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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 78-100 (2. April 1900 - 30. April 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0457

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

^r. 84.

Montag, -rn 23. April

ISVV.

Vom Reichstag.
Der Reichstag tritt am nächsten Dienstag nach nahezu
vierwöchiger Pause wieder zusammen, um die vor Ostern
abgebrochenen parlamentarischen Arbeiten fortzusetzen. Er
Mt noch ein umfangreiches Material durchzuarbeiten. Um
b>e Hauptaufgaben zu nennen: die dritte Berathung der
Hejnze ist noch zu Ende zu führen; die dritte Lesung
bes Schlachtvieh- und Fleischschaugesctzes steht noch bevor;
öb Ende zu führen sind weiter die Novelle zur Gewerbe
v^dnung, die Unfallversicherungsgesetze, die Seemanns-
ardnung und außer den auf der nächsten Tagesordnung
gehenden Vorlagen noch die Subventionirung der Post-

dg

Vr>

aipferverbindung mit Afrika, wozu dann noch ein

Watversicherungsgesetz und eine Novelle zum Weingesetz
^gekündigt ist. Beherrscht wird das Arbeitsfeld des
^sichstags von der Flottennovelle, deren Schicksal in den
Miden der Budgetkommission ruht und sich in den letzten
Aachen zusehends freundlich gestaltet hat. Die einzige
- ^?hr, die diesen Vorlagen droht, liegt im Reichstage
?wst, der seit seinem Wiederzusammentritt im December
-vvigen Jahres es nur zu einem halben Dutzend beschluß-
obiger Sitzungen gebracht hat.

Ueber Beira nach Rhodesia.
. Wie bekannt, hat Portugal gestattet, daß englisches
Elitär von Beira aus an der portugiesischen Ostküste
^ Afrika die Bahn benutzt, die westlich durch portugiesi-
^es Gxbjxt zum Innern Afrikas führt und gegenwärtig
Ort Salisbury, die Hauptstadt des englischen
^ritoriums Rhodesia, erreicht hat.
Ihn " den Strapazen, welche die englische Heeresabthei-
hbg auf diesem Wege erwarten, entwirft ein Kenner des
^ "des jni Berliner Tageblatt eine Schilderung, der wir
Mndes entnehmen:
H Beira ist eine kleine Stadt an der Mündung des
tzg ^wk und der Busi-rivieren, auf einer hervorspringenden
i>r??^uge erbaut, ss daß ihr jeden Augenblick die Gefahr
iy bt> von der See fortgespült zu werden. Die Ein-
bx büer sind 500 Weiße und dreimal so viel Inländer;
»^crkenswerthe Eigenschaften der Stadt sind Hitze, Schmutz
H Staub, wodurch das Fieber in hohem Maße auftritt.
bk», ""gesünder würde der Ort sein, wenn er nicht unter
Einfluß der wohlthucnden, reinigenden Seewinde läge.
b>id ^ erste Theil der Eisenbahnlinie führt durch Morast
bie 2k eibsand. Der Weg ist so schlecht beschaffen, daß
»>Lg Regung der Eisenbahn, wie langsam sie auch sein
bk» "ut einem gleichmäßigen Schaukeln verglichen wer-
iljxj- wrin, wobei der schwarze Schlamm emporspritzt. Der
dlq^"be wird in einem nicht allzu eleganten Wagen
tyj *t, in dem sich durch die brennende Sonne die Tempe-
Su der eines türkischen Bades entwickelt; in seine
"eigen übelriechende Dämpfe, sein Körper wird be-
er durch Myriaden blutdürstiger Insekten, gegen welche
b-eg AEn Schutz findet, denn er kann die Fenster, der Hitze
b>e»k "'cht schließen. Demzufolge ist er völlig ermüdet,
kr in Toutesville, der ersten Station, ankommt.
^ cs ihm einfallen, des Nachts zu reisen, so hat er
bkjß "'ehr Qualen zu erdulden. Wohl ist es weniger
l°rt»>»?ber zahllose Schwärme Moskitos belästigen ihn
slrh "brend, der weiße Fieberdampf hängt wie ein Leichen-
^ dem Morast, und den mit Giftdämpfen ge-
br»,-Irrten Nebel kann man sozusagen mit einem Messer
^"eiden.
2-wutesville jst das Klima besonders schlecht; hier
!Hdj/s Malariafieber sehr, und zur Regenzeit habe
^^^"Olt in einen See von drei bis vier Fuß Tiefe

