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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 78-100 (2. April 1900 - 30. April 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0393

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Sonntags ausgenommen.

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mit Familienblättern
monatlich 50 Pf.
- frei in's Haus gebracht.
Durch die Post biogen
vierteljährl. 1.25 Mk.
ausschließlich Zustellgebühr.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


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Für hiesige Geschäfts- und
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der Inserate auf den Plakat,
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Fernsprech-Anschluß Nr. 83

«r. 81.

Donnerstag, den 5. April

180«.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für das II. Vierteljahr 1900
kerben bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, fortwährend angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 5V Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1L5 vierteljährlich,
Kit Zustellgebühr Mk. 1.65.

Wochen - Chronik.
(Vom 25. bis zum 3l. März.)
Aiärz 25.: Der englische Gen r-l French ist nach Bloem-
fontein zurückaeicmr, ohne daß es ihm gelnngen
wäre, die Burenabiheilung unter Olivier abzufassen.
, 26.: Die am 1. Apiil in Kraft tretende neue Post-
ordnung bringt zahlreiche Aenderungen, die einen
Fortschritt bedeuten.
„ 27.: Die Budgetkommtssion des Reichstags beginnt die
Berathung des F l 0 t t e n g e s e tz e s. Die vertrau-
lichen Mittheilungen des Staatssekretärs v. Bülow
machten — wie verlautet — einen starken Eindruck
auf die KommissionSmitgliedcr.
, 28.: Der ehemalige französische Botschafter Benedetti,
Emser Andenkens, stirbt.
» 28.: Der Oberkommandirende der Buren, Zaubert, stirbt.
, 2S.: DerStrcik im böhmisch-mährisch en Kohlen-
revier ist fast ganz erloschen.
» 29.: Die Budgetkommission vertagt die Weiterberathung
des F l 0 t t e n g e s c tz e s aus den 25. April. Man
darf hoffen, daß das Gesetz zu Stande kommt.
. 30.: General Roberts schickt von Bloemfontein Truppen
nach Norden gegen die ihn belästigenden Buren
vor. Es kommt zu einem hartnäckigen Kampf. Erst
als die Engländer zablreiche Verstärkungen erhalten,
geben die Buren einige Hügel auf.
» 31.: Es gelingt den Buren, eine Train- und Artillerie-
Kolonne der Engländer östlich von Bloemfontein aus
dem Hinterhalt zu überfallen und zum großen
Theil zu erbeuten. Die Engländer verloren über
100 Wagen, 7 Geschütze und ca. 200 Gefangene.

Attentat auf den Prinzen von Wales.
Brüssel, 4. April. Gegen den Prinzen von
Wales, der auf der Reise nach Kopenhagen heute
Nachmittag 5'/, Uhr auf dem hiesigen Nordbahnhof
eintraf, wurde von einem Mann, dessen Persönlichkeit
"och nicht festgestellt ist, ein Schuß abgefeuert.
Das Attentat blieb erfolglos. Der Prinz wurde nicht
verwundet. Der Verbrecher wurde verhaftet.
Ein weiteres Telegramm aus Brüssel vom 4. ds. er-
°vhlt noch folgendes Nähere:
. Heute Nachmittag 5 Uhr 15 Min., als der Zug mit
°k Prinzen von Wales, der sich auf der Reise nach
Kopenhagen befindet, im Nordbahnhof eingelaufen war
Prinz, nachdem er einige Minuten auf dem
Avhnsteig auf- und abgegangen war, wieder in seinen
Salonwagen einsteigen wollte, näherte sich ihm ein junger
Irisch und feuerte aus einem Revolver einen Schutz auf
ab. Der Stationsvorsteher Crocius, der sich in
^ Nähe des Prinzen befand, schlug dem Verbrecher auf
h v Arm, sodatz der Schutz fehlging, und verhaftete so-
v"n den Menschen. Nachdem er ihn der Polizei über-
> den hatte, näherte er sich dem Salonwagen und fragte
^? Prinzen» ob er verletzt worden sei. Dieser antwortete
y »Nein" und fragte nur, ob der Verbrecher verhaftet
b °rden sei. Das Verbrechen ist wohl nicht mit Unrecht
tz? sozialistischen Hetzreden zuzuschretbcn, die gestern
^ End ,m hiesigen niederländischen Theater gegen die
Isländer wegen des Burenkricges gehalten wurden,
s Ed Socialist Volkaert hatte bei Eröffnung der Ver-
^kluna erklärt: „Der Prinz von Wales wird

