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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 127-149 (1. Juni 1900 - 30. Juni 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0619

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82

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Xr. 13Ü.

Pretoria in den Händen der Engländer.
London, 5. Juni. Amtlich wird gemeldet: Die
Engländer b esetzten Pretoria.
Wir haben diese Nachricht gestern Nachmittag hier
durch Anschlag bekannt gemacht. Ucberraschend kam sie
nicht; nach dem bisherigen Gang der Dinge war eine
baldige Kapitulation der Hauptstadt von Transvaal voraus-
zusehen.
Ehe Lord Roberts in Pretoria einziehen konnte, hatte
er noch einen wie es scheint nicht ganz unerheblichen Wider-
stand zu überwinden. Ec berichtet darüber aus Sixmiles-
spruit vom 4. d.: Wir brachen heute (also am Pfingst-
montag) bei Tagesanbruch auf und marschirten etwa zehn
Meilen zu diesem Spruit, dessen Ufer vom Feinde besetzt
waren. Die berittene Infanterie und vier Compagnieen
Neomanry vertrieben den Feind schnell und verfolgten ihn
einige Meilen, bis sie sich einem heftigen Feuer der in
Verstecken geschickt verborgenen feindlichen Geschütze aus-
gesetzt sahen. Unsere schweren Geschütze eilten über die
Pretoria umgebenden Hügel der Infanterie zur Hilfe und
dertrieben unter Unterstützung der Brigade Stephenson und
der Division Pole-Carem nach einigen Schüssen den Feind
aus seiner Stellung. Die Buren versuchten nunmehr
Unsere linke Flanke zu umgehen, was die berittene Infanterie
Und Ieomanry verhinderten; da die Buren unseren Nachtrab auf
dem linken Flügel bedrohten, sandte ich dem drei Meilen
stnks von mir vorrückenden General Hamilton den Befehl,
3u mir einzuschwenken und die Lücke zwischen den beiden
Kolonnen auszufüllcn. Der Feind wurde sodann in der
Dichtung auf Pretoria vertrieben. Der Einbruch der Nacht
derhinderte die Verfolgung. Die Gardebrigade steht ganz
Uahe beim Südfort von Pretoria, etwa vier Meilen von
der Stadt entfernt. Die Generäle French und Hutton
stehen nördlich von Pretoria, General Broadwood zwischen
den Colonnen French und Hamilton. Gordon schützt die
hechte Flanke bei der Station Irene, die vom Feind zer-
stört ist. >
Noch am Samstag hatte der Burengeneral Botha zu
den Frauen von Pretoria, die ihm eine Flagge über»
dichten, gesagt: so lange wir noch auf Tausende opfer-
williger Männer rechnen können, dürfen wir nicht an
^ückzug und an Aufgabe unserer Unabhängigkeit denken.
Indessen die Verhältnisse haben sich stärker erwiesen als
Vothas guter Wille. Schon am Dienstag meldete eine
Depesche Lord Roberts aus Pretoria von Vormittags
Uhr 40 Minuten: „Wir sind im Besitze von Pretoria.
Der offizielle Einzug erfolgt um 2 Uhr Nachmittags."
Gleichzeitig wird berichtet, daß es den Generalen
Mndle und Brabant gelungen sei. die noch im Südosten
°es Oranjestaates stehenden Burenabtheilungen zu um-
Engeln und sic gegen die Basutogrenze zu drängen, wo
d'chte Schaaren von Basutokriegern bereit sind, sich auf
"e zu stürzen, falls sie die Grenze überschreiten.
^ Schon nach der Einnahme von Kroonstad durch die
^dgländcr erklärten militärische Fachleute den Krieg für
^schieden. Dieses Urtheil hat sich bis jetzt durchaus he-
iligt und man hat das Gefühl, daß die Buren auf
fiteren Widerstand als nutzlos verzichten sollten. Es ist
°?ch schade, Menschenleben an eine Sache zu setzen, die
zu halten ist. Nach einer Meldung der Times aus
^vrenzo Marquez strömen Ausländer, die auf der Büren-
de gefachten hatten, schaarenweise dort zusammen, zum
^öcil ganz von Mitteln entblößt. Nur in vereinzelten
Zöllen seien die bei der Anwerbung zugesagten Bedingungen
^gehalten worden. Besonders die deutschen Civilisten
Soldaten sollen über das Verfahren der Transvaal-

