Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 101-126 (1. Mai 1900 - 31. Mai 1900)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0501

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint täglich.
Sonntags ausgenommen.
Preis
mit Familienblattern
monatlich 50 Pf.
frei in's Haus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1.25 Mk.
ausschließlich Zustellgebühr.

8ernsprech-Anschluß Nr. 82.


Jnsertionsgebühr
15 Pf. für die Ispaltige
Petitzeile oder deren Raum.
Für hiesige Geschäfts- und
Privatanzeiyen bedeutend
ermäßigt.
Gratis-Anschlag
der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.

Fernsprech-Anschluß Nr. 28

X,. M.

Keiiüg, den 4. Mai

IWU.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für die Monate Mai und
> Juni werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Psg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für die Monate Mai
- Und Juni, wenn am Schalter abgeholt, 84 Pfg-, mit
, Zustellgebühr Mk. 1.14.
^ -^
Die Flottenvorlage in der Budgetkommission,
j Berlin, 3. Mai. In der B ud g et ko m mi s sion
. ^es Reichstages wurde der Müller-Fuldasche Gesetz-
i Entwurf und der Bassermannsche Antrag in Verbindung
üiit der Flottenvorlage berathen. Die Diskussion be-
schäftigte sich zunächst mit der vorgeschlagenen Aenderung
s>es Ste mpelg esetze s, als deren Ergebniß zu ver-
> Kichnen ist, daß die vorgeschlagenen Aenderungen prinzipiell
l Und im Wesentlichen unwidersprochen blieben. In der
j Spezialdebatle fragt Abg. Richter, wie man in dem
bisher angegebenen Betrag die einzelnen Stempelerhöhungen
. Errechne. Abg. Müller-Fulda gibt die gewünschten
' Zahlen, wonach das Erträgniß auf rund 5 Millionen zu
' bemessen ist. Wünsche man eine Schonung des Börsen-
verkehrs, so müsse man auf 4 Millionen verzichten. Der
Vorsitzende schlägt vor, die Frage der Besteuerung der
^uxe auszuscheiden und durch eine Resolution die Vor-
legung der bezüglichen Steuer den Regierungen anheim zu
- »eilen. Andernfalls würde er die Berufung einer Unter-
Immission für die Bcrathung des Stempels auf Compen-
, iaiionsgeschäfte Vorschlägen. Die Einsetzung einer Unter-
'animission wird beschlossen. Artikel 3 und 4 werden
°hne Erörterung angenommen. Zu § 5 schlägt Abg.
Finger vor, die Abgabe für Lottericstempel zu erhöhen,
bezüglich dessen er voraussctzt, daß davon auch Spiel und
Totalisator betroffen würden. Abg. Graf Stolberg
glaubt nicht, daß man mit dem Verbot des Totali-
Ivtors etwas erreicht. Abg. Gröber stellt hierauf An-
lage bezüglich des Lotteriestempels, der Wettumsätze bei
Wettrennen n. s. w., wodurch die Anträge Müller-Fulda
"Us dem Ergebniß der Debatte entsprechend geändert
Werden, lieber diese Anträge wurde noch nicht abgestimmt,
borgen Fortsetzung.

