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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-126 (1. Mai 1900 - 31. Mai 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0553

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 116.

Kkitas, dki> 1^. Mai

IS0V.

Die Lex Heinze im Reichstag.
Berlin, 17. Mai. Heute wurde im Reichstag die
dritte Lesung der viclberufenen lax Heinze fortgesetzt.
Das Haus ist stark besucht. Eine Reihe Ab
Änderungsanträge sind handschriftlich eingcreicht.
^ Die Weiierberalhung beginnt mit einer namentlichen
Abstimmung über den Antrag Heine (Soz.), wonach
"er Grobe-Unfug-Paragraph auf die Ergebnisse der bildenden
!snd reproduzirenden Kunst und auf die Presse keine Anwendung
5»det. Ln der Abstimmung betheiligen sich 290 Abgeordnete;
?avo„ stimmen 80 mit Ja, nämlich die Freisinnigen, Sozial-
demokraten und Abg. Bindcwald von der Reformpartei. 210
Uinimen mit Nein.
Der Antrag ist abgelehnt.
^ Ter Präsident theilt mit, daß ein Antrag Müller-
Meiningen (stets. Volksp.) eingegangen ist. einen § 361 s ein
^schalten, daß Weibspersonen, die gewerbsmäßige Unzucht
Leiben, von Personen unter 18 Jahren getrennt in Haft gehalten
Werden müssen und ferner, daß solche Personen von anderen
leiblichen Personen getrennt werden müssen,
z« Abg. Albrecht (Soz.) beantragt hierzu einen weiteren
Paragraphen, wonach die Bestimmungen, daß die Polizei be
jEchtigt sei, solchen weiblichen Personen bestimmte Wohnungen
s? .bestimmten Stadttheilen oder Wohnhäusern anzuweisen, ge-
""chen werden sollen.
c, Er liegen noch drei andere Evcntualanträge Albrecht vor,
^ m ähnlichem Sinne die Wohnungsfrage regeln sollen,
e . Abg. Bebel (Soz.) begründet den Antrag Albrecht, zunächst
z? der herrschenden großen Unruhe schwer verständlich. Die
rstgelung der Wohnungsfrage sei schon wiederholt von den
Nauenvereinen in Petitionen angestrebt worden, aber vergeblich.
Ne Polizeiwillkür auf diesem Gebiet sei geradezu erschreckend.
hMn denke daran, daß anständige Frauen einer schimpflichen
Versuchung unterworfen worden seien. Im Jahr 1896 seien
szbOO Frauenspersonen polizeilich ststirt worden, im Jahr 1897
Mn 23 000 und mehr, noch erschreckender seien die Mißgriffe
Polizei gestiegen, in denen auf bloßen Verdacht Frauens-
tz^wnen untersucht wurden. Die Eventualanträge sollen dem
z», .llwesen entgegentreten, das auch in kleinen Städten an-
"'ffcn sei. (Beifall bei den Sozialdemokraten.)
rin, " Präsident theilt mit, daß nach Zurückziehung des
Ä Eventualantrages noch zwei Eoentalanträge übrig blieben,
drei Singer (Soz.) beantragt unter Heiterkeit über alle
namentliche Abstimmung.
Drii^il' Stadthagcn (Soz.) erhält das Wort. Als er die
kxj."Une besteigt, wird er mit lauten Hallorufen und Heiter-
^mpfangen. (Rufe links: Ruhe!)
kejch bsident Graf Ballestrem bittet um Ruhe. Je zahl-
ist, unsere Versammlung ist, wie sie es erfreulicherweise heute
Do« - wehr muß Ruhe herrschen. Es kommt sonst leicht ein
hast,»" die Versammlung, der nicht wünschenswerth ist. (Leb-
^a»ol links.)
!Uü,tadthag^en (Soc.), zunächst unverständlich, be-

Nt,,»"" in gleichem Sinne wie Bebel die Anträge eingehend
c. Anführung zahlreicher Fälle von Mißgriffen der Polizei.
Tz^öwischen sind sechs Eventualanträge Haußmann-
b>ich"»"9,en berreffend Abänderung des 8 861 des Strafgesetz-
en,-'? "ngegangen, ferner ein Antrag Beckh-Koburg, indem
Müller statt Weibspersonen Frauenspersonen zu setzen,
^ 2 Anträge Frohmc, die Bestimmungen des Straf-
stig,^"ws betreffend Zweikampf aufzuheben und dafür die Be-
"ahch""8en betreffend Verbrechen und Vergehen gegen das Leben
. erweitern, daß Zweikampf dem Mord bezw. der Körper-
--- "8 gleichgestellt wird.

