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Xi. 55.
Dicnskz, den 6. Mm?
I9VV
»
Kundgebungen gegen die Lex Heinze.
Am 3. ds. fand in Berlin eine große Kundgebung
der Vertreter von Literatur, Kunst und Theater wider die
^x Heinze statt. Den großen Saal des Handwerkerver-
eins und seine Galerien füllten dicht gedrängt etwa 2000
Angehörige aller Schichten der Gesellschaft darunter zahl-
reiche Damen. Die Versammlung, in der u. A. Suder-
llwnn zn einem scharfen Protest das Wort ergriff, nahm
folgende Resolution an: „Die vom Reichstage beschlossenen,
Äußerst dehnbaren, der verschiedensten Auslegung fähigen,
kür ein großes Kulturvolk demülhigeuden Bestimmungen
in den W 184 bis 184 b der sogenannten Ivx Heinze be-
deuten eine schwere Gefahr für die Entwicklung der deut-
schen Kunst und Literatur. Die Versammlung erhebt da-
gegen entschiedenen Protest und erwartet, daß die deutsche
Volksvertretung bei der Schlußberathung diese und ähnliche
Bestimmung zurückweisen wird.
Der Direktor der königlichen Akademie und Hochschule
iür bildende Kunst in Berlin, Antonv. W einer, veröffent-
licht im Namen des Hauptvorslandes der Allgemeinen
deutschen Künstlergenossenschaft gegen das Gesetz betreffend
Abänderung des 8 184 des Strafgesetzbuches
s'Nen Protest, in dem es zum Schluffe heißt, die Künstler-
Schaft werde jedem gesetzgeberischen Vorgehen gegen Aus-
breitungen im Sinne der Regierungsvorlage nach Z 184
fsnd 184a beipflichten, soweit solche klar bestimmbar sind;
müsse aber Verwahrung einlegen, wenn die Mehrheit
des Reichstages beabsichtige, ihrer Auslastung dahin Aus-
druck zu geben, daß die bildenden Künste an sich oder an
Werken, wie sie in unseren Museen und an öffentlichen
^Nen sichtbar sind, geeignet sind, Sittenlostgkeil und Unzucht
öu fördern.
Bulgarische Unabhängigkeitsbestrebungen.
In London gehen seit vierzehn Tagen schon in Kreisen,
7^ gut berichtet sein sollen, Gerede über bevorstehende
Ereignisse auf der B a l ka n h a l b i n se l und Vor-
dereitungen zur Erklärung der Unabhängigkeit
Bulgariens und der Annahme des Königstitels durch
den Fürsten um. Der manchmal gut unterrichtete Wiener
Vertreter des Daily Chronicle hebt diese Gerüchte hervor;
^ bringt die genannten Vorbereitungen mit der Ver-
schiebung von 58 Offizieren in Zusammenhang und fügt
di"zu, Fürst Ferdinand scheine Grund zu haben, gegen
Setvisse Zugeständnisse der russischen Unterstützung sicher zu
Er beabsichtige angeblich, die macedonische Bewegung
bauen Zwecken dienstbar zu machen. Was Oesterreich on-
elangt, so versichert man dem Gewährsmann des Daily
^ronicle, es werde sich nur im Falle von Gebiets-
kränderungen einmischen.
. Auch nach den Informationen des Wiener Vertreters
Köln. Ztg. scheint in Bulgarien etwas vorzugehen.
^ schreibt gleichfalls: Fürst Ferdinand scheine sich
»dr Zustimmung Rußlands zur Annahme der Königs-
^ne zu bewerben, und Rußland sei nicht ganz ab-
^ejgt, gegen ausgiebige Russifizirung der Armee zu-
Ntiinmcn. Im Sinne der Stärkung und selbständigern
^füwicklung Bulgariens würde man in Wien wohl gegen
Königskrone an sich wenig einzuwenden haben, doch
^8e das Ganze gegen den Berliner Vertrag, und der
"Oan hätte wohl ein Hauptwort mitzusprcchen.
Deutsches Reich
s, Tie Norddeutsche Allgemeine Zeitung meldet,
richtete an den Papst zu seinem 90. Ge-
24)
Fürst Margoni.
Roman von Moritz Lilie.
(Fortsetzung.)