Die deutsche Torpedoboots-Division ans dem
Rhein.
Köln, 3. Mai. Bei Hellem Sonnenschein, der hier
b»d oa verdunkelt wurde durch Gewitterwolken, kam heute
Mittag die Torpedoboot-Division um 1'/^ Uhr
Köln an, vorher angekündigt durch die Salutschüsse
Forts Prinz Heinrich. Nachdem sie Mülheim passirt,
am Ufer die Capelle des Infanterie-Regiments Nr. 65
vncertirte, und auf die Höhe der Fcohngasse gelangt
, or, donnerten Böllerschüsse von den Ufern und den
^»erhalb der festen Brücke in Flaggenparade liegenden
Schiffen. Das Kölner Ufer zeigte, wie die Köln. Ztg.
sichtet, an den Gebäuden reichen Fahnenschmuck, beide
Ner waren mit Zuschauern dicht besetzt, die immer wieder
Hurrahs ausbrachen und lebhaft mit ihren Tüchern
senkten. Da die Ankunft der Flottille erst auf 2 Uhr
^gekündigt war, so sah man noch Tausende zum Rhein
?°Men, nachdem die seltenen Gäste schon angekommen
^/>ren. Der Empfang war aber nichts destoweniger
heraus herzlich und zeigte eine begeisterte Erwiderung
-^ kaiserlichen Grußes vom Meere. Offiziere und Mann-
^ften der Kriegsschiffe dankten für den warmen Empfang
.'i Schwenken der Mützen. Hurtig und doch von der
faltigen Kraft ihrer Doppelschrauben nur wenig Gebrauch
^bchend, zogen die kleinen dunkeln Schiffskörper dahin.
^Men folgte das buntveflaggte Festfchiff, die Hansa. Das
j,?bistonsboot ging an der Trankgasse vor Anker, während
Landern Boote an der Werft zwischen der mit Menschen
besetzten festen und der Schiffbrücke die Anker fallen
Mn.
Deutsches Reich.
^ Gestern (Donnerstag) Vormittag 9 Uhr wohnte
h? Kaiserpaar der Enthüllung der Denkmalgruppe des
Friedrich I. in der Siegesallee in Berlin bei. Der
b^>er hielt darauf auf dem Tempelhoferfelde Bataillons-
h^chtigung ab. Heute, am Tage des Einzugs des
f^isers Franz Josef, haben alle Berliner Schulen
is, ' — Das großherzogliche Paar von Baden
gestern Vormittag 10*/, Uhr auf dem Potsdamer
in Berlin eingetroffen und von der Kaiserin, den
^ jüngsten Prinzen, der Prinzessin Victoria Luise, dem
suchen Gesandten und dem Personal der badischen Ge-
tz^schaft empfangen worden. Die Kaiserin überreichte der
, rzogin einen Blumenstrauß. — In Gegenwart der
d^An und der Großherzogin von Baden fand bald
djx 34. Generalversammlung des Vaterländischen
"Uenvereins statt.
Die Nordd. Allg. Ztg. meldet: Der chinesische
tzxMdte in Berlin wurde von seiner Regierung in Kenntniß
daß die Kaiserin-Mutter und der Kaiser von China

