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Für hiesige Geschäfts- und
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der Inserate auf den Plakat-
taseln der Heidslb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
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Mittwoch, de« 7. Febroor
tlttt«.
England und Frankreich.
Der Pariser Berichterstatter der Times schreibt, der
britische Botschafter Monson habe keineswegs irgend
welche Schritte gethan, um zu verhindern, daß Lvandre,
der Zeichner des Blattes Le Rire, den Orden der Ehren-
legion erhalte, oder um nachträglich gegen die Auszeich-
nung Einspruch zu erheben. Monson habe sich jedoch nicht
enthalten können, in Privatgesprächen die Thatsache fest-
Zustellen, daß die öffentliche Meinung in England, die bis-
her die gegen die greise Königin gerichteten
Angriffe als sehr rohe aber persönliche Kundgebungen
ungesehen habe, aus's schmerzlichste dadurch berührt würde,
bs>ß der Zeichner des Blattes Le Rire sich amtlicher Zu-
stimmung erfreuen könne. Monson müßte natürlich er-
fahren haben, wie tief derartige Angriffe die nächste Um-
gebung der Königin verletzt hätten. Die Königin, die in
Frankreich so oft Gastfreundschaft gefunden, habe geglaubt,
6<h auch der Sympathie der Franzosen erfreuen zu können.
Es ffj daher begreiflich, wie schmerzlich es für sic sein
küßte, zu erfahren, daß die öffentliche Meinung annehmen
könnte, die gegen die Königin gerichteten Angriffe würden
amtlich gebilligt. Es sei daher auch natürlich, daß sich
Aionson gefragt habe, wie sich der lebhafte Wunsch der
französischen Regierung und des Volkes, den Prinzen von
Wales bei dem Feste der Ausstellung zu sehen, damit ver-
einigen lasse, daß selbst der Königin Beleidigungen und
Ausdrücke des Hasses und der Verachtung, mit denen das
englische Volk überhäuft werde, nicht erspart blieben. Des-
halb habe Monson, der überdies gezwungen war, sich nach
dem Süden zu begeben, nachdem er vorher das Auswärtige
Amt in London davon in Kenntniß gesetzt und dieses ihm
nicht abgerathen hatte, aus eigenem Antriebe beschlossen,
Nch nach Süden, und zwar über die französische
Grenze hinaus, zu begeben. Monson halte nämlich
öafür, daß unter den jetzigen Umständen seine Anwesenheit
k Paris mehr dazu beitragen könne, die Sachlage zu ver-
nickeln, als zu bessern. Doch handle es sich bei allen
"iesen Vorgängen weder um seine Abberufung noch um
feine Versetzung, sondern lediglich um eine Art Vorsicht,
öle die britische Regierung nicht mißbillige.
Es ist ohne Zweifel eine Thatsache von politischer
'Oedeutung, daß der englische Botschafter in Paris aus
ölplomatischen Gründen seinen Posten mit Billigung seiner
Regierung zeitweilig verläßt. Es sieht das ganz nach
^Ner an Frankreich gerichteten Warnung Englands aus.
Wie bekannt, ist in Frankreich lebhafte Stimmung dafür,
öoß die französische Regierung versuchen solle, das in
Aegypten s. Zt. verlorene Terrain wieder zu gewinnen.
Wo immer sich eine Gelegenheit bieten wird, in die ägyp-
e,siche Angelegenheit einzugreifen, da wird Frankreich es
sicher ihun. Wenn englische Minister im Londoner Par-
oment von der ernsten Lage sprechen, so ist dabei nicht
an das russische Vorgehen in China und in Persien,
wndern es ist auch an Frankreichs brennenden Wunsch
^ch Rache für Faschoda zu denken. Daß Frankreich einen
Aerhöhner der britischen Königin dekorirt, und der englische
^°ffchafter in Paris seinen Posten verläßt, sind Anzeichen,
darauf schließen lassen, daß schon eine starke Spannung
Nicht übel ist es, daß das Pariser Blatt Matin die
r'sigabe, die ägyptische Angelegenheit wieder in Fluß zu
, lNgen, auf Deutschland abwälzen möchte. „Aegypten",
^ schreibt das Blatt, „ist fast vollständig geräumt, und
. fragt sich daher, ob nicht endlich der Augenblick ge-
. Kaien ist, den Vertrag anzuwenden, der die Neutralität
Suczcanals gewährleistet. Anderseits ist die Ordnung
»^cav»t-n bei weitem nicht gesichert. Wenn auch Frank-
Fürst Margoni.
Roman von Moritz Lilie.
