Denkart werden das schwere Leid beklagen, das einem der treff-
lichsten Männer unseres Landes in seinen alten Tagen beschicken
war. Er hat ausgelitten! Der äußere Lebensgang de-
in den Parteikämpfen des badischen Landes längere Zeit
hervorragend thätig gewesenen Mannes ist folgender: Reinhold
Baumstark war am 24. August 1831 in Freiburg i. B.
geboren, wo sein Vater als Professor der klassischen Philologie
an der Universität wirkte. Auf Wunsch desselben studirte
er in Freiburg die Rechtswissenschaften, obgleich sein innerer
Trieb ihn zu den klassischen Studien hinzog, denen er in seinen
Mußestunden bis in die letzte Zeit seines Lebens treu blieb. Dies
war indessen kein Hinderungsgrund für den vielseitig gebildeten,
genial veranlagten Mann, sich zu einem der tüchtigsten praktischen
Juristen auszubilden, als der er unter seinen Kollegen allgemein
anerkannt war. Seine erste Amtsrichterstelle erhielt er im Jahre
1857 in Triberg; im Jahre 1864 wurde er Kreisgerichtsrath in
Konstanz; 1878 war er krankeitshalber genäthigt, in Ruhrstand zu
treten. Als aber später sein Gesundheitszustand sich besserte, trat er
in den Staatsdienst zurück und wurde zum Oberamtsrichter in
Achern ernannt. 1884 kam er als Landgerichtsroth nach Freiburg
und wurde fünf Jahre später als Landgerichtsdirektor nach
Mannheim und darnach in gleicher Eigenschaft nach Freiburg
berufen, wo er einige Jahre darauf zum Präsidenten des Land.
gerichtS Waldsbut und darnach zum Präsidenten des Landgerichts
Mannheim befördert wurde. Baumstark gehörte von Hause
aus der evangelischen Konfession an und huldigte in seinen
jungen Jahren gleich seinem Vater einer sehr freisinnigen
Auffassung in religiösen Dingen. Aber mit der Zeit voll-
zog sich mit ihm eine völlige Wandlung seiner kirchlichen
Anschauungen. Das Autoritätsprinzip, das ihm in allen
Fragen des Staates als oberstes Leitmotiv maßgebend war, führte
ihn auf den Weg zum Katholicismus, und nach Veröffentlichung
der Schrift: .Gedanken eines Protestanten über die päpstliche Ein-
ladung zur Wiedervereinigung mit der katholischen Kirche", trat er
im Jahre 1869 zur katholischen Kirche über. Von nun an nahm
er auch um politischen Leben einen hervorragenden Antheil.
Baumstark schloß sich der katholischen Volkspartet Badens an
und betheiligte sich lebhaft an den großdeutschen Be-
strebungen, die die Herstellung des deutschen Reiches mit
Oesterreich an der Spitze zu erringen suchten. Im Jahre
1869 wurde er in die badische Kammer gewählt, in der er mit
hervorragener Beredtsamkeit seinen Anschauungen Ausdruck gab.
Als im Januar 1871 nach den großen Ereignissen in Frank-
reich ein außerordentlicher Landtag zur Berathung der Versailler
Verträge einberufeu worden war, erklärte Baumstark namens der
kleinen Fraktion seiner Gesinnungsgenossen in einer tiefen Ein-
druck im ganzen Hause hinterlassenden Rede sich für die unbedingte
Annahme jener Verträge, auf denen das deutsche Reich sich
aufbaute und wobei die badische Krone die hochherzigsten Opfer
brachte. Es war für alle, die jener Sitzung anwohnten, ein
mächtig ergreifender Augenblick, als der Präsident der
Kammer mit von Thränen erstickter Stimme verkündete, daß die
badische Kammer ein stimmig die Verträge genehmigt habe. Stach
diesem Landtag trat Baumstark aus der Kammer aus; erst im
Jahre 1879 nahm er wieder (für Stadt Baden) ein Mandat an.
