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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 127-149 (1. Juni 1900 - 30. Juni 1900)
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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 138. ErSrs Kl-tt.

Mittmlh, den 13. Zimi

IS«V.

Des Fronleichnamtages wegen erscheint die
nächste Nummer am Freitag._
Das Kaiserpaar in Eisleben.
Eisleben, 12. Juni. Der Kaiser und die Kai-
serin trafen mittels Sonderzuges kurz vor 11 Uhr hier
zur 700jährigen Jubelfeier der Mansfeldschen Kupfer
und Schiefer bauenden Gesellschaft ein. Nach dem
Empfang auf dem Bahnhof stieg der Kaiser, der
den blauen Waffcnrock der Gardes du Corps trug,
alsbald zu Pferde. Die Kaiserin fuhr in einem
vierspännigen Wagen. Hinter dem Kaiser ritten die Leib-
gendarmen mit der Standarte und einer Abtheilung
Kürassiere. Als das Kaiserpaar aus dem Bahnhof trat,
läuteten die Glocken und auf dem Markte ging an einem
Maste die Kaiserstandarte hoch. Brausende Hochrufe er-
schallten überall, wo die Majestäten sichtbar wurden. Auf
dem Markt begab sich die Kaiserin in den dort errichteten
Pavillon. Vor diesem standen die Bergleute in historischer
Tracht. Nach der Vorstellung der Werkleiter ritt der
Kaiser die Front der Bergleute ab. Alsdann erbrausten
zwei Verse des Lutherliedes „Ein' feste Burg" über den
allen Platz. Am Lutherdenkmal ergriff Geh. Rath Georgi
das Wort zu einer Ansprache, in der er Namens der Ge-
werkschaft den Majestäten für ihr Erscheinen dankte, die
Entwicklung und den Aufschwung des Mansselder Berg-
baues darlegte und der aus dem Mansfeldischen hervor-
gegangenen Männer wie Luther, Novalis und der Vor-
fahren Goethes gedachte. Er schloß mit dem Gelöbniß
unvergänglicher Treue und Dankbarkeit und bat den Kaiser,
den Ehrentrunk annehmen zu wollen aus dem Becher, den
König Gustav von Schweden einst Luther geschenkt und aus
dem Kurfürst Joachim II. getrunken habe. Graf Hohen-
thal brachte nun ein dreifaches Hoch auf den Kaiser und
die Kaiserin aus, das donnernden Widerhall fand. Nach
dem Berklingen der Nationalhymne hielt der Kaiser vom
Pferde herab mit weithin schallender Stimme eine An-
sprache etwa folgenden Inhalts:
Eine Fülle geschichtlicher Erinnerungen und viele Jahr-
hunderte treuer Arbeit knüpfen sich an die Stätte, an der wir
hier versammelt sind, die jedem Menschen das Herz ergreifen und
überwältigen. Ich wüßte keine bessere Devise, um die Arbeit
der Knappen, auszuharren in schweren prüfungsvollen
Zeiten, den Muth nicht zu verlieren bei Ueberwindung von
Schwierigkeiten und zugleich leuchtend hervorzuragen durch die
Eigenschaft der Treue, im ganzen zusammenzufassen, als die der
Grafen von Mansfeld: Dennoch! So möge sie auch fernerhin
die Entschlüsse und Sinnesrtchtung der Knappen der Mansselder
Gewerkschaft beherrschen. Es i>t dies auch eine Sorge, die ich
ütir zur Richtschnur nehme: je höher die Schwierigkeiten, desto
Wer das Ziel in'S Auge gefaßt. Derjenige, der uns ein groß-
artiges Beispiel ist, ist der Reformator, vor dem wir hier stehen,
^nd auch der, dessen Pokal wir hier in Händen haben. So
können auch wir auf unsere evangelische Sache dieselbe Devise
"«wenden und wollen sie hoch und heilig halten, solange einer
h«n uns lebt und Nachkommen hat, in dankbarer Ergebenheit,
der uns diesen Häuersohn gab, der uns die evangelische Wahrheit
drachte. Ich trinke auf das Wohl meiner Mansselder Gewerk-
schaft und die Stadt Eisleben, der ich meinen und der Kaiserin
Dank für den wunderschönen Empfang ausspreche. Dennoch!
Glückauf!
Während der Kaiser trank, erhob sich ein nicht enden-
chollender Jubel. Gegen 1 Uhr Nachmittags fuhren die
Dlajestäten zum Bahnhof und begaben sich nach Hom-
burg v. d. H.
Zum Äonitzer Morde.
Ueber die letzten Vorgänge in Könitz geht der National-
Kitung eine längere Schilderung zu, derzufolge sich Könitz
"vi Sonntag bis zum Eintreffen des Militärs im Zustande
bvllständiger Anarchie befand. Es hatte den Anschein,
"ls pH durch Radfahrer in organisirter Weise die Be-

Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.
k«) (Fortsetzung.)
r »Hübsche Gemälde haben Sie da," bemerkte Allram. Er
Astte sich vom Sopha erhoben und betrachtete die Bilder,
Mche das Zimmer schmückten. „Dieser Oelfarbendruck
V doch eine herrliche Erfindung; wirklich wie aus der
des Malers hervorgegangen. Man braucht jetzt
^>N reicher Mann mehr zu sein, um sich so etwas zu ver»
Mnen. Wo verzehrt denn Frau Bruscher ihr schönes Ver-
logen ?"
- Während er von einem der sehr zweifelhaften Kunstwerke
M anderen ging und Therese ihm geschmeichelt folgte, warf
^ diese Frage wie von ohngefähr dazwischen,
f,. »Sie wohnt in Berlin," antwortete Therese, „meistens ist
h,. aber aus Reisen: wenn ich so viel Geld hätte, würde ich
hE auch die Welt ansehen. Ich muß Ihnen doch das schöne
j^zeitsgeschenk zeigen, was sie mir gemacht hat," fiel der
h,Äen Frau rasch ein. Während sie einen kleinen Schlüssel
W dem Körbchen holte und damit einen Glasschrank öffnete,
hlien Inhalt sich hinter einem rothen Schiebevorhange Ver-
ses. erzählte sie noch, daß Frau Bruscher ihr zuweilen
ii-,Äe und sich nach ihrem Ergeben erkundige, und daß
s^/Dherese) ihr auf den letzten Brief noch die Antwort
baldig sei.
tz. Das Hochzeitsgeschenk, welches sich in dem nun geöffneten
d°Mchranke den Blicken präsentirte, gehörte zu jenen, bei
lh^n es dem Geber nicht um die praktische Nützlichkeit zu
Skb? sondern nur darum, mit seiner Noblesse und Frei-
i>»-'8keit zu protzen. Es füllte denn auch den ganzen Schrank
bl,-,' denn es bestand aus einem seinen Tafelservice für vier-
öwanzig Personen.

wohner der umliegenden Orte angcfeuert worden seien,
nach Könitz in Massen zu kommen. Der Landrath und
der Bürgermeister sollen sich die erdenklichste Mühe ge-
geben haben, die Leute zu beruhigen, keiner aber hatte
einen bleibenden Erfolg. Der Bürgermeister mußte schließlich
flüchten. Ueber Könitz ist jetzt das „Standrecht" verhängt.
Gemeint ist damit die Verhängung des Belagerungs-
zustandes, die auf Grund des Gesetzes vom 4. Juni
1851 vom preußischen Staatsministerium, vorbehaltlich der
sofortigen Bestätigung oder Beseitigung durch dasselbe
aber auch von dem örtlichen Militärbefehlshaber verkündet
werden kann; dem Landtage ist darüber sofort Rechenschaft
zu geben. Mit der Verhängung des Belagerungszustandes
geht die vollziehende Gewalt auf dev Militärbefehlshaber
über, und es können die Verfassungsartikel über die Ge-
währleistung der persönlichen Freiheit, der Preßfreiheit,
das Versammlungsrecht u. s. w. suspendirt werden. Wenn
die Behörden in Könitz und anderen westpreußischen Orten
mit der antisemitischen Hetzerei nicht anders fertig werden
können, so muß eben zu dem Ausnahmezustände gegriffen
werden. Keinesfalls darf in Preußen die Staatsgewalt
sich ohnmächtig gegenüber Ausschreitungen erweisen, wie
man sie vor drei Jahrzehnten wohl durch Schilderungen
aus Halb- und Ganz-Asien kannte, in Preußen aber für
schlechthin unmöglich würde gehalten haben.
Wie die nüchterne spießbürgerliche Bevölkerung jenes
westpreußischen Städtchens und seiner Umgebung in dieser
Weise von einem Wahn gepackt werden konnte, ist ein
psychologisches Räthsel, aber man hat schon häufig die
Erfahrung gemacht, daß es geistige Infektionen und
geistige Epidemien giebt, die ganze Bevölkerungskreise er-
greifen und auch Leute erfassen, die man für gefeit gegen
jede derartige Beeinflussung angesehen hätte. Wenn man
jeden Konitzer auf acht Tage in die Luftkur schicken könnte,
dann würde die Epidemie sicher schnell erlöschen. Das
geht leider nicht, und so muß zur gewaltsamen Unter-
drückung geschritten werden, wobei cs ohne Blutvergießen
nicht abzugehen pflegt. — Am 12. ds. herrschte in Könitz
Ruhe, nachdem fünf Verhaftungen vorgenommen waren.