morgen hier durchreisen, und es ist nothwen-
dig, daß er erfahre, daß das belgische Volk die
Wiederherstellung des Friedens wünscht." Diese Worte
scheinen demnach ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben.
Der Verbrecher ist ein 16jähriger Klempner, Namens
Sipide, wohnt in der Vorstadt Saint-Gilles. Er führte
zahlreiche anarchistische Schriften bei sich und gibt
reuelos seine Mordabsicht zu.
Aus dem Umstande, daß der noch an der Grenze des
Knabenalters stehende Jüngling sich mit anarchistischen
Schriften trug, ist leicht auf seine Disposition zur Zucht-
losigkeit zu schlichen. Wenn so ein junger, haltloser, zu
Exccssen neigender Kopf dann noch mit Brandreden auf-
gereizt wird, dann ist die Gefahr, daß ein Verbrechen ge-
schieht, immer nahe.
Glücklicherweise ist dem Prinzen von Wales nichts
passirt. Der Vorfall in Brüssel darf als ein Beweis
dafür gelten, wie gefährlich es ist, auf den obersten Stufen
der sozialen Ordnung der Menschheit zu stehen, selbst wenn
man persönlich nicht zu den Hervorragenden zählt. Der
einfältige Mordversuch eines halbwüchsigen Klempner-
burschen wird die Gefühle der Engländer für den Prinzen
von Wales ohne Zweifel zu lebhaften Kundgebungen der
Theilnahme und der Freude über seine Errettung aus
Todesgefahr anregen. Das ist ihm als Entschädigung
für die ausgestandene Gefahr zu gönnen.

Zum Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetz.
Berechtigte Beachtung findet die Erklärung, die ge-
meinsam von den konservativen Herrcnhausmitgliedcrn
Frhrn. v. Manteuffel-Crossen und Graf v. Mirbach-
Sorquitten am 31. März in dem Parteiorgan der Konser-
vativen zu dem „fast einstimmig gefaßten Beschluß" des
Ausschusses des Bundes der Landwirthe in Sachen des
Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetzes veröffentlicht ist,
nämlich, daß sie, im Gegensatz zur Bundesleitung,
nachdem die Beschlüsse der zweiten Lesung sich als un-
annehmbar erwiesen, eine Verständigung wünschen,
und zwar eine Verständigung auf Grund des Zusammen-
gehens der großen maßgebenden Parteien. Der „fast ein-
stimmig gefaßte Beschluß" ging dahin, daß es für die
deutsche Landwirthschaft „unmöglich sei, über die Be-
schlüsse der zweiten Lesung hinausgehende Konzessionen zu
machen". Das Bundcsorgan, die Deutsche Tageszeitung,
knüpft an die Erklärung jener konservativen Führer die
stereotype Bemerkung, die Stellungnahme des Bundes der
Landwirthe zu dem Fleischschaugesetz werde „selbstverständ-
lich durch diese Kundgebung in keiner Weise berührt."
Mag sein, aber was will eine solche „Stellungnahme"
noch besagen, wenn selbst Mitglieder, die in der Leitung
des Bundes sitzen eine Sache betreiben dürfen, die „für
die deutsche Landwirthschaft" als „unmöglich" für den
gesammten Bund abgestempelt worden ist. Darüber schweigt
natürlich das Bundcsorgan sich aus, zumal ein erheblicher
Theil der konservativen Reichstagsfraktion hinter der
Deklaration des Frhrn. v. Manteuffel und des Grafen
Mirbach steht.

