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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 127-149 (1. Juni 1900 - 30. Juni 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0637

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Fernsprech-Anschluß Nr. 83

Vn. 134.

Moiilgg, de« 1l. Juni

I9V0.

Alldeutscher Verband.
Mainz, 7. Juni. Die Hauptversammlung des All-
deutschen Verbands begann heute Vormittag 10 Uhr in
dem großen Saal der Liedertafel, der von Theilnehmern
aus allen Theilen Deutschlands voll besetzt war. Dem
Schwab. Merk, wird darüber berichtet: Den ersten Haupt-
vortrag hielt Otto Ammon-Karlsruhe über die süd-
afrikanische Frage. Oft von Zustimmung unterbrochen,
erweckten die Ausführungen des Redners über die Lehren,
die uns der Burenkrieg crtheilt, lebhaften Beifall am
Schluß. Dr. Wirth - Frankfurt sprach sich in längerer
Rede dahin aus, daß das niederdeutsche Element in Süd-
afrika nicht untergeben würde, auch wenn das Kriegsglück
sich gegen dasselbe wenden sollte, was aber noch nicht
endgiltig geschehen sei. Hierauf wurde eine Resolution
angenommen, in der den Buren Sympathie bezeugt und
eine stetige deutsche Politik in Südafrika befürwortet wird.
Den zweiten Hauptoortrag hielt Professor Samassa, der
Schriftleiter der Alldeutschen Blätter, über unsere Be-
ziehungen zu Oesterreich. Er verwarf die Ausführungen
der bekannten Broschüre über die Theilung Oesterreichs
mit entschiedenen Worten, verlangte dagegen deutsche
Staatssprache in Oesterreich, verfassungsmäßige Befestigung
des Bündnisses und Anstrebung einer Zollunion (ohne
Ungarn und Galizien). Der Rcichsrathsabgeordnete R. H.
Wolf-Wien stimmte diesen Ausführungen zu und theilte
unter großer Spannung der Zuhörer viele Einzelheiten
über die Kämpfe der Deutschen in Oesterreich mit. Tele-
gramme wurden erlassen an Dr.Leyds und an die Mitglieder
der Hauptleitung des Alldeutschen Verbands, die wegen der
Flottenverhandlungen am Erscheinen verhindert waren. Von
auswärts trafen briefliche und drahtliche Grüße in größerer
Zahl ein. Außer den 8 schon genannten Körperschaften
waren in der heutigen Versammlung noch vertreten: der
Akademische Turnerbund, der Kyffhäuser Verband der
Vereine deutscher Studenten, der Verein Nordschleswig,
der Verein Südmark in Graz. Den Schluß bildete die
Flottenfrage. Buchhändler Lehmann-München bezog sich
auf das eingetroffene Telegramm über die mit großer
Mehrheit erfolgte Annahme des § 1 des Flottengesetzes
durch den Reichstag. Seien auch die Auslandsschiffe ge-
strichen, so bilde doch die nunmehr sicher gestellte Annahme
des Flottengeseycs einen bedeutenden Fortschritt. Der
Umschwung der öffentlichen Meinung sei zum Theil durch
den Alldeutschen Verband bewirkt worden, der mit Stolz
auf seine Thätigkeit zurückblickcn dürfe. Der Verband
werde auch in anderen Fragen noch Erfolg haben. —
Dazwischen hatten die Vorstandswahlen stattgefunden und
nun wurde die Versammlung nach 4stündiger Dauer ge-
schlossen. Um 3 Uhr fanden in verschiedenen Gasthöfen
die Mahlzeiten statt. Abends ist Festkommers in der
Turnhalle.

