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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 (1. März 1900 - 31.März 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0275

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Nn. 58.

Keilas, den 9. Mm?

I9VV.

Der Fleischbeschau-Gesetzenttvurf.

Die hauptsächlichsten Bestimmungen des Gesetzentwurfs
^treffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau sind in den
88 1, 2 und 14 a. enthalten. In der Kommissionsfassung
lauten dieselben wie folgt:
8 1. Rindvieh, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde und
Hunde, deren Fleisch zum Genüsse für Menschen verwendet
Werden soll, unterliegen vor und nach der Schlachtung
einer amtlichen Untersuchung. Durch Beschluß des Bundes-
raths kann die Untersuchungspflicht auf anderes Schlacht-
vieh ausgedehnt werden.
Bei Nothschlachtuugen darf die Untersuchung vor der
Schlachtung unterbleiben.
Der Fall der Nothschlachtung liegt dann vor, wenn
su befürchten steht, daß das Thier bis zur Ankunft des
Zuständigen Beschauers verenden oder das Fleisch durch
Verschlimmerung des krankhaften Zustandes wesentlich an
liÜerth verlieren werde oder wenn das Thier in Folge
Eines Unglücksfalles sofort getödtet werden muß.
8 2. Bei Schlachtthleren, deren Fleisch ausschließlich
Uu eigenen Haushalte des Besitzers verwendet werden soll,
barf, sofern sie keine Merkmale einer die Genußtauglichkeit
°Es Fleisches ausschließenden Erkrankung zeigen, die Unter-
suchung vor der Schlachtung und, sofern sich solche Merk-
Male auch bei der Schlachtung nicht ergeben, auch die
Untersuchung nach der Schlachtung unterbleiben.
Eine gewerbsmäßige Verwendung von Fleisch, bei
Melchem auf Grund des Abs. 1 die Untersuchung unter-
bleibt, ist verboten.

Als eigener Haushalt im Sinne des Abs. 1 ist der
Haushalt der Kasernen, Krankenhäuser, Erziehungsanstal-
ien, Spciseanstalten. Gefangenanstalten. Armenhäuser und
Ähnlicher Anstalten sowie der Haushalt der Schlächter,
ÄeisHhäiidlcr, Gast-, Schank- und Spcisewirthe nicht an-
öusehen.
8 14 a. Die Einfuhr von eingepökeltem oder ähnlich
^bereitetem Fleisch, ausgenommen Schweineschinken, Speck
bnd Därme, von Fleisch in Büchsen oder ähnlichen Ge-
ißen, von Würsten uno sonstigen Gemengen aus zerklei-
nertem Fleisch in das Zollinland ist verboten.
Im klebrigen ist die Einfuhr von Fleisch in das Zoll-
Mland bis zum 31. December 1903 unter nachstehenden
Bedingungen gestattet:
Frisches Fleisch darf in das Zollinland nur in
ganzen Thierkörpern, die bei Rindvieh ausschließlich der
Kälber, und bei Schweinen in Hälften zerlegt sein kön-
nen, eingesührt werden. Mit den Thierkörpern müssen
Brust- und Bauchfell, Lunge, Herz, Nieren, bei Kühen
auch das Euler in natürlichem Zusammenhang ver-
bunden sein; der Bundesralh ist ermächtigt, diese Vor-
schrift auf weitere Organe auszubehnen.
Zubereitetes Fleisch darf nur eingeführt werden,
wenn nach der Art seiner Gewinnung und Zubereitung
Gefahren für die menschliche Gesundheit erfahrungs-
gemäß ausgeschlossen lind oder die Unschädlichkeit für
bie menschliche Gesundheit in zuverlässiger Weise bei der
Einfuhr sich feststellen läßt.
^ Nach Ablauf des in Abi. 2 bezeichneten Zeitpunktes ist
^E Einfuhr von Fleisch, ausgenommen Schweineschmalz,
rxjne Oleomargarinc und Lärme verboten.
. Hierbei ist zu bemerken, daß sowohl die Begünstigung
?r Hausschlachtungen als auch das Einfuhrverbot des
^ 14 u erst durch die Kommission in das Gesetz gekommen
In Bezug auf die Einfuhr halte die Regierungs-
vorlage festgesetzt, daß die Einfuhr nur über bestimmte
Zollämter statifinden dürfe und daß der Buedesrath an-

