Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 1-26 (2. Januar 1900 - 31. Januar 1900)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0045

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preir
mit Familienblättern
monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
vierteljährl. 1,25 Mk.
ausschließlich Zustellgebühr.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


Jnsertionsgebühr
15 Pf. für die Ispaltige '
Vetitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeigcn bedeutend
ermäßigt.

Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln Le: Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulm.

Fernsprech-Ansch luß Nr. 8

Xr.9.

Aminnstag, Len 11. ZMuar

19VV

Wochen - Chronik.
(Vom 1. bis zum 6. Januar.)
Jan. 1.: ES kommt die Nachricht, daß am 30. Dec. der Post-
dampfer „Bundes rath" von der deutschen Ost-
afrikalinie von einem englischen Kriegsschiff an-
gehalten und nach Durban geführt worden ist.
„ 1.: Die deutschen Truppen erhalten für ihre Fahnen
ein Erinnerungszeichen als Unterpfand der Einheit des
deutschen Heeres.
„ 1.: Der Kaiser hält im Zeugbause eine schöne Ansprache
an die dort versammelten Offiziere.
„ 2.: Auch da« deutsche Segelschiff „Hans Wagner" ist
von den Engländern beschlagnahmt worden.
„ 3.: Der französische Staatsgerichtshof ver-
urtheilt Töroulöde und Buffet zu lOjähriger Ber-
bannung, Guörtn zu lOjähriger Einschließung.
„ 3.: Rußland hat in der Weihnachtszeit vier kaukasische
Schützenbataillone zur Probe mobil gemacht und
an die afghanische Grenze geschickt.
„ 4,: Der entgegenkommende Ton der bad. Regierung
aus die lächerliche Petition der Zweiten Kammer, betr.
Lesebuchreinigung, fällt in liberalen Kreisen
unangenehm auf.
, 4.: Der deutsche Dampfer „General" wird in Aden
aufgehalten. Dieses Borgehen Englands wird in
Deutschland sehr unangenehm empfunden.
, 5.: Der Ort Kuruman im Betschuanagebiet hat vor den
Buren kapitulirt.
„ 6.: Die Buren greifen Ladys mith energisch an. Der
Kampf dauert den ganzen Tag. Die Engländer, ob-
gleich stark bedrängt, vermochten sich noch zu behaupten.
„ 6 : Auch der deutsche Dampfer „Herzog" ist von einem
englischen Kriegsschiff nach Durban geführt worden.
„ 6.: In der Gegend von Colesberg haben die B u r e n
eine Compagnie des Suffolk-Regiments gefangen
genommen.

Die Taufe der „Deutschland".
Stettin, 10. Jan. Heute fand der Stapellauf des
auf der Werft des Vulkan für die Hamburg-Amerika-Linie
erbauten Dampfers „Deutschland" statt. Der Kaiser
nahm an der Feier theil. Die Taufrede hielt der Staats-
sekretär v. Bülow.
In seiner Ansprache wies Herr v. Bülow auf die
kleinen Anfänge der Hamburg-Amerika-Gesellschaft und des
Vulkan hin, die heute Unternehmungen größter Art seien.
Dann fuhr er fort:
Es ist ein langer, mühsamer Weg, der von kleinen Anfängen
bis zu diesem stolzen Fahrzeug geführt hat, und wie die Ham-
burg-Amerika-Linie sich in immer großartigerer Weise entwickelte,
wie der Stettiner „Vulkan" seine Leistungsfähigkeit mehr und
mehr steigert, so Hai während dieser selben Periode das Vater-
land wicdergewonnen, was seit den Tagen der Hansa verloren
gegangen war. Seit dem Niedergange der Hansa, die zugrunde
ging, weil das Reich sie nicht genügend stützte, weil damals der
deutsche Kaufmann keine genügende staatliche Rückendeckung fand,
wandte sich Deutschland von der See ab. Während dreier Jahr-
hunderte ging es uns wie Peter in der Fremde in der alten Er-
zählung, dem vor der Fahrt über das Meer gruselte, uns, die
wir einst fremde Länder und Kolonien besetzt, Barbaren zur Ge-
Nttung geführt und den Erdball mit unseren Faktoreien über-
zogen hatten! Erst als die Nation durch unser» großen Kaiser
und durch die Opferwilligkeit und Vaterlandsliebe aller Stämme
und Schichten des deutschen Volkes die staatliche Einheit
wieder errungen hatte, besann sie sich wieder auf das alte Han-
seatenwort: „Mein Feld ist die W elt", und betrat sie
wieder das Theater der Weltpolitik. Denn unsere gegenwärtige
Überseeische Politik ist hervorgegangcn aus dem gewaltigen
wirthschaftlichen Aufschwung, der wiederum eine Folge war der
Schaffung des Reiches. Als die deutsche Arbeit stch eine Stel-
lung auf dem Weltmarkt erobert hatte, mußte unsere auswärtige
Politik der Entfaltung der wirthschaftlichen Kräfte folgen- Unsere
heutige überseeische Politik und unsere heutige Welt-
Volt t ik h aben s i ch aus unserem wirthschaftlichen
Wachsthum mit Nothwendigkeit ergeben. Heute
suhlen wir mehr und mehr, daß ein Volk, das sich von der
«ee abgewendet hält, im Weltgetriebe beiseite steht, wie
°er Statist, der sich im Hintergrund herumdrückt, während
vorn auf der Bühne die großen Rollen agiren. Deutsch-
jllnds Handel, der sich in den lenken vier Jahrzehnten

