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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 (1. März 1900 - 31.März 1900)
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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


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und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 77. Mrs Matt. Samstag, den 31. Mär?

190«

O

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auf die Heidelberger Zeitung für das II. Vierteljahr 1900
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, fortwährend angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen Mk. 1.25 vierteljährlich,
"ist Zustellgebühr Mk. 1.65.

Deutsches Reich
— Am heutigen 31. März vollendet der Reichskanzler
Fürst zu Hohenlohe-SchülingSfürst sein 81.
Lebensjahr.
— Das Reichsmarineamt veröffentlicht eine sehr
wteressante Zusammenstellung über die deutschen Capi-
lau lagen in überseeischen Ländern, die auf
^ittheilungen unserer Consulate beruhen. Wenn einzelne
Angaben auch nur aus Schätzung begründet sind, so erhält
durch sie doch sicher ein annähernd richligcs Bild,
noch viel eindrucksvoller werden würde, wenn nicht
'e in deutschen Händen befindlichen ausländischen Staats-
Leihen und sonstige Effecten außer Berechnung gelassen
Östren. Nur Eisenbahn- und Minenwerlhe sind in eizelnen
lindern, wie in der Türkei und in Transvaal» hinzuge-
^gen worden. Die Angaben beziehen sich nicht auf unsere
Schutzgebiete, wohl aber als einzigen europäischen Staat
-Ai die Türkei. Eine Zusammenfassung der gesammten
c.Er die Erde verbreiteten deutschen Kapitalanlagen ergibt
?E beträchtliche Summe von 7 bis 7'/, Milliarden, deren
Anserträge dazu beilragen, den deutschen Anthcil au der
^itwirthschaft immer mehr zu festigen und zu erweitern,
tzo Baden. Landtagsabgeordneter Bürgermeister Schüler
^" Ebringen hat die Zentrumskandidatur im 7. badischen
chsta gs w ahlkre i s an Stelle des verstorbenen
"geordneten Reichert definitiv angeommen.
^ Badischer Landtag, ö. 6. Karlsruhe, 30. März.
^ Sitzung der Zweiten Kammer.) Emgegangen ist
,j^ Bitte der Gemeinde Grünsberg um Errichtung
Filialapotheke daselbst. Die allgemeine Be-
h^hung über oas Budget der Landwirthschaft
b fortgesetzt.
Inchf'ltnister Dr. Eisenlohr ist am meisten befriedigt von den
Madigen Ausführungen des Abg. Werr. Eine Erhöhung des
joyv ""f Ouebrachoholz würde nicht unseren Schälwaldungen,
k" ber ungarischen Rinde zu gute kommen. Dem Abg.
lügswel möchte er empfehlen, nicht so stolz auf die Oekonomie-
abzusehen; besser wäre es, wenn er die jungen Leute in
jiih^Wlz veranlassen würde, sich in der neuen landwirthschaft-
Kx " Schule in Wiesloch die nöthigen Kenntnisse anzueigneu.
^»ilx Scheitern des Fleischschaugesetzes könne Baden, wo die
Verhältnisse nichts zu wünschen übrig lassen, mit Ruhe
deUensehen. Die Beibehaltung des Zollkredits wünsche die
?»e„"^swelt weniger ans Ersparnißrücksichten, als um des be-
'»s Aen Zahlungsmodus willen. Der Minister ist erstaunt, daß
^ S??""charin im Hause einen Verfechter gefunden hat.
Ag- Frhr. v. Stockhorner (cons.) tritt wiederholt für
?»!>h "ichtung einer Landwirthschaftskammer ein und wendet sich
N», Kege» die Ausführungen Dreesbachs. Die Getreidepreise
ZV?icht so sehr in Folge der Zollerhöhung, als vielmehr in
bx,?er Spekulationen. Nachdem die Lage der Industrie durch
sM di. Senden Handelsverträge eine Besserung erfuhr, sollte end-
l>,e>lt^ v"ehe an die Landwirthschaft kommen. Abg. Wacker
äs bringt einige Lokalwünsche seines Wahlbezirks Ettlingen
v An" Ausführungen des Ministers mißt er große Bedeutung
noch nicht langer Zeit sei die Regierung und das Haus
^>tz,^?t>e agrarfreundlich gestimmt gewesen. Ein gewisser Zu-
E zwischen dieser Wandlung und der regen Agitation
iZtr^Swirthe sei nicht zu verkennen. Ohne die Verdienste der
M Landwirthschaft schmälern zu wollen, müsse er doch
°aß sich sehr häufig hinter dem nackten Egoismus ein
U getragenes Ideal verbirgt. Redner weist auf die Be-
ider guten Schulbildung für die Landwirthschaft hin.