Die Wirren in China.
London, 9. Juni. Der Times wird aus Peking
gemeldet, dort seien Einzelheiten bekannt geworden, wonach
die Missionare Norman und Robinson in barbarischer
Weise in Stücke gehackt worden seien. Die chinesische
Regierung könne nicht von der Anklage befreit werden,
daß sie an den Mordthaten unschuldig ist. Nach einer
Meldung der Daily Mail aus Tientsin schließen sich fast
alle Dörfer um Tientsin der Boxerbewegung an. Ab-
theilungen von Ausländern, die sich den Dörfern nähern,
werden von bewaffneten Banden zurückgetrieben.
London, 9. Juni. Die Blätter veröffentlichen Tele-
gramme aus Tientsin, denen zufolge das diplomatische

Korps in Peking beschlossen hätte, bei dem Kaiser und
der Kaiserin-Wittwe eine Audienz nachzusuchen. In dem
Zweige Paotingfu der Luhan-Eisenbahn soll der Bahn-
körper auf eine Strecke von 50 Meilen zerstört sein, ebenso
eine Anzahl von Bahnstationen.
London, 9. Juni. Das Reuter'sche Bureau meldet
aus Tientsin von gestern, daß ein neu erlassenes kaiser-
liches Edikt den Boxers Lob ertheile und das
Vorgehen der chinesischen Truppen tadle, die die Boxers
angriffen und tödteten.
Zürich, 8. Juni. Laut einem Telegramm aus
Tientsin ist bei dem Ueberfall auf die bei dem russisch-
chinesischen Bahnbau beschäftigten Europäer der schweizerische
Ingenieur Ossent mit Schwester von den Boxern ge-
fangen genommen und wahrscheinlich ermordet worden.
Peking, 9. Juni. Wie die Times meldet, erhielt der
französische Gesandte telegraphische Meldung, daß der
französische Konsul in Mongtse und der französische Konsul-
agent in Aunnanfu ihre Posten hätten verlassen müssen,
weil ihnen der Vizekönig mitgetheilt habe, daß er nicht im
Stande sei, für ihre Sicherheit einzustehen. Die Boxer
haben am 6. ds. Mts. die russische Kapelle in
Tantingan, 35 Meilen nördlich von Peking, nieder-
gebrannt.
Peking, 9. Juni. Vor Jaku befindet sich das
größte Geschwader, das jemals in Ostasien vereinigt
war. Es besteht aus 26 europäischen Kriegsschiffen. Mit
neun Schiffen ist Rußland dabei am stärksten vertreten;
allein mit 900 Mann Landungstruppen ist England für
das Vorgehen zu Lande am mächtigsten.

Deutsches Reich
— Nach der Berliner Zeitung ist der Oberführer der
ostafrikanischen Schutztruppe Major v. Natzmer in Dar-
es-Salaam am 3. Juni bei von ihm unternommenen Fahr-
oersuchen mit Maulthieren so schwer verunglückt, daß er
bald darauf an den Folgen des Sturzes verstarb.
Deutscher Reichstag. Berlin, 9. Juni. Fortsetzung
der zweiten Berathung der Abänderungen des Reichs-
stempelgesetzes bei Tarif 4 a (Umsatzstempel für Euxe);
die Commission beantragt 1 pro Mille. Abg. Richter
'/io Pro Mille.
Der Antrag Richter auf 3/10 pro mills wird mit 126 gegen
99 Stimmen abgelehnt. Mil der Minderheit stimmen auch die
Abgeordneten Frhr. v. Stumm und Prinz Hohenlohe. Der
Commissionsantrag auf 1 pro wllls wird angenommen.
Zu der Tarifnummer „Befreiung vom Umsatzstempel" be-
antragt Abg. Richter, die von der Commission gestrichene Be-
stimmung wiederherzustellen, daß eine Abgabe nicht erhoben wird,
wenn der Werth des Gegenstandes 600 Mark nicht übersteigt.
Der Antrag wird abgelehnt und die Commissionssassung an-
genommen.
Tarifnummer 5 erhöht nach dem Commissionsantrag den
Stempel auf Lotterieloose aus 20, bezw. 25 Proccnt.
Die Tarifnummer wird gegen die Stimmen der Linken an-
genommen.
Die Commission beantragt, eine Tarifnummer 6 neu ein-
zufiigen, betreffend einen Stempel auf Schiffsfrachturkunden von
1 Mk. resp. 10 Pfg.
Der Antrag Richter wird abgelehnt und die Tarifnummer
angenommen.
Damit ist der Tarif erledigt. Es folgt der Text des Reichs-
stemvelgesetzes.
Die 8Z 1—23 werden debattelos angenommen. 8 24 und 29
erhalten auf Antrag des Abg. Graf Oriola eine redactionelle
Aenderung. Eine weitere Reihe von Paragraphen wird ohne
erhebliche Debatte erledigt.
Bei 8 39 u beantragt Abg. Richter Streichung. Abg.
Friese schließt sich ihm an.
Der Antrag Richter, sowie eine vom Abg. Richter beantragte
Resolution werden abgelehnt und der Paragraph in Commtssions-
fassung angenommen. Der Rest des Gesetzes wird debattelos
ang enommen.