nicht um an einer grundsätzlichen Bekämpfung der Regierung
thcilzunehmen, sondern vielmehr um den Frtedcnauf kirchenpoli-
tischem Gebiete anzubahnen. ES konnte nicht ausbleiben. daß er bet
dieser Absicht sich in die heftigsten Kämpfe mit seinen bisherigen Ge-
sinnungsgenosfen verwickeln mußte, Kämpfe, die theils in der
Kammer selbst, theils in der Presse zum Ausdruck kamen. Es steht noch
in aller Erinnerung, daß damals bei den gleich starken Partei-
verhältnissen der Kammer die Stimme Baumstarks häufig .das
Zünglein an der Wage" bildete und daß diese Stimme znm
Segen des Landes abgegeben wurde. Die gleiche staatsfreundltche
Haltung bekundete Baumstark auch in den großen Fragen des
Reiches; wir haben ihn wiederholt bei gewichtigen Kämpfen der
Reichstagswahlen auf der Rednertribüne massenhaft besuchter
Wahlversammlungen in Freiburg für des Reiches erhöhte Wehr-
kraft in zündenden Reden eintreten hören, die ihm den Haß der
Unversöhnlichen, den Dank aller Vaterlandsfreunde eintrug Ein
begeisterter Kämpe für Kaiser und Reich, glaubte Baumstark, daß
die widerstreitenden Interessen des Staates und der vatikanischen
Kirche in Einklang gebracht werden könnten; er übersah dabei,
daß es sich hier lediglich um Machtfragen handelte,
bei denen die Innerlichkeit des Glaubens eines Jdealkatboliken
bedeutungslos blieb und ihm nur die heftigsten Zurückweisungen
zuziehen mußte. Seine Auffassung, in der ec ein Einsiedler ver-
blieb, wie er sich selbst benannte, ist auch in verschiedenen Schrif-
ten niedergelegt, so besonders in seinem „Llus ultra, Schicksale
eines deutschen Katholiken", und in der Schrift „Die Wieder-
herstellung der katholischen Seelsorge im Großherzogrhum Baden".
Zahlreiche weitere Schriften, theils politischen und geschichtlichen
Inhalts, theils aus dem Gebiet der spanischen Literatur, sowie
die Beschreibung einer Reise nach Spanten sind seiner Feder ent-
flossen. In den letzten Jahren hielt Baumstark sich vom öffent-
lichen Leben fern und verzichtete auch auf eine früher ausgedehnte
Preßthätigkeit.
Mit Baumstark ist ein warmer Vaterlandsfreund, ein ideal
angelegter Charakter voll ausgeprägter, selbständiger Willenskraft,
ein treuer Freund und Berather aller, die ihm nahe standen, aus
dem Leben geschieden. Sein Andenken wird in den Annalen
badischer Geschichte mit Ehren genannt werden und seinen
Freunden unvergeßlich sein.
L. 0. Karlsruhe, 1. Februar. Die Budget-
commission der Zweiten Kammer hat gegen die Ver-
ordnungen betr. Kirchensteuer keinen Einwand erhoben. Den
angeforderten außerordentlichen Zuschuß von 2400 ^ zur
Aufbesserung der altkatholiscken Geistlichen in Singen,
Blnmberg, Mundelfingen, Stichlingen, Säckingen, Balters-
weil, Thiengen, Waldsdut und Heidelberg hat die Mehr-
heit der Commission genehmigt, weil es sich nur um eine
kleine Summe handelt und insofern Billigkeitsgründe vor-
liegen, als bei Berathung des Dotationsgesetzes die Do-
Diese Gedanken möchten Einem bei Lessings Nathan lebendig
werden. Es gab eine Zeit, wo die Denker die poetischen Waffen
Hervorbolten, und wo die Dichter Denker sein wollten und waren.
Die Gedanken jene? „unergründlichen Vierteljahrhunderts von
1780—1805" müssen unter uns in altem Feuer, in alter Kraft
lebendig werden! Wir Deutsche können ja auf die Dauer ohne
die Errungenschaften des achtzehnten Jahrhunderts kein echtes
nationales Leben begründen und befestigen. Das sind die Werke
jener Epoche, das macht sie aus, daß man von ihnen nicht reden
kann und mag, ohne auf das Höchste hinzuwetsen, was Aufgabe
des Menschen werden kann. Wir können ja nichts weiter thun,
als warnend die Hand zu erheben, wenn das Achselzucken sich
rinstellt und die Phrase von .Kosmopolitismus", dem .Humanitäts-
dusel", dem „überwundenen Standpunkt". Es sind nicht alle frei,
die noch darüber spotten
Aus der Heidelberger Bühne wurde gestern „Nathan" dar-
ocftellt. Würdig und wirksam, ohne Aufdringlichkeit und Wohl-
redenhettl
Herr Peter Sigl, mag er nun sein Können als Anzen-
gruber'scher alter Bauer zeigen, mag er als Siebenhaar, als
Volksfeind auf die Bühne treten, immer schafft er von echter
Kunst belebte Gestalten. Seine Darstellungskraft entzündet sich
an der künstlerischen Sachlichkeit, dem tiefen Ernst, den er
mitbringt. Er bewährt sich immer wieder als denkende). klar
sondernden Künstler. An kleinen Zügen sieht man, wie warm
und herzlich er sein kann; z. B. wenn er als Stebenhaar sich
gütig zuredend über die kranke Frau Henschel beugt. Wie gut
mag er als Odoardo Galotti oder König Philipp sei». Wir
fähen's gern! Als Nathan gab er sich einfach, klar, herzlich,
vornehm: Würde ohne Pathos, Wärme ohne Ueberschwang.
