Abg. Albrccht (Soz) beantragt, die Bestimmung hinzu-
zufügen, dag die Polizei nicht berechtigt sei, solche Personen in
bestimmte Stadttheile oder Wohnungen zu verweisen.
Abg. Beck h begründet seinen Antrag, welcher nothwendig sei,
wenn man nicht solche Personen obdachlos machen oder in öffent.
liche Häuser treiben wolle. Da man das unzüchtige Gewerbe
duldet, so darf man auch nicht diejenigen, die jenen Personen
Wohnungen vermiethen, wegen Kuppelei bestrafen.
Nach längerer Debatte tritt Staatssekretär Dr. Nieber-
d i n g für den Paragraphen ein, der auch durch die rigorose
Rechtsprechung des Reichsgerichts nothwendig erscheine.
Um 7 Uhr Abends wird schließlich die Berathung auf morgen
Mittag 1 Uhr vertagt.
Badischer Landtag. 8.0. Karlsruhe, 25. Januar.
(21. Sitzung der Zweiten Kammer.) Die all-
gemeine Berathung über den Etat wird fortgesetzt.
Minister von Brauer weist auf die große Steigerung der
Ausgaben im Eisenbahnbudget hin, die hauptsächlich von der
großen Vermehrung der etatmäßigen Beamtenstellcn herrührt;
auch die Löhne der Arbeiter wurden erheblich aufgebessert. Es
sei daher befremdend, daß die Zahl der Petitionen von Etsen-
bahnangestellten immer größer wird. Manche Kategorien ver-
langen eine Aenderung des Gehaltstarifs, obwohl sie wissen,
daß auf diesem Landlag keine Rede davon sein kann. Große
Summen sind auch für das rollende Material, für Kohlen u. s. w.
eingestellt. Die Zahl der auf der Hauptlinie kursirenden Züge
sei so groß, wie kaum irgendwo. Dabei gedenke die Verwaltung
im nächsten Sommer weitere Züge einzustellen. Auch auf den
Nebenbahnen sei der Fahrplan reich ausgestattet. Hinsichtlich des
Eisenbahnbaubudgets könne sich kein Einsichtiger der Ueber-
zeugung verschließen, daß hier nicht gekargt wird. Daß große
Restmittel nicht verwendet wurden, rühre nicht so sehr von dem
Mangel an Technikern her. wie der Abg. Heimburger meinte;
vielmehr wird häufig die Fortsetzung eines Baues oder die
Durchführung eines Projektes dadurch gehemmt, daß der leitende
Techniker stirbt oder erkrankt, oder daß die Verhandlungen mit
andern Staaten oder mit Gemeinde» nicht rasch von Statten
gehen oder bestimmte Lieferungen nicht rechtzeitig eintreffen. Auf
alle Fälle habe man keine Ursache, die Eisenbabnverhältnisse pes-
simistisch aufzufassen. Unsere Eisenbahnen befinden sich gegen-
wärtig in einer sehr günstigen Situation und in einem mäch-
tigen Aufschwünge. Die Verwaltung hege die Hoffnung, sie auf
der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten.
Abg. Greifs ist überzeugt, daß die Landwirthschaft der
staatlichen Hilfe nicht entbehren kann. Der Werth einer Landes-
kreditkasse scheine ihm zweifelhaft; die Regierung möge dagegen
den Sparkassen das größte Augenmerk zuwenden und ihnen in
Zeiten der Geldtheuerung Geld zu billigem Zinsfuß zur Ver-
fügung stellen.
Abg. Mampel tritt für Verstaatlichung des Feuerversiche-
rungswesen« ein. Der verminderte Wohlstand in der Pfalz
rühre von dem Rückgang des Tabakbaues her, der wiederum
durch die verfehlte Besteuerung bedingt sei. Die Ausführungen
des Eisenbahnministers haben ihn sympalhisch berührt; nament-
lich begrüße er die Erhöhung der Löhne der Arbeiter.
Abg. Uibel giebt seiner Freude Ausdruck, daß der Finanz-
minister seinen Antrag auf Aufhebung der Wiltwenkassenbeiträge
so freundlich ausgenommen hat nnd hofft, daß die Aufhebung
nicht bis zur Revision der Gehaltsordnung verschoben wird Eine
Reihe von Wünschen der Stadt Konstanz, des „Aschenbrödels"
im Budget, werde er bei der Einzelberathung Vorbringen.
Abg. Klein ist noch heute, wie früher, für die Errichtung
einer Landeskreditkasse, die ihm allerdings nicht dringlich erscheine.
Minister Dr. Eisen lohr betont, daß er mit allen Kräften
im Staatsministerium für die Landwirthschaft eingetreten sei.
Im Budget sind wieder erhebliche Mehrforderungen für land-
wirthschafllichc Zwecke eingestellt. Hinsichtlich der Landeskredit-
kasse wurden die Gründe, die der Finanzmintster gegen deren
Einführung in's Feld führte, vom Staatsministerium getheilt.
Die größte Beachtung verdienen die Vorschläge des Geh. Hofraths
Hecht betr. die Annuitätentilgung mit Versicherung des Rest-
kapitals. Eine bessere Unterstützung der Kreise sei wohl Bedürs-
niß, aber auch hier gelte der Satz: „Lst rnoäus in rsbus sie."
Wenn die Finanzlage eine Erhöhung der Dotationen gestatte, so
fei er damit einverstanden. Der Hagelversicherungsfond biete
zweifellos große Vortheile. Die Berathung des Weingesetzes
und die Vorbereitung der Handelsverträge machen gute Fort-
schritte. Die Interessen der Landwirthschaft werden dabei in
jeder Hinsicht gewahrt.
Abg. Pfefferte plädirt für Besserstellung der höheren Be-
amten durch Aufhebung der Wiltwenkassenbeiträge, Erhöhung des
Wohrungsgelds und Vermehrung der Dienstwohnungen. Er
begrüßt die Positionen zu Gunsten unbemittelter Gemeinden.
Abg. Schüler hält Verkehrserleichterungen für die Land-
wirthschaft dringend nothwendig und begrüßt die Aufhebung des
mittelalterlichen Folterapparats, des Pflastergelds (Heiterkeit).