(Fortsetzung.)
ti^«Immerhin ist es gut, daß das Vermögen des Mädchens
djx A unseren Händen befindet, und daß im Testamente uns
djz iFkugniß zugeiprocken wurde, es >n unserem Geschäfte
erlangten Volljährigkeit der Eigenthümerin zu ver-
ken,n>>' bemerkte Arnold. „Aus diese Weise ist es Valerien
lag- kwns gesichert, während bei weniger zuverlässiger An-
t>aß »Kapitals die Möglichkeit nicht ausgeschlossen wäre,
^ras-» Vermögen unter den i geldbedürftigen Händen des
. "Ah und nach in Nichts zerstöbe."
hin. ^7 Bruder des Bankiers schaute nachdenklich vor sich
He^k sich doch die Zeiten ändern I" sagte er wie im
buckle. „Als der junge Graf Hellwarth als
?sibsekreiär um unsere Schwester Hermine warb, da
Nä„de grgfliche Familie über diese Mesalliance die
sitzie , "kr den Köpfen zusammen, aber der junge Mann
?Urch ."si.oos Einspruches seiner Familie seinen Willen
Eßte di» henmtbeie Hermine, und ihre bedeutende Mitgift
Leute in den Stand, sich das Lebe» recht
„2 r." ?ochen. Die Angehörigen des LegationSsekre-
- Ug - riden rrollend von fern und mieden den Um-
?Uf die „suusen Paares, obwohl jene neidisch und verlangend
§Ache Vermögenslage geblickt haben mögen, in
^Kwesi" i"nge Graf durch die Heirath mit unserer
"Ur von »klangt war. Leider war das Glück des Paares
«sh Dauer; Hellwarth wurde als LegationSrath
n 'Mg si°bon versetzl und fiel dort dem ungewohnten
nl'Uen Opfer, seine Gattin aber kebrle mir ihrer
den ^ Heimaih zurück; aber der Gram
d> > c> .llelieblen Heimgegangenen raffle auch sie nach
>e „^„..hren dahin, ohne daß eine Annäherung an
Familie ersolgt wäre. Und heute? Der
«Mich,.
reich seiner Zeit auf ein Kondominium über Aegypten ver-
zichtet hat, so hat cs doch keineswegs seiner Rechte sich be-
geben. Frankreich ist der Ansicht, daß die ägyptische Frage
eine internationale Frage geworden sei. Seit 1881 haben
sich in den Ländern, zu denen der Suezcanal die Zugangs-
straße bildet, auch andere Interessen entwickelt, als nur
französische. So hat z. B. Deutschland in Ostafrika und
im äußersten Osten Besitzungen erworben. Wenn also
die ägyptische Frage aufgerollt wird, so hat auch Deutsch-
land einen Sitz in dem Concert der interessirten Mächte.
Deutschland wird ebenso gut oder noch viel mehr als
andere Mächte Nutzen aus der Neutralität des Canals
ziehen. Das Berliner Cabinet weiß sehr wohl, welches
die Gefühle Frankreichs und Rußlands sind, es braucht
nicht zu befürchten, daß, wenn es die Initiative er-
griffe, ihm die Begleitung fehlen und es die undankbare
Rolle des vereinsamten Cavaliers spielen würde. Der
Gegengrund, der aus der Unzulänglichkeit der deutschen
Kriegsmarine hergeleitet wird, ist nicht stichhaltig, weil die
Flotten der vereinigten Festlandsmächte stark genug sind,
um der Neutralität einer Seestraße, die der Handelsschiff-
fahrt aller Mächte nützen soll, Achtung zu verschaffen.
Nun, Deutschland wird gewiß sehr gern Frankreich in dieser
Sache den Vortritt überlassen. Es wird überhaupt für
eine Unternehmung gegen England nicht zu haben sein.
Im Figaro berührt Valfrey die Möglichkeit einer Ver-
schärfung der Lage in Aegypten und meint, es brauche
bei der Fortsetzung des Kampfes in Südafrika morgen in
Aegypten nur ein Zwischenfall zu entstehen, so werde man
sehen, was von der englischen Macht, die sich gegen jeden
Zwischenfall geschützt glaube, dort übrig bleibe. (Die
Hoffnung auf einen Zwischenfall ist allerdings nicht viel
mehr werth als die Hoffnung auf einen Lotteriegewinn.)
Deutsches Reich
— Am Montag Abend fand in Berlin eine von der
freisinnigen Vereinigung einberufene öffentliche
Versammlung im großen Saale des Handwerkervereins
statt, in der eine Resolution zu Gunsten der
Flottenvermehrung angenommen wurde. Der Vor-
gang ist nach zwei Seiten hin interessant, einmal weil die
freisinnige Vereinigung durch ihn einen Vorstoß gegen die
Flottenverweigerer in Berlin selbst, der angeblichen
Domäne der deutschen Volkspartei und der Flottenfeinde,
übernimmt, sodann aber, weil sich hier zeigte, daß unter
einer fast rein freisinnigen Zuhörerschaft sich eine er-
drückende Mehrheit für die Flotten Vorlage
fand, und wohlgemerkt, nicht nur Mitglieder der frei-
sinnigen Vereinigung, sondern auch solche der
freisinnigen Volkspartei griffen in die Er-
örterung ein und verlangten, daß die Partei dem Willen
der Wähler Rechnung trage und den verneinenden Stand-
punkt gegenüber der Flottenvorlage aufgebe.
Deutscher Reichstag. Berlin 6. Februar. Fort-
setzung der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs betreffend
Abänderung und Ergänzung des Strafgesetzbuchs
(lex Heinze) bei § 182 a, wodurch in der Kommissions-
fassung Arbeitgeber und Dienstherren wegen M'ßbrauchs
ihrer Stellungen durch Drohungen oder Versprechungen
gegenüber weiblichen Dienstpersonen, um diese zu unzüch-
tigen Handlungen zu bestimmen, mit Gefängniß, bei mil-
dernden Umständen mit Geldstrafe bedroht werden.