Mittmch, -k» k. Zinn

Regierung ihnen gegenüber sehr erbittert sein. Be-
sonders werde über den vollständigen Mangel an
Dankbarkeit und an der ihnen so oft nachgerühmten
Tapferkeit gerade im entscheidenden Augenblick geklagt.
Auch zahlreiche irische Amerikaner kehren nach den Ver-
einigten Staaten zurück. — Man sicht hieraus, daß auch
in diesen Kreisen der Krieg für verloren gilt.

Deutsches Reich.
— Der deutsche Generalkonsul in Kapstadt, Focke,
ist in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. (Es
wurde ihm mangelhafte Vertretung der deutschen Interessen
zum Vorwurf gemacht. Red.) Zu seinem Nachfolger ist
der gegenwärtig in der Colonialabthcilung des Auswärti-
gen Amts beschäftigte Stellvertreter des Gouverneurs von
Deutsch-Südwestafrika, v. Linde quist, ansersehen.
— Der Reichstagsabgeordnete Dr. Lingens (Centr.)
ist von einem Schlaganfalle getroffen worden.
Potsdam, 4. Juni. In üblicher Weise fand heute
Vormittag das Stiftungsfest des Lehr-Jnfanterie-
bataillons statt. Auf der Südseite des Neuen Palais
hielt Hofprediger Keßler einen liturgischen Gottesdienst, an
dem der Kaiser und die Kaiserin, der Kronprinz, der
Kronprinz und die Kronprinzessin von Griechenland mit
dem Prinzen Georg, die Prinzen Eitel Friedrich, Adalbert,
August Wilhelm und Oskar, die sämmtltchen Fürstlichkeiten,
die Generalität und die fremdherrlichen Offiziere theilnahmen.
Auch die Deputation des deutsch-amerikanischen
Kriegerbundes wohnte dem Gottesdienste bei. Nach
dem Gottesdienst ließ sich der Kaiser die Deputation vor-
stellen. Nach der Parade marfchirte das Bataillon nach
dem festlich geschmückten Markte. Der Kaiser brachte hier
ein Hoch auf die deutsche Armee aus, welches die Truppen
mit einem dreimaligen Hurrah erwiderten. General von
Bock und Polach brachte ein Hoch auf Seine Majestät den
Kaiser aus. Kurz darauf begaben sich die Majestäten nach
dem Neuen Palais zurück, wo im Muschelsaale großes
Gala-Frühstück stattfand. Der Deputation des deutsch-
amerikanischen Kriegcrbundcs wurde in den sog. japanischen
Zimmern ein Frühstück gereicht.
Baden. * Am Schluffe einer langen Tagung in der
Hitze der zweiten Hälfte des Juni wird der Landtag sich
noch mit den beiden Anträgen — dem national-
liberalen und dem ultramontancn — auf Aende-
rung der Wahlkreiseintheilung zu befassen haben.
Daß dabei ein positives Resultat erzielt wird, ist nicht an-
zunchmen. Den nationalliberalen Antrag wird das Ccn-
trum mit seinen Verbündeten verwerfen und den Centrums-
antrag werden die Nationalliberale», die Erste Kammer
und die Regierung nicht annchmen. So wird vermuthlich
zunächst Alles beim Alten bleiben. Der Centrumsantrag
sieht 65 Wahlkreise mit 76 Abgeordneten vor. Wozu wohl
diese Vermehrung der gewählten Volksvertreter? Nun, der
Haupttheil des Mehr soll auf das flache Land entfallen
und da hofft das Centrum auf Stimmengewinn. Ein wirk-
liches Bedürfniß, die durchschnittliche Größe der Wahl-
bezirke herabzusetzen, liegt nicht vor. Im Gegentheil, heule
da das Land nach allen Richtungen von Bahnen durch-
zogen wird, kann sich der Abgeordnete, wenn er nur will,
mit einem viel größeren Wahlbezirk in Fühlung erhalten,
als früher, wo das Eisenbahnnetz nicht so ausgedehnt war.
Man sollte danach viel eher dazu kommen, die Zahl der
gewählten Vertreter herabzusetzen. Der nationalliberale
Entwurf bleibt bei der altgewöhnten Zahl 63, was ja
auch etwas für sich hat, und grenzt die Wahlbezirke so ab,
daß jeder annähernd 30 000 Einwohner hat, mit Aus-

