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Heidelberger Zeitung — 1900 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 101-126 (1. Mai 1900 - 31. Mai 1900)
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https://doi.org/10.11588/diglit.37613#0583

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mit Familienblättern
monatlich 50 Pf.
frei in's IHaus gebracht.
Durch die Post bezogen
Vierteljahr!. 1.25 Mk.
ausschließlich Zustellgebühr.

Fernsprech-Anschluß Nr. 82.


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Petitzeile oder deren Naum.
Für hiesige Geschäfts- und
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der Inserate auf den Plakat-
tafeln der Heidelb. Zeitung
und den Plakatsäulen.
Fernsprech-Anschluß Nr. 82

Xr. 122. Erstes KM. Samstag, den 26. Mai

1600.

Bestellungen
auf die Heidelberger Zeitung für den Monat Juni
werden bei allen Postanstalten, den Briefträgern, den
Agenten, bei den Trägern in der Stadt, sowie in der
Expedition, Untere Neckarstr. 21, angenommen.
Bezugspreis: monatlich nur 50 Pfg., frei in's Haus
gebracht; durch die Post bezogen für den Monat Juni,
wenn am Schalter abgeholt, 42 Pfg., mit Zustellgebühr
15 Pfg. weiter.

Der österreichische Thronfolger und seine
Braut.
Die Prager Bohemia, die ihre Pcrsonalnachrichten mit
Sorgfalt beaufsichtigt, läßt sich aus Wien schreiben: „Die
Angelegenheit der Vermählung des Erzherzogs Franz Fer-
dinand mit der Gräfin Sophie Eholek ist in ein entscheidendes
Stadium getreten. Wie bereits gemeldet, hat der Kaiser
vor einigen Wochen seine Zustimmung zur Ehe gegeben.
Die amtliche Verlautbarung soll in der nächsten Zeit er-
folgen und bald darauf die Vermählung statifinden. Die
Ehe wird nicht morganatisch geschlossen und somit Gräfin
Chotek als Erzherzog-Gemahlin vom kaiserlichen Hofe an-
erkannt werden. Allerdings wird die Gräfin nicht den
Rang einer Erzherzogin bekleiden, da sie aus einem uneben-
bürtigen Hause stammt, aber ihr Name und ihre Stellung
als Erzherzog-Gemahlin wird in der Hofliste geführt wer-
den. Hätte der Kaiser seine Zustimmung hierzu nicht ge-
geben und würde die Ehe morganatisch geschloffen werden,
fo hätte die Gräfin niemals Zutritt bei Hofe erhalten.
Die Vermählung wird nicht in der Stille, sondern unter
entsprechenden Feierlichkeiten in Wien vollzogen werden.
In staatsrechtlicher Hinsicht wurde die Angelegenheit in der
ALeise geregelt, daß die eventuellen Kinder aus dieser Ehe
*veder in Oesterreich noch in Ungarn successionsfähig sind.
Dem Erzherzog wird es freistehen, wenn er einst den Thron
desteigen sollte, seiner Gemahlin den Titel einer Kaiser-
Gemahlin zu geben."
Deutsches Reich
— In der Frankfurter Zeitung veröffentlicht der
ivürttembergische Demokrat C. Haußmann einen Artikel:
«Zur Eisenbahn-Reform", worin bestätigt wird,
daß der württembergische Eisenbahnminister entschiedene
Reformgedankcn hege. Derselbe habe s. Zt. 2,3 Pfg. als
Grundlage für die 3. Klasse vorgeschlagen, weil Baden 2,
Bayern 2,5 Pfg. Vorschlag, also als Kompromiß. Wenn
die süddeutsche Gemeinschaft (eigentlich „Ueberciiistiminung")
nicht zu Stande komme, dann komme auch der „Ver-
gleichsvorschlag" von 2,3 Pfg. selbstverständlich nicht mehr
Betracht: er, der Minister, sei von seiner früheren
Überzeugung, daß die Reform einem Bedürfniß ent-
gegenkomme und daß die Ermäßigung eine „fühlbare"
stin sollte, nicht zurückgekommen und er kenne auch den
stformfreundlichen Standpunkt der Kammer, mit der in
Esver solch' wichtigen Frage in Zusammenhang zu bleiben,
^llr die Regierung besonders erwünscht sein müsse. Das
stnd sehr erfreuliche Worte, die einen befriedigenden Aus-
blick in die Zukunft eröffnen. Hoffentlich wird Baden sich
fstcht sträuben, mit Württemberg, wenn dieses seine fühl-
I?re Erleichterung einführt, Hand in Hand zu gehen,
^ehr richtig sagt Haußmann: Das gesteigerte Vcrkehrs-
sstdürfniß ist, nicht aus Laune und „Verkehrsdusel",
sondern aus gewerblicher Einsicht und Regsamkeit so un-
erkennbar, daß es einem Verkehrsminister, dem sein
Evggoiipark trotz aller Mehranschaffungen immer zu klein

