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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

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Nr. 101-126 (1. Mai 1900 - 31. Mai 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0579

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Fernsprech-Anschlutz Nr. 82

Ar. 121.

Freitag, den 25. Mai

180«.

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auf die Heidelberger Zeitung für den Monat Juni
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat Juni,
wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., mit Zustellgebühr
15 Pfg. weiter.

Ein deutsches Urtheil über die Buren als
Soldaten.
Einem Briefe des leitenden Arztes der deutschen Am-
bulanz auf Seiten der Buren, Dr. Hildebrand, über
die Beobachtungen, die er bei und nach dem Aufent-
halte der Ambulanz in Jacobsdal gemacht hat, ent-
nehmen wir folgende interessante Stellen:
Es ist etwas Eigenthümliches mit den Verlusten
der Buren. Wenn Sie die offiziellen Berichte der Re-
gierung lesen, würden Sie dieselben für erlogen halten.
Die Buren haben aber thatsächlich stets nur geringe Ver-
luste in sämuulichen Gefechten gehabt. Einmal weiß der
Bur sich vorzüglich zu decken und anderseits reißt er aus,
wenn es gefährlich wird. Ueberhaupt ist cs mit seiner
Tapferkeit ganz cigenthümlich bestellt. Weiß er, daß er
nicht davonlaufen kann, kämpft er großartig. Meistens
hält er sich jedoch ein Loch frei, steigt aufs Pferd und
reitet davon, sobald er seinerseits in Gefahr kommt. Die
Ausländer haben daher ganz andere Verluste gehabt.
Mit Vorliebe werden diese von den Burcnführcrn in ge-
fährliche Positionen geführt, dorthin nämlich, wo
ein Bur nicht aushält. Dank ernten sie bei den Buren
Natürlich nicht dafür. „Wir müssen die Deutschen todt-
schießen, sie bringen uns nur in gefährliche Lagen", sagten
Wal einige Buren zu einem Arzte. Nur bei Paardeberg
wußten die Buren stehen, daher ihre großen Verluste. —
Am 17. März verließen wir Jacobsdal, packten die noth.
wendigsten Sachen in vier Ochsenwagen und zogen mit
diesen, sowie einer Karre und zwei sechsspännigen Pferde-
wagen über Koffyfontein nach Bloemfontein. Wir wählten
diesen Umweg, einmal weil sämmtliche Farmen
an der dirckren Straße von Jacobsdal nach Bloemfontein
völlig verlassen und ausgeraubt, anderntheils, weil
der Weg mit todtcm Vieh, den Zugthieren der Engländer,
das nicht eben gut roch, gepflastert war. Soweit die Leute
aus ihren Farmen geblieben, war wenig gestohlen worden,
A den leerstehenden Häusern war jedoch schrecklich gehaust
worden. So war's in Jacobsdal, so war's überall, wohin
die Engländer gekommen. Auch wir sind maßlos in
Unserer Abwesenheit von Hause in Jacobsdal be-
stohlen worden, Kleider, Uhr, Börse mit Inhalt, ein
großer Theil unserer Habe wurde uns entwendet. Die
Buren stehlen ja auch mit großer Vorliebe, riskiren es
lsdoch nicht, in verschlossene Häuser zu gehen, wie die Eng-
tander, trotzdem Lord Roberts das Plündern streng ver-
boten. Am widerlichsten ist mir immer das Ausplündern
derTodten gewesen; darin leisten nun Engländer
Und Buren das Gleiche, ich soll noch den ersten
Tobten finden, der noch etwas Werthvolles bei sich trägt.

Deutsches Reich.
— Einem Parlamentsberichterstatter zufolge kam der
Teniorenkonvent des Reichstags überein, die Pfing st-
ierten vom 30. Mai bis 6. Juni abzuhalten, vorher
das Münzgesetz und die Unfallgcsetze zu erledigen, nachher