* DaS Romanfeuillcton mußte heute Raummangels wegen
^»bleiben.
Stadt-Theater»
A Heidelberg. 9. März.
iL,»Die Widerspänstige", Lustspiel in 4 Akten von
OMpeare. Benefiz für Frl. Paula Klär,
tz. Das derbkörnige Lustspiel wird gegenwärtig von allen Werken
g^akespeares auf deutschen Bühnen am häufigsten aufgeführt. Er
Eine lange, lange Zeit, da es ganz zurückgesctzt war. Der
z,,wantischen und der sentimentalen Auffassung erschien es zu brutal,
^Naturalistisch, zu plump. Die heutige Generation vermag sich
»iik Glück wieder an dem kernigen, gefunden Naturalismus des
Uvüstlichen Stückes zu erfreuen. .
gab es gestern in starker Verkürzung und m starker, aber
siH?w nian sagen muß — geschickter Ueberarbeitung. Vieles, was
d>» Oer große Brite in einer Zeit, die alles andere nur nicht prüde
eiu,'erlauben durfte, sagt man heute nicht mehr, auch ohne daß
wx Hei„ze dem Darsteller den Mund verschlösse. Die stärkste
sch.ond die einzige, die wir in Kunstsachen brauchen, ist der Ge-
M des Publikums. ^ .
i>er^?2. Gegenstück zur Widerspänstigen wurde uns zu Beginn
, ison in „Donna Diana" geboten. Damals war es die
Te^Erspänstige aus Philosophie, gestern die Widerspänstige aus
'Verament. ^ ,
Benefiziantin, Frl. Klär, hat beide verkörpert und m
llEst-» Stücken mit Recht reichen Beifall geerntet. Ihr Käthchen
Vckt" war ein Unband von Trotz und Heftigkeit; sie war aber
wir das schlimme, sie war auch das schöne Käthchen, dessen
ity^°Mng ßch verlohnt und so sah man mit Spannung und
^Eich Innerer Theilnahme dem Zähmungswerk Petruchios zu.
Blumenspenden bewiesen, daß man das Streben und die
der jungen Künstlerin anerkennt.
sichMr den Petruchio bringt Herr Hermann Rudolph die
<H>td, äußere Erscheinung mit; die Kraftnatur des Weiber-
»lit Mrs liegt ihm gut. Er zeigte starkes Temperament, und
^Ehagen verfolgte man seine Bändigungsarbeit. Wäre sein

ordnen dürfe, in wie weit Fleisch nur im zusammen-
hängenden Thierkörper eingeführt werden darf.
Gegen die Beschlüsse der Kommission betr. Einfuhrver-
bot macht sich mit Recht in den weitesten Kreisen eine
scharfe Opposition bemerkbar. Auch die Regierung hat
hier größere Bedenken dagegen geäußert. Man darf wohl
hoffen, daß dieser dreiste Vorstoß der ostelbischen Agrarier
abgeschlagen werden wird.