dl

Stadlhagen schließt seine 1°/fftündige Rede mit
^refs, daß zwischen der Vorlage und dem die Prostitution
Hjd°-s"deu Wohnungsparagraphen des Strafgesetzbuchs ein
^avs,,"^uch bestehe, der sich nur durch Streichung des Para-
^Nle e. Eseitigen lasse. Jedenfalls sei erfreulich, daß sich im
kthyt, ">n Widerspruch gegen die sozialdemokratischen Anträge
He ,2"de, sodaß demnach ein allgemeines Einverständniß be-
Ag.^ürmische Heiterkeit.)
»- Beckh - Koburg (fr. Vp.) wendet sich aus sanitären

hst.Mg.

'keick, Segen die Hauptanträge der Sozialdemokraten auf
Mj^w"g des Z 361. Dagegen könne er den Eventualanträgen
denn die Kasernirung sei fast schlimmer als die Un-
'l>fr. ^wsl. Immerhin sei auch hier die Formuliruug mangel-
Aba ^^de deßhalb dagegen stimmen.
- Aba Dr. v. Levetzow (cons.) beantragt Schluß der Debatte.
l>h>en,,,^ l n g e r (Soc.) beantragt über den Schlußantrag
- Abstimmung.
eiv,.>sd lußantrag wird mit 213 gegen 92 Stimmen
^Stimmenthaltung angenommen._


lhx

Das Nachtmahl.
, , aus dem Burenleben Südafrikas,
lh) Erzählt von einem deutschen Arzte im Kaplande.
^ ^ (Fortsetzung.)
^l>ffE^",^tte Hendrik einen der umherliegenden Steine
W? de»' - schwer, daß er ihn kaum tragen konnte,
, wgenen Lebensgefahr nicht achtend, schlich er un-
bis dich! neben den Kopf der durch den Anblick
W wie gebannten Bestie. Herab sauste der Stein,
ltzwo hw des GlftwurmS war zerschmettert. Hendrik em-

, eg ""dem zuckenden Leib noch einen Schlag, der ihn zu
HMera-tt "der Maria war gerettet. Das hatte sie ihm
ib>H^"'.und als zwei Jahre später nach ihres Baters
«n die weite und mühevolle Reise nicht



bi^rOn'kel

t^lltrü ^ Nachlaß zu ordnen und Maria mit sich zu
kMe hatte sie mit Thränen von ihrem braven Lebens-
dsglthtt Iw'.ed genommen und ihm ein getreues Andenken
istZN, in der neuen Umgebung» wo man mit liebe-
V.khvn^"" und gutem Erfolg bestrebt war, ihre versäumte
»Mey m rwchMolen. Ihres Vaters Farm war verkauft
lvr beträchtliches Vermögen hatte der Onkel sicher
Vater aber, der mit dem neuen Besitzer,
isjZbi uichl hatte fertig werden können, war mit
weiter nordwärts gezogen. Sein unstätes
!!> Mte wobei er schließlich seine geringe Habe vollends
dn». , ^dn nicht mehr zur Ruhe kommen, bis endlich
ke,n!^"^„tobenden Aufstand Hendrik Witboys eine
Udii^rin»'" Leben ein Ende machte. Sein Sohn, allein
h» K de« ohne jeden Besitz, hoffte in dem Burendistrikt
'l b^orknn,^^""lbstusses mit seiner Hände Arbeit besser
°kln uv^"^?. öu finden, wie als heimathloser Vagabund
""Wllthlichcn Namaqualand.

Es folgt namentliche Abstimmung über den ersten
sozialdemokratischen Eventualantrag zum Hauptantrag Albrecht
betreffend Kasernirungsverbot.
Der Eventualantrag wird mit 221 gegen 73 Stimmen ab-
gelehnt.
Es folgt die Abstimmung über den zweiten Eventual-
antrag, die ebenfalls namentlich ist. Der Antrag vom Abg. Heins
gestellt, enthält das Verbot der körperlichen Untersuchung weib-
lich» Personen Wider ihren Willen. Er wird mit 218 gegen
70 Stimmen abgelehnt.
Sodann folgt die namentliche Abstimmung über den
Hauptantrag Albrecht, 8 361 Ziffer 6 des Strafgesetzbuchs
zu streichen. Er wird mit 237 gegen 48 Stimmen abgelehnt.
Das Haus vertagt sich auf morgen 1 Uhr: Rechnungssachen,
Nachtragsetat, Rest der heutigen Vorlage.
Wie aus diesem Bericht hervorgeht, hat die Linke ihr
Obstruktionsverfahren fortgesetzt, indem sie zahlreiche Ab-
änderungsanträge einbrachte und über jeden namentliche
Abstimmung verlangte. Wenn sie bei diesem Verfahren
bleibt, wird es dem Reichstag nicht möglich sein, die Be-
rathung der Isx Heinze zu Ende zu führen.