verwandelt gesehen. Hinter Toutesville beginnt eine mit
hohem Gras bewachsene Ebene, abwechselnd mit Morästen
und schlammigen Flüssen. Eine Tagesreise über Toutes-
ville hinaus bemerkt man zuerst die gefürchtete „Tsetse-
Fliege", deren Gebiet sich eine Tagereise weit über Chimoio
hinaus erstreckt, das der Endpunkt der Eisenbahnlinie war,
als ich mich in diesen Strecken aufhielt. In diesem Landes-
theil ist es für jedes Thier, ausgenommen Esel und Ziege,
unmöglich, zu leben. Zeitweise können selbst diese es hier
nicht aushalten.
Da dieses der einzige Weg ist, der für den Transport
der Truppen in Betracht kommt, kann man sich leicht vor-
stellen, in welchem Zustande sich dieselben nach der Reise
befinden werden. Außerdem hat nunmehr die Regenzeit
begonnen, eine Jahreszeit, welche für einen Europäer fast
sicher tödtend ist.
Fürwahr, das Loos der Expedition ist nicht zu be-
neiden. Außerdem macht der britische Soldat große An-
sprüche. Er ist ein Söldner und ein geborener Griesgram,
der mit leerem Magen nicht marschirt oder kämpft, und
dazu bietet sich ihm ganz leicht Aussicht, sobald er die
Bahn verlassen hat. Die ganze Bagage (auf dem Wege
von Salisbury nach Buluwayo, wo noch keine Eisenbahn
läuft) muß auf Ochsenwagen mitgeführt werden, und da
die Wege sehr primitiv beschaffen sind und jeder Bach durch
einen Regenguß zum wilden Strom anschwellen kann, so
ist es fast unmöglich, daß der Troß mitkommen kann,
selbst wenn die Truppen noch so langsam marschiren.
Von Salisbury sind noch viele Meilen zurückzulegen,
bevor Buluwayo erreicht ist. Wenn die Truppen nach
diesem Marsch nicht mindestens einen Monat Ruhe erhal-
ten, bevor sie zum Entsatz Mafekings schreiten oder in
Transvaal einfallen, müssen sie von einem ganz anderen
Schlag sein, als die gepriesenen Tommys.
Von Buluwayo können sie natürlich per Bahn nach
dem Punkt befördert werden, wohin sie der Oberbefehls-
haber haben will.
Im Allgemeinen bin ich der Meinung, daß diese Ex-
pedition ein sehr gewagtes Unternehmen ist, das nicht viel
Chance auf Erfolg hat; und die Buren sind auf ihrer
Hut, wie sie genügend bewiesen haben. Sie kennen jede
Bodenfalte, die die Expedition durchziehen muß, und sind
im Stande, ihr Ueberraschungen zu bereiten, wovon die
Engländer keine Ahnung haben.

Deutsches Reich
— In nächster Zeit soll in Berlin eine große
Kundgebung zur Schulreform in Szene gesetzt wer-
den. Alle Vereine, die seit vielen Jahren mit verschiedenen
Programmen den Reformgedanken vertreten, haben sich in
einer vom Verein für Schulreform veranlaßten Be-
sprechung auf zwei gemeinsame Forderungen geeinigt und
auf dieser Grundlage eins gemeinsame Kundgebung für den
5. Mai d. I. Vormittags 11 Uhr im Kaiserhofe zu Berlin
beschlossen. Die beiden Forderungen sind: 1. Alle neun-
klassigen höheren Schulen (Gymnasium, Realgymnasium
und Oberrealschule) müssen die gleichen Berechtigungen zu
wissenschaftlichen Studien und höheren Laufbahnen haben.
2. Die weitere Gestaltung aller höheren Schulen ist in der
Richtung zu bewirken, daß sie einen die drei unteren Klassen
umfassenden gemeinsamen lateinlosen Unterbau erhalten.
Die Einladungen zu der Versammlung sind bereits er-
gangen. Unterzeichnet sind sie von Direktor Lemmer und
Regierungs- und Baurath v. Borries für den Verein
deutscher Ingenieure, den Direktoren Schauenburg und
Steinbart für den deutschen Realschulmännerverein, von