ISVV.

nähme der Städte, wie Lörrach, Baden, Durlach u. s. w.,
die von jeher einen Abgeordneten für sich hatten, obgleich
sie an die Durchschnittszahl nicht heranreichen. Auch das
Centrum will diese Städteprivilegicn respektiren. Die
Debatten werden zeigen, ob in absehbarer Zeit eine Ver-
ständigung zwischen den Parteien unter sich und mit der
Regierung in Aussicht steht oder nicht. Gewaltsam läßt
sich in solchen Dingen nichts durchsetzen.
— Die Steuerreform wird nach einer der Straßb.
Post zugehendcn Mittheilung auf dem diesjährigen Landtag
nicht mehr zur Verabschiedung gelangen. Es bestehen doch
noch über die Behandlung des Schuldenabzuges sehr ver-
schiedene Ansichten, wenn auch die Anhänger einer Ver-
mögenssteuer auf Grund der Ertragswerthe ihre Bedenken
gegenüber dem Regicrungsentwurf, der sich auf die Ver-
kehrswerthe stützt, haben zurücktrctcn lassen. Unter diesen
Umständen war es bei der vorgerückten Zeit durchaus
praktisch, die Bestimmungen über die grundsätzlichen Seiten
einstweilen von der Berathung abzusetzen und nur jene Be-
stimmungen über die Veranlaguttg der Gebäude, Grund-
stücke, Capitalien, Gewerbe und Einkommen zur Vermögens-
steuer, sowie den Gesetzentwurf über das Veranlagungs-
Verfahren, der die in verschiedenen Gesetzen verstreuten Be-
stimmungen zusammenfaßt, zu berathen. Ueber diese Be-
stimmungen, sowie den letzteren Gesetzentwurf ist nun auch
eine Einigung der großherzoglichen Regierung mit der
Commission der Zweiten Kammer erzielt, und es ist das
Reformwerk, wenn es auch nicht, wie beabsichtigt, zum Ab-
schluß gelangen konnte, doch um einen beträchtlichen Schritt
vorwärts gebracht worden.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Oberleutnant Gaston Thierry LI» suits des Grenadier-
Regiments König Friedrich Wilhelm ll. (1. Schlesischen) Nr. 10,
kommandirt zur Dienstleistung zum Auswärtigen Amt, das
Ritterkreuz zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen,
dem Apotheker Karl Leopold Bader aus Karlsruhe-Mühlburg,
Vorstandsmitglied des deutschen Hilfsvereins in Genf, das
Ritterkreuz zweiter Klasse des Ordens vom Zahringer Löwen
verliehen, den Landtagsabgeordneten Hermann Klein in Wert-
Heim zum Präsidenten des Landwirthschaftsraths für die Dauer
der Jahre 1900—1903 ernannt und den Professor Leonhard
Ebcrt an der Realschule in Emmendingen in gleicher Eigen-
chaft an jene in Karlsruhe versetzt, dem Lehramtspcaktikanten
Eduard Fertig von Buchen unter Ernennung desselben zum
Professor eine etatmäßige Profcssorenstelle an der Realschule zu
Emmendingen übertragen.
Karlsruhe, 5. Juni. Der Großherzog empfing
vorgestern nach dem Gottesdienst den Hofprediger Fischer
und gestern Vormittag zur gleichen Zeit den Prälaten a. D.
Schmidt, sowie den Prälaten Dr. Helbing. Hierauf er»
theilte Seine Königliche Hoheit dem Geheimcrath Freiherrn
v. Marschall eine längere Audienz. Nachmittags wurde
der Oberststallmeister Freiherr von Holzing-Berstett von
Seiner Königlichen Hoheit empfangen. Heute Vormittag
nahm Seine Königliche Hoheit der Großherzog zunächst die
Vorträge des Generalleutnants und Generaladjutanten von
Müller, von 12 Uhr an des Ministers von Brauer und
hierauf bis 1 Uhr des Staatsministers Dr. Nokk entgegen.
Nachmittags hörte Seine Königliche Hoheit den Vortrag
des Geheimen Legationsraths Dr. Freiherrn von Babo und
ertheilte dann dem Königlich Schwedischen Kammerherrn
Baron E. E. von RLlamb eine Privataudienz. Die
Kronprinzessin von Schweden und Norwegen reist
heute Abend nach Franzensbad zum Gebrauch einer mehr-
wöchigen Badekur.
— In Verwendung der in das Budget für 1898/99 einge-
keilten Mittel wurden im Jahre 1899 künstliche Dünge-
mittel in 25 Domänenamtsbezirken des Großherzogthums auf
1073 da von in Selbstbewirthsckiaftuna stehenden ärari scheu