ist, kaum entgehen kann. Dasselbe durch hoch gehaltene
Preise zu unterbinden, kann wohl einem Gegner der Frei-
zügigkeit beifallen. Aus fiskalischen Gründen aber ein
Mittel der Verkehrsvermehrung abzulehnen — das ist ein
Standpunkt, dem mit Recht der Abg. Köhl im bayerischen
Landtag lebhaft cntgegengetreten ist. Süddeutschland muß
den 2 Pfennig-Tarif für seine dritte Klasse so bald als
möglich erhalten, nicht nur weil er volkswirthschaftlich
rationell und verkehrsbelebend ist, sondern weil er vor
allem der Eisenbahnkasse weit größere Einnahmen nach
ganz kurzer Zeit zuführcn wird. Also gerade auch aus
fiskalischen Gründen muß die Reform gemacht werden und
gerade während einer Zeit gewerblicher Vorwärtsbewegung
vollzieht sie sich finanziell am leichtesten.
Mainz, 25. Mai. Zur heutigen Ankunft des
Kaisers hatten die Städte Mainz und Castel reichen
Flaggcnschmuck angelegt. Von allen Seiten war die Be-
völkerung herangeeilt, um dem Schauspiel beizuwohnen.
Um 2 Uhr traf der Kaiser zu Wagen von Wiesbaden mit
Gefolge ein. Der Monarch wurde von allen Seiten be-
geistert begrüßt; er schritt die Front der Ehrenkompagnie
ab und nahm dann den Vorbeimarsch derselben entgegen.
Sodann stieg er an Bord des Torpedoboots 8 8,
auf dem alsbald die Kaiserstandarte emporstieg. Die Flotte
setzte sich dann unter Glockengeläute Und Salutschüssen in
Bewegung und fuhr zunächst rheinaufwärts bis zur Eisen-
bahnbrücke, wendete hier und fuhr abwärts. Zahlreiche
prächtig geschmückte Fcstschiffe folgten ihr. Auf dem Boote
des Kaisers befanden sich noch der Chef des Marine-
kabinets Freiherr v. Senden-Bibran, General v. Hahncke,
Generalfeldmarschall Graf Waldersee und General v. Linde-
-quist. Das kaiserliche Gefolge vertheilte sich auf die übrigen
Schiffe. Der Kaiser war während der Fahrt in sehr heiterer
Stimmung und kehrte mit den Torpedobooten nach 5 Uhr
zurück. Während der Fahrt wurden allerlei Schiffs-
bewegungen durch Flaggensignale des Kapitänleutnants
Funke vorgenommen. Bei Oestrich machten sämmtliche
Boote Kehrt, was den besonderen Beifall des Kaisers
fand. Aus allen Rheinorten sind Zuschauer und ganze
Vereine herbeigeströmt. In Biebrich haben auf Befehl des
Kaisers die Schulen frei. Die Schulen nahmen am Ufer
Aufstellung, ebenso die Unteroffizierschule. Hier angekommen,
dankte der Kaiser dem Kapitänleutnaut Funke für die glatte
Fahrt und überreichte ihm den Rothen Adlcrordcn, sowie
dem Oberleutnant Reßdorff den Kronenorden vierter Klasse.
Der Kaiser zeichnete sich mit den höheren Offizieren in ein
Privatfremdcnbuch Rcßdorffs ein. Nach der Landung
sprach er nochmals dem Provinzialdirektor und dem Ober-
bürgermeister seinen Dank aus und fuhr dann zu Wagen
nach Wiesbaden zurück. Am Samstag fahren die Torpedo-
boote nach Biebrich ab. Die Offiziere folgen einer Ein-
ladung der Stadt Wiesbaden. Am Sonntag fahren sie
von Biebrich ab. Zwei Boote landen in Oestrich als
Ehrung für die Wittwe des Marineministers v. Stosch,
vier Boote in Oberwesel; dann alle in Koblenz, wo sie
zwei Tage verbleiben. Kapitänleutnant Funke erhielt in
Maxau Brieftauben von Karlsruhe. Eine davon sandle
Funke von Mannheim aus an den Großherzog von Baden
und dessen Gemahlin mit Dank für die Auszeichnung und
mit dem Wunsche der Genesung für den Großherzog. Hier
traf eine Dankdcpesche des Großherzogs an Funke ein.
Deutscher Reichstag. Berlin, 25. Mai. Der Nach-
tragsetat wird nach kurzer Generaldebatte in dritter Lesung
angenommen.
Es folgt die dritte Berathung der Novelle zum Un-
fallversich erungsgesetz.