In längeren Ausführungen trat sodann der Redner für die
Gründung einer Landerkreditkasse ein
Abg. Geck kan» ebenfalls seine Anerkennung dem „vernünf-
tigen" Staatshaushalt nicht versagen. Er beklagt sich über die
schlechte Behandlung, die den sozialdemokratischen Vereinsver-
fammlungen von Seiten der Behörden zu Theil werde. Die
stetige Ueberwachung der Polizeiorgane erwecke den Eindruck, als
ob die Sozialdemokraten Bürger zweiter Klasse wären. Die Er-
klärung des Staatsministers bezüglich der Interpellation über die
Zuchthausvorlage habe ihn nicht befriedigt. Ueber den Wider-
spruch zwischen der Haltung der Bundesralhsbeoollmächtigten
und dem ausgesprochenen Willen des Volks und der Volks-
vertretung könne man nicht hinwegkommen. Redner tritt für die
Proportionswahl und für die Aufhebung der Fleischaccise ein.
Für die Flotienoermehrung sei im badischen Volk keine Stimmung
vorhanden (Rufe: Ohol) Die großen Kosten geben zu denken.
Minister Dr. Eisenlohr erklärt, daß ihm die Besprechung
der Interpellation Dreesbach durchaus nicht unerwünscht war.
Er habe nur gesagt, daß sich kein Antrag anschließen dürfe. Die
Antwort der Regierung auf die Anfrage des Reichskanzlers be-
wegte sich in sehr mäßigen Grenzen und deckte sich mit dem
Vorschlag, auf den sich 1890 der ganze Bundesraly veieinigic.
Baden konnte nicht abseits stehen vleiben. Geck vergesse, daß
wir ein deutsches Reich haben, in dem eine gemeinsame Straf-
gesetzgebung für alle Bundesstaaten gilt. Klagen über ungleich-
mäßige Behandlung der Sozialdemokraten seien ihm selbst noch
nicht hinterbracht worden. Es wäre ihm nur angenehm, wenn
die Aufsicht wegfallen könnte. In neuerer Zeit scheine in der
Thal ein etwas milderer Ton in den sozialdemokratischen Ver-
sammlungen zu herrschen: wenn die Sozialdemokraten auf diesem
Weg fortschreiten, könne auch die Ueberwachung aufhören.
Abg. Dr. Wilckens glaubt, daß Geck hinsichtlich der
Stimmung des Volkes über die Flottenvorlage schlecht unter-
richtet ist. Die Nolhwendigkeit einer Floltenvermehrung werde
in allen einsichtigen Kreisen des Volkes anerkannt. Wenn das
deutsche Reich im Ausland etwas gellen wolle, dann müsse es
auch zur See ein scharfes Schwert führen. Gerade die Er-
fahrungen der letzten Wochen könnten darüber keinen Zweifel
auskommen lassen. Er wünsche nur, daß der Reichstag die
richtige Entscheidung trifft. Redner begrüßt die heutigen Er-
klärungen des Ministers von Brauer und wünscht, daß die
Finanzlage es gestaltet, auch in den nächsten Jahren oas Ltaats-
bahnnetz Weiler auszubauen, besonders im Odenwald. Er lenkt
die Aufmerksamkeit des Hauses und der Regierung auf die Miß-
stände im Heidelberger Bahnhof und befürwortet eine durch-
greifende Aenderung. Die Aufhebung der Wittwenkassebeiträge
der Beamten und Lehrer sowie die Erhöhung des WohnungS-
geldes lege er der Regierung warm an's Herz. An die Landes-
kreditkasse werden nach seiner Ansicht überlriebene Hoffnungen
geknüpft. Jedes Geldinstitut müsse sich nach der Lage des Geld-
marktes richten. Sehr bald sollte man an die Errichtung einer
staatlichen Hagelversicherung herantreten. Auf dem Gebiete der
Kreisdotationen sollte von Seiten des Staates mehr geschehen,
als bisher; auch die Beiträge an unbemittelte Gemeinden seien
unzulänglich. Hinsichtlich der Wahlrechtsfrage theile er die An-
sicht Fieser's.
Um 1 Uhr wird die Sitzung auf Freitag, Vormittags
9Vr Uhr. vertagt. Es sind noch 1t (I) Redner vorgemerkt.
Bayern. Der unerhörte Fall, daß ein Priester seine
friedliebende Grabrede zurück nimmt, beschäftigt in
Bayern die öffentliche Meinung. Domdekan Per-
manne hatte dem kürzlich verstorbenen 1. Bürgermeister
von Augsburg, v. Fischer, eine ebenso warmherzige wie
feinsinnige Grabrede gehalten.
Religiöser Friede, nihrle er aus, habe unter ibm in
Augsburg geherrscht. Der Vorwurf, daß der Verstorbene,
ein Nationalliberaler, gegen die Vertreter der kalh 'l. Sache
erbittert gewesen, sei in seiner Allgemeinheit nicht wahr
Sei er verbittert gewesen, so habe das Gründe gehabt. Er,
der Geistliche, der mit dem Verstorbenen seil 50 Jabren
Verkehrt habe, kenne diele Gründe. „Aber", ickloß der Dekan,
„mir alle in Augsburg Hallen nickt an dem kalten Buchstaben
fest, sondern am Ge:st des Evangeliums, und Ver spricht
nicht von Hag und Rache und Feindsetigkelt, sondern von
Liebe . . ."
Diese tolerante Grabrede ging der ultra monta-
nen Presse sehr wider den Sirich. Durch diese An-
griffe und eine Anzahl anonymer Zuschriften wurde der
Domdckan eingeschüchlert und er unterwarf sich löblich!
Er erklärte in der Augrb. Postztg., es habe ihm bei
seiner Grabrede ferngelegen, jemand, der dem Standpunkt
der kathol. Kirche entgcgenhandle, zu begünstigen. Er
habe dem Verstorbenen nur einen Nachruf widmen wollen,
der Thalsachen aus seiner Verwaltungsthätigkeit enthielt.
Diese Absicht sei ihm „im Affekt der Rede leider
mißlungen." Daß die Unterwerfung Permannes
gegenüber einer umfassend organisirten demagogischen
Hetze geschieht, die einen Ehrenmann noch im Grabe ver-
folgt und als Feind der Kirche verlästert, weil er ein
Gegner nicht der Kirche, sondern der rein politischen und
sehr weltlichen Bestrebungen des U lt ra m o nt a nt s mus
war, das spricht ganze Bände über die Zustände, in
welchen wir leben.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Bahnvcrwalter Wilhelm Weber in Konstanz das Ritterkreuz
zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen und
denselben auf sein Ansuchen bis zur Wiederherstellung seiner
Gesundheit in den Ruhestand versetzt.