tation der kathol. und evangel. Geistlichen erheblich erhöht
wurden, während für die Altkatholiken es bei dem im Ent-
wurf vorgesehenen Betrage von 3000 ^ blieb. Dabei
beschloß jedoch die Commissionsmehrheit ausdrücklich, im
Berichte die Verwahrung niederzulegen, daß aus dieser Be-
willigung keine weiteren Konsequenzen gezogen werden kön-
nen und die Anforderung selbstverständlich der ständischen
Bewilligung von Budgelperiode zu Budgetperiode unterliege.
Badischer Landtag. L.6. Karlsruhe, 1. Februar.
(25. SiyuNg der Zweiten Kammer.)
Zur Berathung stand der Bericht der Budgetkommis-
sion über das Budget des Großh. Sta at s m i ni st e-
riums und des Ministeriums des Großh. Hauses
und der Auswärtigen Angelegenheiten.
Der Berichterstatter Abg. Hug erläutert das Wesen und die
Berechnungsart der im Budget eingestellten Matrikularbeiträge
und wirft einen Rückblick auf die Gestaltung der finanziellen
Beziehungen zwischen dem Reich und den Einzelstaaten während
der letzten 12 Jahre. Eine überaus günstige Wirkung auf die
Reichssinanzen habe die Einführung der Reichsbrann'weinsteuer
ausgeübt. Dank der natürlichen Entwicklung der Reichssinanzen
und der steigenden Ergiebigkeit der Einnahm-quellen sind seit
1895 im Reichshaushalt Uebersckillsse zu verzeichnen. Zur Zeit
liege dem Reichstag ein Gesetzentwurf vor, der dem Reich für
das Rechnungsjahr I960 den etwaigen Ueberschuß in vollem Be-
trage zumeist. Auch wenn dieser Entwurf Gesetzeskraft erlangt,
hofft Redner, daß die Veranschlagung des Matrikularbeitrags in
der die lleberweisung um das Biersteueräqmvalent übecstergenden
Höhe ausreiche, daß also die vmauszahlungen an das Reich auf
den Betrag des BiersteueräquivalenlS beschränkt bleiben werden.
Seine Hoffnung werde allerdings durch die Flottenvorlage
abgeschwächt. Wenn sich eine Mehrheit für d eselbe finde, so sei
sie verpflichtet, die Deckungsfrage in einer rationellen, die
Ordnung und das Gleichgewicht siche.uden Weise zu lösen, nicht
aber so, daß das Reich auf die abschüssige Bahn der Schulden-
wirthschaft gedrängt würde. Zwar seien nach den Motiven der
Vorlage neue Steuern nicht nothwendig; allein diese Behaup-
tung scheine ihm in hohem Grade anfechtbar zu sein und wenn
auch nicht neue Einnahmequellen erschlossen werden müssen, so
werde jedenfalls eine stärkere Ausnützung der einen oder anderen
Einnahmequelle nöthig fallen, wenn die Deckungsfrage in ratio-
neller Weise gelöst werden soll. Die Möglichkeit sei nicht aus-
geschlossen, daß im Falle der Genehmigung der Flotten-
vorlage die norddeutsche Brausteuer etwa auf den Satz
des bayerischen Malzaufschlags, also um das Dreifache er-
höht werde. Dies würde zur Folge haben, daß das von
uns zu zahlende Bielsteueräquivalent ebenfalls verdrei-
facht würde, daß also statt einer Million drei Millionen Mark
von uns an das Reich zu zahlen wären. Unter diesen Umständen
scheine ihm Vorsicht geboten und sei es nicht räthlich, den ordent-
lichen Etat des Staatsvoranschlags neu zu belasten, wie dies
durch die Aufhebung der Wittwcnkossenbeiträge und Erhöhung
des Wohnungsgelds um 60"/, beabsichtigt sei. Im übrigen
empfehle er die Anträge der Budgetkommisston zur Genehmigung.
(Beifall)
Sämmtlichc Titel der Einnahmen und Ausgaben wurden ohne
Debatte angenommen.
Schluß der Sitzung 10'/, Uhr. Nächste Sitzung: Montag,
den 5. Februar, Nachm. 4 Uhr. Tagesordnung: Justizetat.