sofort das Flottcngesetz und darauf das Seuchengesetz zu
berathen.
— Gegenüber den Bemerkungen eines Blattes über die
angebliche Bevorzugung der Assessoren vor Kauf-
leuten im Kolonialdienst bemerkt die Nordd. Allg.
Ztg., die Kolonialverwaltung sei gern bereit, tüchtige, in
den Kolonien erfahrene Kaufleute anzustellen. Solche ziehen
indessen durchweg die Arbeit im eigenen Berufe vor.
UebrigenS seien mit den maßgebenden kaufmännischen
Kreisen Hamburgs und Bremens Verhandlungen behufs
kaufmännischer Ausbildung der im Kolonialdienste be-
schäftigten Assessoren eingeleitet.
— Der amerikanische Botschafter in Berlin
hat die deutsch-amerikanischen Kriegervereine,
die sich augenblicklich auf Besuch in Deutschland befinden,
am letzten Dienstag empfangen. Er hat die Krieger sehr
liebenswürdig angesprochcn und die Deutsch-Amerikaner als
werthvolles Verbindungsglied zwischen Amerika und Deutsch-
land bezeichnet. Dann sagte er:
Und nun, bevor ich mich von Ihnen verabschiede, gestatten
Sie mir die Behauptung, daß die Geschichten, die in
Deutschland erzählt werden vom amerikanischen Haß gegen
die Deutschen und i» Amerika vom Deutschenhaß gegen die
Amerikaner, grundlos find. Möglich, daß hier uns da in
einem dieser Länder Jemand herabwürdigende Bemerkunaen
gegen das andere Land macht und sich damit amüsirt, Ab-
neigung gegen dasselbe auszudrücken. Doch ich kann Sie ver-
sichern, daß die Beziehungen zwischen beiden Ländern
niemals besser waren als gegenwärtig. Die Zeitungen
bringen uns die Meldung, daß jüngst zwei hervorragende
Senaloren der Vereinigten Staaten diese Thatsache in dem
Senatssaal konstatirten. Sie waren durchaus im Recht.
Gab es in der Vergangenheit ein paar Wolken am Himmel,
so sind sie längst verschwunden. Zweifellos werden auch in
Zukunft Differenzen zwischen Privatinteressen in Ackerbau,
Industrie und Handel nustaucken. Aber das deutsche Herz
wie das amerikanische Herz wünschen Frieden, und die Re-
gierungen theilen diesen Wunsch vollständig.
Wiesbaden, 23. Mai. Die Kaiserin ist heute
4 Uhr 52 Min. hier eingctroffen und wurde am Bahnhof
vom Kaiser empfangen.
Deutscher Reichstag. Berlin, 23. Mai. Dritte Lesung
des Nachtragsetats für die Schutzgebiete.
Auf Anregung des Abg. Dr. Arendt (Rp.) erklärt Ko-
lonialdirektor Dr. v. Buchka, über einen Zusammenstoß
mit den Truppen des Co n go st a a t cs sei a m tl ich n i ch t s
bekannt. Die Quelle der Nachricht sei nicht besonders zuver-
lässig.
Abg. Graf Arnim (Rp.) erbittet Auskunft über die Kon-
zessionen an Sholto Douglas und bringt dabei die Frage der
afrikanischen Central bahn zur Sprache.
Kolonialdirektor Dr. v. Buchka: Sholto Douglas habe
keine Konzession erhalten, sondern Landbesitz erworben, was Nie-
mand habe verhindern können. Nach der politischen Konstellation
sei die Centralbahn in diesem Jahre ein todtgeborenes Kind.
Der Vorwurf, daß er das Centralbahnprojekt nicht in geeigneter
Weise vertreten habe, sei unzutreffend.
Unterstaatssekretär Aschenborn: Der Antrag auf Bereit-
stellung der Mittel für die Centralbahn im Reichsschatzamt sei
Ende October ergangen, als die Finanzirung beschlossen war.
Die Verwaltung hätte von allen bestehenden Grundsätzen abgehen
müssen, wenn sie dem Anträge nicht hätte entsprechen wollen.
(Hört I hört! links.) Die Angelegenheit erschien nicht eilig. Es
wurde in Aussicht genommen, den erforderlichen Betrag in einem
Nachtragskredit zu fordern. Ein Zwiespalt in der Verwaltung
bestehe nicht.
Abg. Dr. Hahn (Bund d. Landw.) findet Meinungsverschie-
denheiten zwischen der Kolonialverwaltung und dem Retchsschatz-
amt, sowie zwischen den Staatssekretären Graf Posadowsky und
Frhrn. v. Thielmann. De: Politik des Ersteren sei der Vorzug
zu geben. Auch sei zu wünschen, daß der Reichskanzler für Ein.
heitlichkeit sorge. In der Kolonialpolitik soll uns England in
manchen Punkten als Vorbild dienen.
Staatssekretär Dr. Graf v. P o s a d o w s ky: Ec müsse aus
staatsrechtlichen Gründen gegen die Ausführungen deS Redners
Einspruch erheben. Träger der gesummten Reichsverwaltung
und allein verantwortlicher Träger sei der Reichskanzler. Im
Wesen des Reiches als Bundesstaat liege die Notbwendigkeit,