fl?!,'^löblich gewahrten wir eine Frau am Weg'', die ein
Kind guf dxm trug und ein größeres an der
>„ führte, das bitterlich weinte. Sie war kümmerlich
Lumpen gehüllt, ein dünnes altes Baumwollenkleid
^ie E. sie und an den Füßen trug sie defekte Schuhe
e; batte das kleine Kmd an sich gepreßt, um
ielg„ erwärmen: denn die elenden Lappen, die sie um das-
fle ^Sewickelt halte, vermochten das nicht. Bittend streckte
bnp-,, vand aus und in ihrem abgehärmten Antlitz lag der
dvx ^Ennbare Ausdruck von Kummer und Noth. Sie zitterte
«fsjkA'd was geschah weiter?" fragte gespannt der Reiter-
le,h'als Wendelstein einen Augenbltck schwieg,^um das
iu ^^Händen entfallene Buch an seinen Platz im schranke
steck,^ ries d:m Kutscher zu anzuhalten, um der Frau ein
Zer °stches Wort zu sogen und ihr eine Spende zu reichen;
?t>er -w wck>t im Schnee verloren ginge; Komteß Hellwarth
5,fr Tk». b sich an mich mit den L, orten: Ich begreife in
Kvck "kcht, lieber Wendelstein, wie Sie sich mit sochem
VdNkn i^ben könne», und es war nicht sehr galant von
n Schlitten Hallen lassen zu wollen und uns Damen
r^arf-n elendem Geschöpf zuliebe länger als nöthig der
U,,>ckn aluft auszusetzen. Ich fühlte, wie mir die Röthe
i"saa>-« ins Gesicht stieg, begnügte mich aber mit der
"He Bemerkung: .Für mich sind Arme und Unglück-
"ch Menschen ; aber Sie baden ja Ihren Willen, Kom-
burtstag folgendes Telegramm: „Ich bitte Ew. Heiligkeit,
meine warmen Glückwünsche zu Ihrem 90. Geburtstag
anzunehmen; ich hege die aufrichtigsten Wünsche für das
Glück und die Gesundheit Ew. Heiligkeit und bitte Gott,
all seinen Segen auf Ew. Heiligkeit auszugießen". Der
Papst antwortete: „In den Glückwünschen, welche
Ew. Majestät an uns zu unserem 90. Geburtstag zu
richten geruht haben, sehen wir mit Vergnügen ein neues
Zcugniß Ihrer freundlichen Gefühle. Möge Ew. Majestät
unfern Dank hierfür sowie die Wünsche annehmen, welche
wir unserseits zu Gott dem Allmächtigen für die Wohl-
fahrt und das Glück Ew. Majestät und Ihrer ganzen
kaiserlichen Familie senden".
— Der Kronprinz ist am 4. d. nach Potsdam
übergesiedclt.
Baden. L.6. Karlsruhe, 5. März. Abg. Frank
hat soeben den Bericht der Budgetcommission über
Titel XIV, XV und XVI der Ausgabe» und Titel V,
Vl und VII der Einnahmen des Budgets des Mini-
steriums des Innern vorgelegt. Die Commission beantragt
sämmtliche Titel zu genehmigen. Einige Positionen im
außerordentlichen Etat, namentlich soweit sie die Förde-
rung von Gewerbe und Land w irt h s ch a ft be-
treffen, hat die Commission theils für überschreilbar
erklärt, theils nicht unerheblich verwehrt, so z. B. die
Beiträge zum Besuch der Pariser Weltausstellung. Zu
den Kosten der Handwerkskammern sind 40000 Mk.
eingestellt. Nach den Mittheilungen der Regierung hat die
örtliche Organisation des Handwerks in den letzten zwei
Jahren ganz erhebliche Fortschritte gemacht. Während
1897 erst 165 Handwerkerorganisationen bestanden mit
10940 Mitgliedern, wurden am 1. Juli v. Js. deren
386 mit 20 775 Mitgliedern, worunter 17 602 Hand-
werker, gezählt. Von den organisirten Handwerkern ge-
hören 7,6 Proz. den Innungen, 12,8 Proz. den Fach-
vereinigungen, 23,7 Proz. den Handwerker vereinen und
55,9 Proz. den Gewerbevereinen an. Diese 4 Gruppen
sollen die Wahlkörper für die Handwerkskammern bilden.
Die Vertheilung der für jede Kammer zu wählenden Mit-
glieder und Ersatzmänner (20) auf die 4 Gruppen soll
nach dem Verhältniß erfolgen, in welchem die Zahl der
wahlberechtigten Mitglieder der jedem einzelnen Wahl-
körper zugehörigen Vereinigungen zu der Gesammtzahl der
wahlberechtigten Mitglieder aller 4 Wahltörper steht, mit
der Maßgabe, daß jeder Wahlkörper mindestens ein Mit-
glied und einen Eratzmann zn wählen hat. An wahl-
berechtigten Vereinigungen entfallen nach dem Stande vom
1. Juli v. Js. auf die einzelnen Kammerbezirke:
1. Konstanz 54 Vereinigungen mit 2872 Handwerkern.
2. Freiburg 77 „ „ 38L8 „
3. Karlsruhe 124 „ „ 5178 „
4. Mannheim 131 „ „ 5684 „
Im Großherzogthum sind wahlberechtigt nach obigem
Stande:
