich bisher 15 000 Theil-
nchmer angcmeldet haben.
Baden. Der katholische Professor für Geschichte, Dr.
Finke in Freiburg, hielt kürzlich seine offizielle Antritts-
rede über „Die Auffassung des ausgehenden
Mittelalters". Die Bad. Landesztg. gibt eine Skizze
des interessanten Vortrags:
Es wurde gezeigt, wie verschiedenartig diese Zeit als Ueber-
gangszeit aufgefaßt, wie gerade ihre Durchforschung vernach-
jässigt wurde. Bessernd in dieser Hinsicht wirkte der erste Band
von Janssens bekannter Geschichte mit ausgiebiger Berücksichti-
gung wirthschaftlicher und sozialer Zustände. Dieses Forschers
Streben nach lauterer Wahrheit sei freilich durch den apolo-
getischen Zug seines Wesens beeinträchtigt worden, der ibn
die für die Kirche nachtheiligen Momente zu leicht nehmen ließ.
Der jetzige Stand der Erforschung des ausgehenden Mittelalters
lasse wenigstens im Gebiete der Profangeschichte einige Einigung
der entgegengesetzten konfessionellen Auffassungen auf die unum-
stößlichen Wahrheiten zu, zunächst natürlich noch mit gegen-
seitiger Retouche des Schwarz zu Weiß. Gerade um den Weg
hierzu einigermaßen anzudeuten, bringe Redner, abweichend von
dem Gebrauche bei einer Antrittsrede, nicht seine eigenen
Forschungen.
Die allgemeinen Ausführungen dieser Art waren wohl
für die Hörer beider Konfessionen und Geistesrichtungen
eine allerdings verschiedenartige Ueberraschung. Von dem
Lehrstuhl, für den selbst ein orthodox katholischer Mann
wie Pastor eine Zeitlang in Betracht kommen konnte, und
angesichts des noch aus der Jesuitenzeit herstammenden
Jesuitenzeichens im Mittelpunkt der Auladecke verkündete
der Gelehrte in ruhigen Worten, was u. a. als solches
sicheres Ergebniß aller Quellen für diese Zeit vor-
zusehen sei:
Die große Unbildung der gesammten Geistlichkeit, die höchstens
einige örtliche Ausnahmen als Bestätigung des Ganzen zeigte;
die Zügellosigkeit der höheren kirchlichen Kreise (was im 12. Jahr-
hundert noch Ausnahme bei Geistlichen war, war jetzt Regel ge-
worden); bei den Laien der Kampf gegen die päpstliche Kurie mit
allen Waffen wie noch nie; die Erbitterung darüber, daß von der
Kurie alles. selbst das Religiöse vom Standpunkt einer ziel-
bewußten Finanzpolitik betrachtet wurde (also alles auf das
Geld hinausging); die Sehnsucht nach Besserung dieser kirchlichen
Verhältnisse; das Fehlschlagen aller Reformen und Konzile; die
Vereinigung all der Hoffnungen zu einem idealen Bild der christ-
lichen Kirche, von dem die vorhandene Kirche als das Böse scharf
geschieden wird. Alles das zeigt ein Bild geistiger Kämpfe, wie
sie dem gewaltigen Geisteskamps, der zur neueren Z:it überführt,
vorangehcn mußte.
Karlsruhe, 1. Febr. Unter dem Vorsitz der Groß-
herzogin fand vor einigen Tagen eine zweite Berathung
von Karlsruher und auswärtigen Mitgliedern des Bad.
Frauenvereins und anderer Wohlthätigkeitsvereine be-
züglich der Abwehrmaßregeln gegen Weiterverbreitung der
Tuberkulose statt. Den Verhandlungen wohnten auch
die Oberbürgermeister von Karlsruhe, Mannheim, Heidel-
berg und Pforzheim an. Eingeleilet wurden die Berath-
ungen durch den Generalsekretär des Badischen Frauen-
vereins, Geheimrath Sachs, worauf die von der Großher-
zogin gewünschte Erläuterung der von dem Medicinal-
referenten im Ministerium des Innern, Geheimrath Dr.