Ausland.
England. London, 1. Febr. Nach einer Meldung
der Mail aus Kairo hat folgendes Ereigviß die eilige
Abreise des Sirdar Wingate nach Omdurman veranlaßt.
Die eingeborenen Offiziere der egyptischen
Armee im Sudan haben schon seit einiger Zeit
Zeichen von Unwillen gezeigt. Nach den Niederlagen
der Engländer in Südafrika ist ihre Sprache deutlicher
und ihre Haltung drohend geworden. Briefe von Ein-
wohnern von Oindurmsn schilderten mit einigem Schrecken
die wachsende Feindseligkeit und die Regierung
beschloß darauf, den Truppen die Munition zu entziehen,
welche Maßregel von den Einwohnern als klug betrachtet
wurde. Zwei sudanesische Bataillone in Om-
durman weigerten sich aber, ihre Kugelpatronen zurück-
zugeben. Da die schwarzen Truppen loyal, aber leicht
durch Fanatismus zu mißleiten find, hält man es für
wahrscheinlich, daß sie die Insubordination begangen
hätten, ohne dazu aufgestachelt zu sein. Man hofft, daß
durch die Anwesenheit Wingates in Omdurman die
Bewegung im Keime erstickt werde. Es soll eine Unter-
suchung etngeleitet werden, um die Rädelsführer zu ent-
decken.
Asien. Shanghai, 1. Febr. 30 Chinesen Unter-
zeichneten einest Protest gegen die Entsetzung des
Kaisers Kwang-Sü. Aus Peking sind Anordnungen
ergangen, die ersten drei Unterzeichneten zu verhaften.
Der hiesige Telegraphen-Direktor, der gleichfalls Unter-
zeichnete, hat sich nach Honkong begebcN. Die Agentur
Stefani meldet, die Nachricht von dem Tode des Kaisers
sei noch unbestätigt. Die Sicherheit der Fremden sei nicht
bedroht, aber in Shantung sei ein englischer Mission«
umgebracht worden; infolge dessen reichten die Vertrete''
r
Ein feiner und zarter Geist belebte all' die Scenen mit dem
Tempelherrn, dem Klosterbruder (überaus wirksam war die Er-
zählung vom Verlust der Söhne und Rechas Ankunft), großartig
durchdacht erschien der kurze Monolog der Ucberlegung vor der
Ringerzählung; diese selbst hatte viel von ganz großem Stil.
Wir sprechen Hrn. Sigl für die Leistung auch an diesem seinem
Benefizabend unsere wärmste Anerkennung aus.
Mit dem Klosterbruder des Herrn Direktor Heinrich trat
all das prachtvolle Leben vor uns, das Lessing in diese Gestalt
htneingeschaffen hat. „Was trägt er mir lauter solche Sachen
auf? Ich mag nicht fein sein!" sagt der Klosterbruder. Nun
für Direktor Heinrich mehr von solchen Sachen, solchen Auf.
gaben. Wir werden für die Feinheit der Lösung nur immer er-
kenntlich sein.
Der Tempelherr (Herr M a y ri n g) gefiel gut, das Ritter-
liche liegt ihm, das Hitzköpfige nicht minder. Im großen histo-
rischen Drama, wie sie mehr und mehr aufkommen, da sehen wir
ihn einmal wieder. Er wird sich dort sehr gut bewähren. —
Saladin und Sittah, Recha und Doja (Herr H. Rudolph,
Frl- Klär, Frl. H-inrich und Frl. Brauny) verdienen auch
nur Lob. Der Patriarch (Hr. Kurt Rudolph in merkwürdi-
gem Aufputz) und der Derwisch (Herr Weinmann), die beiden
Antipoden des Stückes, fügten sich dem vorzüglichen Zusammen-
spiel gut ein.
Und doch! Wurden wir recht warm? So nah der Nathan
uns steht, eins mag ihm fehlen, die große Leidenschaft, der
lyrische Goldgrund, der elementare Untertan! Diese Einschränkung
darf uns nicht an der Arbeit hindern, uns Lessings Kunst, Gunst
und Gesinnung immer näher zu bringen. L. >V.
Deutschlands, Frankreichs, Englands und der Vereinigten
Staaten bei der chinesischen Regierung ein» offizielle
Note ein, worin sie um Vorkehrungen für die Sicherheit
der Missionare ersuchen.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 2. Februar.
* Von der Universität. Die academische Rede des Prorectors
zur Feier des Geburtsfestes weiland Großherzogs Karl Friedrich
am 22.Nov. v.J. ist nunmehr im Druck erschienen (bet J.Hörning).