Italienische Landarbeiter.
Um dem Mangel an landwirthschaftlichen Arbeitern in
Ostpreußen abzuhelfen, haben Großgrundbesitzer den Ver-
such gemacht, Ersatz aus Italien heranzuziehen. Eine un-
erwartete Schwierigkeit ist ihnen nunmehr durch die
italienische Regierung erwachsen, die eine offiziöse Bekannt-
machung erläßt, in der sie die Landarbeiter warnt, nach
Ostpreußen zu gehen. Die Gleichgiltigkeit und Habsucht
der Grundbesitzer bereite den Taglöhnern eine so elende
Lage, daß die Lohn-, Nahrungs- und Wohnungsverhält-
nisse selbst in Italien besser seien. Selbst Blätter, die
frei sind vom Verdachte, den Interessen der Agrarier zu
dienen, finden das Urtheil in seiner Schärfe ungerecht-
fertigt. Einzelfälle dürften nicht verallgemeinert werden
und seien die Verhältnisse auch nicht ideale, so seien sie
doch immer noch besser, als die, unter denen die Arbeiter
in Italien selbst litten.
Im Reichstag ist diese Angelegenheit zur Sprache ge-
kommen. Staatssekretär v. Bülow bemerkte, es seien so-
fort Schritte gethan worden, um die italienische Regierung
auf das Jrrthümliche ihrer Annahme in Bezug auf die
Löhne im östlichen Preußen aufmerksam zu machen.

Deutsches Reich.
* Der Reichstag hat gestern noch eine ganze Reihe
von Vorlagen erledigt, hat am Ende der Sitzung die
„Sieh einmal anl Das laß' ich mir gefallen!" rief
Allram aus, „aber die Kosten für eine solche Festtafel möchte
ich nicht tragen müssen."
Beide lachten herzlich.
„Eine solche Gasterei wird das schöne Service bei uns
auch nicht erleben," seufzte Therese, mit einem wehmüthigen
Blick auf ihren Porzellanschatz, „du lieber Himmel!"
„Nun, warum denn nicht? Der Anfang dazu ist gemacht;
Ihr Mann hat ein schönes Geschäft und wird's gewiß vor-
wärts bringen."
„O ja, das Geschäft geht gut, Gott sei Dank. Es macht
aber auch viele Sorgen. Die Arbeitslöhne, die Auslagen
fürs Material verschlingen viel Geld. Wir haben mit einem
sehr kleinen Kapital anfangen müssen. Die Ersparnisse meines
Mannes hätten dazu nicht ausgereicht. Da gewann ich tausend
Mark in der Lotterie."
„Ei, Sie Glückskind I" rief Allram. „Na, und da wurde
also geheirathet."
„Ach!" seufzte Therese, „daran dachte ich eigentlich nicht
gleich, sondern ich hätte mit dem Gelde lieber das kleine
Landgrundstück meiner Eltern von der gerichtlichen Ver-
steigerung gerettet. Die fand aber an demselben Tage statt,
wo ich vom Lotteriekollekteur die Anzeige von dem Gewinne
erhielt, und da war's bereits zu spät."
„Das war aber wirklich Pech nach so einem Glücksfalle!"
»Und denken Sie nur, Herr Allram, daran war ein
einziger dummer Zufall schuld; den Brief vom hiesigen
Kollekteur hätte ich eigentlich schon am Tage vorher erhallen
müssen, nämlich gerade an dem Tage, wo der arme Herr
Professor ermordet wurde; denn das Dalum des Briefes und
des Poststempels waren vom vorhergehenden Tage. Sehen
Sie, ich habe die Glücksbotschaft als heiliges Andenken auf-
bewahrt."
Therese brachte ein kleines Muschelkästchen herbei, welches
inwendig mit blauer Seide gefüttert war, und nahm den
Brief heraus, einen zärtlichen Blick darauf werfend.