Nach kurzer, ziemlich unbedeutender Generaldebatte folgt die
Einzelberalhmig. Eine Neihe von Paragraphen wird unter Ab-
lehnung von sozialdemokratischen Anträgen angenommen. Bei
Z 6a wird auf Antrag des Abg. Roesicke-Dessau (wild-lib.) die
Bestimmung gestrichen, daß die Ansprüche der Hinterbliebenen
Ehefrau auf Rente abgewiesen werden können, wenn diese ohne
gesetzlichen Grund sich über ein Jahr lang von der häuslichen
Gemeinschaft ferngehalten hat.
Zu Z 66a (ruhende Rente) wird auf Antrag Roe ficke
unterschieden zwischen Inländern und Ausländern.
Zu § 67 wird ein Antrag Roesicke angenommen, wonach
Kanitalabfindungen zulässig sind, wenn die Rente auf 15 pCt.
(statt 20 pEt.) und weniger von der vollen Rente festgesetzt wird.
Der Rest des Gewerbe-Unfallversicherungsgcsetzes wird ohne
erhebliche Debatte unter Ablehnung der sozialdemokratischen An-
träge angenommen.
Sodann wird § 1 des sog. Mantelgcs etzes nachträglich in
zweiter Leiung angenommen.
Aus eine Anfrage Ri ckerts erklärt der Präsident, er
beabsichtige nicht, vor Pfingsten weitere Gegenstände auf die
Tagesordnung zu setzen als die Unfalloersicherungsgesetze und
das Handelsprovisorium mit England.
Morgen 11 Uhr: Handels Provisorium mit England und Fort-
setzung der heutige» Berathung.
Badischer Landtag. L. O. Karlsruhe, 25. Mai.
Die Erste Kammer erledigte heute in 3'/zstündiger
Sitzung das Spczialbudget der Eisenbahnbauverwaltung,
das Budget der Obcrrechnungskammer, das Spezialbudget
der Badanstaltenverwaltung, die Gesetzentwürfe betr. die
Aufhebung der Wittwenkassenbeiträge und die Dotation
der Kreis verbände, sowie deit Nachtrag zum Staats-
Voranschlag.
L. 6. Karlsruhe, 25. Mai. (83. Sitzung der
Zweiten Kammer.) Eingegangen ist ein Gesetzentwurf
der Abg. Wacker u. Gen. betr. die Wahlkr eis-
ei nth eil ung. Zur Berathung steht der II. Nachtrag
zum Spezialbudget der Verkehrsanstaltcn, in dem 1 Mill.
Mark angcfordert wird zur fürsorglichen Erwerbung von
Gebäuden für die in Aussicht genommene Verlegung
des Karlsruher Personenbahnhofs.
Berichterstatter Pfefferle gibt zunächst eine Ueberficht über
den bisherigen Verlauf dieser Eisenbahnangelegenheit, den wir
als bekannt voraussetzen dürfen. Auf eine Anfrage der Budget-
kommtsston erklärte die Regierung, daß sich die Kosten für den
in Aussicht genommenen hochliegenden Durchgangsbahnhof süd-
lich vom Lauterberg auf ca. 14 980000^«., für den tiefliegenden
Bahnhof mit Ueberführung der kreuzenden Straßen auf
15192000^«. und die für den an Ort und Stelle hochzulegenden
Bahnhof auf 18408000 stellen. In dem zuletzt genannten
Projekt sind die Kosten für ein abseits zu legendes Provisorium,
das unbedingt nöthig wäre und einen Aufwand von etwa 3 Mlll.
Mark erfordern wird, nicht inbegriffen. Der Gesammtaufwand
für den an Ort und Stelle hochzulegenden Bahnhof würde sich
demnach auf beiläufig 2lfi/r Mill. Mark belaufen. Das auf dem
letzten Landtag von der Regierung empfohlene Projekt der
Straßenüberführungen wurde schon im Jahre 1896 ausgearbeitet.
Inzwischen hat sich eine so namhafte Vermehrung des
Eisenbahnbetriebs ergeben, daß es fraglich erscheint, ob
diese Erweiterung ausreicht, was auch von den Sachverständigen
der Eisenbahnverwaltung entschieden verneint worden sei. (Wie
aus einer Nachweisung über die Anzahl der Personen- u. Güter-
züge sowie der angekommenen und abgegangenen Personen im
Hauptbahnhof Karlsruhe hervorgeht, betrug im Jahre 1885 die
Zahl der Personenzüge 130, im Jahre 1900 dagegen 225, die
Zahl der Reisenden 1358141 vczw. 2529494.) Bei der Aus-
führung des neuen Projekts südlich des Lauterbergs, das als
Durchgangsbahnhof gedacht ist, würden sämmtliche
Bahnhofsanlagen westlich der Rüppurrerstraße abgebrochen und
dieses ganze Gelände als Baugebiet für die städtische Entwicklung
frei werden. Der Güterbahnhof könnte an seiner jetzigen Stelle
verbleiben und wäre nach Osten ausdehnungsfähig. Was die
von der Stadtverwaltung angeregte Frage des Ankaufs der
Maxaubahn betreffe, so sei die Zweckmäßigkeit des Ankaufs
vom Standpunkt der Eisenbahnintercssen im allgemeinen zu
bejahen, allein diese Maßregel sei nur bei einem mäßigen
Preis zu empfehlen. Die Kommission hat sowohl den Nachtrag,
als die der Zweiten Kammer in dieser Sache zugegangenen drei
Petitionen Karlsruher Einwohner, von denen sich zwei (aus der
Oststadt) gegen und eine für die Verlegung des Bahnhofs aus-
sprachen, eingehend geprüft und faßt ihre Anschauungen in