Deutsches Reich
Baden. L.R. Karlsruhe, 17. Mai. Die Peti-
tio nskom mi ssi o n der 2. Kammer beantragt, 1. die
Petition der Handelskamm er Heidelb erg um Ab-
lehnung einer gestaffelten Umsatzsteuer für Mühlen, sowie
die Petition des Vorstandes des bad. Zweigverbandes vom
Verbände deutscher Müller, und des Vorstandes des Ver-
bandes bad. Kleinmüller um Einführung einer ge-
staffelten Umsatzsteuer für Getreidemühlen der Spezial-
kommission für die Steuerreform, dagegen
die Bitte der letztgenannten Petenten um eine dem höher-
werthigen Fabrikate entsprechende verschiedene Tarifirung
von Getreide und Mehl der Gr. Regierung zur Kenntniß-
nahme zu überweisen; 2. die Petition der Handelskammer
Villingen, die Verstaatlichung des gesummten Feuerver-
sicherungswesens betr. der Gr. Regierung zur Kenntniß-
nahme zu überweisen.
L.6. Karlsruhe, 17. Mai. Das Strafverfahren
gegen Prof. Dr. Böthlingk ist unter Ueberuahme der
Kosten auf die Staatskasse von der Groß. Staatsanwalt-
schaft eingestellt worden, nachdem das Großh. Staats-
ministerium auf Grund der Zeugenaussagen zu der lieber-
zeugung gelangt ist, daß Böhtlingk durch die in
Frage stehende Rede im Eisenbahnreformverein den
Finanzaiinister nicht beleidigt hat. Alle entgegenstehenden
Nachrichten sind, wie wir von competenter Stelle erfahren,
unrichtig.
ö.O. Karlsruhe, 17. Mai. Landtagsabg. Freihr.
v. Stockhorner hat sich in Freiburg einer schweren
Operation unterzogen, die gut verlaufen sein soll.
Badischer Landtag. L.O. Karlsruhe. 17. Mai.
80. Sitzung der Zweiten Kammer. Der Gesetz-
entwurf betr. Aufhebung der Wittw enk assen-
de iträ ge, über welchen Abg. Wilckens Bericht er-
stattet, wird ohne Debatte angenommen, lieber den wei-
tern, auf der Tagesordnung stehenden Gesetzentwurf betr.
die Dotation der Kreisverbände entspinnt sich eine
kurze Erörterung.
Abg. Klein (natl.) hat an dem (von uns bereits mitgetheil-
ten) Kommissionsantrag nur auszusetzen, daß es unter Ziff. 2s.
heißt: . . . einen höheren Prozentsatz des Bauaufwands zu ge-
währen oder weniger leistungsfähigen Kreisen bestimmte Staats-
zuschüsse zur Verfügung zu stellen. Er hätte statt des Wörtchens
„oder" die Silbe „und" gewünscht. (Heiterkeit.) Bezüglich der
Straßenverbcsserungen im Kreis Mosbach habe er vor allem die
Landstraße Wertheim—Basel im Auge, die in ihrem gegenwärti-
gen Zustand auch für militärische Zwecke nicht zu gebrauchen
sei. Die Regierung sollte daher einen Extrakredit für die Aus-
besserung dieser Straße einstellen. Abg. Dieterle (Centrum)
lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf eine Bestimmung im

deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrag, wonach eine Aus-
weisung aus der Schweiz erfolgen kann aus Gründen der
Armen- und Sittenpolizei. Von dieser Bestimmung werde in
der Schweiz ein zu ausgiebiger Gebrauch gemacht, wodurch die
Armenverbände in den badischen Grenzbezirken sehr stark belastet
werden. Auch der 8 11 dieses Vertrags werde von den schweiz.
Behörden wenig beachtet, so daß viele Ausgewiesene in ganz
desolatem Zustand in Baden ankommen und sofort in die Spi-
täler ausgenommen werden müssen. Er möchte daher die Regie-
rung ersuchen, bei Wiedererneuerung des Niederlassungsvertrags
darauf hinzuwirken, daß die schweizerischen Behörden die bezüg-
lichen Bestimmungen besser etnhalten. Minister Dr. Eisen-
lohr hat schon öfters derartige Klagen gehört; es handle sich
zumeist um Fälle, die nicht im ordentlichen Verfahren erledigt
wurden, sondern um solche, wo die Leute auf indirektem Wege,
durch einen Druck Seitens der Behör den veranlaßt werden, über
die Grenze zu gehen. Von Seite der badischen Behörden werde
in gleicher Weise verfahren. (Heiterkeit.) Wenn direkte Be-
schwerden einlaufen, so werde er gerne dip lomatische Verhand-
lungen einleiten; da aber gewöhnlich ein Beweis schwer zu
führen ist, so hat man bis jetzt wenig Erfolge erzielt. Abg.
Blankenborn stimmt den Ausführungen Dteterle's zu und
bemerkt, daß ähnliche Fälle auch in Elsaß-Lothringen Vorkom-
men. Der Gesetzentwurf wird angenommen.
Es folgte die Berathung über den Nachtrag zum
Staatsvoranschlag, der ohne nennenswertbe Erörte-
rung genehmigt wird.
Nur gegen 8 2d der Ausgabe im Budget des Staa ts-
mini st ertums, laut dem in Zukunft auf den im Apanaqen-
gesetz vorgesehenen Abzug für den Genuß des Hausfideikommiffes
der vier Pfälzer Höfe mit jährlich 13 OVO fl. — 22 28S Mk. zu
Gunsten des derzeitigen Inhabers (Prinz Karl) vom 1. Januar
1900 an mit Rücksicht auf das Sinken der Rente der land-
wirthschaftlichen Güter verzichtet werden soll, erhoben
Muser (Dem.), Fendrich (Soz.) und Mampel (Antts.)
Widerspruch, einmal, um durch die Zustimmung zu dieser zusätz-
lichen Aufbesserung keine Präjudiz zu schaffen, sondern weil sie
das Sinken der Grundrente nicht für einen hinreichenden Grund
aniahen, um eine Aenderung des Apanagengesetzes zu rechtferti-
gen. Abg. Dr. Fieser begründete den Kommissionsbeschluß,
der von der Ansicht ausging, daß hier keine Aenderung des
Avanagengesetzes vorliege. Finanzministcr Dr. Buchenberger
pflichtete den Ausführungen Fiesers bei und wies noch besonders
darauf hin, daß die Revenuen der Pfälzer Höfe in den letzten
Jahren um 20 000 Mk. zurückgegangen sind. Außerdem hat der
derzeitige Inhaber dieses Fideikommisses in nächster Zeit große
Bauaufwendungen zu machen und als Präsident der Ersten
Kammer auch größere Repräsentations pflichten. — Die Position
wurde sodann gegen die Stimmen der Demokraten und Sozial-
demokraten sowie der Abgg. Hagist (freis.) und Mampel
(Antis.) angenommen.
In der nächsten Sitzung, am Samstag, 19. Mai, kommt das
Budget der Großh. Badeanstalten zur Berathung.
Bayern. Speyer, 17. Mai. Am nächsten Sonntag,
den 20. Mai Vormittags, wird die Torpedodivision
in Speyer eintreffen und im Hafen vor Anker gehen,
um daselbst bis Montag früh zu bleiben. Es findet
feierlicher Empfang durch die Spitzen der Kgl. Behöroen
und die Vertreter der Stadt am Hafen statt. Zu Ehren der
seltenen Gäste wird im Wittclsbacher-Hof ein Festmahl
arrangirt. während die Unteroffiziere und Mannschaften
im „Cafs Lindauer" vom Flottenverein bcwirihet werden.
Abends um 8'/^ Uhr ist Reunion im Stadtsaale, wobei
Jedermann, soweit der Platz reicht, Zutritt hat. — Da
in Speyer gleichzeitig die Frühjahrsmesse beginnt, so
wird es voraussichtlich ein lebhaftes Treiben geben.
München, 17. Mai. Der gestern ausgegebene ärzt-
liche Bericht über das Befinden des Königs besagt:
Im wesentlichen ist das Befinden des Königs unver-
verändert. Die Körperkräfte haben sich gehoben, doch
vermeidet der König noch, selbständig zu stehen und zu
gehen.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großhcrzog haben
dem Großherzoglich Oldenburgischen Kammerlakaien Techtmeyer
die kleine goldene Verdienstmedaille verliehen.