Flottenvorlage in dritter Lesung angenommen und ist dann
geschlossen worden. Es war ein sehr langer Reichs-
tag, da er im vorigen Sommer nicht geschlossen, sondern
nur vertagt wurde, sodaß sich die Session von Herbst 1898
bis Sommer 1900 erstreckt hat. In dieser Zeit ist das
Centrum Militär- und marinefromm geworden; unter sei-
ner Mitwirkung sind Heer und Flotte verstärkt worden.
Das ist eine bedeutsame Wandlung gegenüber früheren
Zeiten. Das Ergebniß des zweiten Abschnittes der Ses-
sion ist im Ganzen ein befriedigendes. Außer der Flotten-
verstärkung sei an die Abänderung d es Reichsstrafgesetz-
buches nach Beseitigung der bösen Paragraphen der lox
Heinze, an das Fleischbeschaugesetz und die Reform der
Unfallversicherung — um nur die Hauptsachen zu nennen —
erinnert. Die Session hat sich recht ergiebig gezeigt.
Deutscher Reichstag. Berlin, 12. Juni. Erste Be-
rathung betreffend Aenderungen der Rechtsverhältnisse in
den Schutzgebieten.
Unterstaatssekretär v. Richthof en empfiehlt die Vorlage.
Abg. Schräder (fr. Vg.) äußert einige Bedenken, erklärt
sich aber angesichts der Geschäftslage damit einverstanden, daß
schon heute die zweite Lesung stattfinde.
In der zweiten Lesung werden im 8 2 d und H 4 auf Antrag
des Abgeordneten Beck-Heidelberg einige redaktionelle Aende-
rungen beschlossen.
Abg. Gröber (Centr.) beantragt einen neuen § 10 b, der
den im deutschen Reich anerkannten religiösen Gemeinschaften in
den Schutzgebieten gewisse Freiheiten gewährleistet.
Der Antrag wird nach Befürwortung durch den Abg. Graf
Bernstorff (kons.) angenommen; die Vorlage wird im übrigen
unverändert angenommen.
Abg. Beck-Heidelberg schlägt vor, die dritte Lesung gleich
vorzunehmen.
Präsident Graf Ballestrem macht auf das Geschäfts-
ordnungswidrige aufmerksam; da aber kein Widerspruch erfolgt,
findet auch heute die dritte Lesung statt.
Der Gesetzentwurf betreffend die Handelsbeziehungen
zum britischen Reiche wird in dritter Lesung debattelos
angenommen.
Es folgt die dritte Berathung des Gesetzentwurfs über g e-
mcingefährliche Krankheiten.
Das Gesetz wird unverändert nach den Beschlüssen der zwei-
ten Lesung angenommen.
Es folgt die dritte Berathung des Entwurfs betreffend das
R e i chs st e mp e l ge setz.
Eine Generaldiskussion findet nicht statt. Die Gesammt-
abstimmung über das Gesetz ist eine namentliche. Das Gesetz
wird mit 208 gegen 87 Stimmen angenommen. Dagegen stim-
men die Sozialdemokraten, die Freisinnigen und Polen.
Der Gesetzentwurf betr. die Rechtsverhältnisse tu den Schutz-
gebieten wird in dritter Lesung debattelos angenommen.
Es folgt die dritte Berathung betr. Abänderungen
des Zolltarifgesetzes. Der Entwurf wird ohne General-und
Specialdiskusston nach den Beschlüsse» der zweiten Lesung ange-
nommen.
Es folgt die dritte Berathung der F l o t t e n n o v e ll e.
In der Gencraldiskussion bemerkt Abg. Frhr. v. Stumm
gegenüber einer früheren Aeußerung des Abg. Bebel (Soc.), er
habe nicht zugegeben, daß beim Verkauf von Panzerplatten die
Hälfte der Kaufsumme Reingewinn sei. Eine Berechnung über
den Reingewinn habe er überhaupt nicht aufgestellt, da dabei
viele Faktoren mitgerechnet weiden, die man nicht übersehen
könne.
Abg. Dr. O ertel - Sachsen (Eons.): Man meinte, die
Agrarier würden nur deshalb für die Flotte stimmen, weil mit
der Erklärung des Bundesraths, für die Interessen der Land-
wirthschaft energisch einlreten zu wollen, durch die Deckungsfrage
eine gewisse Gegenleistung geboten sei. Fast alle seine politischen
Freunde wären schon entschlossen gewesen, für die Flotte einzu-
treten, ehe jene Erklärungen erfolgten und die Deckungsfragc zur
Thatsache wurde.
Abg. Liebknecht (Soc.): Die Deutschen rühmen sich, ein
Volk der Treue zu sein, aber elenden Wortbruch hat uns diese
Flotte gebracht. (Lärm rechts.) Die Furcht vor England ist
ganz unbegründet. England hat allerdings eine große Flotte,
aber kein gleichwerthiges Landheer. Die sich widersprechenden
Telegramme des Kaisers schädigen das Ansehen des deutschen
Volkes.
Präsident Graf Ballestrem unterbricht den Redner und