Karlsruhe, 25. Jan. Der Großherzog nahm heute
Vormittag verschiedene Vorträge, sowie die Meldung des
Generalmajors z. D. Fritsch, I. Vicepräsident des Badi-
schen Mllitärvereinsverbandes, entgegen. Zur Mittagstafel
erschien die Fürstin Sophie zur Lippe. Die Absicht der
Großherzoglichen Herrschaften, zum Geburtstag Seiner
Majestät des Kaisers nach Berlin zu reisen, ist durch die
schwere Erkrankung der Herzogin von Schleswig-Holstein-
Augustenburg verhindert worden. Ihre Königlichen Ho-
heiten hatten beabsichtigt, auf dem Wege nach Berlin auch
dem Großherzog von Sachsen einen Besuch in Weimar
abzustatten und am 24. in Berlin einzutreffen. Zu ihrem
großen Bedauern können Ihre Königlichen Hoheiten Ihre
treuen Geburtstagswünsche nicht dersönlich darbringen und
müssen nun auf diese Freude verzichten.
Ausland.
Frankreich. Paris, 25. Jan. In der Kammer
brachte Brisson einen Gesetzentwurf ein, in dem die
Sä culari siru n g der Güter von nicht ge-
nehmigtenmännlichenCongregationen gefordert
wird. Anlaß dazu hat der Assumptionistenprozeß ge-
geben.
England. London, 25. Jan. In einem besonderen
Artikel führt die Times aus: Die Rede des Staats-
secretärs Grafen v. Bülow im Reichstag dürfte
als ein bedeutender Schritt auf dem Wege der fortschrei-
tenden Entwicklung des internationalen Rechtes sich er-
weisen, vielleicht als der bedeutsamste seit einer ganzen
Reihe von Jahren. Der Ton seiner Rede ist nicht con-
ciliant; die Diplomatie wird mit weniger Herbheit und
weniger peremptorischer Sprache geführt werden müssen,
wenn Verhandlungen ein Ergebniß haben sollen. Was
auch bei dem Ideenaustausch über das Recht der Durch-
suchung neutraler Schiffe und über die Kriegscontrebande
herauskommen möge, wir zweifeln nicht, daß die einleiten-
den Schritte zu einer umfassenden Erörterung der Frage
der Kriegscontrebande, wenn sie in freundschaftlichem
Geiste auf der breiten Grundlage der öffentlichen Interessen
gethan werden, offen und bereitwillig von der englischen
Regierung ausgenommen werden.
Asien. Shanghai, 25. Jan. Die North China
Daily News meldet: Durch ein in der letzten Nacht vom
Kaiser unterzeichnetcs Edikt wird der neun Jahre alte
Sohn des Prinzen Tuang, namens Putsing,
zum Kaiser ernannt. Er besteigt am 31. Januar den
Thron. (Ueber de unglücklichen», Kaiser' von China
Tsai-t'ien, der seit dem 12. Januar 1875 nominell die
Regierung führte, im amtlichen chinesischen Stile „Fort-
setzung des Glanzes" benannt, schwebte schon seit langem
das Damoklesschwert in Gestalt der harten Hand seiner
Tante und Adoptivmutter Tsu Hßi, die jetzt bald 66
Jahre alt wird, aber von ihrer Herrschbegier nichts ein-
gebüßt hat. Der Kaiser war nur „selbständig" vom
4. März 1889 bis 22. September 1898, wo ihn
seine Adoptivmutter wieder gänzlich unterkriegte; jetzt hat
sie ihn gänzlich beseitigt, und der noch nicht ganz 28
Jahre alte Alt-Kaiser kann zusehen, wie der 9 Jahre
alte Putsing das Reich beglückt; d. h. so lange, als die
Kaiserin-Mutter es für gut befindet, den Adoptivsohn zu-
schauen zu lassen. Der neue Kaiser ist einer von den
6000 anerkannten Prinzen, von denen die weise Tsu-Hßi
ihn als den ungefährlichsten erwählt hat.)
Afrika. Vom Kampf .um den Spionskop ist
gestern die nachstehende telegraphische Nachricht eingetroffen,
die wir gestern hier durch Vertheilung von Extrablättern
verbreitet haben:
London, 25. Jan. Das Kriegs amt veröffentlicht
eine Depesche aus Spearmanskamp von heute
Mitternacht 12.10: Warrens Truppen besetzten Diens-
tag Nacht Spionskop; sie überraschten kleine Buren-
abtheilungen, die flohen. Spionskop ist den ganzen
Mittwoch über von den Engländern besetzt gehalten
trotz heftiger Angriffe, besonders durch großen Scha-
den bringendes Granatenfeuer. Warren befürchtet be-
trächtliche Verluste. General Woodgate ist gefährlich
verwundet. Warren glaubt, er habe die Stellung des
Feindes unhaltbar gemacht. Seine Truppen sind
in ausgezeichneter Verfassung.
Die obige Meldung ist so, wie alle offiziellen englischen
Meldungen: was darin stcht, ist richtig, aber die Meldung
ist durchaus nicht erschöpfend, so daß dem Leser manche
Fragen übrig bleiben. Auffallend ist. daß die Engländer
nur kleine Burcnabtheilungen auf dem Spionskop vorfan-
den und daß andererseits die Buren heftige Angriffe auf
die Engländer richteten, nachdem diese im Besitz des
Spionskvps waren. Warren glaubt auch nur, daß er die
Stellung der Buren unhaltbar gemacht habe, während
früher auf englischer Seite versichert wurde, Spionskop
sei der Schlüssel zur Position der Buren. Ein klares
Urtheil über den Erfolg der Engländer und seine Trag-
weite wird man sich erst bilden können, wenn weitere
Nachrichten eingelaufen sein werden.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 26. Januar.