Abg. v. Treuenfels (kons.) bittet namens der Konser-
vativen um Annahme des Paragraphen.
Abg. Beckh (freis. Volksp.) beantragt, den Passus bezüglich
Versprechung von Beschäftigung, Lohnerhöhung oder anderen aus
dem ArdeitSergebniß sich ergebenden Vortheilen zu streichen. Es
soll damit Angebereien vorgebeugt werden; dagegen müsse die
Bestimmung, daß Verfolgung nur auf Antrag eintrete, unbedingt
beibehalten bleiben.
Abg. Heine (Soz.) befürwortet den Antrag der Sozial-
demokraten, die Worte „oder verleitet" einzuschalten, ferner die
Verfolgung auf Antrag zu streichen und hinzuzufügen, daß die
Strafverfolgung aus diesem Delikt in einem Jahre verjährt.
Die Sozialdemokratie wolle diese Bestimmung, obwohl sie im all-
gemeinen derartige Maßregeln nicht billige, um die angemaßte
Autorität der Arbeitgeber zu brechen. Die Gefahr der Angebereien
oder Erpressungen sei nicht so groß wie bei den Majestätsbelei-
digungen. Seine Partei würde dabei von der Rücksicht auf die
persönliche Freiheit geleitet.
Staatssekretär Dr. Nieberding: Die Anträge weisen auf
erhebliche Schwächen der Kommissionsvorlagen hin. Der Antrag
Beckh enthalte einen richtigen Gedanken. Die Gefahr von Er-
pressungen bei Beibehaltung der Verfolgung auf Antrag sei vor-
handen. Eine Verkürzung der Verjährungsfrist sei mit Rücksicht
auf die übrige Gesetzgebung unmöglich und diesen Erwägungen
ständen wieder andere Bedenken entgegen. Wi e man den Para-
graphen immer fassen möge, er sei für die Regierung unannehm-
bar. Man solle doch suchen, auf dem Boden der praktischen
Politik sich zu verständigen. Er appellire an die politische Ein-
sicht des Hauses. Es sei vielleicht doch am besten, das Erreich-
bare festzulegen. Die Ansicht der Regierung in diesem Punkte
stehe auf unabsehbare Zeit hinaus und aus prinzipiellen Gründen
fest. Opportunitätsgründe seien für sie nicht maßgebend. Ueb-
rigens müsse man bedenken, daß weibliche Angestellte, wenn sie
nur moralischen Muth haben, im allgemeinen wohl in der Lage
sind, sich der Verführung zu entziehen. Mißstände lägen hier
unleugbar vor, aber die vorgeschlagcnen Maßregeln seien aus-
sichtslos und ungerecht.
Abg. Roeren (Centr.): Nach den eben gehörten Erklärungen
sei es eigentlich zwecklos, über den Paragraphen weiter zu ver-
handeln.
Abg. Esche (nat.-lib.): Einem Theile seiner Partei erscheine
der Paragraph bedenklich. Er hoffe, daß die Regierung in dritter
Lesung den Beschlüssen des Reichstags beitrete.
Abg. Stöcker (wild-kons.): Die Bestimmung soll eine der
stärksten und giftigsten Quellen der Prostitution verstopfen. Sie
sei ein Glied des nothwendigsten Arbetterschutzes. Dieses schlimme
Verbrechen straflos zu lassen, könne der Reichstag nicht über-
nehmen.
Abg. Stockmann (Rp.): Seine Fraktion sei getheilter
Ansicht, doch würde sie, um das Zustandekommen der Vorlage
nicht zu gefährden, gegen den Paragraphen stimmen.
Abg. B e b e l (Soz.): Der Paragraph sei für seine Partei
der wichtigste der ganzen Vorlage. Die Regierung scheine da-
gegen zu sein, weil sie fürchte, die betreffenden Fälle würden zu
zahlreich werden. Die Arbeiterinnen seien bei Arbeitgebern viel
weniger frei als die Arbeitgeber.
Abg. v. L e v e tz o w (kons.) wird mit einer Anzahl seiner
Freunde gegen den Antrag stimmen.
Hierauf werden der Antrag Beckh, darauf die Anträge der
Sozialdemokraten abgelehnt und der Paragraph in der
Kommissionsfassung mit knapper Mehrheit an-
genommen.
8 184 behandelt das Feilhalten unzüchtiger Schriften und
Abbildungen.
Abg. Müller- Meiningen (fr. Vp.) befürwortet einen An-
trag Beckh, die Worte „vorräthig hält" zu streichen.
Ein Regierungskommissar spricht sich für Bei-
behaltung der Worte aus.
Abg. Roeren (Centr.) schließt sich dem an.
Abg. Dr. Hoeffel (Rp.): Der ehrliche Buchhändler werde
sich mit einem solchen Geschäft nicht befassen.
Abg. Heine (Soz.): Wenn die Sozialdemokraten der
Kommissionsfassung zustimmten, so wollten sie damit nicht den
Mißbrauch gutheißen, der jetzt mit 8 184 zum Schaden ernster
Kunst und Literatur getrieben werde.