Prof. Ost ho ff behandelt in derselben, wie s. Zt. berichtet wurde,
das Suppletivwesen der indog ermanis chen Sprache.
Tie Rede des Prorektors bei der Beerdigung Bum'ens, die-
jenige des Dekans Prof. Pfitzer, des Geh.-Raths Curtius
und die des Studiosus Klingel sind mit der Gedächtnißrede,
di- Geh.-Rath Curtius im November v. I. auf Buusen ge-
halten hat, zu einem academischen Gedenkblatt „Robert
Wilhelm Buusen" vereinigt worden und gleichfalls bei I. Hörning
im Druck erschienen. Im Druck erschienen ist auch bereits das
Verzeichniß der Vorlesungen für das kommende Sommer-
semester.
» Stadtverordnetenwahl Bei der gestrigen Wahl eines
Stadtverordneten lür 3jährige AmkSdauer durch die
Klasse der Niederstbesteuertcn haben von 3484 Wahlberech-
tigten 77 abgestimml. Der Gewälte, Herr Fciieur Bürgin,
erhielt 76 Stimmen. Verhältmßzadl der Äbstiminenden zur
Gesammlzabl der Wähler 2,2"/,. Höchste Zeit für die Gesetz-
gebung. den allen Zops der gesonderten Ergänzungswahl
cbzuichneiden!
O SchöffengerichtSsttzung vom 1. Februar. 1) Christoph
Kippenhan aus Kirchkeim, z. Zt. hier in Hast, erhielt wegen Ver-
gehens gegen 8 183 R.St.G.B. 4 Wochen Gefängnis, 2) Thoma
Rogozinskt aus Warschau, z. Zt. hier in Haft, wegen Diebstahls
12 Tage Gefängniß, 3) August Schulz, Taglöhncc in Hand-
schuhsheim, wegen Verstrickungsbruchs 3 Tage Gefängniß.
4) Wilhelm Kirschler, Schneider, und Franz Adam Schnorr,
Schriftsetzer, beide hier, sind wegen Körperverletzung angeklagt;
Kirschler erhielt 2 Wochen Gefängniß, gegen Schnorr wurde das
Verfahren eingestellt. 5) Georg Michael Gerlach, Fabrikarbeiter
in Wieblingen, erhielt wegen Körperverletzung 3 Wochen Ge-
fängniß, 6) Josef Kieninger, Ketienschmieü in Ztegelhausen,
wegen Diebstahls 6 Wochen Gefängniß. 7) Die Verhandlung
gegen Kath. Barbara Wall Egefrau geh. Lauer dahier wegen
Diebstahls wurde vertagt. 8) Philipp Kleile, Dienstknecht in
Meckesheim, erhielt wegen Betrug« 12 Tage Gefängniß, 9) Franz
Karl Jrslinger, Versicherungsinspeklor hier, wegen Körperverletzung
und Beleidigung eine Geldstrafe von 30
— Polizeibericht. Ein wegen Diebstahls verfolgter
Schneideraen-llc ourde gestern verhaftet: zwei Personen
kamen weaen Ruhestöruna und Unfugs zur Anzeige.
** Eichtersheim, 1. Febr. Die Versteigerung des
Fischwassers der Angelbach für die neugebild.teFischerei-
genossenschaft findet statt am Samstag, den 3. Februar, Nachm.
3 Uhr auf dem Rathhaus in Eichtersheim; das Genossenschafts-
geb et umfaßt die Angelbach von Wiesloch hinauf bis Wald-
angelloch.
§ Adelshofen, Amts Eppingen, 31. Jan. Heute fand man
den hiesigen Wagner Jakob Bock in seinem Speicher erhängt-
Geistesstörung soll der Grund dieser Thal sein. Da in der
Gemeinde Adelshofen seit Menschengcdenken kein Selbstmord
vorgekommen ist, so sind die hiesigen Einwohner sehr aufgeregt-
Mannheim, 1. Febr. Die große C a r n e v a l - G e s e li-
sch a f t „F e u e r i o" i m H a b e r e ck hat beschlossen, in einem
größeren Saale Milte Februar ds. Js. eine sog. Fremden-
Sitzung abzuhalten und cs hat sich der dem Verein seit Be-
stehen angehöreude Herr Hofschauspieler Alex Kökert bereit ge-
funden, die Regie der Festlichkeit zu übernehmen. Ein Festspiel im
Verein mit den dilettantischen Aufführungen, welche die neuesten
Neuigkeiten Vordringen, den Carnevalsrednern, sowie der Musik
der hiesigen Grenadicrkapelle wnd sicher eine großartige
Sitzung bieten und es ist bestimmt zu erwarten, daß dieselbe iw
Interesse des für Fastnachlsonnlag geplanten Carneoalszuges
nicht allein von de» Ehrenmitgliedern und Mitgliedern, sonde-ü
von allen hier sowie in der Umgebung carnevalistisch Angehauchte»
besucht wird.