von 2'Z Milliarden im Jahre 1860 auf 8'/- Milliarden im
Jahre 1897 gehoben hat, hat in den letzten 30 Jahren die Zahl
seiner Handelsschiffe verfünfzehnkachl und ist in Handel, Verkehr
und Schifffahrt in die zweite Stelle hinaufgerückt. Deutschland
kann weder im wirthschaftlichen noch im politischen Wettbewerb
Zurückbleiben. Deutschland, das dem Meere ungeheure Werthe
anvertrout hat, das längst nicht mehr nur ein Binnenvolk im
Herzen Europas, sondern auch eine Welthandelsmacht im
Vorder treffen ist, muß auch zur See stark genug sein, um
den deutschen Frieden, deutsche Ehre und deutsche Wohlfahrt
überall wahren zu können. Und wenn wir auch vom Schicksal
vorgezeichnet finden, daß Hindernisse zu überwinden und schwie-
rige Stellen zu passiren sind, so wird uns das weder irre machen
noch niederbcugen. Mulhig, thätig und energisch müssen und
wollen wir dem Endziel entgegenschreiten. Und nun soll dieses
schöne Schiff einen Namen erhalten. Der Name, den das Schiff
erhalten soll, ist der Name, den auch das erste Schiff der
Hamburg-Amerika-Linie getragen hat, jenes kleine Segelschiff,
das am 15. October 1848 von Hamburg nach Newyork mit
220 Passagieren in See gegangen ist — ist derjenige Name, der
von irdischen Namen uns der theuerste, höchste und heiligste ist:
„Deutschland". Ich taufe dich auf den Namen
Deutschland!
Nachdem die Champagnerflasche am Schiffe zerschellt
war, fuhr der Staatssekretär fort:
Segne Gott dieses Schiff, das den Namen unseres Landes
trägt! Er schütze es auf allen Fahrten! Er schütze die Freund-
schafts- und Vcrkehrsbeziehungcn zwischen uns und den Ver-
einigten Staaten und schütze deutsche Arbeit, deutschen Fleiß,
deutsche Tüchtigkeit! Er gebe uns Frieden und Eintracht im
Innern, sichere Wehr und Macht und Stärke nach außen! Er
schirme und segne Deutschland und dieses Schiff, da« anderen
Schiffen voran sein soll, so viele ihrer die Meere durchqueren I
Wir aber vereinigen uns in dem Rufe, der zusammenfaßt was
wir fühlen, hoffen und erstreben: Der Führer der Nation,
Se. Majestät der Kaiser und König — er lebe hoch!
Der Kaiser begab sich von der Vulkanwerft nach Stettin
zurück, nahm dort eine Parade über die Garnison ab und
folgte dann einer Einladung zum Essen im Offiziercastno
des Grenadierregiments König Friedrich Wilhelm IV. Der
Staatssekretär v. Bülow nahm an dem Festessen theil, das
die Direktion des Vulkan arrangirte.