34 Innungen mit 1335 Handwerkern,
72 Fachvereinigungen „ 2255 „
118 Handwerkervereine „ 4170 „
162 Gewerbevereine _„_9842_„_zusammen
386 Vereinigungen mit 17 602 Handwerkern.
Von den Innungen sind 11 Zwangs- und 23 freie
Innungen. — Für die Förderung der Landwirthschakt
sind insgesammt 1 754 710 Mk. eingestellt, darunter für
die Förderung der Pferdezucht 140 000 Mk. (gegen früher
117000 Ntk.), für Förderung der Rindviehzucht
150 000 Mk. (140 000 Mk.). Im außerordentlichen Etat
werden 90 000 Mk. für den Betrieb der Rinderzucht-
station angefordert. Ende 1901 sollen die 4 Stationen
des Landes mit 4 Farren und 84 Kühen besetzt sein. Die
Commission ist mit dieser Erweiterung einverstanden und
wünscht, daß bei Errichtung einer weiteren Zuchtstation
für Simmenthaler das Mittel- oder Unterland berück-
sichtigt wird. Zur Erbauung eines Schul- und Schlaf-
saalgebäudes für die Ackerbauschule Hochburg beantragt
die Commission 148 000 Mk. zu bewilligen und hiervon
als 1. Baurate 138 000 Mk. einzustellen. Die Position
von 180510 Mk. für Bearbeitung der Landesstatistik
wurde von der Commission nicht beanstandet.
Badischer Landtag. L. 6 Karlsruhe, 5. März.
(39. Sitzung der Zweiten Kammer.) Eingegangen ist
u. a. eine Bitte des Obcrbad. Weinbauvereins um Auf-
hebung der Weinaccise, eine Petition der mittleren Städte
Badens betr. die Steuerreform sowie eine Eingabe der
Städte Breisach und Bühl um Versetzung in eine höhere
Ortsklasse des Wohnungsgeldtarifs. Der Gesetzentwurf
betr. die Zwangserziehung wurde an eine 7gliedrige
Kommission überwiesen. Zur Berathung standen Petitionen.
Ueber die Bitte des früheren Gerichtsaktuars Nathan Wert-
heimer in Breisach um Erhöhung seines Sustentationsgehalts
ging das HauS zur Tagesordnung über, weil die gesetzliche
Maximalgrenze schon erreicht ist. Doch sagte der Regierungs-
vertreter, Geh. Ober-Reg.-Rath Becherer, dem Petenten, zu
dessen Gunsten die Abgg Schüler und Birken meyer ein-
traten, eine Unterstützung aus dem Gnadenfonds zu. Die Bttte
der Gemeinde Dietlingen, Amts Waldshut, um Trennung der
Ortsgemeinde Dietlingen von der Gemeinde Weilheim und Er-
hebung zu einer selbständigen Gemeinde wurde ohne Debatte
Großh. Regierung zur Kenntnißnahme überwiese . Bezüglich
der Eingabe der Stadt Gengenbach um Wiedererrichtung
eines Bezirksamts in Gcngenbach wurde der Antrag auf
empfehlende Ueberweisung mit allen gegen 3 Stimmen ange-
nommen. Ministerialrath Dr. Schlüssel sagte wohlwollende
Prüfung der Petition zu. Die Abgg. Armbrust er und
Br eitner konnten es sich nicht versagen, ihr altes Steckenpferd
zu reiten und bei dieser Gelegenheit eine Lanze für die Errich-
tung eines Bezirksamts in Kenzingen bezw. Philippsburg zu
brechen. Schluß der Sitzung 6 Uhr.
Nächste Sitzung: 6. März, Vorm. V,10 Uhr. Tagesordnung:
Bericht der Eisenbahnkommission über die Fortsetzung der
Murgthalbahn, den Bau einer Bahn nach Bonndorf und
über die Petition der Stadt Lörrach um Erbauung eines
neuen Bahnhofs.
Preußen. Das Abgeordnetenhaus hat in den letzten
Tagen den Eisenbahnetat behandelt. Dabei hat sich
gezeigt, daß irgend welche Tarifermäßigungen, irgend eine
Tarifreform von Minister Thielen nicht zu erwarten ist.
Das Schlimmste ist, daß die großen Parteien mit der
Eisenbahnpolitik Thielens einverstanden sind, so daß der
Minister im Gefühle seiner gesicherten Position gegen
eine» der wenigen reformfreundlichen Abgeordneten so von
oben herab abweisend auftrat, daß dieser sich das verbat.
Bei dem Personentarif will der Minister keine Ermäßigung,
sondern nur eine Vereinfachung einführen und zwar eine
solche, die eine erhebliche Bertheuerung mit sich bringen
würde.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hohen der Grotzherzog hat dem
Königlich Preußischen Obersten z. D. von Stuckrad.