ein Glückwunschschreiben und ein Geschenk nach
Berlin abzusenden befohlen haben. Gleichzeitig wurde der
Gesandte beauftragt, dem Kaiser einen herzlichen Glückwunsch
der chinesischen Majestäten zu übermitteln.
— Der Kölnischen Zeitung wird von einer konser-
vativen Seite, die sie für unterrichtet hält, mitgetheilt, daß
die Bemühungen der Grafen Klinckowström und Mirbach,
sowie des Frhrn. v. Manteuffel-Crossen wegen Zustande-
bringens eines die verbündeten Regierungen befriedigenden
Kompromisses über den Gesetzentwurf betr. Fleischbeschau
in der jüngsten Fraktionssitzung der konservativen Reichs-
tagsfraktion nicht die Zustimmung der Mehrheit
gefunden haben. Namentlich Graf Kanitz soll sich mit
allem Nachdruck gegen die Annahme des Kompromisses
ausgesprochen und dabei die große Mehrheit der Fraktion
ans seiner Seite gehabt haben. Schließlich soll man sich
dahin geeinigt haben, jedem Fraktionsmitgliede die Ab-
stimmung im Reichstage freizugeben. Bestätigt sich diese
Mittheilung, so dürste das Fleischbeschaugesctz wohl als
gescheitert anzusehen sein.
— General v. Kummer, der Führer der Division
Kummer im Feldzuge von 1870/71, ist in Hannover im
Alter von 84 Jahren gestorben. (Ferdinand v. Kummer,
der am 11. April 1816 in Szelejewo geboren wurde,
nahm als Kommandeur der 25. Jnfanteriebrigade bereits
1866 an den Gefechten von Kissingen, Aschaffenburg,
Gerchsheim hervorragenden Antheil (Orden xour Is mö-
rits). Seinen Namen in der Kriegsgeschichte machte er
sich als Kommandeur der 3. Reservedivision, die am
20 August 1870 vor Metz cintraf und einen harten
Stand hatte. (Schlacht bei Noisscville, Ausfälle am 2. und
7. October.) Nach der Kapitulation Kommandeur der
15. Infanteriedivision geworden, machte er alle großen
Schlachten der I. Armee im Norden mit und zeichnete sich
hauptsächlich bei Bapaume aus (pour Is wörits mit
Eichenlaub). 1875 wurde er als General der Infanterie
zu den Offizieren von der Armee zur Disposition ge-
stellt.)
Deutscher Reichstag. Berlin, 3. Mai. Weiter-
bcrathung der Unfallversicherungsnovelle bei
8 5a (Umfang der Entschädigung).
Abg. Frhr. v. Stumm (Reichs-.) beantragt die Bestim-
mung der Commtssionsfassung, daß bei völliger Hilflosigkeit des
Verletzten die Rente bis auf 100 Procenl zu erhöhen sei. facul-
tativ zu fassen.
Abg. Molkenbuhr (Soc.) begründet einen socialdemokra-
tischen Antrag, die Carenzzeit zu beseitigen, bezw. herabzusetzen.
Ferner solle die Rente für die Dauer des entstandenen Schadens
anstatt für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit gewährt werden.
Die Höhe der Rente soll nach den entsprechenden Vorschriften
des bürgerlichen Gesetzbuches bemessen werden.
Z 5 a wird schließlich unter Ablehnung der AbänderungSan-
träge in der Commtssionsfassung angenommen.
§ 5b regelt die Berechnung der Rente nach dem Jahres-
verdienst. Der Betrag über 1500 wird nur mit einem
Drittel berechnet. Ein Antrag Albrecht will die letztere Be-
stimmung streichen und die Rente für jugendliche Arbeiter gegen-
über der Commtssionsfassung erhöhen.
Geh. Rath Kaspar spricht gegen die socialdemokratischen
Anträge.
Nach längerer Debatte wird Z 5 b mit der Abänderung des
Antrages Albrecht betreffend jugendliche Arbeiter in der Com-
mtssionsfassung angenommen; der Rest des Antrages Albrecht
abgelehnt.
Eine Reihe Paragraphen wird ohne erhebliche Debatte unter
Ablehnung einiger socialdemokratischer Anträge in der Commis-
sionsfassung angenommen.
Morgen 2 Uhr Weiterberathung.
Baden. Ueber die Ankunft der Familie des Herzogs
von Cumberland und des Prinzen Max von Baden
in Gmunden am 2. d. geht der Bad. Landesztg. folgendes
Telegramm zu:
Gmunden, 2. Mai, 5 Uhr 30 Min. Abends.
Soeben trafen mittelst Sondcrzuges nach dreimonatiger Ab-
wesenheit auf ihren Besitzungen ein: Die Königin und die Prin-
zessin Marie von Hannover, Herzog Ernst August und Herzogin
Thyra von Cumberland und mit ihnen das Brautpaar Prinzessin
Maria Luise von Cumberland und Prinz Maximi-
lian von Baden, Prinz Georg von Cumberland, sowie die
übrigen Prinzen und Prinzessinnen des Hauses Cumberland.
Sie wurde» von den Spitzen der Behörden und vom Bürger-
meister, Kaiser!. Rath Dr. Wolfsgruber, empfangen, der der
Braut herrliche Blumen überreichte. Das Brautpaar wurde in
der überreich beflaggten Stadt feierlich empfangen; auf dem
ganzen Wege zum Schlosse fiel ein Feuerregen gelbrother Blumen.
Die öffentlichen Gebäude hißten badische Landesfarben.
Im ganzen Lande Baden, so fügt die Landeszeitung
hinzu, wird man mit aufrichtiger Freude die Nachricht von
dem herzlichen Empfang aufnehmen, den Prinz Max und
seine Braut in dem schönen Gmunden gefunden haben, wo
sich die Familie Cumberland einer außerdentlichen Popu-
larität erfreut. Freudig wird man aber auch dem Tag
entgegensetzen, da der Prinz seine junge Gemahlin in die
neue Heimath einführen wird, wo dem jungen Paare, auf
dem so große Hoffnungen ruhen, das Herz des Landes
entgegenschlägt. ^ ,
Badischer Landtag. 0.6. Karlsruhe, 4. Mai.
(69. Sitzung der Zweiten Kammer.) Eingegangen ist
eine Petition betr. den Verkauf der Burgruine Windeck
(bei Weinheim). Zur Bcrathung steht das Budget der
Vcrkehrsanstalten, über das Abg. Dr. Wilckens
berichtet. (Aus dem Kommisstonsbericht, dessen Vortreff-
lichkeit von verschiedenen Rednern anerkannt wird, haben
wir das Wesentliche bereits mitgetheilt.)
Abg Dr Wilckens greift einige Punkte aus dem Budget
heraus und erwähnt einige besonders interesstrende Zahlen. Die