Zu Absatz 2, wonach Unterlassen und Anbieten derartiger
Schriften an Personen unter 18 Jahren strafbar sei, vertritt
Abg. Müller-Meiningen (fr. Vp.) einen Antrag Beckh,
hier 16 Jahre statt 18 Jahre zu setzen. Dem Buchhändler sei
cs ganz unmöglich, über diese Altersgrenze zu entscheiden.
UebrigenS gebe es auch Leutnants unter 18 Jahren.
Staatssekretär Dr. Nieberding: Die Regierung müsse
Werth darauf legen, die Regierungsfassung wieder herzustellen.
Abg. Roeren (Centr.) tritt warm für die KommtssionS-
assung ein.
Nach einer Erwiderung des Staatssekretärs und erneuten
Ausführungen des Abg. Roeren wird der Paragraph unter
Ablehnung aller Anträge in der Kommissionsfassung an-
genommen.
Morgen 1 Uhr: Fortsetzung der heutigen Erörterung.
Herr Großpapa bettelt fast um die Ehre, das Kind
der Bürgerlichen in sein Haus aufnehmen zu dürfen
und gelobt schriftlich und mündlich, es zu halten wie sein
eigenes."
„Biete ihm die Zinsen von dem Vermögen unserer Nichte
an. und er wird sicher nach dieser selbst nicht weiter fragen!"
meinte Arnold mit sarkastischem Lächeln. „Es wäre mir
lieber, Valerie käme nicht in die Familie des Grafen, wo
sie sicherlich ihre unbefangene Natürlichkeit sehr bald verlieren
und zur Zierpuppe werden wird."
„Lassen mir das Mädchen selbst entscheiden I" rief Sebald,
wie von einem plötzlichen guten Gedanken ersaßt; „behagt
es ihr nicht in den neuen Verhältnissen, io darf sie uns
wenigstens keine Vorwürfe machen, lehnt sie aber das An-
erbieten des Grafen ab, dann sind wir diesem gegenüber in
keiner Weise verpflichtet."
„Du hast recht, die Kleine mag den Ausschlag geben,"
versetzte der Bruder des Kranken, indem er aufstand und
auf den Knopf der elektrischen Klingel drückte, der neben der
Thür angebracht war.
„Ich lasse Komtesse Hellwarth rufen!" befahl der Haus'
rr dem eintretenden Lakaien, der sich mit einer Verbeugung
räuschlos wieder entfernte.
Bald darauf erschien Valerie, bereits in vollständiger
Klette.
„Ihr seht beide so feierlich aus, daß cs mir ordentlich
nge wird!" lachte sie. sich dem alten Herrn gegenüber
zend; „namentlich Du. Onkel Arnold, trägst deute eine
ffallend ernste Miene zur Schau."
„Die Angelegenheit, welche wir mit Dir besprechen
ichten, ist ernster, als Du glaubst," erwiderte jener: „denn
handelt sich um nichts mehr und nichts weniger, als um
sine Zukunft."
„Um meine Zukunft?" fragte Valerie, mit ungekünsteltem
fftaunen die Hände zusammenschlagend. „Aber was gibt
denn da zu berathen? Sollen denn Veränderungen mit
r Nornekt-n? Wollt Jbr die bisberiaeil Verhältnisse, in
denen ich glücklich und zufrieden bin, ausheben, mich in
neue, ungewohnte Bahnen führen?"
„Dein Großvater hat schon längst die Absicht ausge-
sprochen, Dich in sein Haus auszunehmen," erzählte Sebald,
„und wir muffen nunmehr einen Entschluß fassen. Du sollst
zu ihm nach der Residenz übersiedelu-"
„Ich soll Dich verlassen — nimmermehrl" rief das junge
Mädchen aufspringend und mit ihren weichen Armen den
Hals des Oheims umschlingend, während ihren Augen
Thränen entstürzten.
„Höre mich an, Valerie, überlege und entscheide dann
selbst," beruhigte Sebald. „Du sollst ganz und gar Deinen
freien Willen haben, niemand wird Dich zwingen, etwas
zu thun, was Dir widerstrebt. In der Familie des Grasen
wirst Du manches finden, was Du hier entbehren mußt,
und schon die Hauptstadt als solche bietet Dir mehr, als
unser Handels- und Geschäftsplatz zu gewähren vermag. Vor
ollem aber wirst Du durch Deine Verwandten Gelegenheit
finden, in die große Welt eingesührt zu werden, Gesell-
schaften und Bälle besuchen zu können und sogar am Hofe
Zutritt zu erhalten. Du findest in der Tochter Deines Groß-
vaters ein junges Mädchen, das nur wenige Jahre älter ist
als Du, die Dir vielleicht Freundin und Gefährtin sein und
Dir die im Umgänge mit höheren Personen nöihigen Formen
beibringen wird; in dem geräuschvollen Leben der großen
Stadt wirst Du Vergnügungen und Zerstreuungen kennen
lernen, die Dir bis jetzi unbekannt geblieben sind, und in
dem Glanz und Luxus der Residenz findest Du Vielleicht auch
Unterhaltung und Befriedigung. Freilich wirst Du dort --
um auch die Schattenseiten nicht unberührt zu lassen — auf
das Behagliche, Ungenirte und Einfache, das in meinem
Hause verricht, verzichten müssen; die gräfliche Familie gilt
für sehr adelsstolz, und bei ihr wird strenge und steife Eti-
quette beobachtet, wenigstens vor der Welt."