kommandirt zum Bezirkskommando Dortmund, das Kom-
mandeurkreuz zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer
Löwen, dem Gemeinderechner Georg Adam D ast in Gondels-
Heim die silberne Verdienstmedaille verliehen, dem Reichs-
gerichtsrath Dr. Karl Wieland! die Erlaubniß zur An-
nahme und zum Tragen des ihm verliehenen Sterns zum
Königlich Preußischen Rothen Adler-Orden zweiter Klaffe
mit Eichenlaub, dem praktischen Arzt Dr. William Henry
Gilbert rn Baden die Erlaubniß zur Annahme und zum
Tragen des ihm von dem „Regenten und dem souveränen
Rath von San Marino' verliehenen KommandeurkreuzeS
des Sn» Marino-OrdenS erlheilt und an Stelle des aus dem
badischen Staatsdienste ousaeichiedenen Professors Leopold
teß, der Schlitten hielt nicht-' Gleich daraus bemerkten wir,
wie der uns folgende Sct litten stillstand, Valerie die Frau
heranwinkte und. mährend die Herren ibr Geld gaben, das
junge Mädchen ihr ein großes wollenes Tuch schenkte. Ei»
leises Bravo kam über meine Lwpen, Helene aber drehte
d-s Gesicht ihrer Mutter zu und sprach; „Valerie wird
wirklich immer unerträglicher» man kann es kaum noch wage»,
sie in drslinguirte Gesellschaft mitznnehmen. Was muß Fürst
Margoni von uns denken, daß ein Glied unserer Familie so
wenig Erziehung zeigt?' Verstimmt lehnte sich Helene in die
Ecke und sprach fortan kein Wort mehr. Ich aber wutzte letzt,
daß d,e,es Mädchen weder Herz noch Gefühl besitzt, daß ihr
jedes zartere weibliche Empfinden fehlt. Mein Emtschlutz.
mich von ihr zurückzuziehen, stand fest, und ich war >m tiefsten
Innern trotz, daß rch sie noch erkannt hatte, ehe es zu
spät war."
„Und dann?" rief Rüdingen?" mit schlecht verhehlter
Neugier.
„Am Endpunkte unserer Fahrt war ein kleines geselliges
Beisammensein im rejervirten Saale des Gasthauses geplant.
Ich Hali meinen Damen aus dem schliitten und diese schloffen
sich sofort dem Grafen und seinen Begleitern an. während
ich mich höflich aber kühl beurlaubte und mir einen anderen
Kreis suchte. Trotzdem beobachtete ich Helene und glaubte
zu bemerken, daß sie sich lebhaft an den Fürsten Margoni zu
attachiren suchte, welcher indeß. wie es mir schien, mehr der
kleinen Komteß Valerie den Hos machte. Später sprach ich
letztere auf einige Minuten; sie erzählte mir mit dem Ausdruck
innigsten Bedauerns, daß die arme Iran ihr mitgetheilt habe,
ihr Mann fei vor kurzem gestorben und habe ihr auch nicht
so viet hinterloffen. um ihn beerdigen zn können, die Armen-
bedörde habe sich ins Mittel schlagen müssen, um die Kosten
zn decken. Aber die Gemeinde habe gefürchtet, daß die Frau
mit den Kindern nunmehr der öffentlichen Unterstützung nn-
heimsallen werde und sie deshalb ausgewiescn; man habe ihr
einige Pfennige Zehrgeld gegeben und sie erbarmungslos in
Wind und Wetter hinausgestoßen. In der Restdenz habe
sie einige weitläufige Verwandte, die zwar selbst blutarm
seien, bei denen sie aber doch Unterkommen zu finden und so
viel zu verdienen hoffe, daß sie fremde H>lse nicht in An-
spruch nehmen müsse. Valerie notirte ihre Adresse und
veriprach, ihr Arbeit und Verdienst zu schaffen, und ich bin
gew.ß. das brave Mädchen hält Wort."
„Die Rückfahrt brachte Dich aber doch wieder mit Helene
zusammen?' erkundigte sich der Freund.
„Glücklicherweise nicht; ich würde auch eine sehr uner-
quickliche Rolle gespielt haben." verletzte der Grrdeoifizrer.
„Die Komteß wußte cs so einzurichten, daß sie mit dem
Fürsten und Valerie in dem eine» Schlitten Platz fand,
während der Gras und seine Gattin den andern bestiegen.
Ich selbst suchte und fand bei anderen Bekannten Unter-
kommen und leate den Rückweg in sehr heiterer und ange-
nehmer Gesellschaft zurück. Seitdem sah ich Helene nicht
wieder, meine Besuche bei HellwarthS habe ich eingestellt»
und wenn mich nicht alles läascht, hat sie sich über den
Verlust sehr rasch getröstet; denn wie ich höre, ist Fürst
Margoni täglicher Gast lin gräfliche» Hause."
(Fortsetzung folgt.)
Stadt-Theater.
Heidelberg, 5. März.
„Die weiße Dame", Oper von Boieldieu.
Glückliche Dame, mit 73 Jahren noch jung und begehrt!
Gewiß ist der Schnitt ihres musikalischen Gewandes ein wenig
altmodisch geworden, erinnern thie etwas züchtig-einförmigen Be-
wegungen an anspruchslose vergangene Tage, aber ihre Physiog-
nomie ist noch unverändert reizend und liebenswürdig.
Die Partitur enthält eben Kubtnetsstücke sein-komischer Musik,
wie das Sextett (Octett?> und den VersteigerungSchor des
II. Aktes oder das Schlußte zett des I. Aktes. , ,
Wenn tch heute gegen alle Regel den Chor in crster Linie
erwähne, so geschieht es, weil er unbedingt d lese Stelle verdient.