1"f Heidelberger Tchützenverei«. Der Heidelberger Schützen-
der ein hielt gestern Abend bet zahlreicher Betheiligung im Saale
des „Rothen Ochsen" seine Jahresversammlung ab. Ter Ober»
schützenmeister erstattete zunächst einen ausführlichen Bericht über
die Thättgkeit des Vereins im vergangenen Jahre, demselben
schloß sich der Bericht des Rechners an, worauf dessen Entlastung
nach vorheriger Aussprache des Rechnnngsrevisors erfolgte. Um
für den Verein die Rechtsfähigkeit zu erlangen und seine Ein-
tragung in das Vercinsregister des hiesigen Amtsgerichts zu ei'
wirken, war die Anpassung der Statuten an die neuen Gesetz-
bestimmungcn nöthig. Gestern nun wurden die einzelnen Para-
graphen der bisherigen Statuten einer eingehenden Besprechung
unterzogen und im Sinne des Gesetzes zum Theil geändeit und
zum Theil neu formulirt. Während der Vorstand bisher aus
sieben Mitgliedern bestand, setzt sich derselbe nunmehr nur aus
dem Oberschützenmeisler und dessen Stellvertreter, dem Schützen'
meister, zusammen, an Stelle der früheren Vorstandsmitglieder
tritt der Verwaltungsrath, der außer dem Vorstand aus dem
Schriftführer, dem Rechner, dem Ockonomen und fünf Beisitzern
besteht. Vorstand und Verwallungsrath werden auf 4 Jahre
gewählt, letzterer jedoch mit der Maßgabe, daß alle zwei Jahre
die Hälfte der Mitglieder ouöscheiden. Das erste Mal werden
die Ausscheidenden durch das Loos bestimmt. Nach Durchberathung
der Statuten wurde die Wahl des Vorstandes, des Verwaltungs-
raths, sowie der Rechnungsrevisoren vorgenommcn. Oberschützen-
meistcr ist Herr Emil RoeSler, Schützenmeister Herr Karl
Ditteney. Ten Verwaltungsrath bilden folgende Herren:
Josef Lindau, Schriftführer, Friedrich Wald, Rechner, Martin
Burktzardt, Oekonom; Emil Edel, Franz Leupold, Otto Anton
Klotz, Friedrich Krauß, Karl Friedrich Schmidt. Beisitzer. Die
Aufnahme neuer Mitglieder bildete den Schluß der Versamm-
lung.
di Schöfieugerichtssttzung vom 25. Jan. 1) Karl Kollmar,
Gvpser dahier, erhielt wegen Körperverletzung 2 Wochen Ge-
sängniß, 2) Maria Barbara Vogel, Ehefrau geb. Gerbert dahier,
wegen Bedrohung 1 Woche Gefängniß, 3) Robert Kunz, Tag-
löhner dahier, wegen Körperverletzung 2 Wochen Gefängnis'
4) Emil Henri Wilh. Jsenbiehl, Schriftsetzer dahier, wegen Be-
drohung eine Geldstrafe von 30 „/t 5) Joh. Georg Stotz-
Maurer, Philipp Buhl, Maurer, Johann Schwegler, Maurer,
Franz .Holzmann, Maurer, Georg Philipp Rühle, Maurer, und
Karl Ludwig Spahr, Former, alle in Eppelheim, erhielten wegen
Körperverletzung Stotz eine Geldstrafe von 20^., Buhl. Schwegler,
Holzmann und Rühle je 15 Geldstrafe, Spahr 40 Geld-
strafe. 6) Karl Jakob Rümmer, Wagner in Handschuhshein>-
crhielt Wege» Unterschlagung 1 Woche Gefängniß
— Polizeibericht. Eine Mannsperson wurde wegen fort-
gesetzter Ruhestörung verhaftet; sechs Personen kamen wegen
Ruhestörung und eine wegen Körperverletzung zur Anzeige.
Karlsruhe, 25. Jan. Die Karlsruher Bahnhoffragt
wird wohl demnächst wieder in Fluß kommen, da die Generm-
direktion der Großh. Staatseisenbahnen sich, dem Vernehmen der
Landcszeitung nach, für eine Verlegung des jetzigen HauR'
buhndofs ausgesprochen hat- Für den Neubau ist das Prosts
ins Auge gefaßt, welches den neuen Hauptbahnhof auf l>e^
städtischen Gelände hlntcr dem Lauterberg. also zunächst ",
Stelle des jetzigen Lautersees, erstellen will, etwa parallel d^
Ettlingerstraße und zwar wie bisher als Durchgang-station. Hier)"
sind bedeutende Geländeerwciterungen nöthig. Man wird st"
erinnern, daß die früheren Entwürfe des jetzigen Oberbauinspe''
tors Speer und des Architekten Hcmberger diesem Projekto"'
nächsten stehen. Hr. Architekt Hemberger wurde auf nächste'!
1. April von der Generaldtrektion der Großh. StaalSbah»^
berufen.
Karlsruhe, 25. Jan. Den vereinigten Korporation^'
der Technischen Hochschule ist von Rektor und Senat d>
Abhaltung des Kaiserkommerses verboten Mordes
Der Grund dieser Maßregel liegt darin, daß die Korporationen
die katholischen Verbindungen auch dieses Mal nicht zur The),
»ahme an dem Feste arttgefordert haben. Das Verhalten
konfessionellen Verbindungen hatte in den Zeiten von Bisams
Ungnade mit Recht die Entrüstung der vereinigten Korporation-'
und damit ein Zerwürfntß hervorgerufen. Die Spannung " ,
steht auch heute noch. Bedauerlich ist, wie die Landesztg. her""!,
hebt, daß diese Verhältnisse den Rektor und den Senat
Technischen Hochschule zu einer so radikalen Maßregel, wie --
die Untersagung des Kommerses ist, veranlaßt haben.
dieser Zwang wird nicht geeignet sein, den Zwist zu heben, WA
aber hindert er die erdrückende Mehrheit unserer inkorporir'^
Hochschüler, ihrer bewährten vaterländischen Gesinnung,^'
Geburtstage des Kaisers in feierlicher Form und gemeint" ?
Ausdruck zu verleihen. Die Erwägung, welches Uebel
kleinere ist, hat bei der Entscheidung der Hochschul-Behoe"
augenscheinlich keine Rolle gespielt.
Freistett, 24. Januar. Ein gräßliches Unglück ist
, _ gest.-F
im„Gasthaus zum Goldenen Sternen"" geschehen." Aus bis
noch nicht aufgeklärter Ursache geriethen Mehlsäcke auf "
Speicher in Brand. Das Dienstmädchen suchte diesen Bro
zu ersticken und wurde selbst vom Feuer erfaßt und sprang en^
lich brennend herunter, um Hilfe zn holen. Herr Stecneriw' ,,
Meckle hatte sofort die Geistesgegenwart, das brennende MäoAg
im Hof auf den Boden zu werfen und zu rollen, bis
herbeigebracht waren, womit das Feuer erstickt werden koN'^
Dann eilte er auf den Speicher und es gelang ihm auch- .§r
dortigen Brand noch zn ersticken, ehe er das erst vor ein
Jahren erbaute prächtige und geräumige Gebäude erfaßt
zufügen, dag die Polizei nicht berechtigt sei, solche Personen in
bestimmte Stadttheile oder Wohnungen zu verweisen.