daß die politische Verantwortlichkeit nur an einer Stelle ruhen
kann. Im Interesse des Reiches muß daran festgehalten werden,
daß der verfassungsmäßige Zustand sich mit dem thatsächlichen
deckt. Nichts ist gefährlicher, als daß sich ein Aberglaube aus-
bilde, an einer Stelle liege die formelle, an einer anderen die
thatsächliche Verantwortlichkeit. Wenn Meinung sverschiedenheiten
zwischen verschiedenen Stellvertretern des Reichskanzlers bestehen,
so haben sie nach einer Verordnung des Fürsten Bismarck ge-
meinschaftlich vor dem Reichskanzler Vortrag zu halten. Der
entscheidet, was geschehen soll. Die Form, in der eine Vorlage
vertreten wird, kann verschiede» sein. Das Ziel muß für alle
Staatssekretäre dasselbe sein- (Beifall.)
Kolonialdirektor Dr. v. Buchka bestreitet, daß in seiner
Verwaltung Bureaukratismus herrsche. Von Landschcnkungen sei
keine Rede. Da das kleine Kapital sich nicht in Afrika betheili-
gen wollte, mußte das Großkapital herangezogen werden.
Der Nachtragsetat wird nach der Vorlage angenommen.
Es folgt die namentliche Abstimmung über das
Schlachtvieh- und Fleischbejchaugesetz. Es wird
mit 163 gegen 123 Stimmen bei einer Stimmenthaltung
angenommen.
Es felgt die dritte Lesung des Gesetzes, betr. Aende-
rung der Gewerbeordnung.
Während der Abstimmung über einige Paragraphen und dazu
gestellte Abänoerungsanträge entstehen Mißverständnisse über die
Geschäftslage.
Als nach längerer Pause weder Vizepräsident Dr. v. Frege
noch Präsident Graf Ballcstrem Klarheit schaffen können, bean-
tragt Abg. Singer (Soz.), die Weiterberathung der Gewerbe-
ordnungsnovelle auszusetzen und die dritte Berathung des Münz-
gesetzes vorzunehmen. Der Antrag wird angenommen.
Dritte Berathung des Münzgesetzes.
Mit großer Mehrheit wird das ganze Gesetz angenommen.
Der Rest der Gewerbeordnungs Novelle wird hierauf
debattelos genehmigt und das ganze Gesetz in Gesammtabstim-
mung angenommen.
Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr Vormittags. Dritte Lesung
deS Nachtragsetats und der Unfallversicherungsnovelle.
Preußen. Berlin, 23. Mai. Das Abgeordnetenhaus
hat § 1 des Waarenhaussteuergesetzes mit der
Steuergrenze von 300 000 Mark gemäß den Beschlüssen
zweiter Lesung gegen die Nationalliberalen und Freisinni-
gen angenommen. Finanzminister v. Miguel halte die
Grenze von 300 000 Mk. als unannehmbar bezeich-
net und 500 000 Mk. als Grenze verlangt.