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»
Kundgebungen gegen die Lex Heinze.
Am 3. ds. fand in Berlin eine große Kundgebung
der Vertreter von Literatur, Kunst und Theater wider die
^x Heinze statt. Den großen Saal des Handwerkerver-
eins und seine Galerien füllten dicht gedrängt etwa 2000
Angehörige aller Schichten der Gesellschaft darunter zahl-
reiche Damen. Die Versammlung, in der u. A. Suder-
llwnn zn einem scharfen Protest das Wort ergriff, nahm
folgende Resolution an: „Die vom Reichstage beschlossenen,
Äußerst dehnbaren, der verschiedensten Auslegung fähigen,
kür ein großes Kulturvolk demülhigeuden Bestimmungen
in den W 184 bis 184 b der sogenannten Ivx Heinze be-
deuten eine schwere Gefahr für die Entwicklung der deut-
schen Kunst und Literatur. Die Versammlung erhebt da-
gegen entschiedenen Protest und erwartet, daß die deutsche
Volksvertretung bei der Schlußberathung diese und ähnliche
Bestimmung zurückweisen wird.
Der Direktor der königlichen Akademie und Hochschule
iür bildende Kunst in Berlin, Antonv. W einer, veröffent-
licht im Namen des Hauptvorslandes der Allgemeinen
deutschen Künstlergenossenschaft gegen das Gesetz betreffend
Abänderung des 8 184 des Strafgesetzbuches
s'Nen Protest, in dem es zum Schluffe heißt, die Künstler-
Schaft werde jedem gesetzgeberischen Vorgehen gegen Aus-
breitungen im Sinne der Regierungsvorlage nach Z 184
fsnd 184a beipflichten, soweit solche klar bestimmbar sind;
müsse aber Verwahrung einlegen, wenn die Mehrheit
des Reichstages beabsichtige, ihrer Auslastung dahin Aus-
druck zu geben, daß die bildenden Künste an sich oder an
Werken, wie sie in unseren Museen und an öffentlichen
^Nen sichtbar sind, geeignet sind, Sittenlostgkeil und Unzucht
öu fördern.
Bulgarische Unabhängigkeitsbestrebungen.
In London gehen seit vierzehn Tagen schon in Kreisen,
7^ gut berichtet sein sollen, Gerede über bevorstehende
Ereignisse auf der B a l ka n h a l b i n se l und Vor-
dereitungen zur Erklärung der Unabhängigkeit
Bulgariens und der Annahme des Königstitels durch
den Fürsten um. Der manchmal gut unterrichtete Wiener
Vertreter des Daily Chronicle hebt diese Gerüchte hervor;
^ bringt die genannten Vorbereitungen mit der Ver-
schiebung von 58 Offizieren in Zusammenhang und fügt
di"zu, Fürst Ferdinand scheine Grund zu haben, gegen
Setvisse Zugeständnisse der russischen Unterstützung sicher zu
Er beabsichtige angeblich, die macedonische Bewegung
bauen Zwecken dienstbar zu machen. Was Oesterreich on-
elangt, so versichert man dem Gewährsmann des Daily
^ronicle, es werde sich nur im Falle von Gebiets-
kränderungen einmischen.
. Auch nach den Informationen des Wiener Vertreters
Köln. Ztg. scheint in Bulgarien etwas vorzugehen.
^ schreibt gleichfalls: Fürst Ferdinand scheine sich
»dr Zustimmung Rußlands zur Annahme der Königs-
^ne zu bewerben, und Rußland sei nicht ganz ab-
^ejgt, gegen ausgiebige Russifizirung der Armee zu-
Ntiinmcn. Im Sinne der Stärkung und selbständigern
^füwicklung Bulgariens würde man in Wien wohl gegen
Königskrone an sich wenig einzuwenden haben, doch
^8e das Ganze gegen den Berliner Vertrag, und der
"Oan hätte wohl ein Hauptwort mitzusprcchen.
Deutsches Reich
s, Tie Norddeutsche Allgemeine Zeitung meldet,
richtete an den Papst zu seinem 90. Ge-
24)
Fürst Margoni.
Roman von Moritz Lilie.
(Fortsetzung.)