Abg. Mampel (Antis.) erklärt, daß er die Verdienste der
Oekonomieräthe nicht herabwürdigen wollte. Abg. Schüler
(Centr.) warnt davor, daß sich die kleinen Darlehenskassen aus
Absaögenossenschaften verlegen; sehr zu wünschen wäre dagegen,
wenn man die Preisschwankungen des Tabaks verhindern
könnte. Im Gegensatz zu Mampel möchte er betonen, daß
die Landwirthschaft den Fortbildungsschulen und Versuchsstationen
vieles verdankt. Speziell müsse er anerkennen, daß der Abg.
Schmid nicht im Interesse eines Verdienstes, sondern in uneigen-
nützigster Weise außerordentlich viel im Kredilkassenwesen geleistet
hat. Den Vorwurf könne man unserer Landwirlhschaft nicht
machen, daß sie das Brod des armen Mannes vertheuert; die
Börsenjuden seien es vielmehr, die den Getreidepreis bestimmen.
An und für sich sei er auch für Abschaffung der Wein- und
Fleischaccise; doch sei der jetzige Zeitpunkt, da die Steuerreform
unmittelbar bevorsteht, nicht geeignet. Der Schwerpunkt der
landwirthschastlichen Krisis liege in der großen Belastung der
Gemeinden; daher möchte er wiederholt die Erhöhung der Staats-
beiträge an Gemeinden und Kreise befürworten. Minister Dr.
Ei sen lo hr sagt die Erfüllung von Wacker's Lokalwünschen zu.
Im Allgemeinen sei auch er mit der Rede Wacker's zufrieden;
wenigstens habe er noch selten das Vergnügen gehabt, aus
Wacker's Munde so freundliche Worte zu hören. (Heiterkeit.)
Abg. Dr. Blankenborn (ntl.) hofft, daß der Kunstwein
verboten wird. Der unlauteren Verwendung des Saccharins
sollte auf irgend eine Weise vorgebeugt werden. Er polemisirt
gegen Dreesbach, der sich im ersten Theil seiner Rede als ein
halber Agrarier entpuppt habe, was von einem Sozialdemokraten
sehr erfreulich sei.
Abg. Burckhardt (wild) entfesselt wiederum durch seine
urwüchsige Sprache Stürme von Heiterkeit. Von den Getreide-
lagern hält er nichts, weil infolge der Gehälter der Aufsichts-
beamten der Profit draufgeht. Der Gemüsebau lohne sich nicht,
weil er zu viele Arbeitskräfte erfordert. Gegenüber Mampel
betont der Redner mit Nachdruck seine Selbständigkeit. Er lasse
sich von Niemanden beleidigen, auch von Mampel nicht. (Heiter-
keit) Die gebildeten Stände haben manchmal Extravaganzen,
von denen der Bauer sich nicht träumen läßt; er sehe das erst,
seitdem er in Karlsruhe sei (stürmische Heiterkeit). Es könne
nichts schaden, wenn der Genosse Dreesvach (Heiterkeit) gegen die
Erhöhung der Getreidezölle spreche; wenn der eine herüber, der
andere hinüber ziehe, dann sei es gerade recht, dann komme die
richtige Mittellinie heraus. (Heiterkeit.)
Mit großer Aufmerksamkeit folgte das Haus der Jungfern-
rede des neuen Abgeordneten von Heidelberg, Prof. Rohrhurst
(natl.). Ueberrascht und gefreut habe ihn das, was er vom Abg.
Dreesbach gehört habe. Wenn die Sozialdemokratie für die
Landwirthschaft eintrete, so handle sie in ihrem ureigensten In-
teresse; denn es sei nicht zu wünschen, daß sich Deutschland zu
einem Industriestaat entwickelt. Ein Ausgleich der Interessen
müsse gefunden werden. Die Ermahnung des Abg. Werr, man
solle die Landwirthe ermuthigen, sei ein goldenes Wort aus dem
Munde eines Geistlichen. Erfreulicherweise habe Köhler die An-
nahme der Flottenvorlage als wahrscheinlich hingestellt; es sei zu
hoffen, daß auch seine Kollegen im Reichstag die gleiche Ansicht
hegen. Nicht einverstanden sei er mit Köhlers Vorschlag betr.
die Verwendung des Malzkaffees, eines elenden, grausamen Ge-
tränks (Heiterkeit). Köhler werde sich ohne Zweifel den Zorn
aller männliche» und weiblichen Kaffeeschwestern zuziehen. (Heiter-
keit.) Der Anregung des Abg. Hug, die Tyroler Hirtenbuben
vom Schulunterricht zu befreien, könne er sich nicht anschließen.
— Rohrhurst's Rede wurde mit Beifall ausgenommen.
Abg. Dreesbach (Soz.) wendet sich gegen Blankenhorn,
der seine Partei mit der freisinnigen verwechsle. Die Sozial-
demokratie sei keine Frethandelspartei; sie billige die Schutzzölle,
wo sie uothwendig sind, aber sie dürfen nicht ausarten. — Abg.
Dr. Heimburger verwahrt sich gegen den Vorwurf, daß ec
die Parteigrundsätze verletzt habe. Die deutsche Volkspartei sei
keine Partei des Freihandels. Wenn man, wie Dreesbach, einen
„angemessenen" Schutzzoll für nöthig erachte, so spiele die Höhe
der Zölle wenigstens für die Prinsipienfrage keine Rolle. —
Damit ist die allgemeine Berathung erledigt.
Abg. Pfefferte (natl.) begründet sodann eine Resolution,
in der die Regierung ersucht wird, als Beihilfe zur Hagelversiche-
rung der Rebe und des Tabaks eine angemessene Summe ins
nächste Budget einzustellen. Minister Dr. E 1 sen lohrsp'lcht sein
und des Finanzmintsters Befremden aus, daß man heute mit einem
derartigen Antrag kommt, nachdem erst vor kurzem das Hagel-
versicherungsgesetz auf Grund eines Kompromisses zwischen
Regierung und Kammer zu Stande kam. Die Revbauern ver-
dienen wohl Berücksichtigung: ob aber dies der geeignete Weg
sei, müsse die Negierung ernstlich prüfen. Die Abgg. Hauß,
Dr. Fieser, Schüler und Geppert treten für die Resolution ein,
die nach einem Schlußwort des Berichterstatters Frank mit allen