(Fortsetzung folgt.)
sonntags ausgenommen.
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England und Frankreich.
Der Pariser Berichterstatter der Times schreibt, der
britische Botschafter Monson habe keineswegs irgend
welche Schritte gethan, um zu verhindern, daß Lvandre,
der Zeichner des Blattes Le Rire, den Orden der Ehren-
legion erhalte, oder um nachträglich gegen die Auszeich-
nung Einspruch zu erheben. Monson habe sich jedoch nicht
enthalten können, in Privatgesprächen die Thatsache fest-
Zustellen, daß die öffentliche Meinung in England, die bis-
her die gegen die greise Königin gerichteten
Angriffe als sehr rohe aber persönliche Kundgebungen
ungesehen habe, aus's schmerzlichste dadurch berührt würde,
bs>ß der Zeichner des Blattes Le Rire sich amtlicher Zu-
stimmung erfreuen könne. Monson müßte natürlich er-
fahren haben, wie tief derartige Angriffe die nächste Um-
gebung der Königin verletzt hätten. Die Königin, die in
Frankreich so oft Gastfreundschaft gefunden, habe geglaubt,
6<h auch der Sympathie der Franzosen erfreuen zu können.
Es ffj daher begreiflich, wie schmerzlich es für sic sein
küßte, zu erfahren, daß die öffentliche Meinung annehmen
könnte, die gegen die Königin gerichteten Angriffe würden
amtlich gebilligt. Es sei daher auch natürlich, daß sich
Aionson gefragt habe, wie sich der lebhafte Wunsch der
französischen Regierung und des Volkes, den Prinzen von
Wales bei dem Feste der Ausstellung zu sehen, damit ver-
einigen lasse, daß selbst der Königin Beleidigungen und
Ausdrücke des Hasses und der Verachtung, mit denen das
englische Volk überhäuft werde, nicht erspart blieben. Des-
halb habe Monson, der überdies gezwungen war, sich nach
dem Süden zu begeben, nachdem er vorher das Auswärtige
Amt in London davon in Kenntniß gesetzt und dieses ihm
nicht abgerathen hatte, aus eigenem Antriebe beschlossen,
Nch nach Süden, und zwar über die französische
Grenze hinaus, zu begeben. Monson halte nämlich
öafür, daß unter den jetzigen Umständen seine Anwesenheit
k Paris mehr dazu beitragen könne, die Sachlage zu ver-
nickeln, als zu bessern. Doch handle es sich bei allen
"iesen Vorgängen weder um seine Abberufung noch um
feine Versetzung, sondern lediglich um eine Art Vorsicht,
öle die britische Regierung nicht mißbillige.
Es ist ohne Zweifel eine Thatsache von politischer
'Oedeutung, daß der englische Botschafter in Paris aus
ölplomatischen Gründen seinen Posten mit Billigung seiner
Regierung zeitweilig verläßt. Es sieht das ganz nach
^Ner an Frankreich gerichteten Warnung Englands aus.
Wie bekannt, ist in Frankreich lebhafte Stimmung dafür,
öoß die französische Regierung versuchen solle, das in
Aegypten s. Zt. verlorene Terrain wieder zu gewinnen.
Wo immer sich eine Gelegenheit bieten wird, in die ägyp-
e,siche Angelegenheit einzugreifen, da wird Frankreich es
sicher ihun. Wenn englische Minister im Londoner Par-
oment von der ernsten Lage sprechen, so ist dabei nicht
an das russische Vorgehen in China und in Persien,
wndern es ist auch an Frankreichs brennenden Wunsch
^ch Rache für Faschoda zu denken. Daß Frankreich einen
Aerhöhner der britischen Königin dekorirt, und der englische
^°ffchafter in Paris seinen Posten verläßt, sind Anzeichen,
darauf schließen lassen, daß schon eine starke Spannung
Nicht übel ist es, daß das Pariser Blatt Matin die
r'sigabe, die ägyptische Angelegenheit wieder in Fluß zu
, lNgen, auf Deutschland abwälzen möchte. „Aegypten",
^ schreibt das Blatt, „ist fast vollständig geräumt, und
. fragt sich daher, ob nicht endlich der Augenblick ge-
. Kaien ist, den Vertrag anzuwenden, der die Neutralität
Suczcanals gewährleistet. Anderseits ist die Ordnung
»^cav»t-n bei weitem nicht gesichert. Wenn auch Frank-
Fürst Margoni.
Roman von Moritz Lilie.