fl?!,'^löblich gewahrten wir eine Frau am Weg'', die ein
Kind guf dxm trug und ein größeres an der
>„ führte, das bitterlich weinte. Sie war kümmerlich
Lumpen gehüllt, ein dünnes altes Baumwollenkleid
^ie E. sie und an den Füßen trug sie defekte Schuhe
e; batte das kleine Kmd an sich gepreßt, um
ielg„ erwärmen: denn die elenden Lappen, die sie um das-
fle ^Sewickelt halte, vermochten das nicht. Bittend streckte
bnp-,, vand aus und in ihrem abgehärmten Antlitz lag der
dvx ^Ennbare Ausdruck von Kummer und Noth. Sie zitterte
«fsjkA'd was geschah weiter?" fragte gespannt der Reiter-
le,h'als Wendelstein einen Augenbltck schwieg,^um das
iu ^^Händen entfallene Buch an seinen Platz im schranke
steck,^ ries d:m Kutscher zu anzuhalten, um der Frau ein
Zer °stches Wort zu sogen und ihr eine Spende zu reichen;
?t>er -w wck>t im Schnee verloren ginge; Komteß Hellwarth
5,fr Tk». b sich an mich mit den L, orten: Ich begreife in
Kvck "kcht, lieber Wendelstein, wie Sie sich mit sochem
VdNkn i^ben könne», und es war nicht sehr galant von
n Schlitten Hallen lassen zu wollen und uns Damen
r^arf-n elendem Geschöpf zuliebe länger als nöthig der
U,,>ckn aluft auszusetzen. Ich fühlte, wie mir die Röthe
i"saa>-« ins Gesicht stieg, begnügte mich aber mit der
"He Bemerkung: .Für mich sind Arme und Unglück-
"ch Menschen ; aber Sie baden ja Ihren Willen, Kom-
burtstag folgendes Telegramm: „Ich bitte Ew. Heiligkeit,
meine warmen Glückwünsche zu Ihrem 90. Geburtstag
anzunehmen; ich hege die aufrichtigsten Wünsche für das
Glück und die Gesundheit Ew. Heiligkeit und bitte Gott,
all seinen Segen auf Ew. Heiligkeit auszugießen". Der
Papst antwortete: „In den Glückwünschen, welche
Ew. Majestät an uns zu unserem 90. Geburtstag zu
richten geruht haben, sehen wir mit Vergnügen ein neues
Zcugniß Ihrer freundlichen Gefühle. Möge Ew. Majestät
unfern Dank hierfür sowie die Wünsche annehmen, welche
wir unserseits zu Gott dem Allmächtigen für die Wohl-
fahrt und das Glück Ew. Majestät und Ihrer ganzen
kaiserlichen Familie senden".
— Der Kronprinz ist am 4. d. nach Potsdam
übergesiedclt.
Baden. L.6. Karlsruhe, 5. März. Abg. Frank
hat soeben den Bericht der Budgetcommission über
Titel XIV, XV und XVI der Ausgabe» und Titel V,
Vl und VII der Einnahmen des Budgets des Mini-
steriums des Innern vorgelegt. Die Commission beantragt
sämmtliche Titel zu genehmigen. Einige Positionen im
außerordentlichen Etat, namentlich soweit sie die Förde-
rung von Gewerbe und Land w irt h s ch a ft be-
treffen, hat die Commission theils für überschreilbar
erklärt, theils nicht unerheblich verwehrt, so z. B. die
Beiträge zum Besuch der Pariser Weltausstellung. Zu
den Kosten der Handwerkskammern sind 40000 Mk.
eingestellt. Nach den Mittheilungen der Regierung hat die
örtliche Organisation des Handwerks in den letzten zwei
Jahren ganz erhebliche Fortschritte gemacht. Während
1897 erst 165 Handwerkerorganisationen bestanden mit
10940 Mitgliedern, wurden am 1. Juli v. Js. deren
386 mit 20 775 Mitgliedern, worunter 17 602 Hand-
werker, gezählt. Von den organisirten Handwerkern ge-
hören 7,6 Proz. den Innungen, 12,8 Proz. den Fach-
vereinigungen, 23,7 Proz. den Handwerker vereinen und
55,9 Proz. den Gewerbevereinen an. Diese 4 Gruppen
sollen die Wahlkörper für die Handwerkskammern bilden.
Die Vertheilung der für jede Kammer zu wählenden Mit-
glieder und Ersatzmänner (20) auf die 4 Gruppen soll
nach dem Verhältniß erfolgen, in welchem die Zahl der
wahlberechtigten Mitglieder der jedem einzelnen Wahl-
körper zugehörigen Vereinigungen zu der Gesammtzahl der
wahlberechtigten Mitglieder aller 4 Wahltörper steht, mit
der Maßgabe, daß jeder Wahlkörper mindestens ein Mit-
glied und einen Eratzmann zn wählen hat. An wahl-
berechtigten Vereinigungen entfallen nach dem Stande vom
1. Juli v. Js. auf die einzelnen Kammerbezirke:
1. Konstanz 54 Vereinigungen mit 2872 Handwerkern.
2. Freiburg 77 „ „ 38L8 „
3. Karlsruhe 124 „ „ 5178 „
4. Mannheim 131 „ „ 5684 „
Im Großherzogthum sind wahlberechtigt nach obigem
Stande:
34 Innungen mit 1335 Handwerkern,
72 Fachvereinigungen „ 2255 „
118 Handwerkervereine „ 4170 „
162 Gewerbevereine _„_9842_„_zusammen
386 Vereinigungen mit 17 602 Handwerkern.
Von den Innungen sind 11 Zwangs- und 23 freie
Innungen. — Für die Förderung der Landwirthschakt
sind insgesammt 1 754 710 Mk. eingestellt, darunter für
die Förderung der Pferdezucht 140 000 Mk. (gegen früher
117000 Ntk.), für Förderung der Rindviehzucht
150 000 Mk. (140 000 Mk.). Im außerordentlichen Etat
werden 90 000 Mk. für den Betrieb der Rinderzucht-
station angefordert. Ende 1901 sollen die 4 Stationen
des Landes mit 4 Farren und 84 Kühen besetzt sein. Die
Commission ist mit dieser Erweiterung einverstanden und
wünscht, daß bei Errichtung einer weiteren Zuchtstation
für Simmenthaler das Mittel- oder Unterland berück-
sichtigt wird. Zur Erbauung eines Schul- und Schlaf-
saalgebäudes für die Ackerbauschule Hochburg beantragt
die Commission 148 000 Mk. zu bewilligen und hiervon
als 1. Baurate 138 000 Mk. einzustellen. Die Position
von 180510 Mk. für Bearbeitung der Landesstatistik
wurde von der Commission nicht beanstandet.
Badischer Landtag. L. 6 Karlsruhe, 5. März.
(39. Sitzung der Zweiten Kammer.) Eingegangen ist
u. a. eine Bitte des Obcrbad. Weinbauvereins um Auf-
hebung der Weinaccise, eine Petition der mittleren Städte
Badens betr. die Steuerreform sowie eine Eingabe der
Städte Breisach und Bühl um Versetzung in eine höhere
Ortsklasse des Wohnungsgeldtarifs. Der Gesetzentwurf
betr. die Zwangserziehung wurde an eine 7gliedrige
Kommission überwiesen. Zur Berathung standen Petitionen.
Ueber die Bitte des früheren Gerichtsaktuars Nathan Wert-
heimer in Breisach um Erhöhung seines Sustentationsgehalts
ging das HauS zur Tagesordnung über, weil die gesetzliche
Maximalgrenze schon erreicht ist. Doch sagte der Regierungs-
vertreter, Geh. Ober-Reg.-Rath Becherer, dem Petenten, zu
dessen Gunsten die Abgg Schüler und Birken meyer ein-
traten, eine Unterstützung aus dem Gnadenfonds zu. Die Bttte
der Gemeinde Dietlingen, Amts Waldshut, um Trennung der
Ortsgemeinde Dietlingen von der Gemeinde Weilheim und Er-
hebung zu einer selbständigen Gemeinde wurde ohne Debatte
Großh. Regierung zur Kenntnißnahme überwiese . Bezüglich
der Eingabe der Stadt Gengenbach um Wiedererrichtung
eines Bezirksamts in Gcngenbach wurde der Antrag auf
empfehlende Ueberweisung mit allen gegen 3 Stimmen ange-
nommen. Ministerialrath Dr. Schlüssel sagte wohlwollende
Prüfung der Petition zu. Die Abgg. Armbrust er und
Br eitner konnten es sich nicht versagen, ihr altes Steckenpferd
zu reiten und bei dieser Gelegenheit eine Lanze für die Errich-
tung eines Bezirksamts in Kenzingen bezw. Philippsburg zu
brechen. Schluß der Sitzung 6 Uhr.
Nächste Sitzung: 6. März, Vorm. V,10 Uhr. Tagesordnung:
Bericht der Eisenbahnkommission über die Fortsetzung der
Murgthalbahn, den Bau einer Bahn nach Bonndorf und
über die Petition der Stadt Lörrach um Erbauung eines
neuen Bahnhofs.
Preußen. Das Abgeordnetenhaus hat in den letzten
Tagen den Eisenbahnetat behandelt. Dabei hat sich
gezeigt, daß irgend welche Tarifermäßigungen, irgend eine
Tarifreform von Minister Thielen nicht zu erwarten ist.
Das Schlimmste ist, daß die großen Parteien mit der
Eisenbahnpolitik Thielens einverstanden sind, so daß der
Minister im Gefühle seiner gesicherten Position gegen
eine» der wenigen reformfreundlichen Abgeordneten so von
oben herab abweisend auftrat, daß dieser sich das verbat.
Bei dem Personentarif will der Minister keine Ermäßigung,
sondern nur eine Vereinfachung einführen und zwar eine
solche, die eine erhebliche Bertheuerung mit sich bringen
würde.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hohen der Grotzherzog hat dem
Königlich Preußischen Obersten z. D. von Stuckrad.