Deutsches Reich
— Im Reichskanzlerpalais fand am 9. d. die General-
versammlung des deutschen Centralcomitäs zur Er-
richtung von Heilstätten für Lungenkranke statt.
Der Reichskanzler eröffnete die Sitzung, dann trat er den
Vorsitz an den Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky
ab. Generalsekretär Dr. Pannwitz erstattete den Geschäfts-
bericht, in dem er ausführte, daß den Mittelpunkt der
Thätigkeit des Centralcomitss im letzten Jahre die Orga-
nisation und Durchführung des Congresses zur Bekämpfung
der Tuberkulose als Volkskrankheit bilde. Es ständen zur
Aufnahme von Lungenkranken der minderbemittelten und
unbemittelten Bevölkerung 33 Lungenheilstätten bereit. Mit
dem Beginn deS neuen Jahrhunderts sei es möglich, 20 000
Heilbedürftigen den Heilstätten zuzuführen.
— Die Königin-Regentin von Spanien hat dem
deutschen Kronprinzen den Orden vom Goldenen Vliß
verliehen. Eine besondere Abordnung wird dem Kron-
prinzen das Ordenszeichen überbringen.
— Wie aus London unterm 10. ds. telegraphirt
wird, haben die britischen Behörden in Durban den
deutschen Dampfer Herzog freigegeben. Die Be-
schlagnahme auch dieses Dampfers war sonach ungerecht-
fertigt und England wird Entschädigung bezahlen müssen.
Das neuliche Telegramm des Kaisers an den König von
Württemberg, worauf auf diese unliebsamen „Ereignisse
der letzten Zeit" direkt hingewiesen wurde, hat den Eng-
ländern augenscheinlich zu denken gegeben. Man fühlt
und weiß sehr gut, daß der beste Freund, den England
bis jetzt in Deutschland hatte, der deutsche Kaiser war,

und daß es eigentlich doch sehr unpraktisch sei, durch eine
Beschlagnahme deutscher Schiffe, bei der doch nichts heraus-
kommt, ihn zu erbittern. Das Telegramm des Kaisers
an den König von Württemberg besprechen die englischen
Blätter sehr ruhig und achtungsvoll. Was die Beschlag-
nahme deutscher Schiffe anbetrifft, so schreiben z. B. die
Daily News: Das Suchen nach Kriegscontrebande ist
unzweifelhaft belästigend für Neutrale. Die deutsche
Regierung ist zweifellos berechtigt, im Interesse der
deutschen Unterthanen Vorstellungen zu machen. Es
ist Lord Salisburys Pflicht, diese Vorstellungen
in freundlichstem Sinne zu erwidern und vor allem
möglichst wenig Verzug eintreten zu lassen. Daily
Chronicle sagt, es handelte sich bei der Beschlagnahme
lediglich um die Beweisfrage. Hatte der Dampfer
„Bundesrath" ein falsches Manifest, so verlieren ein oder
mehrere Kaufleute Geld, hatte er es nicht, so zahlen wir
bereitwillig Entschädigung. In beiden Fällen, meint das
Blatt, stehe Deutschlands Ehre so wenig auf dem Spiel,
wie die Ehre der Republik San Marino. So einfach,
wie de: Daily Chronicle meint, liegt die Sache nicht; der
indirekte Schaden, der durch die Beunruhigung des deut-
schen Handels und Verkehrs nach Ostafrika entsteht, läßt
sich garnicht abschätzen, und England zahlt dafür keine
Vergütung; aber aus dem Ton der englischen Blätter ist
doch der Schluß zu ziehen, daß England sich vor weiterer
Belästigung deutscher Schiffe in Acht nehmen wird.
Deutscher Reichstag. Berlin, 10. Januar. Etats-
berat h u n g.
Bei dem Etat des Reichsamts des Innern, wünscht Abg.
Tr- Hitze (Centr.) Auskunft über den stand der Untersuchung
über die Kinderarbeit.
Staatssecretär Dr. Graf v. Posadowsky: Es fanden
kommissarische Berathungen Uber die Frage der Kinderarbeit unter
Zuziehung von Mitgliedern des Cultusministcriums statt, die zu
einem praktischen Ergebuiß führen dürften. Die Commission
würde schließlich auch noch weiter eine ersprießliche Thätigkeit
entwickeln können.
Abg. Dr. Oertel (cons): Die Bäckereiverordnung schädige
noch immer die Betheiligten schwer. Die Meister verlangten nicht
den Maximalarbeitstag, sondern eine Max imalruhc zeit. Es
kämen nur die großen Bäckereien zurecht mit ihren doppelten
Schichten. Kleine und mittlere Betriebe gingen dem Ruin ent-
gegen.
Abg. Fischer-Berlin (Soc.): Die Gewerbe-Jnspectionsbe-
richte des Reichsamtcs des Innern sollten früher veröffentlicht
werden, damit eine eingehende Controle möglich sei. Trotzdem
seien die Berichte nicht übersichtlich und nicht einheitlich. Die
Gewerbe-Jnspectton sollte von Reichswegen einheitlich geregelt
werden. Die Berichte seien einseitig, gehässig und parteiisch für
die Arbeitgeber gegen die Arbeiter. Trotz des Aufschwunges der
Industrie habe sich die Lage der Arbeiter nicht gebessert. Diese
Besserung sei nur auf dem Wege der Organisation möglich.
Staatssecretär Dr. Graf ».Posadowsky: Es sei sehr
schwer, solche Zusammenstellungen ganz objectiv zu machen. Er
habe persönlich den dringenden Wunsch, daß die Gewerbe-Auf-
sichtsbeamten ihre Aufgabe so auffassen, wie sie gedacht sei, näm-
lich, daß sie sich daraus beschränken. Thatsachen möglichst unpar-
teiisch festzustellen; nichts zu verschweigen und nichts hinzuzu-
fügen. Objektive Darstellung der Thatsachen sei viel mehr die
Aufgabe der Inspektoren als sociale Raisonnements. Das dies-
malige späte Erscheinen des Berichtes liege daran, daß das
Material erst im August eingiug. Ueber die Lebenshaltung der
Arbeiter könne eine Lohnstatistik allerdings keine Auskunft geben,
man könne aber mit gutem Gewissen sagen, daß die Lebenshaltung
objectiv sich gewaltig gehoben habe. Die Bäckereiverordnung
finde auf den ganzen Kleinbetrieb keine Anwendung. Es sei zu
hoffen, daß bis zur nächste». Session die Materie in dieser oder
jener Weise entschieden werden könne.
Abg. Beckh-Koburg (freist Vp.) wünscht Schritte auf dem
Gebiete des Vogelschutzes.
Avg. Schräder (freist Vg.) bittet um Auskunft über die
Absichten der Regierung über ein Reichswohnungsgesetz.
Abg. Müller-Meiningen (freist Vp.): Die deutschen Aus-
steller in Paris genössen Patentschutz zwar gegenüber den Fran-
zosen, aber nicht aeaenüber anderen fremden Ausstellern. Mit