6.0. Mannheim, 1. Febr. Die Lohnbewegung dek
Flößer hat mit einem iheilweisen Erfolg geendet. Die Flößer
erhalten jetzt einen Taglohn von 4 „L Die Fahrt nach Worms
wird nunmehr mit 7 nach Mainz mit 16 vergütet.
6.6. Karlsruhe, 1. Februar. Heute Nachmittag erscholl
ein GaswerkSarbciler einen Kollegen aus Un o o rs i ch ti g ke t l-
Ter Thäter wurde verhaftet. Nach einer anderen Versio» soll
der Revolver in der Tasche eines im Wandschrank hängenden
Rockes sich befunden haben und durch Berührung des Rocke»
losgegangen sein. Die bereits eingelettete gerichtliche Unter'
suchuna dürfte Aufklärung bringe».
X Patentbericht für Baden vom 30. Januar 1900, in»'
getheill von dem Internationalen Patentbureau C. Kleyer w
ttarlsruhc (Baden). Filiale: Mannheim, 0 2. 7. (Auskünfte ohü-
Recherchen werden den Abonnenten dieser Zeitung bei Einsendung
der Frankatur gratis ertheilt.) a. Patent-Anmeldungen-
V. 14 829. Avparat zum Halten der Deckel beim Entlüften von
Slertlisirgefäßen. Johann Weck, Oeflingen (Baden). Von
28. Januar 1899 ab. — b. P a t e n t - E r t h e i l u n g e N '
Patent Rr. 109 222. Fruchlschneideuiaschine. I. Aßfalg, Eber
dach i. B Bom 14. März 1899 ab. — o. Gebrauchsmuster,
Eintragungen: Rr. 128004. Zwischen den Schienen de
Gleises angeordnete Zungen, welche durch Stellzcuge der Fnd^
zeuge zu einer Winkcldrehung veranlaßt, unter Benutzung ll'
biäuchlicher Zwischenorgane die Weichen- und Kontrollampe»
verstelle» vermögen. Oieorg Bertsch, Pforzbelm. Vom 6. Decei»"
1899 ab. — Nr. 128001. Verschlußmechanik bet Sägegatter^
Gustav Eirich, Herdhetm. Vom 4. December 1899 ab. .
Infolge Ablaufs der gesetzlichen Dauer de
ailgemeinenBenuyungfreigegeveneJndu st r' „
artikel: Patent Nr. 81998 vom 16. Januar 1885. betreffe'
Preßvorrichtung für Pappenscheeren. Patent Nr. 92 341 v° .
17. Januar 1885, betreffend Malzentkeimungsvorrichtung. Pw-.,
Nr. 34 049 vom 10. Januar 1885, betreffend SchranbensP'""
verschlug für Hinterladegeschütze. Patent Nr. 33 884 "
17. Januar 188), betreffend Flortheiler.
Kleine Zeitung. ,x.
— Hochschulnachrichten. Wien, 1. Febr. Der Kaiser >
nannte den ordenllichen Professor an der Universität
von Arnim, zum ordentlichen Professor der klassischen 4>d
logie an der Universität Wie».
— Tragisches Ende eines ehemaligen deutschen DM'§»>!
In Pittsburg hat sich vor Kurzem ein Herr Gersten, d" be-
dürftige Weise sein Leben als Sprachlehrer fristete, durch KW xb
säure aus der Well geschafft, um, wie er in einem nachgelw zS
Schreiben sagte, nicht langsam zu verhungern. Gersten, d^
Jahre alt war, hatte in Heidelberg studirt; später halte er
die militärische Laufbahn betreten und als Leutnant seinen ^,i
schied genommen, um nach Amerika auszuwandern. Ueb«
Grund zu diesem Schritt beobachtete er stets Schweigen- ill
zehn Jahren war er einer der gesuchtesten Spratyleh"
Philadelphia, da er außer der deutschen und englischen
auch der französischen, russischen und neugriechischen c>
mächtig war. Von Philadelphia ging er nach Cleveland, '
längere Zeit Sprachlehrer in einem Institut war. Er er»
verlor seine Stellung und kam vor ungefähr zwei Jahr" ,
Pittsburg. xii'^,
— Paris, 31. Jan. In Frankreich wollte man wieder
einen deutschen Spion erwischt haben. Als man den Mo>
lichsten Männer unseres Landes in seinen alten Tagen beschicken
war. Er hat ausgelitten! Der äußere Lebensgang de-
in den Parteikämpfen des badischen Landes längere Zeit
hervorragend thätig gewesenen Mannes ist folgender: Reinhold
Baumstark war am 24. August 1831 in Freiburg i. B.