kommandirt zum Bezirkskommando Dortmund, das Kom-
mandeurkreuz zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer
Löwen, dem Gemeinderechner Georg Adam D ast in Gondels-
Heim die silberne Verdienstmedaille verliehen, dem Reichs-
gerichtsrath Dr. Karl Wieland! die Erlaubniß zur An-
nahme und zum Tragen des ihm verliehenen Sterns zum
Königlich Preußischen Rothen Adler-Orden zweiter Klaffe
mit Eichenlaub, dem praktischen Arzt Dr. William Henry
Gilbert rn Baden die Erlaubniß zur Annahme und zum
Tragen des ihm von dem „Regenten und dem souveränen
Rath von San Marino' verliehenen KommandeurkreuzeS
des Sn» Marino-OrdenS erlheilt und an Stelle des aus dem
badischen Staatsdienste ousaeichiedenen Professors Leopold
teß, der Schlitten hielt nicht-' Gleich daraus bemerkten wir,
wie der uns folgende Sct litten stillstand, Valerie die Frau
heranwinkte und. mährend die Herren ibr Geld gaben, das
junge Mädchen ihr ein großes wollenes Tuch schenkte. Ei»
leises Bravo kam über meine Lwpen, Helene aber drehte
d-s Gesicht ihrer Mutter zu und sprach; „Valerie wird
wirklich immer unerträglicher» man kann es kaum noch wage»,
sie in drslinguirte Gesellschaft mitznnehmen. Was muß Fürst
Margoni von uns denken, daß ein Glied unserer Familie so
wenig Erziehung zeigt?' Verstimmt lehnte sich Helene in die
Ecke und sprach fortan kein Wort mehr. Ich aber wutzte letzt,
daß d,e,es Mädchen weder Herz noch Gefühl besitzt, daß ihr
jedes zartere weibliche Empfinden fehlt. Mein Emtschlutz.
mich von ihr zurückzuziehen, stand fest, und ich war >m tiefsten
Innern trotz, daß rch sie noch erkannt hatte, ehe es zu
spät war."
„Und dann?" rief Rüdingen?" mit schlecht verhehlter
Neugier.
„Am Endpunkte unserer Fahrt war ein kleines geselliges
Beisammensein im rejervirten Saale des Gasthauses geplant.
Ich Hali meinen Damen aus dem schliitten und diese schloffen
sich sofort dem Grafen und seinen Begleitern an. während
ich mich höflich aber kühl beurlaubte und mir einen anderen
Kreis suchte. Trotzdem beobachtete ich Helene und glaubte
zu bemerken, daß sie sich lebhaft an den Fürsten Margoni zu
attachiren suchte, welcher indeß. wie es mir schien, mehr der
kleinen Komteß Valerie den Hos machte. Später sprach ich
letztere auf einige Minuten; sie erzählte mir mit dem Ausdruck
innigsten Bedauerns, daß die arme Iran ihr mitgetheilt habe,
ihr Mann fei vor kurzem gestorben und habe ihr auch nicht
so viet hinterloffen. um ihn beerdigen zn können, die Armen-
bedörde habe sich ins Mittel schlagen müssen, um die Kosten
zn decken. Aber die Gemeinde habe gefürchtet, daß die Frau
mit den Kindern nunmehr der öffentlichen Unterstützung nn-
heimsallen werde und sie deshalb ausgewiescn; man habe ihr
einige Pfennige Zehrgeld gegeben und sie erbarmungslos in
Wind und Wetter hinausgestoßen. In der Restdenz habe
sie einige weitläufige Verwandte, die zwar selbst blutarm
seien, bei denen sie aber doch Unterkommen zu finden und so
viel zu verdienen hoffe, daß sie fremde H>lse nicht in An-
spruch nehmen müsse. Valerie notirte ihre Adresse und
veriprach, ihr Arbeit und Verdienst zu schaffen, und ich bin
gew.ß. das brave Mädchen hält Wort."
„Die Rückfahrt brachte Dich aber doch wieder mit Helene
zusammen?' erkundigte sich der Freund.
„Glücklicherweise nicht; ich würde auch eine sehr uner-
quickliche Rolle gespielt haben." verletzte der Grrdeoifizrer.
„Die Komteß wußte cs so einzurichten, daß sie mit dem
Fürsten und Valerie in dem eine» Schlitten Platz fand,
während der Gras und seine Gattin den andern bestiegen.
Ich selbst suchte und fand bei anderen Bekannten Unter-
kommen und leate den Rückweg in sehr heiterer und ange-
nehmer Gesellschaft zurück. Seitdem sah ich Helene nicht
wieder, meine Besuche bei HellwarthS habe ich eingestellt»
und wenn mich nicht alles läascht, hat sie sich über den
Verlust sehr rasch getröstet; denn wie ich höre, ist Fürst
Margoni täglicher Gast lin gräfliche» Hause."
(Fortsetzung folgt.)
Stadt-Theater.
Heidelberg, 5. März.
„Die weiße Dame", Oper von Boieldieu.
Glückliche Dame, mit 73 Jahren noch jung und begehrt!
Gewiß ist der Schnitt ihres musikalischen Gewandes ein wenig
altmodisch geworden, erinnern thie etwas züchtig-einförmigen Be-
wegungen an anspruchslose vergangene Tage, aber ihre Physiog-
nomie ist noch unverändert reizend und liebenswürdig.
Die Partitur enthält eben Kubtnetsstücke sein-komischer Musik,
wie das Sextett (Octett?> und den VersteigerungSchor des
II. Aktes oder das Schlußte zett des I. Aktes. , ,
Wenn tch heute gegen alle Regel den Chor in crster Linie
erwähne, so geschieht es, weil er unbedingt d lese Stelle verdient.