Deutsches Reich.
— Ein neuer nationalliberaler Wahlsieg wird
aus Bayreuth gemeldet, wo der nationalliberale Kan-
didat .Friede! mit erheblicher Stimmenmehrheit den sozial-
demokratischen Gegner aus dem Felde schlug. Vergleicht
man damit die neuliche sozialdemokratische Wahlniederlage
in Ealbe-Aschersleben, so kommt man zu dem Schluß, daß
die sozialdemokratischen Aktien bei einer eventuellen Reichs-
tagsauslösung doch keineswegs so glänzend stehen können,
als es die Umsturzhetzer glauben machen möchten.
Deutscher Reichstag. Berlin, 8. März. Zweite Be-
rathung des Gesetzentwurfs betreffend die Schlacht» ieh-
und Fleischbeschau.
Verhandelt wird zunächst über die Paragraphen 1, 2, 14.
Abg. Ger st e nb er g e r (Centr.) ist der Ucberzeugung, daß
das Gesetz, abgesehen von kleineren Mängeln, der Industrie nicht
schaden, der Gesundheit des Voltes und der Landwirthschaft aber
nützen werde. (Ahal links) Die Beschlüsse der Kommission
schienen annehmbar, bis 1903 könne von einer Fleischoertheuc-
rung für den kleinen Mann nicht die Rede sein. Einer vermehr-
ten Einfuhr von lebendem Bieg steh: nichts im Wege. Das
Gesetz richte sich gleichmäßig gegen das ganze Ausland; die
Kommissionsfassung entspreche der gesunden Mittelstandspolitik.
Redner und seine Freunde würden dafür stimmen.
Abg. Frese (frei!. Vz.): Wenn das Gesetz keine Fleisch-
ve.thenerung im Gefolge hätte, würde die Rechte sich nicht so
dafür ins Zeug legen. Merkwürdig sei die Verlangsamung der
Drucklegung, nachdem die letzte Kommisstonssitznng über den
Gesetzentwurf vor 14 Tagen stattgefunden hätte; ebenso merk-
würdig sei die schnelle Setzung des Gegenstandes auf die heutige
Tagesordnung Das werde im Volke zu denken geben. Wohin
geht die Reise? Es handle sich um Ausbeulung der arbeitenden
Klasse zu Gunsten der Agrarier, und die Landwirthschaft habe
von dem Gesetz nicht einmal den gehofften Vorthetl. Amerika
werde nur das Gefühl der Sch.idenfreudü über den Entwurf
haben. Der Schifffahrlsoerkehr mit Amerika sei für unsere
großen Gesellschaften sehr einträglich. Die Kommtssionsfassnng
sei für die Freunde des Redners unannehmbar.
Präsident Graf Ballestrem führt aus: Gegenüber den
Bemerkungen des Aba. Frese darüber, daß das Fleischbcschau-
gesetz schon heute auf die Tagesordnung gesetzt winde, ciwidere
ich, daß in ß 14 unserer Geschäftsordnung die vorgeschriebenen
Bestimmungen mehr als innegehallen würben, zweitens, daß
gestern, als ich vorschlug, heute das Fleischbeschaugesetz zu be-
rathen. Niemand dagegen Einsprache erhob (Sehr richtig ! rechts);
drittens, daß ich mit den Vertrauensmännern aller Parteien schon
vor längerer Zeit darüber Rücksprache gepflogen habe und daß
damals einst!,iinstg der heutige Tag festgesetzt worden ist.
Abg. Graf et li n kowst r ö m (cons.) wendet sich gegen die
Ausführungen des Abg. Frese. Die Beschlüsse der Commission
seien nicht agrarisch, sondern nur politisch, patriolisch und gerecht.
Er hoffe auf dieser Grundlage auch auf eine Verständigung mit
dem Bundesrath. Amerika überschütte uns seit langer Zeit mit
Zollplackereien und da sollen wir ihm Concessionen machen ? Wir
hoffen, daß der BundeSrath oie ihm gebotene Waffe benutzen
wird, um ein friedliches und befriedigendes Vetkältntß dem Aus-
land gegenüber zu schaffen. (Beifall rechts.)
Abg. Wurm (Soc) befürwortet einen Antrag Albrecht, in
88 2 und 14 die Vorlage wieder heizustellen Es sei Thatsache,
daß das verdächtige Vieh schnell im Hause geschlachtet werde, um
die Fleischbeschau zu umgehen; solches Fleisch werde dann auch
weiter verkauft. Las Gesetz in der Commissionsfaffung gehe
nur darauf aus die Fleischpreise zu verchc erri; das nenne man
rechts eine nationale Aufgabe. Nur wenn man den Agrariern
hohe Fleischpreise gewährleiste, seien sie bereit, an den nationalen
'Ausgaben zu arbeiten. Die Zunahme der Aleischeinfuhr beweise
mir. daß sie notdwendig sei. Seine Partei verlange eine strenge
sanitäre Conlrolle der Schlachtungen im Inland- und eine eben-
solche der Einfuhr; sie proteüi-.e aber dagegen, daß die Conlro'-le