geboren, wo sein Vater als Professor der klassischen Philologie
an der Universität wirkte. Auf Wunsch desselben studirte
er in Freiburg die Rechtswissenschaften, obgleich sein innerer
Trieb ihn zu den klassischen Studien hinzog, denen er in seinen
Mußestunden bis in die letzte Zeit seines Lebens treu blieb. Dies
war indessen kein Hinderungsgrund für den vielseitig gebildeten,
genial veranlagten Mann, sich zu einem der tüchtigsten praktischen
Juristen auszubilden, als der er unter seinen Kollegen allgemein
anerkannt war. Seine erste Amtsrichterstelle erhielt er im Jahre
1857 in Triberg; im Jahre 1864 wurde er Kreisgerichtsrath in
Konstanz; 1878 war er krankeitshalber genäthigt, in Ruhrstand zu
treten. Als aber später sein Gesundheitszustand sich besserte, trat er
in den Staatsdienst zurück und wurde zum Oberamtsrichter in
Achern ernannt. 1884 kam er als Landgerichtsroth nach Freiburg
und wurde fünf Jahre später als Landgerichtsdirektor nach
Mannheim und darnach in gleicher Eigenschaft nach Freiburg
berufen, wo er einige Jahre darauf zum Präsidenten des Land.
gerichtS Waldsbut und darnach zum Präsidenten des Landgerichts
Mannheim befördert wurde. Baumstark gehörte von Hause
aus der evangelischen Konfession an und huldigte in seinen
jungen Jahren gleich seinem Vater einer sehr freisinnigen
Auffassung in religiösen Dingen. Aber mit der Zeit voll-
zog sich mit ihm eine völlige Wandlung seiner kirchlichen
Anschauungen. Das Autoritätsprinzip, das ihm in allen
Fragen des Staates als oberstes Leitmotiv maßgebend war, führte
ihn auf den Weg zum Katholicismus, und nach Veröffentlichung
der Schrift: .Gedanken eines Protestanten über die päpstliche Ein-
ladung zur Wiedervereinigung mit der katholischen Kirche", trat er
im Jahre 1869 zur katholischen Kirche über. Von nun an nahm
er auch um politischen Leben einen hervorragenden Antheil.
Baumstark schloß sich der katholischen Volkspartet Badens an
und betheiligte sich lebhaft an den großdeutschen Be-
strebungen, die die Herstellung des deutschen Reiches mit
Oesterreich an der Spitze zu erringen suchten. Im Jahre
1869 wurde er in die badische Kammer gewählt, in der er mit
hervorragener Beredtsamkeit seinen Anschauungen Ausdruck gab.
Als im Januar 1871 nach den großen Ereignissen in Frank-
reich ein außerordentlicher Landtag zur Berathung der Versailler
Verträge einberufeu worden war, erklärte Baumstark namens der
kleinen Fraktion seiner Gesinnungsgenossen in einer tiefen Ein-
druck im ganzen Hause hinterlassenden Rede sich für die unbedingte
Annahme jener Verträge, auf denen das deutsche Reich sich
aufbaute und wobei die badische Krone die hochherzigsten Opfer
brachte. Es war für alle, die jener Sitzung anwohnten, ein
mächtig ergreifender Augenblick, als der Präsident der
Kammer mit von Thränen erstickter Stimme verkündete, daß die
badische Kammer ein stimmig die Verträge genehmigt habe. Stach
diesem Landtag trat Baumstark aus der Kammer aus; erst im
Jahre 1879 nahm er wieder (für Stadt Baden) ein Mandat an.