Stimmen gegen die des Abgeordneten Kramer (soc.) ange-
nommen wird.
Schluß der Sitzung halb 2 Uhr. Nächste Sitzung: morgen.
Tagesordnung: Gesetzentwürfe betreffend die Nebenbahnen
Walldürn-Hardbeim und Neckarbischofsheim-Hüffenhordt.
Elsaß-Lothringen. Mey, 29. März. Die Kaiser-
liche Familie trifft am 15. Mai auf Schloß Urville
ein. Der Kaiser verbleibt ungefähr eine Woche und reist
am 21. über Straßburg weiter, während die Kaiserin mit
den drei jüngsten Kindern noch einige Zeit auf dem lieb-
lichen Landsitze verbleibt, man hofft, auf einige Wochen.
Alle in Aussicht genommenen Festlichkeiten Seitens der
Stadt sind abgelehnt und soll der Aufenthalt auf Urville
gänzlich der Ruhe und Erholung der Kaiserlichen Familie
gewidmet sein.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine König!. Hoheit der Großherzog haben den No-
tar Hubert Kaiser in Offenburg in den Amtsgerichtsbezirk Hei-
delberg und den Notar Dr. Emil Odenheimer in Meßkirch
in den Amtsgerichtsbezirk Staufen versetzt.
— Das Justizministerium hat dem Notar Hubert Kaiser
das Notariat Heidelberg II und dem Notar Dr. Emil Oden-
heimer das Notariat Staufen zugewiesen.
Karlsruhe, 30. März. Gegen 1 Uhr empfingen
die Großh. Herrschaften den Erbprinzen und die Erbprin-
zessin zu Leiningen und den Erbprinzen zu Hohenlohe-
Langenburg, welche von Straßburg und Stuttgart zum
Besuch der Fürstin zur Lippe hierhergekommen sind. Noch
immer laufen täglich Telegramme aus allen Theilen des
Landes an den Großherzog ein zur Beglückwünschung aus
Anlaß der Verlobung Seiner Großherzoglichen Hoheit des
Prinzen Max. Auch viele Vereine und Badener außer
Landes senden solche Glückwunschtelegramme in wärmstem
Ausdruck.