1)

Die Irre von Sankt Rochus.
Kriminalroman von Gustav Höcker.
(Nachdruck verboten.)

L.Äus xjnem kleinen Hause, neben dessen Thür sich ein
h H>li> mit der Abbildung einer Mangel oder Drehrolle und
ej)v Zusatze: ,10 Pfennig für die Stunde" befand, trat an
fistbin Fedruarmorgen eine dralle Dicstmagd. Ihr ansehnlicher
q/vesumfang batte ihr in der Nachbarschart den Namen
L/vsessors dicke Rest" eingetragen; das rosige Roth der
«fistend prangte in frischen Farben auf den übervollen
Östren; über ihr gutmükhiges Gesicht, welches im Zustande
st„.Ruhe glänzte, als wäre es polirt, perlten jetzt, trotz der
^ Uigen Temperatur, dicke Schweißtropfen; denn sie hatte
e? Drehrolle bereits ein tüchtiges Stück Arbeit geleistet,
hfi" der Tragkorb, der ihre runden Schultern drückte und
stell?" ^n Rand mit der blüthenweißen Wäsche gefüllt war,
"je eine ansehnliche Bürde dar.
stch^i schritt dem nahen Hause ihres Gebieters zu, bewegte
' ^ „nk kio kirpitss. mit Blumen

mr (Lime neymeno uno mir oer . .
lhg' »'erlichen Eisengeländer sich stützend. An der Glas-
welche in die Wohnung führte und matte gemusterte
Artü* " zeigte, holte sie einen Schlüssel, einen sogenannten
Rest s' aus ihrer Schürzentasche, mit dem sie öffnete.
MofUand jetzt auf einem langen Korridore, welcher die
^em, "ä in zwei Hälften theille und durch ein großes
sfifr am anderen Ende sein Licht empfing.
^ea°Ä^ erste Blick des Mädchens fiel auf einen dunklen
Wand in der Mitte des Korridors. Es war eine lang
streckte menschliche Gestalt, daran konnte kein Zweifel