Abg. Beck h begründet seinen Antrag, welcher nothwendig sei,
wenn man nicht solche Personen obdachlos machen oder in öffent.
liche Häuser treiben wolle. Da man das unzüchtige Gewerbe
duldet, so darf man auch nicht diejenigen, die jenen Personen
Wohnungen vermiethen, wegen Kuppelei bestrafen.
Nach längerer Debatte tritt Staatssekretär Dr. Nieber-
d i n g für den Paragraphen ein, der auch durch die rigorose
Rechtsprechung des Reichsgerichts nothwendig erscheine.
Um 7 Uhr Abends wird schließlich die Berathung auf morgen
Mittag 1 Uhr vertagt.
Badischer Landtag. 8.0. Karlsruhe, 25. Januar.
(21. Sitzung der Zweiten Kammer.) Die all-
gemeine Berathung über den Etat wird fortgesetzt.
Minister von Brauer weist auf die große Steigerung der
Ausgaben im Eisenbahnbudget hin, die hauptsächlich von der
großen Vermehrung der etatmäßigen Beamtenstellcn herrührt;
auch die Löhne der Arbeiter wurden erheblich aufgebessert. Es
sei daher befremdend, daß die Zahl der Petitionen von Etsen-
bahnangestellten immer größer wird. Manche Kategorien ver-
langen eine Aenderung des Gehaltstarifs, obwohl sie wissen,
daß auf diesem Landlag keine Rede davon sein kann. Große
Summen sind auch für das rollende Material, für Kohlen u. s. w.
eingestellt. Die Zahl der auf der Hauptlinie kursirenden Züge
sei so groß, wie kaum irgendwo. Dabei gedenke die Verwaltung
im nächsten Sommer weitere Züge einzustellen. Auch auf den
Nebenbahnen sei der Fahrplan reich ausgestattet. Hinsichtlich des
Eisenbahnbaubudgets könne sich kein Einsichtiger der Ueber-
zeugung verschließen, daß hier nicht gekargt wird. Daß große
Restmittel nicht verwendet wurden, rühre nicht so sehr von dem
Mangel an Technikern her. wie der Abg. Heimburger meinte;
vielmehr wird häufig die Fortsetzung eines Baues oder die
Durchführung eines Projektes dadurch gehemmt, daß der leitende
Techniker stirbt oder erkrankt, oder daß die Verhandlungen mit
andern Staaten oder mit Gemeinde» nicht rasch von Statten
gehen oder bestimmte Lieferungen nicht rechtzeitig eintreffen. Auf
alle Fälle habe man keine Ursache, die Eisenbabnverhältnisse pes-
simistisch aufzufassen. Unsere Eisenbahnen befinden sich gegen-
wärtig in einer sehr günstigen Situation und in einem mäch-
tigen Aufschwünge. Die Verwaltung hege die Hoffnung, sie auf
der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten.
Abg. Greifs ist überzeugt, daß die Landwirthschaft der
staatlichen Hilfe nicht entbehren kann. Der Werth einer Landes-
kreditkasse scheine ihm zweifelhaft; die Regierung möge dagegen
den Sparkassen das größte Augenmerk zuwenden und ihnen in
Zeiten der Geldtheuerung Geld zu billigem Zinsfuß zur Ver-
fügung stellen.
Abg. Mampel tritt für Verstaatlichung des Feuerversiche-
rungswesen« ein. Der verminderte Wohlstand in der Pfalz
rühre von dem Rückgang des Tabakbaues her, der wiederum
durch die verfehlte Besteuerung bedingt sei. Die Ausführungen
des Eisenbahnministers haben ihn sympalhisch berührt; nament-
lich begrüße er die Erhöhung der Löhne der Arbeiter.
Abg. Uibel giebt seiner Freude Ausdruck, daß der Finanz-
minister seinen Antrag auf Aufhebung der Wiltwenkassenbeiträge
so freundlich ausgenommen hat nnd hofft, daß die Aufhebung
nicht bis zur Revision der Gehaltsordnung verschoben wird Eine
Reihe von Wünschen der Stadt Konstanz, des „Aschenbrödels"
im Budget, werde er bei der Einzelberathung Vorbringen.
Abg. Klein ist noch heute, wie früher, für die Errichtung
einer Landeskreditkasse, die ihm allerdings nicht dringlich erscheine.
Minister Dr. Eisen lohr betont, daß er mit allen Kräften
im Staatsministerium für die Landwirthschaft eingetreten sei.
Im Budget sind wieder erhebliche Mehrforderungen für land-
wirthschafllichc Zwecke eingestellt. Hinsichtlich der Landeskredit-
kasse wurden die Gründe, die der Finanzmintster gegen deren
Einführung in's Feld führte, vom Staatsministerium getheilt.
Die größte Beachtung verdienen die Vorschläge des Geh. Hofraths
Hecht betr. die Annuitätentilgung mit Versicherung des Rest-
kapitals. Eine bessere Unterstützung der Kreise sei wohl Bedürs-
niß, aber auch hier gelte der Satz: „Lst rnoäus in rsbus sie."
Wenn die Finanzlage eine Erhöhung der Dotationen gestatte, so
fei er damit einverstanden. Der Hagelversicherungsfond biete
zweifellos große Vortheile. Die Berathung des Weingesetzes
und die Vorbereitung der Handelsverträge machen gute Fort-
schritte. Die Interessen der Landwirthschaft werden dabei in
jeder Hinsicht gewahrt.
Abg. Pfefferte plädirt für Besserstellung der höheren Be-
amten durch Aufhebung der Wiltwenkassenbeiträge, Erhöhung des
Wohrungsgelds und Vermehrung der Dienstwohnungen. Er
begrüßt die Positionen zu Gunsten unbemittelter Gemeinden.
Abg. Schüler hält Verkehrserleichterungen für die Land-
wirthschaft dringend nothwendig und begrüßt die Aufhebung des
mittelalterlichen Folterapparats, des Pflastergelds (Heiterkeit).