den Direktoren Holzmüller und Hintzmann als Vertreter
des Vereins für lateinloses Schulwesen und von Dr.
Lange und Baurath Th. Peters für den Verein für
Schulreform.
— In Dresden hielt vor einigen Tagen der Hofpre-
diger Stö cker eine Rede zu Gunsten der LexHeinze und
führte in derselben u. A. auch Ernst v. Wolzogens Roman
„Das dritte Geschlecht" als ein besonders verwerfliches
Werk an, das gleichsam die freie Liebe verherrliche. Was
war die Folge? In einer Leihbibliothek, schreiben die
Nachrichten für Grimma, erschien eine Dame, welche den
erwähnten Roman verlangte. Erstaunt fragte der Leih-
bibliothekar: „Was ist jetzt nur los? Seit Samstag
stürmen meine Abonnenten fast das Geschäft und alle ver-
langen „Das dritte Geschlecht". Das Buch ist, obwohl
ich drei Exemplare davon besitze, vergriffen und auf Wochen
hinaus sind Leser bereits vorgemerkt. Da will ich doch
gleich noch zwei Exemplare nachbestellen!" — Das war
nur in dem kleinen sächsischen Städtchen Grimma. Wie
mag es nur in den Dresdener und Leipziger Leihbiblio-
theken ausgesehen haben? Aber die Sache hat auch ihre
ernste Seite. Wird die Lex Heinze Gesetz, dann braucht
auch das dümmste, blödeste Buch nur auf dem Polizei-
Index zu stehen, sogleich wird es reißenden Absatz finden.
Verbotene Früchte!
Baden, 8.0. Karlsruhe, 22. April. Eine Aeuße-
rung des Ministerpräsidenten Frhrn. v. Crailsheim im
Finanzausschuß des Bayerischen Landtags ist geeignet, in
Baden Aufsehen zu erregen. Nach einem Bericht der
Münchener N. N. erklärte der oberste Leiter der bayer.
Staatsbahnen, daß sich Baden in der süddeutschen
Eisenbahnkonfercnz gegen jede Herabsetzung
der Personentarife gesträubt habe. Wir halten
es nach den bisherigen Aeußerungen des Herrn Ministers
v. Brauer im Bad. Landtag für vollständig ausgeschlossen,
daß er sich in dieser allgemeinen Form gegen eine Herab-
setzung der Personentarife überhaupt ausgesprochen hat.
Vermuthlich aber sträubte sich der Bad. Eisenbahnminister,
der durch die Einführung der Kilometerhefte seine reform-
freundliche Gesinung bereits bethätigt hat. gegen die in,der
Conferenz aufgetauchten, von Ministerpräsident Freih. v.
Mitt nacht s. Zt. bekannt gegebenen Reformvorschläge,
die für Baden, wenigstens theilweise, eine Erhöhung des
Tarifs bringen würden. Eine amtliche Aufklärung wäre
immerhin wünschenswekth und wird wohl auch bei der Be-
rathung des Budgets der Verkehrsanstatten nicht ausbleiben.
Badischer Landtag. 8.0. Karlsruhe, 20. April.
(10. Sitzung der Ersten Kammer.) Nach mehrstündiger
allgemeiner Berathung, worüber schon berichtet ist, ging
die Kammer zur Einzelberathung des Budgets des
Ministeriums des Innern über.
Zu Titel VIII führt Kommerzienrath Krafft aus, daß er
sich früher gegen die Anstellung einer Fabrikinspektionsassistentin
ausgesprochen habe, jetzt aber auf einem anderen Standpunkt
stehe und die Position nicht beanstande; doch möchte er wünschen,
daß die in Frage kommende Person nicht nur wissenschaftlich
gebildet ist, sondern auch einen praktischen Blick für unser Volks-
leben mit sich bringt. Mit Befriedigung habe er aus dem
Fabrikinspektionsbericht gesehen, daß die Beziehungen zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Allgemeinen befriedigende sind.
Die Ansicht des Fabrikinspektors bezüglich der Arbeiterorganisation
und der Verkürzung der Arbeitszeit theile er nicht. Wenn er
auch kein grundsätzlicher Gegner der Organisation sei, so müsse
er doch sagen: Druck erzeugt Gegendruck und wenn die Arbeiter
sich organisiren, können sich auch die Arbeitgeber organisiren.
Wenn dann Organisation gegen Organisation steht, so ist es
fraglich, ob die Arbeiter daraus einen besonderen Vorthetl ziehen.
Der Fabrtkinspektor sollte etwas vorsichtiger sein in der Em-
pfehlung der Organisation und nicht in patriarchalische Ver-
hältnisse eingreifen. Auf die Reduktion der Arbeitszeit lege der
Fabrikinspektor großen Werth in dem Glauben, daß dadurch eine