Deutsches Reich
— Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete für
Nürnberg-Fürth, Oertel, ist gestorben. Er war vor
einiger Zeit wegen schwerer Melancholie in eine Heilanstalt
gebracht worden.
Baden. Seckenheim, 2. April. Der stetige Rück-
gang des badischen Tabakbaues, veranlaßt durch
die Unrentabilität, gab die Veranlassung dazu, daß badische

Produzenten in einer in Seckenheim abgehaltenen Ver-
sammlung über Mittel und Wege beriechen, um eine bessere
Gestaltung ihrer Position herbeizuführen. Es wurden
nach eingehender Besprechung folgende Beschlüsse gefaßt:
Die versammelten Tabakbauern geben übereinstimmend
ihrem lebhaften Bedauern über den starken Rückgang und
die Unrentabilität des Tabakbaues Ausdruck. Sic be-
dauern dies umsomehr» als der Tabakbau früher den
lohnendsten Zweig der Landwirthschaft in ihren Gemeinden
gebildet und für Viele die Quelle des Wohlstandes war.
Als Ursache betrachten sie übereinstimmend die Wirkung des
Tabaksteuer-Gesetzes vom Jahre 1879, durch welches der
deutsche Tabak zu hoch im Vergleiche zu ausländischem mit
Steuern belastet erscheint. Deshalb ist unter allen Um-
ständen zur Erhaltung des Tabakbaues ein wesentlich ver-
stärkter Zollschutz durch eine kräftige Erhöhung des
Eingangszolles auf Rohtabak — auf mindestens 125 Mk.
pro 100 Kilogramm — und die Jnlandssteucr von 45
auf 30 Mk. zu reduziren, zu erstreben, ebenso daß die in
den Transitlagcrn sich ergebenden Tabakstengel wie auch
sonstige Abfälle steuerfrei vernichtet werden dürfen.
sJ Vom Lande, 4. April. Die badischen Lehrer
haben eine Petition eingereicht, um bessere Gehalts-
Verhältnisse zu bekommen. Da möchte wohl mancher
Nichtlehrer denken : „Was, die Lehrer kommen schon wieder
und wollen Aufbesserung". Wenn die Leute aber wüßten,
wie niedrig die Gehalte vieler Lehrer sind, würden sie
sagen: „Das reicht nicht". Zudem erhalten andere Be-
amten, die auch nicht höhere Prüfungen ablegen müssen
als Lehrer, weit mehr Gehalt. Einzelne Beamtengruppen
bekommen über noch einmal so viel. Auch in andern
Staaten sind die Lehrer durchschnittlich besser gestellt als
unsere. In Hessen will die Regierung einen Höchstgeyalt
von 2800 Mark geben, bei uns 2000 Mark; dort werden
alle Dienstjahre gezählt von der Dienstprüfung an, bei
uns nur die Hauptlehrcrjahre. Fast alle Staaten haben
bessere Verhältnisse geschaffen, so daß Baden bezüglich der
Volksschulverhältnisse an 16. Stelle marschirt, nicht an
der Spitze, wie oft behauptet wird. Die Einnahmen stehen
für viele Lehrer eben nur auf dem Papier, und die Auf-
hebung des Wittwenkassengeldes trifft die Lehrer nur gering.
Wer viel seither hatte, der bekommt auch wieder viel nach-
gelassen, beziehungsweise aufgebessert! Wenn unter den
dermaligen Verhältnissen Landtag und Regierung nicht für
Abhilfe sorgen, so tritt unfehlbar Lehrermangel ein. Schon
jetzt spürt man es. Dann kommen eben auch Leute in
den Lehrerstand, die besser ferngchalten würden. Und wer
muß es büßen? Die Schulen. Ein tüchtiger Lehrer ist
ein Glück für eine Gemeinde. Ein untüchtiger ein Unglück.
Darum haben alle die Pflicht, für einen tüchtigen Lehrer-
stand zu sorgen. Den bekommt man aber nur, wenn die
Lehrer ebenso gut gestellt werden, wie Beamten, welche
ihnen an der Bildung gleichzuachten sind. Die Lehrer
wollen nur auf Recht und Gerechtigkeit sich gründende
Gleichstellung.
Preußen. Die Abtheilung für Maschineningenieur-
wesen an der Königlichen Technischen Hochschule zu Berlin
will für die neue Diplomprüfung von den Studiren-
den ein Jahr praktischer Arbeit als Vorbedingung
der Prüfung verlangen und zwar nicht als konventionelles
Elevenjahr, sondern mit der Bestimmung: „Der Nachweis
der mindestens einjährigen praktischen Thätigkeit muß die
Beglaubigung enthalten, daß der Bewerber sich während
des praktischen Arbeitsjahres der Arbeitsorganisation und
Arbeitsordnung einer Fabrik oder einer industriellen Unter-
nehmung ohne Ausnahmestellung unterworfen hat
und muß die Art der Beschäftigung in dieser Zeit klar er-