obwalten. Ties erschrocken, aber beherzt und resolut wie sie
war. ließ Rest ihren Tragkorb herabgleilen und eilte aus die
Unglücksstelle zu.
„Gott im HimmelI rief sie. „es ,st Fräulein Konstanzei
Bewegungslos lag die schlanke Gestalt da. Das schöne
Antlitz war todtenbleich, kein Zucken der langen, dunklen
Wimpern, welche sich über die geschlossenen Augenlider
legten, verrieth eine Spur von Leben; das rabenschwarze
Haar, wohl durch die Wucht des Falles aufgelöst, umfluthete
regellos Kovf und Schultern. . ^
Rest hoffte, daß es sich nur um eine Ohnmacht handle.
Sie holte Essig aus der Küche, richtete den Oberkörper der
Leblosen empor und rieb ihr Stirn und Schläfen mit der
aromatischen Flüssigkeit. Während dieser unausgesetzten
Bemühungen stellten ftck allmählich leise Lebenzeichen
ein, und endlich erhoben sich die Lider und ein großes,
tiesdunkles Augeupaar kam zum Vorschein. Aber nicht
das milde Feuer lag darin, welches sonst aus diesen Augen
strahlte, sondern mit dem Blicke des Wahnsinns starrte
Konstanze umher.
Plötzlich stieb sie, als besinne sie sich auf etwas, einen
durchdringenden Schrei aus. raffte sich, wie von einer wilden
Kraft beseelt, fast ohne Hilfe empor und stürzte den Korridor
entlang, Rost winkend, .ihr zu folgen. Durch ein großes
Zimmer, welches eine Bibliothek und eine Anzahl von Glas-
schränken mit alterthümlichen Sammlungen enthielt, traten
beide Mädchen in das daranstoßende Schlafgemach des
Hausherrn. Noch immer unfähig, zu sprechen, deutete
Konstanze aus den Profeffor. der ,n seinem Bette lag, und
sank dann vor demselben nieder, die SNrn an den Beltrand
gedrückt, während ein furchtbares Schluchzen sich aus ihrer
^'Resi"kre'lschte laut auf. Ein einziger Blick hatte sie be-
lehrt daß vier etwas Entsetzliches geschehen war- Der Kops
des Gelehrten zeigte blutige Wunden, welche das spärliche
blonde Haar an verschiedenen Stellen roth gefärbt hatten.

Selbst das Auge des Unkundigen konnte sofort erkennen, daß
der Mann todt war-
„Ermordet! ErmordetI" schrie Rest und rang die Hände.
Als müsse sie den Mörder noch in der Wohnung finden,
stürzte die beherzte Magd auS einem Zimmer ins andere,
um zuletzt unverrichteter Sache zurückzu kehren. Niemand
befand sich in der Wohnung als die beiden Mädchen. Da
alle Fragen an Konstanze. die vor Schluchzen nicht sprechen
konnte, vergebens waren, eilte Reste auf die Straße hinab»
um dem Schutzmann Anzeige zu machen, den sie auf seinem
gewöhnlichen Posten an der Straßenecke fand.
Kaum eine Viertelstunde später war ein Kriminal-
kommissar zur Stelle und die telephonische Nachricht von
der Mordthat befand sich bereits aus dem Wege zur Staats-
anwaltschaft. Wie der Kommissar schon nach oberflächlicher
Untersuchung feststellen konnte, war der Tod des Gelehrten
durch ein stumpfes Instrument, ledenfalls durch Schläge
mit einem eisernen Sommer erfolgt; die Beschaffenheit
der Wunden mit den hineingedrückten Kopfhaaren ließ das
erkennen.
Konstanze hatte sich soweit erholt, um die Fragen des
KommissätS beantworten zu können. Sie bekleidete im
Hause des Professors die Stelle einer Vorleserin. Frau
Bruscher. die Wirthschafterin des ledigen Herrn, hatte gestern
Abend eine Reise angetreten. Jeden Morgen um neun
Uhr brachte sie ihm den Kaffee ans Bett; an ihrer Stelle
hatte dies beule Konstanze übernommen. Als sie ins Schlaf-
zimmer trat, entdeckte sie den Mord. Um Hilfe herbei,u-
rufen, stürzte sie sogleich wieder hinaus, kam aber nur bis
an den Korridor, wo sie, erschüttert von dem grausigen
Ereigmß, die Besinnung verlor. Erst durch Rest, welche
früh sieden Uhr zum Wäscherollen gegangen und gegen zehn
Udr zurückgekehrt war. wurde Konstanze wieder zum Be-
wußtsein gebracht.
_ (Fortsetzung folgt.)
 
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