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog habendem
Ober-Postkassenbuchhaltec August Anderer in Karlsruhe das
Ritterkreuz zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen,
den nachgenannten Offizieren rc. und Unteroffizieren von der
Kaiserlichen l. Torpedoboots-Division die folgenden Auszeich-
nungen verliehen, und zwar: a. das Ritterkreuz erster Klasse des
Ordens vom Zähringer Löwen: dem Dtvisionschef Kapitän-
leutnant Funke; b. des Ritterkreuz zweiter Klasse desselben
Ordens: den Oberleutnants zur See von Restorfs, Zenker,
Märker, Dominik, Püllen und Roßkath, sowie dem
Ober-Assistenzarzt Dr. Dietzel; o. das Verdtenstkreuz vom
Zähringer Löwen: dem Obermaschinisten Ri tter, dem Over-
feuermeister Schünemann, dem Feuermeistcr Fehrmann
und den Maschinisten Strehlow, Schulz und Priehn;
ä. die silberne Verdienstmedaille: den Oberbootsmannsmaats
Steffen und Prooft und denOderfeuermetstersmaatSSeydel
und Hüllmeyer.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Ministerialrath Otto Ballweg im Finanzministerium die Er-
laubniß zur Annahme und zum Tragen des ihm verliehenen
Ritterkreuzes erster Klasse des Herzoglich Sachsen-Ernestinischen
Hausordens ertheilt und den Königlich Preußischen Major a. D.
Friedrich Freiherrn von Schönau-Wehr in Hugstetten zum
Kammerherrn ernannt.
— Die Postpraktikanten Gustav Straubhaar aus Walds-
hut und August Steinbach aus Bruchsal wurden zu Post-
sekretären ernannt.
Karlsruhe, 23. Mai. Der katarrhalische Zustand
des Großherzogs dauert ziemlich unverändert an und
beeinträchtigt immer noch sehr das Gesa mm t-
befinden. Die Großherzogin ließ sich gestern
Mittags nach dem Empfang der Offiziere der Torpedo-

Das Nachtmahl.
Eine Geschichte aus dem Burenleben Südafrikas.
Erzählt von einem deutschen Arzte im Kaplande.
1l) (Schluß.)
. „Welche andere Sache?" fragte Esterhuiz erstaunt. Und
ffUn mußte er zu seiner Verwunderung hören, daß Jacobus
"ck in sich selbst gerirrt habe, als er Maria den Antrag
Kachle und, obgleich es unter den gegenwärtigen Umständen
s'gentlich unangenehm scheinen müsse, er doch, dem Zuge
°>nes Herzens folgend, es wage, hiermit bei ihrem Vater
Bettie's Hand nnzuhalten. Daraufhin meinte Jan. daß
?>ese neue Bewerbung nach der vorigen allerdings reich-
"ch plötzlich käme. Aber er war nun einmal in versöhnlicher,
"silder Stimmung und dachte auch daran, daß, da seine
Menen Pläne nun dock eimal gescheitert seien, es gar keinen
Mund gäbe, warum Bettie die gute Partie nicht machen
,°lle, zumal ihrem Freier die begangene Dummheit offenbar
that. „Nun, es kommt auf Bettie an," sagte er. „Von
s/üi. was zwischen Maria und Euch vorgefallen ist, braucht
^la vorläufig nichts zu erfahren. Aber wartet geduldig
Montag, dann wird schon alles gut werden. Die drei
«mnncr schüttelten sich die Hand und begaben fick zur Ruhe ;
Mcobus, nachdem er vorher noch dem dankbaren Hendrik
Glück verkündet, Jan, um erleicherten Herzens einen
sickuickenden Schlaf zu finden, und der brave Seelsorger, um
„ck von den Mühen des arbeitsvollen Tages für die Auf-
des kommenden Morgens zu stärken. Und mit ihnen
fliesen sie alle im Dorf den Schlaf des Gerechten, auch
jZaria, die sich von der Tante Harle trösten lassen, und von
Hendrik träumte.
k Strahlend erhob sich am andern Morgen die Sonne über
Ort, in dem jetzt die feierlichste Sonntagsruhe herrschte.
Ubstverständlich darf kein Geschäft, kein Lärm die Stille