dazu gemißbraucht wird, die Fleischpreise zu erhöhen. (Beifall
bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Sieg (natl.): Ein Großgrundbesitzer würde kaum
krankes Vieh für den Haushalt schlachten. Immerhin ließen sich
aber keine greifbaren Unterscheidungsmerkmale zwischen Groß- und
Kletngrundbesitzer angeben. Eine rapide Steigerung der Preise
sei nicht zu befürchten; andernfalls würde das Gesetz einfach ver-
schwinden. Das Gesetz solle nicht eine Erwerbsklasse schädigen,
auch könne man nicht von einer Ausbeutung der arbeitenden
Klassen sprechen. Für die 88 1 und 2 stimme seine Partei ge-
schloffen, für 8 14 der Redner mit der Mehrheit seiner Freunde.
Ein anderer Theil werde mit Rücksicht auf die Interessen ihrer
Wahlkreise dagegen stimmen. (Beifall rechts.)
Avg. Beckh-Koburg (fr. Volksp.) beantragt, in 8 2 den
Begriff „Krankheit" im Sinne der Vorlage Weiler als die
Kommission zu fassen und jede entgeltliche Abgabe von nicht
untersuchtem Fletsch zu verbieten. Den Wohlstand Deutschlands
habe Handel und Industrie begründet. Sein Antrag nehme
dem 8 2 das Kautschukariige, noch besser sei die Regierungs-
vorlage.
Abg. Holtz (Reichsp): Frese hätte seine Rede besser in
Amerika Hallen sollen. Ausländisches Vieh müsse grundsätzlich
ebenso wie da« inländische einer doppelten Kontrole unterworfen
werden. Die Landwirthe verlangten keine übermäßige Fletsch-
vertyeuerung, sondern nur eine-! angemessenen Unlernehmergewinn.
Der Fleischbeschauer könne den Landwirth leicht chikaniren, daher
sei die Abneigung des Bauern gegen ihn erklärlich. Seine
Partei werde für die Kommijsionssassung stimmen, wie ste
glaube, zum Beste» des deutschen Volkes und der deutschen
Landwirthschaft.
Abg Hoffmann - Hall (südd. Volksp.): Er sei ein ent-
schiedener Gegner der freien Hausschlachtung, so große Un-
bequemlichkeiten die Beschau auch bringe. Er fei es im Interesse der
Volksgesundheit. Ohne Streichung des 8 2 sei das Gesetz für
seine Partei unannehmbar.
Abg. Viel haben (Refp.): Die Schtvar;malerei der Linken
könne Niemand bange machen. Einen Zollkrieg brauchen wir
nicht zu fürchten. Das Geschrei gegen das Gesetz habe erst be-
gonnen, als die Inden merkten, daß sie Geld verlieren könnten.
Hierauf vertagt sich das Haus.
Es folgen persönliche Bemerkungen der Abgeordneten Gersten-
berger und Hoffmann-Hall. Morgen 1 Uhr: Fortsetzung.
L.O. Baden. Karlsruhe, 8. März. Der Gesetz-
entwurf betr. die Erbauung einer Nebenbahn von
Walldürn nach Hardheim bestimmt n. A., daß der
Staat das Recht hat, das Eigcnthum der Bahn nach
Ablauf von 25 Jahren von der Betriebscröffnung an
jederzeit zu kaufen und die Staatsaufsichtsbehörde die Be-
rechtigung zur Feststellung der Pläne und der Beför-
derungspreise, sowie zur Genehmigung und Abänderung
der Fahrpläne. Die Bahn ist rund 10 Lm. lang, die
Baukosten sind einschließlich der Betriebsmittel auf
938 000 M-, die Grunderwerbskosten auf 95 000 Mk.
veranschlagt. Nach Abzug der Geländckosteu stellt sich der
Aufwand pro Kilometer auf 93 800 M. Es sollen täg-
lich 4 Züge verkehren nach jeder Richtung im Anschluß
an die betreffenden Züge der Staatsbahn. Die Gesammt-
einnahme des Personenverkehrs ist auf 23 300 Mk., die
des Güterverkehrs auf 25 800 M. veranschlagt. Die Be-
triebsausgaben stellen sich auf 25100 M., wonach ei»
Ueberschuß von 24 000 M. verbleibt. Wie bereits be-
kannt, gewährt der Staat eine Unterstützung von zu-
sammen 300 000 M.
L.O. Baden-Baden, 8. März. Land- und Reichs-
tagsabgeordneler Reichert (Centr.) ist heute gestorben.
Er war einer der ältesten badischen Parlamentarier und
vertrat den Wahlbezirk Baden-Rastatt ununterbrochen seit
dem Jahre 1871 im Landtag und den Wahlkreis Offen-
burg seit 1889 im Reichstag. Er erreichte ein Alter von
nahezu 70 Jahren.
Badischer Landtag. L. 6. Karlsruhe, 8. März.
(41. Sitzung der Zweiten Kammer.) Eingegangen
ist eine Petition des Bezirksoereins Baden-Pfalz im
deutschen Fleischerverband um Aushebung der Fleisch-
accise. Zur Berathung steht das Budget des Wasser-
und Straßenbaus.