Ausland.
Oesterreich. Wien, 30. März. Heute Abend gibt
Fürst Eulenburg auf der deutschen Botschaft ein
Ehrenmahl für den Prinzen Max von Baden und die
Prinzessin von Cumberland, an dem auch der Herzog
und die Herzogin von Cumberland, sowie Prinz
Georg, der älteste Sohn des Herzogs, ferner Fürst und
Fürstin Fürstenberg, sowie Graf und Gräfin Festetics theil-
nehmen.
Afrika. In Mafeking ist jetzt die Noth aufs
höchste gestiegen. Der Hunger wüthet, namentlich unter
den Kindern, entsetzlich und die schaarenweise in die Stadt
geflüchteten Schwarzen, die bei jedem Versuche Baden-
Powells, ihrer los zu werden, von den Buren mit Gewalt
in die Stadt zurückgetrieben wurden, sterben in Massen,
da sie ihren Abscheu vor Pferdefleisch (von Hundefleisch
abgesehen), das jetzt die Hauptnahrung Mafekings bildet,
nicht überwinden können. Auf der andern Seite ent-
wickeln die Buren einen größern Eifer, als je zuvor, um
sich der Stadt zu bemächtigen. Präsident Krüger scheint
mit der Leitung der Belagerung sehr unzufrieden zu sein;
er kennt die Schwäche Mafekings und weiß den moralischen
Eindruck zu schätzen, den die Einnahme des Platzes auf
seine Buren üben würde. Der Köln. Ztg. zufolge hat er
einen seiner Enkel, den Hauptmann Sarel Eloff, mit
einer Anzahl ausgewählter geschulter Truppen vom
Johannesburger Fort entsandt, um Mafeking in seine Ge-
walt zu bringen. Sarel Eloff ist für die ihm übertragene
Aufgabe besser geeignet, als die anderen Burenführer,
deren Stärke in der Vertheidigung, nicht aber im Angriff
auf befestigte Stellungen liegt. Er hat zwei Jahre auf
dem Johannisburger Fort unter deutschen Offizieren und
mit diesen zusammen gedient. Seine Anschauungen über

Fürst Margoni.
Roman von Moritz Lilie.

(Fortsetzung.)
<? >st bald erzählt und eS ist keineswegs eine so über- j
, ""kl." erwiderte der Prokurist lächelnd, .wenn !
"'8eben will, daß diele Angelegenhett mit äußerster
M 'ch ^""b Ueverlegüng behandelt sein wollte. Wohl
Brief geschrieben, manche Anfrage gestellt j
Vsi Erforschung Wahrheit zuweilen eigenkhümliche
. V ^Wewendct, niemals aber solche, vor denen ich er-
» ?'E."
VA uSrauchst Du nicht erst zu versichern, Georg, das
" ^ selbst!" fiel der alte Herr aut freund-

ißsisiis,A"1cken ein.
Ä LNz 7, ^je an jenem Herbsttage im Siadtpark- der
"Erließ, Valerie," nahm der junge Manu wieder
lOAbs^; S w"r es mir, als Kälte ich für immer von
Ed genommen. Der Boden brannte mir unier
V Kov> schien statt des Gehirns Blei zu
"Nie meine wenigen Resieeffekten, warf mich in
VA? Zu? fahr nach dem Bahnhöfe, um mit dem
Ve " "ach Hause zurückzukehren. Unterwegs vc-
V.i e>regten Nerven etwas, ich vermochte
V« "vn?>E" ö" sammeln und im Grübeln nach dem,
Höne, drängle sich mir so manche silt-
vl>, Eys auf. Sie halten mir Milaethkill, Valerie,
dutz^"r)b Jhie Verbindung mit dem Fürsten be-
V' ^ i,n>> i" Lvb in fast überschwenglicher Weise
s n^?E'"e Verhältnisse, seinen Charakter gepriesen
V H?l> ""I d"" Gedanke durch den Kops: Wr-shaib
ß» nicht ihrer eigenen Tochter dicics
iüa.^En? War der Fürst wirklich so reich, wie
^"ssi^ E> so war er bei de» sonstigen vonnffüchen
' "ie man ihm zuschrieb, sicherlich eine höchst