In längeren Ausführungen trat sodann der Redner für die
Gründung einer Landerkreditkasse ein
Abg. Geck kan» ebenfalls seine Anerkennung dem „vernünf-
tigen" Staatshaushalt nicht versagen. Er beklagt sich über die
schlechte Behandlung, die den sozialdemokratischen Vereinsver-
fammlungen von Seiten der Behörden zu Theil werde. Die
stetige Ueberwachung der Polizeiorgane erwecke den Eindruck, als
ob die Sozialdemokraten Bürger zweiter Klasse wären. Die Er-
klärung des Staatsministers bezüglich der Interpellation über die
Zuchthausvorlage habe ihn nicht befriedigt. Ueber den Wider-
spruch zwischen der Haltung der Bundesralhsbeoollmächtigten
und dem ausgesprochenen Willen des Volks und der Volks-
vertretung könne man nicht hinwegkommen. Redner tritt für die
Proportionswahl und für die Aufhebung der Fleischaccise ein.
Für die Flotienoermehrung sei im badischen Volk keine Stimmung
vorhanden (Rufe: Ohol) Die großen Kosten geben zu denken.
Minister Dr. Eisenlohr erklärt, daß ihm die Besprechung
der Interpellation Dreesbach durchaus nicht unerwünscht war.
Er habe nur gesagt, daß sich kein Antrag anschließen dürfe. Die
Antwort der Regierung auf die Anfrage des Reichskanzlers be-
wegte sich in sehr mäßigen Grenzen und deckte sich mit dem
Vorschlag, auf den sich 1890 der ganze Bundesraly veieinigic.
Baden konnte nicht abseits stehen vleiben. Geck vergesse, daß
wir ein deutsches Reich haben, in dem eine gemeinsame Straf-
gesetzgebung für alle Bundesstaaten gilt. Klagen über ungleich-
mäßige Behandlung der Sozialdemokraten seien ihm selbst noch
nicht hinterbracht worden. Es wäre ihm nur angenehm, wenn
die Aufsicht wegfallen könnte. In neuerer Zeit scheine in der
Thal ein etwas milderer Ton in den sozialdemokratischen Ver-
sammlungen zu herrschen: wenn die Sozialdemokraten auf diesem
Weg fortschreiten, könne auch die Ueberwachung aufhören.
Abg. Dr. Wilckens glaubt, daß Geck hinsichtlich der
Stimmung des Volkes über die Flottenvorlage schlecht unter-
richtet ist. Die Nolhwendigkeit einer Floltenvermehrung werde
in allen einsichtigen Kreisen des Volkes anerkannt. Wenn das
deutsche Reich im Ausland etwas gellen wolle, dann müsse es
auch zur See ein scharfes Schwert führen. Gerade die Er-
fahrungen der letzten Wochen könnten darüber keinen Zweifel
auskommen lassen. Er wünsche nur, daß der Reichstag die
richtige Entscheidung trifft. Redner begrüßt die heutigen Er-
klärungen des Ministers von Brauer und wünscht, daß die
Finanzlage es gestaltet, auch in den nächsten Jahren oas Ltaats-
bahnnetz Weiler auszubauen, besonders im Odenwald. Er lenkt
die Aufmerksamkeit des Hauses und der Regierung auf die Miß-
stände im Heidelberger Bahnhof und befürwortet eine durch-
greifende Aenderung. Die Aufhebung der Wittwenkassebeiträge
der Beamten und Lehrer sowie die Erhöhung des WohnungS-
geldes lege er der Regierung warm an's Herz. An die Landes-
kreditkasse werden nach seiner Ansicht überlriebene Hoffnungen
geknüpft. Jedes Geldinstitut müsse sich nach der Lage des Geld-
marktes richten. Sehr bald sollte man an die Errichtung einer
staatlichen Hagelversicherung herantreten. Auf dem Gebiete der
Kreisdotationen sollte von Seiten des Staates mehr geschehen,
als bisher; auch die Beiträge an unbemittelte Gemeinden seien
unzulänglich. Hinsichtlich der Wahlrechtsfrage theile er die An-
sicht Fieser's.
Um 1 Uhr wird die Sitzung auf Freitag, Vormittags
9Vr Uhr. vertagt. Es sind noch 1t (I) Redner vorgemerkt.
Bayern. Der unerhörte Fall, daß ein Priester seine
friedliebende Grabrede zurück nimmt, beschäftigt in
Bayern die öffentliche Meinung. Domdekan Per-
manne hatte dem kürzlich verstorbenen 1. Bürgermeister
von Augsburg, v. Fischer, eine ebenso warmherzige wie
feinsinnige Grabrede gehalten.
Religiöser Friede, nihrle er aus, habe unter ibm in
Augsburg geherrscht. Der Vorwurf, daß der Verstorbene,
ein Nationalliberaler, gegen die Vertreter der kalh 'l. Sache
erbittert gewesen, sei in seiner Allgemeinheit nicht wahr
Sei er verbittert gewesen, so habe das Gründe gehabt. Er,
der Geistliche, der mit dem Verstorbenen seil 50 Jabren
Verkehrt habe, kenne diele Gründe. „Aber", ickloß der Dekan,
„mir alle in Augsburg Hallen nickt an dem kalten Buchstaben
fest, sondern am Ge:st des Evangeliums, und Ver spricht
nicht von Hag und Rache und Feindsetigkelt, sondern von
Liebe . . ."
Diese tolerante Grabrede ging der ultra monta-
nen Presse sehr wider den Sirich. Durch diese An-
griffe und eine Anzahl anonymer Zuschriften wurde der
Domdckan eingeschüchlert und er unterwarf sich löblich!
Er erklärte in der Augrb. Postztg., es habe ihm bei
seiner Grabrede ferngelegen, jemand, der dem Standpunkt
der kathol. Kirche entgcgenhandle, zu begünstigen. Er
habe dem Verstorbenen nur einen Nachruf widmen wollen,
der Thalsachen aus seiner Verwaltungsthätigkeit enthielt.
Diese Absicht sei ihm „im Affekt der Rede leider
mißlungen." Daß die Unterwerfung Permannes
gegenüber einer umfassend organisirten demagogischen
Hetze geschieht, die einen Ehrenmann noch im Grabe ver-
folgt und als Feind der Kirche verlästert, weil er ein
Gegner nicht der Kirche, sondern der rein politischen und
sehr weltlichen Bestrebungen des U lt ra m o nt a nt s mus
war, das spricht ganze Bände über die Zustände, in
welchen wir leben.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Bahnvcrwalter Wilhelm Weber in Konstanz das Ritterkreuz
zweiter Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen und
denselben auf sein Ansuchen bis zur Wiederherstellung seiner
Gesundheit in den Ruhestand versetzt.