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Die Irre von Sankt Rochus.


Kriminalroman von Gustav Höcker.
(Fortsetzung.)


Doktor Gerth batte sich in auskömmlichen, aber immerhin
"appen Verhältnissen bewegt. Seine Mittel waren zur Voll-
"düng seiner Studien ausreichend gewesen; dann aber wurde
feste Anstellung zu einer Lebensfrage, und als diese durch
.'de Berufung nach Sankt Rochus ihre bescheidene Lösung
ftUnden. machte er sich mit dem Gedanken vertraut, daß alle
^lleizjgen Pläne hier wohl auf lange Zeit begraben sein
Men. Seinem Bruder würde er nie ein Opfer zugemuthet
der Tod desselben hatte außerhalb jeder Berechnung
siegen. Nun war das Unerwartete dennoch eingetreten, und
-e Erbschaft, welche sich Gerth in die Hand gespielt sah,
„ te ihm gestattet, seinen Lteblingstraum zu verwirklichen;
Reisen zu gehen und sich überall in der Welt umzu-
.^n, wo es Gelegenheit gab, sich in seiner Wissenschaft, der
> Wit ganzer Seele ergeben war, zu vervollkommnen. Der
siö dieses Traumes war vor Konstanze Herbronn verblaßt,
l^ch nichts wäre er mehr zu bewegen gewesen, Sankt
^kus zu verlassen. Es war ihm die Welt geworden, die
We. weite Welt. Der fortgesetzte Verkehr mit dem inngen
Stichen, der durch seine Amtspflichten begünstigt wurde,
/Mgte seine innere Ueberzeugung von ihrer Schuldlosia-
Mit jedem Tage mehr; ihr tragisches Geschick, der still
'dende Heroismus, mit dem sie es trug, und ihre reine
Unheil, die für ihn durch kein Borurtheil, durch keinen
s?tten getrübt wurde, übten einen Zauber auf ihn, dem
N nicht zu entziehen vermochte. ...
- ^>>e Ordnung seiner Erbschaftsongelegenheiten führte ihn
auf mehrere Tage nach der Provinzialhauptstadl. Er
^aum die nöthigsten Formalitäten erledigt, als er sich

auf

.Weg zu dem Rechtsanwalt machte, welcher Konftanzens
theldigung geführt halte.