(Fortsetzung.)
ti^«Immerhin ist es gut, daß das Vermögen des Mädchens
djx A unseren Händen befindet, und daß im Testamente uns
djz iFkugniß zugeiprocken wurde, es >n unserem Geschäfte
erlangten Volljährigkeit der Eigenthümerin zu ver-
ken,n>>' bemerkte Arnold. „Aus diese Weise ist es Valerien
lag- kwns gesichert, während bei weniger zuverlässiger An-
t>aß »Kapitals die Möglichkeit nicht ausgeschlossen wäre,
^ras-» Vermögen unter den i geldbedürftigen Händen des
. "Ah und nach in Nichts zerstöbe."
hin. ^7 Bruder des Bankiers schaute nachdenklich vor sich
He^k sich doch die Zeiten ändern I" sagte er wie im
buckle. „Als der junge Graf Hellwarth als
?sibsekreiär um unsere Schwester Hermine warb, da
Nä„de grgfliche Familie über diese Mesalliance die
sitzie , "kr den Köpfen zusammen, aber der junge Mann
?Urch ."si.oos Einspruches seiner Familie seinen Willen
Eßte di» henmtbeie Hermine, und ihre bedeutende Mitgift
Leute in den Stand, sich das Lebe» recht
„2 r." ?ochen. Die Angehörigen des LegationSsekre-
- Ug - riden rrollend von fern und mieden den Um-
?Uf die „suusen Paares, obwohl jene neidisch und verlangend
§Ache Vermögenslage geblickt haben mögen, in
^Kwesi" i"nge Graf durch die Heirath mit unserer
"Ur von »klangt war. Leider war das Glück des Paares
«sh Dauer; Hellwarth wurde als LegationSrath
n 'Mg si°bon versetzl und fiel dort dem ungewohnten
nl'Uen Opfer, seine Gattin aber kebrle mir ihrer
den ^ Heimaih zurück; aber der Gram
d> > c> .llelieblen Heimgegangenen raffle auch sie nach
>e „^„..hren dahin, ohne daß eine Annäherung an
Familie ersolgt wäre. Und heute? Der
«Mich,.
reich seiner Zeit auf ein Kondominium über Aegypten ver-
zichtet hat, so hat cs doch keineswegs seiner Rechte sich be-
geben. Frankreich ist der Ansicht, daß die ägyptische Frage
eine internationale Frage geworden sei. Seit 1881 haben
sich in den Ländern, zu denen der Suezcanal die Zugangs-
straße bildet, auch andere Interessen entwickelt, als nur
französische. So hat z. B. Deutschland in Ostafrika und
im äußersten Osten Besitzungen erworben. Wenn also
die ägyptische Frage aufgerollt wird, so hat auch Deutsch-
land einen Sitz in dem Concert der interessirten Mächte.
Deutschland wird ebenso gut oder noch viel mehr als
andere Mächte Nutzen aus der Neutralität des Canals
ziehen. Das Berliner Cabinet weiß sehr wohl, welches
die Gefühle Frankreichs und Rußlands sind, es braucht
nicht zu befürchten, daß, wenn es die Initiative er-
griffe, ihm die Begleitung fehlen und es die undankbare
Rolle des vereinsamten Cavaliers spielen würde. Der
Gegengrund, der aus der Unzulänglichkeit der deutschen
Kriegsmarine hergeleitet wird, ist nicht stichhaltig, weil die
Flotten der vereinigten Festlandsmächte stark genug sind,
um der Neutralität einer Seestraße, die der Handelsschiff-
fahrt aller Mächte nützen soll, Achtung zu verschaffen.
Nun, Deutschland wird gewiß sehr gern Frankreich in dieser
Sache den Vortritt überlassen. Es wird überhaupt für
eine Unternehmung gegen England nicht zu haben sein.
Im Figaro berührt Valfrey die Möglichkeit einer Ver-
schärfung der Lage in Aegypten und meint, es brauche
bei der Fortsetzung des Kampfes in Südafrika morgen in
Aegypten nur ein Zwischenfall zu entstehen, so werde man
sehen, was von der englischen Macht, die sich gegen jeden
Zwischenfall geschützt glaube, dort übrig bleibe. (Die
Hoffnung auf einen Zwischenfall ist allerdings nicht viel
mehr werth als die Hoffnung auf einen Lotteriegewinn.)
Deutsches Reich
— Am Montag Abend fand in Berlin eine von der
freisinnigen Vereinigung einberufene öffentliche
Versammlung im großen Saale des Handwerkervereins
statt, in der eine Resolution zu Gunsten der
Flottenvermehrung angenommen wurde. Der Vor-
gang ist nach zwei Seiten hin interessant, einmal weil die
freisinnige Vereinigung durch ihn einen Vorstoß gegen die
Flottenverweigerer in Berlin selbst, der angeblichen
Domäne der deutschen Volkspartei und der Flottenfeinde,
übernimmt, sodann aber, weil sich hier zeigte, daß unter
einer fast rein freisinnigen Zuhörerschaft sich eine er-
drückende Mehrheit für die Flotten Vorlage
fand, und wohlgemerkt, nicht nur Mitglieder der frei-
sinnigen Vereinigung, sondern auch solche der
freisinnigen Volkspartei griffen in die Er-
örterung ein und verlangten, daß die Partei dem Willen
der Wähler Rechnung trage und den verneinenden Stand-
punkt gegenüber der Flottenvorlage aufgebe.
Deutscher Reichstag. Berlin 6. Februar. Fort-
setzung der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs betreffend
Abänderung und Ergänzung des Strafgesetzbuchs
(lex Heinze) bei § 182 a, wodurch in der Kommissions-
fassung Arbeitgeber und Dienstherren wegen M'ßbrauchs
ihrer Stellungen durch Drohungen oder Versprechungen
gegenüber weiblichen Dienstpersonen, um diese zu unzüch-
tigen Handlungen zu bestimmen, mit Gefängniß, bei mil-
dernden Umständen mit Geldstrafe bedroht werden.