ES folgt die zweite Berathung betreffend Abänderungen des
Zolltarifaesetzes-
Abg. Eickhoff (freist) bekämpft den vorgeschlagenen Zoll von
6 Mk. auf ausländisches Bier- Jeder Theil der Bevölkerung werde
hierdurch benachtheiligt. Der Antrag scheine von dem „Alldeutschen
Verband" beeinflußt worden zu sein. Ein deutscher Manu mag
keinen Czechen leiden, doch seine Biere trinkt er gern. (Heiterkeit.)
Abg. Hasse (nat.-lib.): Der Alldeutsche Verband sei hierbei
gar nicht betheiligt; es bandle sich nicht um eine» Schutz-, son-
dern einen Finanzzoll. Der Drang, böhmisches Bier zu trinken,
sei so stark, daß er den geringen Zoll leicht überwinden werde.
Abg. Rösicke-Dessau: Wenn man die oberen Zehntausend
besteuern wolle, so müsse man den Wein besteuern nach dem Vor-
schlag des Grafen Arnim. Redner betont, daß er selbst bei dem
Bierzoll nicht interessirt sei, da die Schultheiß-Biere nicht über
die deutschen Grenzen hinauskämen.
Abg. Bin bewald (Rest) schließt sich dem Vorredner an.
Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Mülle r-Sagan und
Adam, sowie des Referenten Abg. Paasche wird der Com-
missionsantrag auf Erhöhung des Bierzolls auf 6 Mk. an-
genommen, ebenso der Antrag auf Erhöhung des Zolls auf
Liqueure auf 240 Mk.
Die Erhöhung des Zolls auf Branntwein in Fässern von
125 auf 160 Mk., in Flaschen u. s. w. von 180 aus 240 Mark
wird nach unerheblicher Debatte angenommen; ebenso die Er-
höhung des Schaumweinzolls von 80 auf 120 Mk.
Die Commission beantragt ferner eine Resolution, den Reichs-
kanzler zu ersuchen, in der nächsten Session einen Gesetzentwurf
vorzuschlagen, der die Besteuerung der im Inland hergestellten
Schaumweine einführt und gleichzeitig den Deklarationszwang
für künstliche Zusätze von Kohlensäure schafft, sowie bestimmt, daß
die in Deutschland angefertigten Schaumweine nur unter Angabe
des Herstellungsortes in Handel gebracht werden.
Die Resolution wird nach kurzer Debatte angenommen.
Nächste Sitzung Montag 12 Uhr: Rechnungssachen, Inter-
pellation Albrecht, Seuchengesetz, Handelzprovisorium, Rechts-
verhältnisse der Schutzgebiete, Wahlprüfungen.
Baden. L.O, Karlsruhe, 8. Juni. Evang.
socialer Congreß. An die gestrige Tagung schloß
sich Abends eine reichbesuchte Festversammlung, in der
Pfarrer Naumann und Adolf Wagner sehr interessante
Reden hielten. Die Fortsetzung der Verhandlungen er-
folgte heute Morgen um 9 Uhr. Der Sekretär des Kon-
gresses, Dr. Rohrbach, gibt den Geschäftsbericht be-
kannt, wonach der Kongreß einen Zuwachs von 100 Mit-
gliedern erhalten hat. Schwer beklagt wird der Ue ver-
tritt der Frau Gnauck-Kühne zum Katholizismus.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Dr. Deißmann und
einigen vorgetragenen Wünschen, den nächsten Ort der
Tagung betreffend, erhält Prof. Rathgen-Heidelberg
das Wort zu dem Thema: Welche sittlichen und
socialen Aufgaben stellt die Entwicklung Deutsch-
lands zur Weltmacht unserem Volke? Redner führt aus,
daß Deutschland in die Weltmachtpolitik eintreten muß,
nicht bloß seiner wirthschaftlichen Selbständigkeit wegen,
sondern um seine Pflicht zu erfüllen, an der Civilisirung
und Nutzbarmachung der unentwickelten Länder und Völker
mitzuwirken. Der wirthschaftliche Nutzen soll hierbei nicht
allein ausschlaggebend sein. Die Aufgaben in dieser Be-
ziehung liegen auf dem Gebiet der einheimischen socialen
Zustände und ihrer Reform, dann auf dem des Schutzes
und der Stärkung der Bande, welche die Deutschen im
Auslande mit der Kultur des Heimathlandes verknüpfen,
und dem der Beziehung zu fremden Völkern und Kulturen.
In letzterer Beziehung besteht für das weniger entwickelte
Volk die Gefahr der Vernichtung oder Erschütterung, für
das höher stehende Volk die Gefahr einer gesellschaftlichen
Rückbildung und sittlichen Sinkens. Aufgabe gegenüber
tieferstehenden Völkern ist ihre Hebung auf höhere Stufe
mit Schonung, und um dies zu erreichen, ist die Pflege der
Mission, Kirche, Schule und Wissenschaft nothwendig.
Die bleibende Grundlage für überseeische Politik ist
wie für die innere: Gerechtigkeit und Wohlwollen.
Der Koreferent Dr. Lipsius-L ichterfelde ist der

Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.
13) (Fortsetzung.)
Im Parterre eines Hinterhauses, welches in einem großen
Hose lag. befand sich eine Werkstatt. Das daraus hervor-
dringende Geräusch von säge und Hobel ließ auf eine
Tischlerei schließen. Aber es war viel vornehmere Arbeit,
welche die genannten Werkzeuge hier verrichteten, und nur
sür vornehme Leute waren die Erzeugnisse dieser Werkstatt
bestimmt, welche sich auf einem Schilde über der Thür als
die „Parkettfußboden-Fabrik von Karl Thorbeck" ankündigte.
Man iah keinen rauchenden Schlot und hörte kein Brummen
eines Dampfkessels, obwohl beides von dem Begriffe „Fabrik"
Unzertrennlich scheint. Da aber der Konsument heutzutage
>eine Bedürfnisse am liebsten „direkt aus der Fabrik" bezieht,
weil Fabrikanten billiger arbeiten als Handwerker, so that
der junge erst seit kurzem etablirte Geschäftsinhaber dem
borurtheilsvollen Publikum den Gefallen, sich den Titel eines
Fabrikanten beizulegen, was jedenfalls ungefährlicher ist als
d>e unberechtigte Doktortitulatur.
Aus dem Hausflur führte eine dunkle Holztreppe nach dem
Ersten Stock, und aus der hier gelegenen kleinen Wohnung
Urte man eines Nachmittags die sentimentalen, empfindsamen
^öne einer Zither. Der Spieler war noch sehr ungeübt,
wachte oft eine längere Pause von einer Note zur anderen
^ud griff zuweilen auch falsch, sodaß es einem Zuhörer nicht
laicht gewesen wäre, die Melodie des schönen Liedes: „Steh'
ich i» finstrer Mitternacht", herauszufinden.
Die Person, von welcher diese musikalische Leistung aus-
?ing, war weiblichen Gescblechis und von imposanter Rundung
M Körpersormen, deren Krönung ei» Gesicht bildete, welches
w>n Gesundheit nicht nur strotzte, sondern auch glänzte. Dem
7-t>er haben wir sie bereits als „Professors dicke Resi" vor-
aUstellen Gelegenheit gehabt, in der Literatur des Prozesses