„Ja, ja," nickte Allram, nur um nicht theilnahmslos zu
erscheinen, da die Gewinnerin der tausend Mark allen Neben-
umständen, welche mit ihrem Glücksfall verbunden waren»
Gewicht beilegte, „ja ja, der Brief ist vom 16. Februar, und
abgestempelt ist er am gleichen Tage Abends zwischen sechs und
sieben Uhr, und zwar ist es der Stempel der Stadtbrief-
besörderungsanstalt „Merkur" I Und Sie haben den Brief erst
am achtzehnten bekommen?"
„Ja, erst am achtzehnten. War das nicht ein re cht heim-
tückischer Zufall?"
„Der Merkur ist sonst sehr pünktlich," bemerkte Allram.
„Auch der Briefträger, ein hübscher, flinker Bursche,
war immer pünktlich wie die Sonne, wenn er etwas abzu»
geben hatte." ,
„Der Brief hätte also am 17. Februar mit dem ersten
Austrag abaeliefert werden sollen. Wann kam denn der Brief-
träger gewöhnlich ?"
„Früh zwischen acht und neun Uhr.
„Und diesmal bat er den Brief nicht abgeliefert, sondern
ihn einen ganzen Tag in der Tasche mit sich herumgetraaen,"
sagte der Detektiv, den die Sache plötzlich zu interessiren
begann. „An dem Morgen, gerade um die Zeit, wo er
den Brief hätte abgeben sollen, ist der Professor ermordet
worden. Hm!"
Er zog die Broschüre aus seiner Tasche, die er seither
immer bei sich trug, blätterte darin und legte sie vor sich auf

den Lisch.
„Hier ist die Gerichtsverhandlung gegen Konstanze
Herbronn. Da ist alles Wort für Wort genau niederge-
schrieben."
„Das Buch haben wir ja auch!" rief Therese, „und außer-
dem noch ein ganzes Paket Zeitungen. Mein Mann hat
alles gesammelt, was über die Gerichtsverhandlung gedruckt
worden ist. Ich komme ja selbst darin vor!"
(Fortsetzung folgt.)
 
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