begehrenswerthe Partie. Es erschien mir nunalürlich und
der Aufklärung bedürftig, weshalb die Hellwarths hier so
großmüthig Verzicht leisteten, während doch nach allem, was
ich von ihnen wußte, Selbstverleugnung und Rücksichtnahme
auf Andere keineswegs zu ihren hervorragenden Eigenschaften
gehörten."
„Das weiß Gott!" bestätigte das junge Mädchen.
„Diese Erwägungen machten mich aufmerksam und be-
unruhigten mich," fuhr Georg fort, „und nach und nach, bei
fernerem Nachdenken, bildete sich ein unbestimmter Verdacht
in mir aus, daß hier nicht alles so sein müsse, wie es scheine-
Ich beschloß zunächst Herrn Dornfelder meine Bedenken
mitzutheilen —"
„Daran thatest Du sehr wohl!" unterbrach der Kaufherr
seinen Prokuristen.
„Sie fanden meine Bemerkungen für wichtig genug,
Herr Dornielder, um weitere Nachforschungen ansteüen zu
lassen," setzte der junge Mann seine Erzählung fort. „Mit
Ihrem Herrn Bruder und mir gemeinschaftlich wurde alles
noch einmal erwogen und ich schließlich beauftragt, auf un-
bestimmte Zeit nach der Residenz zu gehen und wenn möglich
Klarheit in diese Angelegenheit 5" bringen. Ich war reichlich
mit Geldmitteln versehen und persönliche Rücksichten spornten
meinen Eifer noch besonders an. io daß ich mir vornahm,
nichts unversucht zu lassen, um meine Mission nach jeder
Richtung hin zu erfüllen."
„Und das hast Du in vollstem Maße gethan!" warf der
alte Dornfelder ein.
„Meine erste Sorge in der Residenz war, mir ein be-
scheidenes Zimmer zu miethen, und der Zufall war mir in
dieser Beziehung günstig, ich hätte kein Passenderes Unter-
kommen finden können," berichtete jener weiter. „Erinnern
Sie sich noch einer Schlittenpartie, an welcher ein großer
Tdeil der vornehmen Welt sich betheiligte?" wandte er sich
plötzlich an Valerie.
Die Gcfcagte neigte bejahend das Haupt.
„Gewiß erinnere ich mich dieses Vergnügens, welches

der Baron Esche, ein in solchen Dingen erfahrener und er-
findungsreicher Herr, veranstaltet hatte," entgegnete sie. „Es
war eine herrliche Partie, alles war entzückt von dem ge-
lungenen Arrangement, und wir olle vergaßen sehr bald,
daß wir aus der Fahrt tüchtig hatten frieren müssen; denn
es war sehr kalt."
„Auf dem Wege, an der „das kalte Feld" genannten
rauhesten Stelle desselben, wurden die Insassen der Schlitten
von einer armen Frau angesprochen, die vor Frost fast er-
starrt war und zwer Kinder mit sich führte," nahm Georg
den Faden seiner Erzählung wieder auf. „Während die
meisten achtlos an der Bettlerin vorüberfuhren und ihr
höchstens hin und wieder einer der Herren ein Geldstück zu-
worf, ließen Sie Ihren Schütten halten, winkten die Frau
heran, erkundigten sich nach ihren Verhältnissen und schenkten
ihr mitleidig ein großes wollenes Tuch, indem Sie zugleich
versprachen, für ihr ferneres Fortkommen in der Residenz zu
sorgen."
(Fortsetzung folgt.)

Stadt-Theater.
^ Heidelberg, 31. März.
„Fernand e". Pariser Sittenbild in 4 Akten von Victorten
Sardou. Deutsch von Eduard Mautner.
Fernande ist eine schwermütbige Lilie, die in dem Sumpfe
einer Spielhölle ein unbefriedigtes, unglückliches Dasein führt.
Im Herzen rein und edel gesinnt, hat sie doch — nicht nach
eigenem Willen, sondern unter dem Druck äußerer Umstände, in
ihrer Hilflosigkeit, die ein schlechter Mensch ausnutzte — ihre
Unschuld eingebüßt. Sie sucht den Tod. Die Gräfin Roseraie
nimmt sich ihrer an und bietet ihr und ihrer Mutter ein Asyl.
Nun kommt die Verwickelung. Die Gräfin hat einen Geliebten,
den Marquis von Arcy; man glaubt, die Beiden werden sich
heirathen, allein die Liebe des Marquis erlischt. Die Gräfin ent-
lockt ihm das Geständniß seiner erstorbenen Neigung, Indem sie
vorgiebt, sie liebe ihn nicht mehr. Zugleich erfährt sie, daß er
 
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