Verkehrsdichtigkeit ist danach bei uns sehr bedeutend; wir haben,
abgesehen von dem Bezirk Berlin, in den die Berliner Stadtbahn
eingeschlosftn, in dieser Beziehung in Deutschland die günstigsten
Zahlen aufzuweisen. Unser rollendes Material ist gut. Das Be-
streben der Verwaltung geht dahin, unser Lokomotiven- und Wagen-
mater'al immer besser auszugestalten. Auch der Oberbau ist in
stetiger Verbesserung und Verstärkung begriffen. Der Lokalzugs-
verkehr, auch in sozialpolitischer Beziehung sehr wichtig, hat bei
uns eine hervorragende Ausgestaltung erlangt. Allerdings scheint
es, daß in dieser Beziehung jetzt ein gewisser Stillstand einge-
treten ist, indem eben gerade die Strecken in der Nähe der
größeren Städte durch den Durchgangsverkehr stark belegt sind.
Es wird hoffentlich möglich sein, im Laufe oer Zeit durch weitere
Gleisbauten auch diese Schwierigkeiten zu überwinden. Die
Kilometerhefte sind eine bei uns sehr beliebte Einrichtung ge-
worden, deren weitere Ausgestaltung dringend zu wünschen ist:
solche 3. Klasse für 5"0km sollten eingeführt werden, das Heft
3. Klasse sollte nur 20 Mk. kosten und die Beschränkung auf
Familienangehörige wegfallen. Wir wollten den Minister, solange
noch Verhandlungen mit den andern Staaten wegen der allge-
meinen Tarifreform schweben, nicht drängen, wünschen aber, daß
wenn diese Verhandlungen, wie fast befürchtet werde» muß,
scheitern, bei uns wenigstens in dieser Richtung oorgegangen
werde. Der badische Vorschlag mit 6, 4 und 2 Pf. Grundtaxe
für Personenzüge und 7, 5 und 3 Pf. Gruudtaxe für die Schnell-
züge ist jedenfalls auch sehr beachtcnswerth; zu wünschen ist, daß,
dann aber auch die Kilometerhefte beibehallen werden, indem sonst
die Schnellzugstaxen dem dermaligen Kilometerheftsahrprels gegen-
über eine wesentliche Erhöhung erfahren werden. Zu gewagten
Experimenten auf diesem Gebiet in einer Zeit riesigen Anwachsens
der Eisen- und Kohlenpreise und in einer Zeit der Erneuerung
des Oberbaues, des Umbaues fast all unserer größeren Bahnhöfe
und steigender Löhne ist kein Zeitpunkt. Wir wollen aber solchen
Experimenten auch nicht das Wort reden, dagegen ließe sich ein
weiterer, sachgemäßer Ausbau unserer Kilometerheft-Einrichtung
gewiß nach allen Richtungen hin vertreten und es könnte sich der
Herr Minister v. Brauer damit neues Verdienst erwerben.
Abg. Dr. Weygoldt (natl.) wünscht bessere Beleuchtung
der in seinem Wahlbezirk verkehrenden Arbeiterzüge. Abg. Dr.
Heimburger (dem.) befürwortet die Ausgabe von Kilometer-
Heften L 500 Kilometer und Herabsetzung des Preises von25Mk.
auf 20 Mk. pro 1000 Kilometer. Auch würde es sich empfehlen,
wenn die Hefte nicht auf den Namen ausgestellt würden, damit
auch ärmere Leute durch Leihen von Kilometerheflen von der
schönen Einrichtung prosttircu können. Am besten wäre es frei-
lich, wenn für alle Klaffen ein Tarif eingeführt würde und zwar
zu 6, 4 und 2 Pfg. pro Kilometer I., 11. und III. Klasse unter
Aushebung des Schnellzugszuschlags. Redner fragt an, ob die
Blättermeldung richtig ist. daß Frhr. v. Crailsheim im bayr.
Finanzausschuß erklärt habe, Baden sträube sich gegen jede Herab-
setzung der Tarife und verhindere dadurch das Zustandekommen
einer süddeutschen Betriebsgemeinschafl. Rach den früheren Er-
klärungen des Herrn Ministers halte er dies für unmöglich.
Wenn keine süddeutsche Eisenbahnvereinigung zu Stande komme,
möge die badische Regierung in nächster Zeit selbständig Vorgehen.
Sie würde sich damit nicht nur ein Verdienst um das badische
Eisenbahnwesen erwerben, sondern auch dem Namen Badens als
Musterstaat Ehre machen.
Abg. Wittum (natl.) weist auf die gewaltigen Fortschritte
des badischen Eisenbahnwesens in neuester Zeit hin und zollt der
Eisenbahnoerwaltuug Anerkennung, daß sie die Schnellzüge ver-