Karlsruhe, 25. Jan. Der Großherzog nahm heute
Vormittag verschiedene Vorträge, sowie die Meldung des
Generalmajors z. D. Fritsch, I. Vicepräsident des Badi-
schen Mllitärvereinsverbandes, entgegen. Zur Mittagstafel
erschien die Fürstin Sophie zur Lippe. Die Absicht der
Großherzoglichen Herrschaften, zum Geburtstag Seiner
Majestät des Kaisers nach Berlin zu reisen, ist durch die
schwere Erkrankung der Herzogin von Schleswig-Holstein-
Augustenburg verhindert worden. Ihre Königlichen Ho-
heiten hatten beabsichtigt, auf dem Wege nach Berlin auch
dem Großherzog von Sachsen einen Besuch in Weimar
abzustatten und am 24. in Berlin einzutreffen. Zu ihrem
großen Bedauern können Ihre Königlichen Hoheiten Ihre
treuen Geburtstagswünsche nicht dersönlich darbringen und
müssen nun auf diese Freude verzichten.
Ausland.
Frankreich. Paris, 25. Jan. In der Kammer
brachte Brisson einen Gesetzentwurf ein, in dem die
Sä culari siru n g der Güter von nicht ge-
nehmigtenmännlichenCongregationen gefordert
wird. Anlaß dazu hat der Assumptionistenprozeß ge-
geben.
England. London, 25. Jan. In einem besonderen
Artikel führt die Times aus: Die Rede des Staats-
secretärs Grafen v. Bülow im Reichstag dürfte
als ein bedeutender Schritt auf dem Wege der fortschrei-
tenden Entwicklung des internationalen Rechtes sich er-
weisen, vielleicht als der bedeutsamste seit einer ganzen
Reihe von Jahren. Der Ton seiner Rede ist nicht con-
ciliant; die Diplomatie wird mit weniger Herbheit und
weniger peremptorischer Sprache geführt werden müssen,
wenn Verhandlungen ein Ergebniß haben sollen. Was
auch bei dem Ideenaustausch über das Recht der Durch-
suchung neutraler Schiffe und über die Kriegscontrebande
herauskommen möge, wir zweifeln nicht, daß die einleiten-
den Schritte zu einer umfassenden Erörterung der Frage
der Kriegscontrebande, wenn sie in freundschaftlichem
Geiste auf der breiten Grundlage der öffentlichen Interessen
gethan werden, offen und bereitwillig von der englischen
Regierung ausgenommen werden.
Asien. Shanghai, 25. Jan. Die North China
Daily News meldet: Durch ein in der letzten Nacht vom
Kaiser unterzeichnetcs Edikt wird der neun Jahre alte
Sohn des Prinzen Tuang, namens Putsing,
zum Kaiser ernannt. Er besteigt am 31. Januar den
Thron. (Ueber de unglücklichen», Kaiser' von China
Tsai-t'ien, der seit dem 12. Januar 1875 nominell die
Regierung führte, im amtlichen chinesischen Stile „Fort-
setzung des Glanzes" benannt, schwebte schon seit langem
das Damoklesschwert in Gestalt der harten Hand seiner
Tante und Adoptivmutter Tsu Hßi, die jetzt bald 66
Jahre alt wird, aber von ihrer Herrschbegier nichts ein-
gebüßt hat. Der Kaiser war nur „selbständig" vom
4. März 1889 bis 22. September 1898, wo ihn
seine Adoptivmutter wieder gänzlich unterkriegte; jetzt hat
sie ihn gänzlich beseitigt, und der noch nicht ganz 28
Jahre alte Alt-Kaiser kann zusehen, wie der 9 Jahre
alte Putsing das Reich beglückt; d. h. so lange, als die
Kaiserin-Mutter es für gut befindet, den Adoptivsohn zu-
schauen zu lassen. Der neue Kaiser ist einer von den
6000 anerkannten Prinzen, von denen die weise Tsu-Hßi
ihn als den ungefährlichsten erwählt hat.)
Afrika. Vom Kampf .um den Spionskop ist
gestern die nachstehende telegraphische Nachricht eingetroffen,
die wir gestern hier durch Vertheilung von Extrablättern
verbreitet haben:
London, 25. Jan. Das Kriegs amt veröffentlicht
eine Depesche aus Spearmanskamp von heute
Mitternacht 12.10: Warrens Truppen besetzten Diens-
tag Nacht Spionskop; sie überraschten kleine Buren-
abtheilungen, die flohen. Spionskop ist den ganzen
Mittwoch über von den Engländern besetzt gehalten
trotz heftiger Angriffe, besonders durch großen Scha-
den bringendes Granatenfeuer. Warren befürchtet be-
trächtliche Verluste. General Woodgate ist gefährlich
verwundet. Warren glaubt, er habe die Stellung des
Feindes unhaltbar gemacht. Seine Truppen sind
in ausgezeichneter Verfassung.
Die obige Meldung ist so, wie alle offiziellen englischen
Meldungen: was darin stcht, ist richtig, aber die Meldung
ist durchaus nicht erschöpfend, so daß dem Leser manche
Fragen übrig bleiben. Auffallend ist. daß die Engländer
nur kleine Burcnabtheilungen auf dem Spionskop vorfan-
den und daß andererseits die Buren heftige Angriffe auf
die Engländer richteten, nachdem diese im Besitz des
Spionskvps waren. Warren glaubt auch nur, daß er die
Stellung der Buren unhaltbar gemacht habe, während
früher auf englischer Seite versichert wurde, Spionskop
sei der Schlüssel zur Position der Buren. Ein klares
Urtheil über den Erfolg der Engländer und seine Trag-
weite wird man sich erst bilden können, wenn weitere
Nachrichten eingelaufen sein werden.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 26. Januar.