17)

Fürst Margoui.
Roman von Moritz LUie.

(Schluß.)
Aer Diener trat ein und meldete, daß alles bereit sei.
Kornfelder erhob sich.
lein-» Ev habe zu Ehren eines meiner Mitarbeiter, der heute
le>üt- Geburtstag feiert, ein kleines Frühstück veranstaltet,"
Eh? Er zu Herrn von Wendelstein, „Sie geben uns wohl die
k unser Gast zu sein?"
ehemalige Gardeosfizier verneigte sich zustimmend.
. dem Salon der Dornfelderschen Villa war ein reiches
0tz,?Et ausgestellt. Arnold Dornfelder und die höheren Be-
letzt»? "er Firma batten sich eingefunden und von den
>>ri,»^n jeder eine sinnige Erinnerungsgabe für den all-
i.dde»- Prokuristen mitgebracht. Als Valerie mit den
stih.,EEn beiden Herren eintrat, ging Georg auf sie zu und
!>«(>»„ ne zu ihrem Platz; die beiden Chefs des Hauses saßen
Meg?Elnander, rechts und links von ihnen Valerie und
h»tte.' während Wendelstein ihnen gegenüber seinen Sitz
olle Platz genommen hatten, klopfte Arnold Dorn-
, si.i"?Ein Glas, erhob sich und sagte:
üdgxd??? haben dem Geburtslagskinde eine kleine Anerkennung
?ls »???'zu deren Veröffentlichung der heutige Tag uns
Lbkrx " besten geeignet erschien. Mein Bruder und ich sind
U>tin??Eko"imen, unseren langjährigen, treuen und um-
A>ti»E.u Mitarbeiter und Prokuristen zum Theilhaber und
»diikn Eer des Bankhauses Gebrüder Dornfelder zu er-
Men?» und wir bitten alle unsere Herren Beamten und An-
n>.EN, den seitherigen Prokuristen von dieser Stunde an

->k

> 2 al- H " >c>.ocriurn Proiuriiren von vieler «lunve
»ichberechtigten Chef zu betrachten und ihm die Liede
^Ue yFsung ^ erhalten, deren er sich bisher erfreute. Der

ie »u crgaiien, oeren er ncy o>sy
F»7?ftluhader unserer Firma lebe hoch!"
udiger Jubel umdrauste den aufs höchste über-