Während er durch die Straßen ging, traf sein Auge
plötzlich aus den Namen derjenigen, welche seine Gedanken
eben lebhaft beschäftigte: „Konstanze Herbronn vor dem
Schwurgericht. Stenographischer Bericht über
den Mordprozeß Georgi", los er auf dem Titelblatte
einer Broschüre, welche am Fenster eines kleinen Buch-
hänülerladens zwischen Traum- und Komplimentirbüchcrn,
Blumensprachen, Briefstellern für Liebende. Koch- und
Jndianerbüchern ausgestellt war. Auch das Porträt der
Angeklagten befand sich auf dem Titelblatt, ein grober
Holzschnitt mit Punkten und Strichen am Unrechten
Orte, wodurch die Gestchtszüge bis zur Unkenntlichkeit ent-
stellt wurden.
Um den Prozeß in seinem vollen Zusammenhänge kennen
zu lernen und der ganzen Verhandlung Wort für Wort zu
folgen, kaufte Gerth die Broschüre, und da sich in der Nähe
des Buchhändlerladens eine Anlage mit schattigen Bäumen
und Bänken darunter befand, so ließ er sich dorr nieder und
versenkte sich in die düstere Lektüre, bis er diese zu Ende ge-
lesen hatte.
Er erhob sich mit der traurigen Ueberzeugung, daß Kon-
stanzes Äertheidiger ihm weder etwas neues^noch etwas
Tröstliches würde sagen können und zögernden Schrittes nur
setzte er seinen Weg fort. Immer langsamer wurde sein
Gang, immer nachdenklicher seine Miene. Von welcher Seite
er den Prozeß auch betrachten mochte, überall war ihm hier
die Welt mit Akten und Protokollen und mit beschworenen
Zeugenaussagen vernagelt. Um Bresche in diese zu legen,
hätte es eines Mediums bedurft, welches seine ganze Per-
sönlichkeit für diese Sache einsetzte, welches scharfen Spür-
sinn mit durchdringender Menschenkenntniß vereinigte und
mit den Waffen der List und Schlauheit Wege zu finden
wußte, die dem Codex mit seinen geschriebenen Paragraphen
verschlossen sind. . ^
Bei diesem Gedanken hielt er unwillkürlich seine Schritte
an. Wiederholt batte er in den Zeitungen von einem
Detektive, namens Allram, gelesen, welcher in der Ueber-

listung schwer erreichbarer Verbrecher wahre Meisterstücke
geleistet hatte. Wer das zuwege brachte, der wäre wohl auch
der Mann gewesen, den wahren Urheber eines Mordes zu
entdecken, welcher auf den Schultern eines jungen, zarten
Mädchens ruhete. Gerth änderte nun die Richtung seines
Weges und begab sich in ein größeres Restaurant, wo er
sich das Einwohner-Adreßbuch geben ließ und die Wohnung
des Detektivs bald ausfindig gemacht hatte-
Herr Titus Allram war in früheren Jahren geheimer
Kriminalkommissar gewesen. Man hatte den äußerst ge-
wandten Mann in den Dienst der Polin,chen Polizei stellen
und nach der Reichshauptstadt versetzen wollen. Aber
der Eifer, mit welchem er dem Staate diente, erstreckte sich
nur auf Verbrecher, die sich gegen Leben und Eigenthum
vergangen hatten; in politischen Dingen war er sehr liberal,
und daher batte er die ihm zugedachte Auszeichnung ab-
gelehnt und es vorgezogen. seine Entlassung aus dem
Staatsdienste zu nehmen und sich in der Provinzialhaupt-
stadt als Privatdetektiv zu etabliren. was bei seinem wohl-
begründeten Ruse jedenfalls einträglicher war. als eine Be-
amtenbesoldung.
_ (Fortsetzung folgt.)
Literarische«.
—Z Veröffentlichungen der Sammlungen für Alterthum s-
und Völkerkunde in Karlsruhe und des Karlsruher Alter-
thumsvereins, Heft 2. Verlag der G. Braun'schen Hofbuch-
druckerei. Keine Wissenschaft hat in den letzten zwanzig Jahren
einen solchen Aufschwung genommen, wie die Wissenschaft des
Spatens, die wissenschaftliche Ausgrabung und Erforschung
vorgeschichtlicher Anlagen aller Art. Sie hat unser Wissen von
der vorgeschichtlichen Zeit auf eine solide Grundlage gestellt und
bringt Jahr für Jahr neue Aufschlüsse und interessante Ent-
deckungen und Feststellungen. Auch in Baden ist der Spaten im
Dienst der Wissenschaft in lebhafter Thätigkeit. Zeugniß davon
legen obige Veröffentlichungen ab, von denen kürzlich das zweite
Heft erschienen ist. Sie bringen u. A. eine Untersuchung von
 
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