Battlehner, verfaßten Belehrung folgte. Als sehr erfreu-
lich wurden von der Versammlung die sich hieran knüpfen-
den Ausführungen der Oberbürgermeister begrüßt, die er-
kennen ließen, wie sehr auch die Stadtvertrctungeu die
Bekämpfung der Tuberkulose anstreben und daß sie bereit
sind, den Mitgliedern des Bad. Frauenvereins bei der Aus-
übung ihrer Wohlfahrtsbestrebungen alle wünschenswerthe
Hilfe angedeihen zu lassen. _
Aus der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 2. Februar. Die Kronprinzessin
von Schweden und Norwegen beabsichtigt, nächsten Diens-
tag, den 6. ds,, hier einzutrcffen und einige Tage bei
ihren Eltern zu verweilen. Der Erbgroßherzog und die
Erbgroßherzogin gedenken ebenfalls für diese Zeit hierher
zu kommen.

Ausland.
Oesterreich. Wien, 2. Febr. Der Kaiser empfing
den Prinzen Maximilian von Baden in außer-
ordentlicher Audienz.
Wien, 2. Febr. Heute Vormittag fand eine große
Kundgebung für die Buren im Musikvereinsaal unter
Theilnahme von mehr als 3000 der besseren Stände statt;
auch der holländische Gesandte war anwesend. Der Ab-
geordnete Wolf eröffnet- die Versammlung und der Schubert-
bund sang das „Burengebet" und die Schlußhymne. Die
Versammlung nahm unter stürmischem Beifall eine Reso-

lution an, worin sie den Buren ihre Sympathie ausspricht
und beschloß, ein Telegramm an Dr. Leyds zu senden.
Rußland. Petersburg, 2. Febr. Der in wich-
tiger und dringender Angelegenheit eingetroffene General«
gouvcrneur von Turkestan begibt sich unverzüglich
auf leinen Posten zurück.
England. London, 2. Febr. Nach der Franks.
Zeitung hat sich herausgestellt, daß die neuen Lee-Enfield
Karabiner, welche der in den nächsten Tagen nach Süd-
afrika abgehenden vierten Kavallerie-Brigade geliefert
wurden, so unbrauchbar sind, daß man sie zurücknehmen
und die Truppe wieder mit ihren alten Lee-Metford
Karabinern ausrüsten mußte. Nachdem die neuen Ge-
wehre nur wenige Tage im Gebrauch gewesen waren,
zeigte sich, daß sie auf 100 bis 250 Meter zu kurz vistrt
sind und daß auch die Nadel, welche auf die Patrone
aufschlägt, in vielen Fällen zu kurz ist, sodaß bei manchen
Gewehren bis zu 45 Prozent der Schüsse versagen. Die
nach Afrika abgegangenen Londoner Volunteers sind eben-
falls mit diesen Gewehren versehen und die Stimmung,
welche in allen Volunteerskreisen gegen das Kriegs-
ministerium herrschst ist daher außerordentlich erbittert.
Italien. Rom, 1. Febr. Der Kardinalvikar
Jacobini ist soeben gestorben. (Kardinal Domenico
Jacobini, der Bruder des bekannten, in den achtziger
Jahren verstorbenen Kardinalstaatssekretärs, war in Rom
am 3 September 1837 gebaren uud gehörte zu den so-
genannten „Papabili" das heißt zu denjenigen Kardinälen.
welche für den Fall eines Konklaves auf der Liste der
Kandidaten für den Stuhl Petri standen.)
Afrika. Wenn es wirklich wahr ist, daß Buller an
drei Punkten den Tugcla wieder überschritten hat,
so glaubt man, daß er versuchen werde, unter dem Schutz
der Kanonen auf dem Aliceberg östlich von Potgietersdrift
vorzudringen. Doch sind das alles nur Muthmatzungen.
Eine amtliche Meldung von dem erneuten Uebergang über
den Fluß liegt nicht vor. — Aus Kapstadt erhielt die
Exchange Telegraph Company die Nachricht, daß der
Sekretär von Cecil Rhodes bei einem Fluchtversuch
aus Kimberley verhaftet und nach Bloemfontein gebracht
wurde. — Aus Spearmans-Camp, 2. Febr., wird
gemeldet: Dundonalds Kavallerie führte gestern
eine Erkundigung westlich von Homerspoort aus. Der
Feind wurde nicht gesehen. Doch wurden zwei Joche der
neu erbauten Brücke bei Giles zerstört aufgefunden.