7)

Mord?
(Nach einer wahren Begebenheit.)
Novelle von Helene Lang-Anton.
(Fortsetzung.)

Was batte ihn vor der Zeit zum alten Manne gemacht?
^ewiß die Sorgen, nur die Sorgen! Aber diese mußten
gehoben sein durch ihre Herrath, sie batte ja nur aus
Lesern Grunde Warnhöfen genommen, da der Vater Hilfe
°n ihm erwartete- Sollte Warnhöfeu ihm das Versprechen
Pcht gehalten haben? Sie hatie sich nie darum gekümmert,
in .Island nichts von Geschäften, sie war ja in allem noch
H kindisch und unerfahren. Jetzt fiel ihr Frau Breitners
^Me ein.
^»Hättest Du etwas dagegen, lieber Papa," begann sie,
die alte Breitner ihre Nichte kommen ließe? Du
t "v Harry müßt doch versorgt werden und die Breitner
letzt nicht nach der Wirthschast sehen, sie braucht selbst
kkege und Abmarkung."
alte Mann gab sofort seine Zustimmung. Eine be-
ba>» r^nde Pause folgte wieder. Evi seufzte leise auf. Sie
>r,i»5 stch auf diesen Abend gefreut, und nun verlief er so
Mia.
hhrt istnger hatte Evis Seufzer, so leise er war, doch ge-
Er versuchte sich zu beherrschen, und etwas Freund-
Äeu heucheln, aber cs gelang ihm nicht, die trüben
Alltel"- ^ verscheuchen. Endlich sagte er ganz unver-
hj »Hör' mal, Evi. könntest Du Deinen Mann nicht bitten,
ststt einer Summe Geldes auszuhelfen, ich brauche diese
Mngr noch vor Jahresabschluß."
Erschreckt sah Ev» aus.
»llkem " nicht geholfen?" fragte sie zaghaft.
Ivh^^er ich glaubte doch, schon damals — bei unserer Ver-