> laschten jungen Mann ; keines Wortes mächtig, drückte er den
> beiden allen Herren dankbar die Hände, während sich die
Anwesenden um ihn drängten und ihm ihre Glückwünsche
^ darbrachten.
.Als fick die freudige Aufregung ein wenig gelegt
! hatte, gab Sebald Dornselder das Zeichen, daß er sprechen
wolle.
„Das Geschenk, welches unser Fekgenosse soeben aus
! der Hand meines Bruders empfing, hat freundliche An-
^ nähme gefunden," sagte er launig; „ob eine zweite Spende,
die zu übergeben ich mir Vorbehalten habe, das gleiche
i Schicksal haben wird, bleibt abzuwarten. Ich verfüge
dabei im gewissen Sinne über fremdes Eigenthum; aber
ich zweifle nicht, daß der rechtmäßige Besitzer unweigerlich
seine Zustimmung dazu gibt- Und das Geschenk, welches ich
zu vergeben habe, ist eine Hand — die Hand meiner Nichte
Valerie!" t
Er faßte die Rechte des lungen Mädchens und legte sie
in die Georgs.
„Onkel!" schrie Valerie im Uebermaß der Freude auf
und sank weinend an seine Brust. Georg aber zog die Ge-
l liebte sanft an sich und auch in seinen Augen glänzten
Thränen.
„Zu viel des Glückes!" flüsterte er, dann neigte er sich
zu der Tieserröthenden herab und ein langer Kuß besiegelte
den Bund der Herzen, der unbewußt schon in den Kinder-
jabren geschlossen, jetzt endlich die heißersehnte letzte Festigung
erhielt.
„Kinder — glaubtet Ihr denn, ich sei blind, ich hätte
nicht bemerkt, was in Euch vorgmg?" rief Sebald lustig
aus, „da habt Ihr denn doch den alten Onkel unterschätzt.
Ader nun die Gläser vollgeschenkl und mit mir angestoßen
aus das Wohl des Brautpaares!"
— Ende.—

Kleine Zeitung.
— Berlin, 2. April. Bei der heutigen Vernehmung der Sach-
verständigen der Eisen- und Stahlindustrie vor dem wirthschaft-
lichen Ausschuss- im Reichshause kam es zu einem heiteren Zwi-
schenfalle. der zugleich einen sehr ernsten Hintergrund hat. Bei
dem Artikel Feinbleche wurde die außerordentlich gesteigerte Ein-
fuhr englischer Stanzbleche in Deutschland besprochen. Dabei
nahm Generaldirektor Kollmann von der oberschlesischen BiSmarck-
hütte Gelegenheit, daraus hinzuweisen, daß die sämmtlichen, auf
den Tischen des Reichshauses liegenden Stahlschreibfedern
englischen Ursprungs seien und zwar von der Firma Perry
u. Co. in London stammen. Es sei doch höchst bedenklich, daß
die Verhandlungen im Retchshause und insbesondere diejenigen
über den deutschen Zolltarifentwurf mit englischen Federn nieder-
geschrieben würden. Geheimer Ober-Regierungsrath Wermuth
wies launig darauf hin, daß das Retchsamt des Innern im
Reichshause selbst nur Gast sei. daher sich mit den Federn be-
gnügen müsse, die das Reichshaus leihweise darbiete. Die Sach-
verständige» gaben ihm darin Recht, nahmen aber die Forderung
Kollmauns: „Deutscher Reichstag, schreib mit deutschen Federn!"
mit lebhaftem Beifall auf.
— Berlin, 3. April. Der Mordprozeß gegen das Ehe-
paar Gönczi hat heute Dienstag vor dem Berliner Schwur-
gericht begonnen. Die Unthat, die jetzt eine Sühne finden soll,
wurde im August 1897 verübt. Die 71jährtge Wittwe Schultze
und deren 51jährige Tochter wurden, nachdem man mehrere Tage
nichts von ihnen gesehen hatte, ermordet im Keller ihres
Hauses in der Königgrätzerstraße gefunden. In schwarzes
Wachstuch gehüllt, lagen sie mit eingeschlagencm Schädel in 2
Kisten. Der Verdacht lenkte sich auf den im gleichen Hause
wohnenden Schuhwaarcnhändler Gönczi, der kurz vorher einge-
zogen war. Die Blutspuren führten in seinen Laden. Auch
hatte er zwei Tage nach dem Verschwinden der Frauen 2 Fuhren
Sand durch die Kellerfenster auf die Kisten mit den Lerchen
werfen lassen, Gönczi und seine Frau aber waren verschwunden.
Ihre Spur konnte man nur bis Brüssel verfolgen. Erst im
 
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