eines solchen Tages entweihen. Als die Glocke ertönte,
strömten sie alle zur Kirche, in ihren schwarzen Festkleidern.
Da konnte man freilich manchen alten, abgeschabten, vielleicht
ererbten Rock erblicken, andere aber und besonders die wohl-
habenden Frauen erschienen in würdevoll neuem Staat. Es
fand nun der wohl drei Stunden währende eigentliche Fest-
gottesdienst, verbunden mit der Abendmahlsfeier, statt. Die
ganze Feier ist einfach, würdig und zum Herzen gehend.
Daß Hendrik und Jacobus wieder erschienen, erregte, nach-
dem ihr gestriges Abenteuer bekannt geworden, keine Ver-
wunderung. Sie nahmen zusammen in der Bank von
Hendriks Dienstherr» Platz, welch' letzterer sich mit der Rück-
kehr seines Untergebenen natürlich vollkommen einverstanden
erklärt halte. Der Pastor Halle auch mir ihm ein paar ernste
Worte gesprochen. In der Esterhuiz'schen Bank gab es
glückliche Gesichter an diesem Morgen. Maria hatte durch die
Tante, mit der ihr Mann rückhaltslos geredet hatte, genügend
Trost empfangen, um hoffnungsselig in die Zukunst zu
blicken. Bettie hatte olles erfahren, was sich zwischen den
Liebenden zugetragen, und stand mit ihren Sympalhieen ganz
auf deren Seite. Was aber zwischen Jacobus und Maria
Freitag Abend passirt war, hatte man ihr wohlweislich einst-
weilen verschwiegen. Wie der Vormittag, so wurde auch der
Nachmittag und Abend zum größten Theile in der Kirche
verbracht. Der Tag verlief in Stille, und wiederum lagerte
sich die Nacht über das schweigende Dorf.
Der Montag ist der Tag der Taufen und Trauungen,
und dann herrscht wieder allgemeiner Frohsinn und lustige
Geselligkeit zu Ehren der neu verbundenen Paare. In
Barnes Staatsequwage, einem Landauer, dem einzigen, den
eS im ganzen Distrikt gab, wurde ein Paar nach dem andern
— es waren ihrer wohl ein halbes Dutzend — zur Kirche
gefahren, der Bräutigam in Schwarz, die Braut im hell-
farbigen Hochzeitskleid. Dann wurden die schreienden jungen
Weltbürger durch die Taufe in den Bund der Kirche aus-
genommen, — und bald ging es nun für die meisten an's
Abschiednehmen. Am Abend schon herrschte fast wieder die

gewöhnliche Stille in dem einsamen kleinen Dorf am Fuß
der hohen Berge.
Früh am Montag Morgen hatte Jan Esterhuiz in Gegen-
wart von Tante Jessie bei den beiden Mädchen, angesrag.,
ob sie geneigt seien, ihren Bewerbern die Hand fürs Leben
zu reichen. Bettie hatte, nicht sonderlich überrascht, bereit-
willig ja gesagt, und Maria hakte Freudenthränen an der
Brust der Pflegeeltern geweint, die sich durch ihre rührende
Dankbarkeit beglückt und belohnt fühlten. Jacobus und
Hendrik führten ihre Bräute zur Kirche, um den Trauungen
beizuwohnen. Wie der Blitz verbreitete sich die Nachricht
von der Doppelverlobung. ES gab allgemeines Glückwünschen
und Mittags einen großen Festschmaus, den herzurichten die
gütige Gastgeberin der Familie Esterhuiz sich nicht Halle
nehmen lassen, und bei dem Barnes das Hoch auf die
Brautpaare und der Pastor dasjenige auf Ohm Jan und
Tanle Jessie ausbrachte, bei dem auch noch andere Reden
gehalten wurden, über die des Sängers Höflichkeit schweigen
will. —
Ueber drei Monate aber wird Barnes' Landauer
Bettie und Jacobus, Maria und Hendrik zur Kirche fahren,
und der treue, alte Seelsorger wird sie durch Gottes Segen
verbinden fürs Leben.

Literarisches.
—Z Dekorative Kunst, Zeitschrift für angewandte Kunst
(Verlagsanstalt von F. Bruckmann A.-G. in München). Eine
neue Welt will werden; diesen Eindruck empfangen wir, dieses
Gefühl empfinden wir, wenn wir auf den Zeitabschnitt blicken,
der ungefähr gleichzeitig mir dem Wiederemporkommen der deut-
schen Nation beginnt. Wir fühlen, daß wir in eine neue Zeit
hineingeschritten sind, und nun ringt die Kunst in allen ihren
Zweigen darnach, den neuen Inhalt zu erfassen und ihm eine
angemessene neue Form zu geben. Wir stehen ia dem Zeichen
des Modernen, das ein Eigenartiges sein soll und will. Das
moderne Streben auf dem Gebiet der dekorativen Kunst — diesen
Begriff im weitesten Sinne, von der Palastarchitektur bis zum
 
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