In hohen Regionen.
Erzählung von M. A. Zwickert.
(Fortsetzung.)
dgA Aut stände ihr das Bild vor den Augen, das sich
/"d doropkntpn; Niip link lim ilisss?

dargeboten: „Wie vernichtet und um viele
tk?ceibfj?«crt, hätte ihr Vater in seinem Sessel vor dem
v"ssl^a »elehnt. während ihr Bruder vor dem alten Mann
auf den Knieen gelegen, sein Gesicht gegen die
E'a dn» .des Stuhles drückend. Von dem Vater batte
c Schreckliche erfahren. Ihr Bruder Werner
und nach und nach Unsummen verloren- Ein
steckt ^cldverleiher in Berlin habe ihm die Beträge vor»
sch,i^"2e jetzt aber auf Bezahlung. DaS war schlimm,
doch es kam noch weit ärger. „Mit einem
Ägl?cid und Seelenqual," fuhr Jutta fort, „sah
nA.uuch an und äußerte müde: „Ich darf dem
steMlich-^" einmal Vorwürfe machen; denn was er in
Leichtsinn verbrochen, that ich erfahrener Alter
Aki-^srejl.^cstst Du, Jutta, auch Dein Vater hat — ge-
'lejj, ^a»kj»? Istcht am grünen Tisch, sondern an der Börse.
, sch in Wendendurg verleitete mich zu einer
?,cti„"iich» "Marion; ich gewann, spielte weiter und hatte
Liim de« "W^uste. und nun ging mir's wie Werner; ich
5ei»un>. wagte immer mehr, natürlich ohne
..habe nun fest. Demnächst muß ich zahlen.
. vh»„a,«uh nicht, Kredit ebenfalls nicht — was thun,
>»k> ctzr i
Va?°>« 'S den Schlüssel zu dem veränderten Wesen
^s, das mich seit Wochen gequält hatte. Minuten-
wie erstarrt, dann raffte ich mich aber
L' . »Um Gottes willen Papa, den Kopf oben
ctzen"" d?« rtfünszigtausend Mark können uns doch
" Keg/» ns?cttelstab bringen? Leihe das Geld, meinet-
" Wucherzinsen, wir bezahlen es allmählich ab.