Asien. Wie der Ostas. Lloyd meldet, ist dem japa-
nischen Reichstag ein Gesetzentwurf zugegangen, wo-
nach Las Rauchen allen Japanern unter 18 Jahren
verboten ist. Das Cigarettenrauchcn ist in Japan ge-
radezu eine Landplage geworden; es ist nichts Ungewöhn-
liches, Kinder von 7 oder 8 Jahren rauchen zu sehen.
Wer hinfürder noch nicht 18 Jahre alt ist und beim
Rauchen betroffen wird, soll mit einer Geldstrafe von 10
Sen bis zu 1 Jen bestraft werden; wer Kindern Tabak
verabfolgt, mit einer solchen von 1 bis 10 Aen. Ob ein
Gesetz im Stande sein wird, das Uebel wirklich auszurot-
ten, darf allerdings bezweifelt werden.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 3. Februar.
-s- Der 1. Vortrag des evangelischen Bundes fand vorgestern
statt. Der Vorsitzende de« Ortsveretns, Herr Geh. Hofrath
Merx, begrüßte die zahlreiche Versammlung. Zweck dieser Vor-
träge sei, das protestantische Bewußtsein zu stärken. Dies ge-
schehe in hohem Maße, wenn wir cs lernen, die literarische
Bewegung, in der sich der Geist der jüngsten Vergangenheit
treuer spiegelt als irgendwo anders, und ln der sich die geistigen
Kräfte der Zukunft am deutlichsten aukündigen, vom evangelisch-
christlichen Standpunkte aus zu würdigen. Wenn Männer wie
Zosen und Zola unter die zu besprechenden Dichter ausgenommen
seien, so ser die Absicht nicht, einen pikanten Reiz auszuüben,
sondern es werde dies durch die ethische und auch religiöse Be-
deutung der beiden großen Schriftsteller erfordert. Hieraus hielt
Herr Direktor Keller von Freiburg seinen Vortrag über
Arthur Fttger. Er gab an der Hand der Dramen und lyrischen
Dichtungen des Genannten ein überaus interessantes und an-
ziehendes Bild von der Geistesart des tiefsinnigen und kraft-
vollen Dichters, von seinem eigenartigen Denken und seinem
edlen Wollen. In seinem Drama Adalbert von Bremen, das in
den Tagen Heinrtch's IV. spielt und den bekannten Erzieher des
unglücklichen Königs zum Helden hat, spricht sich die Stimmung
des Kulturkampfes in klassischer Weise aus. Adalbert ist der
Träger der Idee einer deutschen Kirche und eines starken Reiches
und verkörpert all' die geistigen und nationalen Kräfte, die gegen
die Weltherrschaft des Papstes kämpfen. Persönlicher und
origineller ist der Dichter in seinem Drama .Die Hexe", das
ihm, nach des Redners Ueberzeugung, die Unsterblichkeit sichert.
Die Hexe ist ein hochgemuthes Mädchen aus friesischem Adels-
geschlecht, das (die Handlung spielt im 17. Jahrhundert) unter
der Leitung eines in spinozistischen Gedanken lebenden Lehrer»
es gelernt hat. Gott auf einem anderen Wege, als der ist, den
di« Kirche zeigt, zu suchen, und, als Hexe gelästert, in leiden-
schaftlicher Erregung sich gegen Alles aufbäumt, was eine
Schranke ihrer geistigen Freiheit sein will. In seinen lyrischen
Gedichten und in seinem letzten Drama Jean Meslier erweist sich
der Dichter als ein wahrhaft frommer Mensch, der sich in die
Räthsel des Lebens vertieft, aber an ihre Lösung und an einen
ewigen Fortschritt der Menschheit glaubt, sich aus einer natura-
listischen Weltanschauung losringl zu dem getrosten Glauben an
einen allwaltenden Geist und das höchste Glück seiner Seele in
Gott sucht und findet. Reicher Dank lohnte den verehrten Redner.
Gewiß hat der Vortrag in vielen Zuhörern den Entschluß er-
zeugt, den Dichter selber zu lesen. Möchten wir bald seine „Hexe"
auf der hiesigen Bühne schauen.
O Äunstvereiu. Morgen. Sonntag, wird eine große
Gesammt-AuSstellung der Original-Lithographien des
 
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