Er erinnerte sich des alten Jan Esterhuiz als eines
gütigen Baas, der damals so freundlich zu ihm gesprochen
hatte. So lies er die Hunderte von Meilen zn Fuß,
hungernd, frierend, bettelnd, manchmal vor Durst halbtodt,
dis er die Efierhuiz'sche Farm erreichte, wo man ihn willig
als Knecht ausnahm. Das war vor zwei Jahren geschehen.
Maria war damals überglücklich gewesen, ihn wiederzusehen.
Sie waren nun keine Kinder mehr, er zählte 21, sie 16
Jahre, aber die alte Freundschaft bestand weiter, und aus
ihr erwuchs langsam und den Beiden zuerst fast unbewußt,
die Liebe. Als weißes Burenkind stand Hendrik natürlich
in einem ganz anderen Verhältniß zu seiner Herrschaft als
die braunen Dienstboten. Er nahm an ihrem Tische Theil.
und wurde herkömmlicher Weise säst als ihres Gleichen
behandelt. So konnten sich die Beiden jeden Tag in die
Augen sehen und nach Jahresfrist hatten sich auch die
Herzen gesunden. Die Tante roch zuerst Lunte. Aber sie
liebte Maria mit mütterlicher Zärtlichkeit, was ihr diese
durch hingehendes Vertrauen vergalt, und hatte den braven
Burschen, auf den man sich so unbedingt verlassen konnte,
von Herzen gern. Auch dachte sie daran, daß sie selbst nur
ein unversorgtes Kind einer zahlreichen Familie gewesen
war, als der reiche Jan Esterhuiz um sie warb. So wurde
sie die Vertraute der Liebenden und die Patronin ihres
Bundes. Aber ihr Mann hatte ebenfalls offene Augen, und
als die drei Frauen eines Tages von einem längeren Besuch
bei Verwandten nach Hause zurückkehrten, fanden sic Hendrik
van Zijl dort nicht mehr vor. Der alte Jan eröfsnete seiner
Frau unter vier Augen in der nachdrücklichsten Weise, daß
er diese Liebele, unter keinen Umständen mehr dulden könne.
Er habe sich genöthigt gesehen, dem „Knecht" gründlich die
Wahrheit zu sagen und ihn zu entlassen. Persönlich habe er
nichts gegen ihn, aber er fei doch ein vollständiger Habe-
nichts, der dazu nicht einmal lesen und schreiben könne.
Ueber das Glück des ihm onvertrauten Kindes zu wachen,
sei seine Gewiffenspflicht. und diese gebiete ihm. die Beiden

zu trennen. Die Tante kannte ihren Gatten genugsam, um
zu wissen, daß hier Parlamentiren nichts helfen würde;
aber mit Frauenlist fand sie Gelegenheit» sich mit dem weiter
im Süden auf einer Farm in Dienst getretenen Hendrik in
Verbindung zu setzen. Zu diesem Zweck wurde ihre
Schwester, dieselbe, bei der sie gerade zu Besuch gewesen,
ins Vertrauen gezogen, um die gegenseitigen Nachrichten zu
vermitteln. Maria theilte der Tante über ihren Hendrik io
viel mit, als sie für gut hielt. Daß er mit unverdrossener
Energie daran gegangen war, der schweren Kunst des
Lesens und Schreibens mächtig zu werden, hatte sie ihr ver-
schwiegen. dagegen sie wissen lassen, daß sie ihn bei diesem
Nachtmahl wicderzusehen hoffen dürfe. Und es war wieder-
um die Tante, die es ihren Schützlingen ermöglicht hatte,
sich ein Stelldichein zu geben, hinter des Pastors Garten-
mauer.
Was nun Jacobus Smeer anbelangte, so wünschte ihn
Tante Jessie ganz entschieden für Betlie. Die gute Ver-
sorgung ihrer Tochter lag ihr natürlich sehr am Herzen;
sie wußte, daß diese Jacobus sehr schnell abgewöhnen würde,
was an ihm auszusetzen war, und indem sie ein gelindes
Pantoffelregiment ausübte, mit ihm ein behagliches Dasein
führen könne. Ihrem Mann aber war es nicht entganaen,
daß Maria den geliebten Jugendgespielen nicht vergessen
hatte, und deshalb war er, um der Möglichkeit einer
Wiederannäherung, die er von seinem Lauernvalrizier-
standpunkt aus als ein Unglück ansah, ein für allemal vorzu-
beugen, ebenso entschieden für eine Verbindung Smecr's mit
Maria. Um seine Bettle war er nicht besorgt. Die halte
schon mehr als einen reichen Freier abgewiesen und war,
wo sie hinkam, vielumworben. Uebrigens hatten sich die
beiden Gatten niemals über ihren verschiedenen Standpunkt
zu der Sache ausgesprochen.
(Fortsetzung folgt.)
 
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