Die Einkünfte von Tempelin betragen jährlich 20 000 Mark,
wir werden uns einschränkcn."
„Gutes Kind," enlgegnete der Vater, „vergiß nicht.
Templin ist Fideikommiß, ich darf keine Hypotheken darauf
aufnehmen; mit den Zwanzigtausend, welche es jährlich ab-
wirft, sind wir schon seit Jahren nicht ausgekommcn; Werner
kostete zu viel, ich habe ohnehin Schulden gemacht und wußte
nicht aus noch ein, deswegen ließ ich mich ja zum Börsenspiel
verleiten. Mit Bankier Hirsch habe ich eingehend verhandelt;
der Mann will oder kann nicht helfen."
„So laß uns nach Berlin fahren, wir werden dort ja
wohl einen barmherzigen Halsabschneider finden," rief ich
erregt, „der uns das Geld vorstreckt. Werner wird sich eben-
falls einschränken, sich im Nothfall zu einem billigeren Re-
giment versetzen lassen, und wir hier in Templin essen, wenn
es sein muß, Salz und Brod. Uebrigens, Papa," — unter-
brach ich mich selbst — „da ist ja auch noch mein mütter-
liches Vermögen von sechzigtausend Mark?"
Der Vater wurde erst brennend rotb und dann aschfahl,
und sagte mit halberstickter Stimme: „Jutta, das Geld habe
ich im Laufe der Jahre — habe.ich so nach und nach an
Werner gegeben. Der Junge kam ja nie aus."
Ich war empört gegen Werner, der die Schwäche des
Vaters für ihn so mißbraucht batte. Jetzt war nicht die
Zeit, diesen Empfindungen Ausdruck zu geben, aber es sollte
anders werden, das schwor ich mir zu. „Geschehene
Dinge lassen sich nicht ändern, Vater," sagte ich, „wir
müssen sehen, wie wir aus der Klemme kommen. Also auf
nach Berlin!"
Am nächsten Morgen bereits saßen wir in der Reichs-
Hauptstadt. Der Vater und Werner waren zu dem Wucherer
gegangen, dem mein Bruder das Geld schuldig war, und ich
wartete mit Angst und Sorgen auf ihre Rückkehr. Endlich
erschienen sie, wollten aber erst nicht recht mit der Sprache
heraus. Nun. ich will es kurz machenI Der Geldverleiher,
der über unsere Verhältnisse genau orientirt war, batte dem
Vater bewiesen, daß er nirgends auch nur zwanzigtausend

Mark geliehen erhielte, dagegen habe er einen anderen Vor-
schlag zu machen: Hinter im stände ein bekannter Finanz-
mann ; dessen einziger Sohn habe sich sterblich in mich, Jutta
Wolfsburg, verliebt. Du erinnerst Dich vielleicht auch noch
des dunklen kleinen Herrn, der aus den Pensionsbällen bei
Frau von Reißwitz regelmäßig erschien; das war er, der
mich heirathen wollte — eine vorzügliche Partie, denn der
Alte war Millionen schwer. Ich lachte, lachte schallend, als
mir das Heirathsprojett mit dem Bankierssohn zuerst nahe-
gelegt wurde, aber das Lachen verstummte, als ich in die
Gesichter von Vater und Bruder blickte. „Es ist der einzige
Rettungsweg. Jutta." erklärte der elftere mit thränen-
erstickter Stimme. Eine unheimliche Pause trat ein. „Also
wirklich," rief ich dann wild. „Ich soll mich verkaufen, damit
Ihr Eure Spielschulden bezahlen könnt?" Der Vater brach
in lautes Weinen aus, das mir tief ins Herz schnitt. Nur
mit Mühe vermochte ich ihn zu beruhigen, und dann — ich
vermag Dir heut nicht mehr zu sagen, wie sich alles ent-
wickelte. Der Bankierssohn wurde mir zugeführt. Er ent-
puppte sich als ein hochgebildeter, bescheidener, junger Mann.
Trotzdem nahm ich in meiner Erregung kein Blatt vor den
Mund, und der junge Mann machte schließlich einen Vorschlag,
den ich als hochherzig bezeichnen muß. Sein Vater sollte
uns helfen, uns zu rangiren; zwei volle Jahre sollten wir
dann Frist haben. Könnte ich mich nach Ablauf dieser Zeit
absolut nicht dazu entschließen, ihn zu heirathen, so wolle er
zurücktreten, wenn auch mit blutendem Herzen. Die zwei
Jahre, Lola, kamen mir damals so unendlich lang vor-
Was konnte sich in diesem Zeitraum nicht alles ereignen ?
So ergriff ich denn schließlich fast mit Freuden, die
dargebotene hilfreiche Hand. Der Vater und Werner
sahen sich gerettet und überschütteten mich mit Dankes-
äußerungen. ^ ^
(Fortsetzung folgt.)
 
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