Abg. v. Treuenfels (kons.) bittet namens der Konser-
vativen um Annahme des Paragraphen.
Abg. Beckh (freis. Volksp.) beantragt, den Passus bezüglich
Versprechung von Beschäftigung, Lohnerhöhung oder anderen aus
dem ArdeitSergebniß sich ergebenden Vortheilen zu streichen. Es
soll damit Angebereien vorgebeugt werden; dagegen müsse die
Bestimmung, daß Verfolgung nur auf Antrag eintrete, unbedingt
beibehalten bleiben.
Abg. Heine (Soz.) befürwortet den Antrag der Sozial-
demokraten, die Worte „oder verleitet" einzuschalten, ferner die
Verfolgung auf Antrag zu streichen und hinzuzufügen, daß die
Strafverfolgung aus diesem Delikt in einem Jahre verjährt.
Die Sozialdemokratie wolle diese Bestimmung, obwohl sie im all-
gemeinen derartige Maßregeln nicht billige, um die angemaßte
Autorität der Arbeitgeber zu brechen. Die Gefahr der Angebereien
oder Erpressungen sei nicht so groß wie bei den Majestätsbelei-
digungen. Seine Partei würde dabei von der Rücksicht auf die
persönliche Freiheit geleitet.
Staatssekretär Dr. Nieberding: Die Anträge weisen auf
erhebliche Schwächen der Kommissionsvorlagen hin. Der Antrag
Beckh enthalte einen richtigen Gedanken. Die Gefahr von Er-
pressungen bei Beibehaltung der Verfolgung auf Antrag sei vor-
handen. Eine Verkürzung der Verjährungsfrist sei mit Rücksicht
auf die übrige Gesetzgebung unmöglich und diesen Erwägungen
ständen wieder andere Bedenken entgegen. Wi e man den Para-
graphen immer fassen möge, er sei für die Regierung unannehm-
bar. Man solle doch suchen, auf dem Boden der praktischen
Politik sich zu verständigen. Er appellire an die politische Ein-
sicht des Hauses. Es sei vielleicht doch am besten, das Erreich-
bare festzulegen. Die Ansicht der Regierung in diesem Punkte
stehe auf unabsehbare Zeit hinaus und aus prinzipiellen Gründen
fest. Opportunitätsgründe seien für sie nicht maßgebend. Ueb-
rigens müsse man bedenken, daß weibliche Angestellte, wenn sie
nur moralischen Muth haben, im allgemeinen wohl in der Lage
sind, sich der Verführung zu entziehen. Mißstände lägen hier
unleugbar vor, aber die vorgeschlagcnen Maßregeln seien aus-
sichtslos und ungerecht.
Abg. Roeren (Centr.): Nach den eben gehörten Erklärungen
sei es eigentlich zwecklos, über den Paragraphen weiter zu ver-
handeln.
Abg. Esche (nat.-lib.): Einem Theile seiner Partei erscheine
der Paragraph bedenklich. Er hoffe, daß die Regierung in dritter
Lesung den Beschlüssen des Reichstags beitrete.
Abg. Stöcker (wild-kons.): Die Bestimmung soll eine der
stärksten und giftigsten Quellen der Prostitution verstopfen. Sie
sei ein Glied des nothwendigsten Arbetterschutzes. Dieses schlimme
Verbrechen straflos zu lassen, könne der Reichstag nicht über-
nehmen.
Abg. Stockmann (Rp.): Seine Fraktion sei getheilter
Ansicht, doch würde sie, um das Zustandekommen der Vorlage
nicht zu gefährden, gegen den Paragraphen stimmen.
Abg. B e b e l (Soz.): Der Paragraph sei für seine Partei
der wichtigste der ganzen Vorlage. Die Regierung scheine da-
gegen zu sein, weil sie fürchte, die betreffenden Fälle würden zu
zahlreich werden. Die Arbeiterinnen seien bei Arbeitgebern viel
weniger frei als die Arbeitgeber.
Abg. v. L e v e tz o w (kons.) wird mit einer Anzahl seiner
Freunde gegen den Antrag stimmen.
Hierauf werden der Antrag Beckh, darauf die Anträge der
Sozialdemokraten abgelehnt und der Paragraph in der
Kommissionsfassung mit knapper Mehrheit an-
genommen.
8 184 behandelt das Feilhalten unzüchtiger Schriften und
Abbildungen.
Abg. Müller- Meiningen (fr. Vp.) befürwortet einen An-
trag Beckh, die Worte „vorräthig hält" zu streichen.
Ein Regierungskommissar spricht sich für Bei-
behaltung der Worte aus.
Abg. Roeren (Centr.) schließt sich dem an.
Abg. Dr. Hoeffel (Rp.): Der ehrliche Buchhändler werde
sich mit einem solchen Geschäft nicht befassen.
Abg. Heine (Soz.): Wenn die Sozialdemokraten der
Kommissionsfassung zustimmten, so wollten sie damit nicht den
Mißbrauch gutheißen, der jetzt mit 8 184 zum Schaden ernster
Kunst und Literatur getrieben werde.
Zu Absatz 2, wonach Unterlassen und Anbieten derartiger
Schriften an Personen unter 18 Jahren strafbar sei, vertritt
Abg. Müller-Meiningen (fr. Vp.) einen Antrag Beckh,
hier 16 Jahre statt 18 Jahre zu setzen. Dem Buchhändler sei
cs ganz unmöglich, über diese Altersgrenze zu entscheiden.