Organ etwas markiger, sonorer, so würde sein Petruchio in jeder
Hinsicht als mustergiltig zu bezeichnen sein. Besonders das erste
Zusammentreffen Beider gelang sehr gut, die Eßscene bei chm zu
Hanse wurde durch ein Versehen beim Abserviren etwas gestört.
Die kleine Rolle Biancas, der zweiten Tochter Baptistas,
spielte Frl- Heinrich. Aus der Passivität kommt Bianca erst
im letzten Act, nachdem sie Frau geworden, heraus. Da war es
sehr erfreulich zu sehen, wie fein und natürlich Frl. Heinrich zu
gestalten wußte. Ihre ganze Art zu geben erinnerte sehr an die
Spielweise ihres Vaters, der Meister, in kleinen Kabinets-
stückchen ist. „ . ^ .
Für die zahlreichen Männerrollen des stackes, Herren wie
Diener, niit und ohne Verkleidung, finden sich in unserem dies-
jährigen Ensemble die nöthigen Kräfte. Es hieße den Theater-
zettel abschreiben, wollte man alle tüchtigen und zufriedenstellenden
Leistungen hier aufführen. Es genüge zu sagen, daß Dank der
geschickten Mitwirkung aller Darsteller das Shakespeare'sche Lust-
spiel zu voller Geltung kam. Dabei ist noch in Betracht zu
ziehen und wird hier entsprechend ,n Betracht gezogen, daß das
Stück in Versen geschrieben ist und ,eder unechte Ton, ;edes Stocken
in gebundener Rede doppelt auffällt.
Die Decorationen und die Costume verdienen lobend erwähnt
zu werden. Das Haus war sehr stark besetzt. U.

— Die „schwächliche und kranke Wittwe". Ein gemüthvoller
und wohlthätiger Herr, der Rentier S. aus der Britzerstraße in
Berlin, las in einer dortigen Tageszeitung, daß eine kranke und
schwächliche Wittwe, Mutter von 4 Kindern, von einem uneigen-
nützigen Wohlthäter ein Darlehen von 6 Mark suche, um die
füllige Miethe bezahlen zu können. Von tiefem Mitleid erfüllt,
schrieb der Wohlthäter unter der angegebenen Chiffre an die
arme Frau und empfing auch umgehend einen Brief, in welchem
ihm die Adresse der Bedürftigen mitgetheilt wurde. Darauf be-
gab sich Herr S. nach der Wohnung der unglücklichen Ludmilla K.
in der Oppelerstraße. Unterwegs schon malte er sich aus, welches
Jammerbild von Noth und Elend sich ihm darbieten würde, um-
somehr erstaunte er, als ihm ein blondhaariges Hünenweib die
WohnungSthür öffnete, und noch größer wurde seine Verwunderung,
als die „Heldin" sich als Ludmilla K. vorstcllte. Herr S. er-
kundigte sich nach der angeblichen Krankheit der Wittwe. die ihn
statt aller Worte zärtlich umarmte und herzhaft küßte. Auf einen
derartige» Ausgang seines Wohlthätigkeitswerkes war Herr S.
nicht gefaßt und so entrüstet, daß er die arme Wittwe wegen
ihrer Heuchelei in scharfen Worten zur Rede stellte. Die Ant-
wort der „kranken, schwächliche» Frau" war eine tüchtige Tracht
Prügel für den enttäuschten Wohlthäter, der froh war, als er
das Unglückshaus im Rücken hatte.

Kleine Zeitung.
— Kaiserin Augusta-Deakmal in Weimar. Die Errichtung
eines nationale» Denkmals zum Gcdächtniß weiland Ihrer Maj.
der Kaiserin Auausta in ihrer Vaterstadt Weimar ist ge-
plant. Das Denkmal soll in der Form einer Kaiserin Augusta-
Gedächtuißkirchc und eines dieser gegenüber aufaeftellten Marmor-
Standbildes der Kaiserin errichtet werden. In Baden hat sich
ein Landesausschuß gebildet; derselbe stekt unter dem Protektorat
I. K. H. der Großherzogin. Zum Empfang der Gaben hat
sich die Rheinische Kreditbank in ,hier Filiale zu Karls-
ruhe als Haupt-Etnzadlungsstellc in ihrer Centralstelle zu
Mannheim und in den übrigen Filialen des Landes in freund-
licher Weise bereit erklärt.

Literarisches.
—8 Vielfach ist die Ansicht verbreitet, daß vor unserer Zeit
eine Eiszeit war, der indessen Perioden vorausgingen mit viel
wärmerem Klima, als wir es heute besitzen. Demgegenüber zeigt
Hundhausen in seinem Berichte über Geologie („Umschau,
Frankfurt a. M.), daß es auch bereits viel früher Eiszeiten ge-
gegeben hat, sogar schon zur Zeit der Kohlenformation, wie sich
auS gewissen Schichten ln Indien und Südafrika Nachweisen
läßt. — Die gleiche Nummer enthält einen interessanten Aufsatz
über Einschienenbahnen, in dem auch die originelle Schwebebahn,
welche demnächst in Barmen-Elberfeld zur Eröffnung kommt, be-
sprochen wird. Ferner lesen wir, welche Ansichten oer berühmte
Physiker Bolzmann über die Atome hat. Kurz, eine Fülle der
interessantesten Gegenstände.
 
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