„Nein, er versprach es mir zwar, aber da ich es damals
noch nicht so nöthig hatte, so drängte ich ihn nicht. Eure
Hochzeit folgte schnell der Verlobung, dann reistet Ihr ab.
Nach Eurer Rückkehr war es mir peinlich, gleich davon an-
zufangen, ich ließ absichtlich einige Wochen darüber Hin-
gehen. Aber jetzt kann ich nickt länger warten, die Umstände
drängen mich, und schnelle Hilfe thut noch. Willst Du mit
Deinem Manne sprechen. Evi?"
„Jo."
Sie wußte selbst nicht, was sie that, als sie das Ver-
sprechen ihrem Vater gab, erst hinterher fiel ihr ein, wie
ohnmächtig und willenlos sie ihrem Manne gegenüber
war. Schon wollte sie es ihrem Vater sagen, als sie
seinen angstvollen Blicken begegnete, die sie verstummen
machten.
Sie nahm sich vor, alles daran zu setzen, zu bitten,
flehen und schmeicheln, vielleicht würde es Warnbösen doch
lhun. Er war ja sehr reich und dann mußte er sie ja auch
lieben, denn warum hätte er so lange um sie geworben und
sie geheirathet, wenn er sie nicht liebte! Sie versprach es
ihrem Vater nochmals. Dann trennten sie stch.
Als sie in ihre Wohnung kam, sah sie mit Erstaunen,
daß im Eßzimmer Licht brannte. Sie öffnete die Thür und
trat ein. Warnhöfen war zu Hause. Im ersten Augenblick
ersckrack sie, aber vielleicht war es eine Fügung Gottes, denn
wenn er aus dem Klub kam, war er öfters guter Laune.
Sie wollte gleich sprechen. Sie trat auf ihn zu und bot
ihm mit liebenswürdigem Gruße die Hand.
Ohne diele zu ergreifen, herrschte er sie an:
„Woher kommst Du?"
Sie lächelte freundlich, obwohl sein rauher Ton sie be-
unruhigte.
„Vom Vater."
„So, Du benutzest also jedesmal meine Abwesenheit, um
zu ben Deinen zu gehen, obgleich Du weißt, daß ich es
nicht liebe und nicht wünsche. Ich werde Dir wohl !
eine äams ä'bouuöur geben müssen, die Dich beaufsichtigt." j
Evi überhörte sein Schellen und sagte im gewinnend-

sten Ton, mdem sie liebkosend ihre Hand um seinen Arm
legte:
„Laß doch, Warnhöfen, ich will ja alles tbun. was
Du willst, sei nur heute gut zu mir und erfülle mir eine
Bitte."
Und schmeichelnd legte sie den Kopf an seine Schulter.
Betroffen sah er sie an. So weich und hingebend hatte er
sie nie gesehen. Das war ja ganz die Evi von ehedem, das
süße, entzückende Kind, was er begehrt hatte.
_, (Fortsetzung folgt.)
Kleine Zeitung.
— Berlin, 9. Jan. Auf das Bekanntwerden der Nachricht
von der Geburt eines Sohnes des Prinzen Heinrich wurden auf
dem königlichen Schlosse neben der purpurnen Königsstandarte
sofort die gelbe Katserstandarte und der kurbrandenburgischc Adler
gehißt. Ebenso entfaltete sich bald auf dem Palais der Kaiserin
Friedrich, den sämmtlichen prinzlichen Palais, den Staatsgebäuden
und vielen Privathäusern Unter den Linden und in der Umgebung
des Schlosses ein reicher Flaggenschmuck. Gegen 11 Uhr rückte
von Moabit her die Letbbatterie des 1. Garde-Feldartillerie-
Regiments unter Hauptmann v. Roeder mit dem Trompeterkorps
unter schmetternden Fanfaren in den Lustgarten, protzte am
Kanal ab und gab in der Richtung nach dem neuen Dom zu
die für die Geburt eines Prinzen vorgeschriebenen 72 Schüsse ab.
Diesem Vorgänge wohnte ein zahlreiches Publikum in der Nähe
des während des Saluts abgesperrten Lustgartens bet, das dann
noch längere Zeit am Schlosse versammelt blieb, um die Auf-
fahrt der Mitglieder des Landtages mit anzusehen.
— Bischweiler, 9. Jan. Wie die Hag. Ztg. mitthcilt, wurden
bei den Äufräum ungs arbeiten in der Nähe der ent-
gleisten Lokomotive mehrere Klümpchen Silber gefunden;
in einigen Klümpchen war auch Gold eingeschmolzen. Alles das
rühre von Silber, und Goldgelb aus den Postsendungen her.
Auch sieden Taschenuhren wurden gefunden, zweifellos ebenfalls
aus einer ^Postsendung; eine der Uhren war vollständig
ausgeglüht.
 
Annotationen