mehrt und das Wagenmaterial verbessert hat.
Minister von Brauer theilt die pessimistische Auffassung
des Abg. Heimburger über das Zustandekommen der süddeutschen
Tarifgeineinschaft nicht. Wenn er auch leine Garantie für die
Verwirklichung bieten könne, so habe er doch die Hoffnung noch
nicht aufgegeben. Vorerst müssen wir olle Wünsche unter-
drücken (l), die das Zustandekommen des Einheitstarifs er-
schweren. Dieser wäre zweifellos ein großer Fortschritts?) und
der Kaufpreis in Form der einen oder andern kleinen
Vertheurnng nicht zu groß. Vorerst dürfen wir, um die
Verhandlungen nicht zu erschweren, nicht weiter gehen und etwa
den Fahrpreis auf 2, 4 und 6 Pfg. herabsetzen unter gleichzeiti-
ger Abschaffung des Schnellzugszuschlags. K^inml eine Einigung
nicht zu Stande, dann wird zu prüfen sein, wie m:n das Kilo-
mcterheft weiter ausgestaltet. Der Vorschlag, die Ktlometerhefte
nicht auf den Inhaber auszustellen, ist kaum anwendbar, da sich
zweifellos ein schwunghafter Handel mit Kilometerheften ent-
wickeln würde. Nach diesen Ausführungen fti es eigentlich über-
flüssig, noch besonders heroorzuheben, daß die angebliche Behaup-
tung des Frhrn. v. Crailsheim unrichtig ist. Im amtlichen
Stenogramm habe er eine derartige Aeußerung auch nicht gefun-
den; vermuthlich handle cs sich um einen Jrrthum des Bericht-
erstatters der betr. bayr. Zeitung (Münch. R. N.).
Abg. G i e ß l e r (Ceulr.) wiederholt größtentheils bereits Ge-
sagtes. Abg. Armbrust er (Csntr.) singt in begeisterten
Worten das Lob der badischen Etsenbahnvcrwaltung, insbesondere
der Betriebsbeamten. Er wünscht u. A. ein Verzetchntß der
Postzüge im Fahrplan und fragt an, ob für den Bezug elektri-
schen Lichts von Privaten für die Stationen besondere Bestim-
mungen bestehen.
Abg. Muser (dem.) glaubt, der Fortschritt in der Verkehrs-
Politik sei davon abhängig, daß die Erkenntniß in immer weitere
Kreise dringt, daß die Eisenbahnen einen öffentlich-rechtlichen
Charakter haben und in immer größerem Umfang in die Volks-
wirthschaft und Sozialpolitik einüringen. Ec freue sich, konsta-
tiren zu können, daß man jetzt bei uns wenigstens angefangen
hat, zu dieser Erkenntniß zu kommen. Wenn die süddeutsche
Tarifgemeinschaft nicht zu Stande kommt, dann sollte die bad.
Verwaltung selbständig Vorgehen, maßvoll und besonnen, aber
energisch. Die Furcht vor finanziellen Rückschlägen theile er
nicht, da ja finanziell weniger kräftige Staaten, wie Ungarn und
Rußland, schon längst billigere Tarife als Deutschland eingeführt
haben und nicht schlecht dabei gefahren sind. Sobald mau ein-
mal davon überzeugt ist, daß die Eisenbahnen eine öffentlich-rechtliche
Institution sind, wird man auch prtvatwirthschaftl. Tendenzen in der
Tartfpolittk unterlassen. Die Kilometerhefte sollte man Jeder-
mann zugänglich machen. Auch beim Gütertarif sollte nicht immer
nur das Gewicht, sondern auch der Handelswerth in Betracht ge-
zogen werden. Für die Landwirthschaft ist eine gesunde Tarif-
poltttk von unschätzbarem Werth: durch entsprechende Regultrung
der Personentarife könnte der Leutcnoth auf dem Lande ab-
geholfen werden, indem sich die Eisenbahnverwaltung mit den
Arbeitsausweisen in Verbindung setzt und Arbeiter in leutearme
Gegenden um einen geringen Fahrpreis, eventuell umsonst be-
fördert. Auch durch Verbilligung des Transports landwirthschaft-
licher Produkte könnte man den Landwtrthen entgegcnkommen.
In England habe die Ostbahn, um den oft sehr wucherischen
Zwischenhandel unmöglich zu machen, eine engere Verbindung
zwischen den Absatzgebieten und Produzenten geschaffen, indem
sie die landwirthschaftltchen Produkte den Konsumenten rasch,
gut und billig lieferte. Der Versuch ist glänzend gelungen und
 
Annotationen