Georgi fungirte sie unter dem korrekten Namen Therese
Zeidler; seitdem aber war aus ihr Frau Thorbeck geworden,
und wenn es ihrer angeborenen Bescheidenheit nicht zuwider
gewesen wäre, so hätte sie sich eine Fabrikantengattin nennen
können.
Mitten in ihrer musikalischen Beschäftigung wurde sie ein
paar mal unterbrochen. Erst kam ein Geselle aus der Werk-
statt, der um eine neue Frottirbürste bat, und da die Frau
Meisterin, welche diese und andere derartige Bedarfsartikel
in einem großen Schranke unter Verschluß hatte, hierüber
etwas ungehalten war. weil dies heute bereits die dritte
Bürste war, die sie Herausgeber! mußte, so schickten die Ge-
sellen das nächste Mal als Kugelfang den Lehrling, mit dem
noch bedenklicheren Ersuchen um frisches Wachs.
„Schon wieder das Wachs alle!" eiferte Frau Thorbeck»
einen Wachsblock aus dem Schranke hervorholend, „bald eine
neue Bürste, bald neues Wachs! So gehl's heute nun den
ganzen Tag. Aber ich kenne das schon, wenn mein Mann
nicht da ist. wird allerlei gebraucht, weil ich's nicht kon-
trolliren kann. Was man mit den Arbeitern für einen
Aeraer hat, das glaubt niemand I" '
Kaum hatte sie wieder in die Saiten ihrer Zither ge-
griffen und em neues Stück begonnen — diesmal: „Der
Mensch soll nicht stolz sein auf Gut und auf Ehr'" — als
abermals Schritte die Holzsftcge herauskamen. Frau Thorbeck
machte sich darauf gefaßt, daß auch das Terpetinöl alle ge-
worden sei, aber das Klopsen an der Thür klang sür die
derben Fingerknöchel eines Arbeiters zu manirlich und der
Eintretende war ein feingekleideter Herr.
„Mein Mann ist nicht zu Hause," empfing die junge
Frau den Besuch nach vorhergeganaener gegenseitiger Be-
grüßung, »aber wenn Sie eine Ge'chäftssache mit ihm haben,
so kann ich Vielleicht eben so gut Auskunft geben."
Der Herr sah der jungen Frau lächelnd ins Gesicht und
sagte in einem schelmisch feierlichen Tone: „Ist Ihnen
vielleicht die lateinische Bibelausgabe von Robertus Stephanus
aus dem Jahre 1532 bekannt? Ein sehr kostbares Buch und
sehr selten I"

Frau Thorbeck riß bei dieser höchst merkwürdigen Anrede
die Augen weit auf und warf einen Blick im Zimmer umher,
als suche sie nach einem Gegenstände, der ihr gegen einen ent-
sprungenen Tollhäusler als Verthcidigungsmittel dienen
könnte. Plötzlich ging ihr jedoch ein Licht auf; die eben
vernommenen Worte weckten eine alte Erinnerung in
ihr, und mit dem freudigen Ruse: „Ei. Herr Allram!
m:m lieber Herr Allram! jetzt erkenne ich Sie erst!" ergriff
sie dessen beide Hände. »Ach Gott, ja! die uralte, kostbare

„Die dem Herrn Professor Georgi aus seiner Alter-
tbumssammlung entwendet worden mar," ergänzte jovial der
„Und auf mich fiel der Verdacht!" nickte Therese, beide
Hände an ihr Herz pressend, als erneuerten sich alle die
Aengste und Schrecken, welche ste damals aus gestanden batte.
„O Gott! Herr Allrom, liebster, bester Herr Allram. Ihnen
danke ich, daß ich meinen ehrlichen Namen behalten habe.
Was wäre mit mir geschehen, hätten Sie nickt den Dieb
ermittelt! Gerechter Himmel! Das hätte sich ja kein
Mensch träumen lassen, daß der Neffe des Herrn Professors

selbst —'
„Die unschätzbare Bibel verklopft hatte,
dieser viel versprechende junge Mann?"
„Wippach hieb er. Alfred Wippach." anwortete Therese,
und mit großer Lebhaftigkeit fügte sie hinzu: „Und denken
Sie nur, letzthin bin ich ihm begegnet!"
„Herrn Alfred Wippach sind Sie
möglich! Sein Onkel schickte ihn ,a
nach Amerika." ... ^
„Er ist aber wieder da. versicherte die iunge Frau.
„Aber bitte, bester Herr^ Allram, setzen Sie sich doch." bat
sie, ihren Gast nach demSopha führend und an seiner Seile
Platz nehmend. „Und wie haben Sie mich denn nur
aufgesunden?' Zwar was frage ich da erst! Dem Herrn
Allram stehen alle Wege offen." ^ .
(Fortsetzung folgt.)

Wie hieß doch

begegnet? Nicht
damals schleunigst
 
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