1"f Heidelberger Tchützenverei«. Der Heidelberger Schützen-
der ein hielt gestern Abend bet zahlreicher Betheiligung im Saale
des „Rothen Ochsen" seine Jahresversammlung ab. Ter Ober»
schützenmeister erstattete zunächst einen ausführlichen Bericht über
die Thättgkeit des Vereins im vergangenen Jahre, demselben
schloß sich der Bericht des Rechners an, worauf dessen Entlastung
nach vorheriger Aussprache des Rechnnngsrevisors erfolgte. Um
für den Verein die Rechtsfähigkeit zu erlangen und seine Ein-
tragung in das Vercinsregister des hiesigen Amtsgerichts zu ei'
wirken, war die Anpassung der Statuten an die neuen Gesetz-
bestimmungcn nöthig. Gestern nun wurden die einzelnen Para-
graphen der bisherigen Statuten einer eingehenden Besprechung
unterzogen und im Sinne des Gesetzes zum Theil geändeit und
zum Theil neu formulirt. Während der Vorstand bisher aus
sieben Mitgliedern bestand, setzt sich derselbe nunmehr nur aus
dem Oberschützenmeisler und dessen Stellvertreter, dem Schützen'
meister, zusammen, an Stelle der früheren Vorstandsmitglieder
tritt der Verwaltungsrath, der außer dem Vorstand aus dem
Schriftführer, dem Rechner, dem Ockonomen und fünf Beisitzern
besteht. Vorstand und Verwallungsrath werden auf 4 Jahre
gewählt, letzterer jedoch mit der Maßgabe, daß alle zwei Jahre
die Hälfte der Mitglieder ouöscheiden. Das erste Mal werden
die Ausscheidenden durch das Loos bestimmt. Nach Durchberathung
der Statuten wurde die Wahl des Vorstandes, des Verwaltungs-
raths, sowie der Rechnungsrevisoren vorgenommcn. Oberschützen-
meistcr ist Herr Emil RoeSler, Schützenmeister Herr Karl
Ditteney. Ten Verwaltungsrath bilden folgende Herren:
Josef Lindau, Schriftführer, Friedrich Wald, Rechner, Martin
Burktzardt, Oekonom; Emil Edel, Franz Leupold, Otto Anton
Klotz, Friedrich Krauß, Karl Friedrich Schmidt. Beisitzer. Die
Aufnahme neuer Mitglieder bildete den Schluß der Versamm-
lung.
di Schöfieugerichtssttzung vom 25. Jan. 1) Karl Kollmar,
Gvpser dahier, erhielt wegen Körperverletzung 2 Wochen Ge-
sängniß, 2) Maria Barbara Vogel, Ehefrau geb. Gerbert dahier,
wegen Bedrohung 1 Woche Gefängniß, 3) Robert Kunz, Tag-
löhner dahier, wegen Körperverletzung 2 Wochen Gefängnis'
4) Emil Henri Wilh. Jsenbiehl, Schriftsetzer dahier, wegen Be-
drohung eine Geldstrafe von 30 „/t 5) Joh. Georg Stotz-
Maurer, Philipp Buhl, Maurer, Johann Schwegler, Maurer,
Franz .Holzmann, Maurer, Georg Philipp Rühle, Maurer, und
Karl Ludwig Spahr, Former, alle in Eppelheim, erhielten wegen
Körperverletzung Stotz eine Geldstrafe von 20^., Buhl. Schwegler,
Holzmann und Rühle je 15 Geldstrafe, Spahr 40 Geld-
strafe. 6) Karl Jakob Rümmer, Wagner in Handschuhshein>-
crhielt Wege» Unterschlagung 1 Woche Gefängniß
— Polizeibericht. Eine Mannsperson wurde wegen fort-
gesetzter Ruhestörung verhaftet; sechs Personen kamen wegen
Ruhestörung und eine wegen Körperverletzung zur Anzeige.
Karlsruhe, 25. Jan. Die Karlsruher Bahnhoffragt
wird wohl demnächst wieder in Fluß kommen, da die Generm-
direktion der Großh. Staatseisenbahnen sich, dem Vernehmen der
Landcszeitung nach, für eine Verlegung des jetzigen HauR'
buhndofs ausgesprochen hat- Für den Neubau ist das Prosts
ins Auge gefaßt, welches den neuen Hauptbahnhof auf l>e^
städtischen Gelände hlntcr dem Lauterberg. also zunächst ",
Stelle des jetzigen Lautersees, erstellen will, etwa parallel d^
Ettlingerstraße und zwar wie bisher als Durchgang-station. Hier)"
sind bedeutende Geländeerwciterungen nöthig. Man wird st"
erinnern, daß die früheren Entwürfe des jetzigen Oberbauinspe''
tors Speer und des Architekten Hcmberger diesem Projekto"'
nächsten stehen. Hr. Architekt Hemberger wurde auf nächste'!
1. April von der Generaldtrektion der Großh. StaalSbah»^
berufen.
Karlsruhe, 25. Jan. Den vereinigten Korporation^'
der Technischen Hochschule ist von Rektor und Senat d>
Abhaltung des Kaiserkommerses verboten Mordes
Der Grund dieser Maßregel liegt darin, daß die Korporationen
die katholischen Verbindungen auch dieses Mal nicht zur The),
»ahme an dem Feste arttgefordert haben. Das Verhalten
konfessionellen Verbindungen hatte in den Zeiten von Bisams
Ungnade mit Recht die Entrüstung der vereinigten Korporation-'
und damit ein Zerwürfntß hervorgerufen. Die Spannung " ,
steht auch heute noch. Bedauerlich ist, wie die Landesztg. her""!,
hebt, daß diese Verhältnisse den Rektor und den Senat
Technischen Hochschule zu einer so radikalen Maßregel, wie --
die Untersagung des Kommerses ist, veranlaßt haben.
dieser Zwang wird nicht geeignet sein, den Zwist zu heben, WA
aber hindert er die erdrückende Mehrheit unserer inkorporir'^
Hochschüler, ihrer bewährten vaterländischen Gesinnung,^'
Geburtstage des Kaisers in feierlicher Form und gemeint" ?
Ausdruck zu verleihen. Die Erwägung, welches Uebel
kleinere ist, hat bei der Entscheidung der Hochschul-Behoe"
augenscheinlich keine Rolle gespielt.
Freistett, 24. Januar. Ein gräßliches Unglück ist
, _ gest.-F
im„Gasthaus zum Goldenen Sternen"" geschehen." Aus bis
noch nicht aufgeklärter Ursache geriethen Mehlsäcke auf "
Speicher in Brand. Das Dienstmädchen suchte diesen Bro
zu ersticken und wurde selbst vom Feuer erfaßt und sprang en^
lich brennend herunter, um Hilfe zn holen. Herr Stecneriw' ,,
Meckle hatte sofort die Geistesgegenwart, das brennende MäoAg
im Hof auf den Boden zu werfen und zu rollen, bis
herbeigebracht waren, womit das Feuer erstickt werden koN'^
Dann eilte er auf den Speicher und es gelang ihm auch- .§r
dortigen Brand noch zn ersticken, ehe er das erst vor ein
Jahren erbaute prächtige und geräumige Gebäude erfaßt