UebrigenS gebe es auch Leutnants unter 18 Jahren.
Staatssekretär Dr. Nieberding: Die Regierung müsse
Werth darauf legen, die Regierungsfassung wieder herzustellen.
Abg. Roeren (Centr.) tritt warm für die KommtssionS-
assung ein.
Nach einer Erwiderung des Staatssekretärs und erneuten
Ausführungen des Abg. Roeren wird der Paragraph unter
Ablehnung aller Anträge in der Kommissionsfassung an-
genommen.
Morgen 1 Uhr: Fortsetzung der heutigen Erörterung.
Herr Großpapa bettelt fast um die Ehre, das Kind
der Bürgerlichen in sein Haus aufnehmen zu dürfen
und gelobt schriftlich und mündlich, es zu halten wie sein
eigenes."
„Biete ihm die Zinsen von dem Vermögen unserer Nichte
an. und er wird sicher nach dieser selbst nicht weiter fragen!"
meinte Arnold mit sarkastischem Lächeln. „Es wäre mir
lieber, Valerie käme nicht in die Familie des Grafen, wo
sie sicherlich ihre unbefangene Natürlichkeit sehr bald verlieren
und zur Zierpuppe werden wird."
„Lassen mir das Mädchen selbst entscheiden I" rief Sebald,
wie von einem plötzlichen guten Gedanken ersaßt; „behagt
es ihr nicht in den neuen Verhältnissen, io darf sie uns
wenigstens keine Vorwürfe machen, lehnt sie aber das An-
erbieten des Grafen ab, dann sind wir diesem gegenüber in
keiner Weise verpflichtet."
„Du hast recht, die Kleine mag den Ausschlag geben,"
versetzte der Bruder des Kranken, indem er aufstand und
auf den Knopf der elektrischen Klingel drückte, der neben der
Thür angebracht war.
„Ich lasse Komtesse Hellwarth rufen!" befahl der Haus'
rr dem eintretenden Lakaien, der sich mit einer Verbeugung
räuschlos wieder entfernte.
Bald darauf erschien Valerie, bereits in vollständiger
Klette.
„Ihr seht beide so feierlich aus, daß cs mir ordentlich
nge wird!" lachte sie. sich dem alten Herrn gegenüber
zend; „namentlich Du. Onkel Arnold, trägst deute eine
ffallend ernste Miene zur Schau."
„Die Angelegenheit, welche wir mit Dir besprechen
ichten, ist ernster, als Du glaubst," erwiderte jener: „denn
handelt sich um nichts mehr und nichts weniger, als um
sine Zukunft."
„Um meine Zukunft?" fragte Valerie, mit ungekünsteltem
fftaunen die Hände zusammenschlagend. „Aber was gibt
denn da zu berathen? Sollen denn Veränderungen mit
r Nornekt-n? Wollt Jbr die bisberiaeil Verhältnisse, in
denen ich glücklich und zufrieden bin, ausheben, mich in
neue, ungewohnte Bahnen führen?"
„Dein Großvater hat schon längst die Absicht ausge-
sprochen, Dich in sein Haus auszunehmen," erzählte Sebald,
„und wir muffen nunmehr einen Entschluß fassen. Du sollst
zu ihm nach der Residenz übersiedelu-"
„Ich soll Dich verlassen — nimmermehrl" rief das junge
Mädchen aufspringend und mit ihren weichen Armen den
Hals des Oheims umschlingend, während ihren Augen
Thränen entstürzten.
„Höre mich an, Valerie, überlege und entscheide dann
selbst," beruhigte Sebald. „Du sollst ganz und gar Deinen
freien Willen haben, niemand wird Dich zwingen, etwas
zu thun, was Dir widerstrebt. In der Familie des Grasen
wirst Du manches finden, was Du hier entbehren mußt,
und schon die Hauptstadt als solche bietet Dir mehr, als
unser Handels- und Geschäftsplatz zu gewähren vermag. Vor
ollem aber wirst Du durch Deine Verwandten Gelegenheit
finden, in die große Welt eingesührt zu werden, Gesell-
schaften und Bälle besuchen zu können und sogar am Hofe
Zutritt zu erhalten. Du findest in der Tochter Deines Groß-
vaters ein junges Mädchen, das nur wenige Jahre älter ist
als Du, die Dir vielleicht Freundin und Gefährtin sein und
Dir die im Umgänge mit höheren Personen nöihigen Formen
beibringen wird; in dem geräuschvollen Leben der großen
Stadt wirst Du Vergnügungen und Zerstreuungen kennen
lernen, die Dir bis jetzi unbekannt geblieben sind, und in
dem Glanz und Luxus der Residenz findest Du Vielleicht auch
Unterhaltung und Befriedigung. Freilich wirst Du dort --
um auch die Schattenseiten nicht unberührt zu lassen — auf
das Behagliche, Ungenirte und Einfache, das in meinem
Hause verricht, verzichten müssen; die gräfliche Familie gilt
für sehr adelsstolz, und bei ihr wird strenge und steife Eti-
quette beobachtet, wenigstens vor der Welt."
(Fortsetzung folgt.)