nicht um an einer grundsätzlichen Bekämpfung der Regierung
thcilzunehmen, sondern vielmehr um den Frtedcnauf kirchenpoli-
tischem Gebiete anzubahnen. ES konnte nicht ausbleiben. daß er bet
dieser Absicht sich in die heftigsten Kämpfe mit seinen bisherigen Ge-
sinnungsgenosfen verwickeln mußte, Kämpfe, die theils in der
Kammer selbst, theils in der Presse zum Ausdruck kamen. Es steht noch
in aller Erinnerung, daß damals bei den gleich starken Partei-
verhältnissen der Kammer die Stimme Baumstarks häufig .das
Zünglein an der Wage" bildete und daß diese Stimme znm
Segen des Landes abgegeben wurde. Die gleiche staatsfreundltche
Haltung bekundete Baumstark auch in den großen Fragen des
Reiches; wir haben ihn wiederholt bei gewichtigen Kämpfen der
Reichstagswahlen auf der Rednertribüne massenhaft besuchter
Wahlversammlungen in Freiburg für des Reiches erhöhte Wehr-
kraft in zündenden Reden eintreten hören, die ihm den Haß der
Unversöhnlichen, den Dank aller Vaterlandsfreunde eintrug Ein
begeisterter Kämpe für Kaiser und Reich, glaubte Baumstark, daß
die widerstreitenden Interessen des Staates und der vatikanischen
Kirche in Einklang gebracht werden könnten; er übersah dabei,
daß es sich hier lediglich um Machtfragen handelte,
bei denen die Innerlichkeit des Glaubens eines Jdealkatboliken
bedeutungslos blieb und ihm nur die heftigsten Zurückweisungen
zuziehen mußte. Seine Auffassung, in der ec ein Einsiedler ver-
blieb, wie er sich selbst benannte, ist auch in verschiedenen Schrif-
ten niedergelegt, so besonders in seinem „Llus ultra, Schicksale
eines deutschen Katholiken", und in der Schrift „Die Wieder-
herstellung der katholischen Seelsorge im Großherzogrhum Baden".
Zahlreiche weitere Schriften, theils politischen und geschichtlichen
Inhalts, theils aus dem Gebiet der spanischen Literatur, sowie
die Beschreibung einer Reise nach Spanten sind seiner Feder ent-
flossen. In den letzten Jahren hielt Baumstark sich vom öffent-
lichen Leben fern und verzichtete auch auf eine früher ausgedehnte
Preßthätigkeit.
Mit Baumstark ist ein warmer Vaterlandsfreund, ein ideal
angelegter Charakter voll ausgeprägter, selbständiger Willenskraft,
ein treuer Freund und Berather aller, die ihm nahe standen, aus
dem Leben geschieden. Sein Andenken wird in den Annalen
badischer Geschichte mit Ehren genannt werden und seinen
Freunden unvergeßlich sein.
L. 0. Karlsruhe, 1. Februar. Die Budget-
commission der Zweiten Kammer hat gegen die Ver-
ordnungen betr. Kirchensteuer keinen Einwand erhoben. Den
angeforderten außerordentlichen Zuschuß von 2400 ^ zur
Aufbesserung der altkatholiscken Geistlichen in Singen,
Blnmberg, Mundelfingen, Stichlingen, Säckingen, Balters-
weil, Thiengen, Waldsdut und Heidelberg hat die Mehr-
heit der Commission genehmigt, weil es sich nur um eine
kleine Summe handelt und insofern Billigkeitsgründe vor-
liegen, als bei Berathung des Dotationsgesetzes die Do-
Diese Gedanken möchten Einem bei Lessings Nathan lebendig
werden. Es gab eine Zeit, wo die Denker die poetischen Waffen
Hervorbolten, und wo die Dichter Denker sein wollten und waren.
Die Gedanken jene? „unergründlichen Vierteljahrhunderts von
1780—1805" müssen unter uns in altem Feuer, in alter Kraft
lebendig werden! Wir Deutsche können ja auf die Dauer ohne
die Errungenschaften des achtzehnten Jahrhunderts kein echtes
nationales Leben begründen und befestigen. Das sind die Werke
jener Epoche, das macht sie aus, daß man von ihnen nicht reden
kann und mag, ohne auf das Höchste hinzuwetsen, was Aufgabe
des Menschen werden kann. Wir können ja nichts weiter thun,
als warnend die Hand zu erheben, wenn das Achselzucken sich
rinstellt und die Phrase von .Kosmopolitismus", dem .Humanitäts-
dusel", dem „überwundenen Standpunkt". Es sind nicht alle frei,
die noch darüber spotten
Aus der Heidelberger Bühne wurde gestern „Nathan" dar-
ocftellt. Würdig und wirksam, ohne Aufdringlichkeit und Wohl-
redenhettl
Herr Peter Sigl, mag er nun sein Können als Anzen-
gruber'scher alter Bauer zeigen, mag er als Siebenhaar, als
Volksfeind auf die Bühne treten, immer schafft er von echter
Kunst belebte Gestalten. Seine Darstellungskraft entzündet sich
an der künstlerischen Sachlichkeit, dem tiefen Ernst, den er
mitbringt. Er bewährt sich immer wieder als denkende). klar
sondernden Künstler. An kleinen Zügen sieht man, wie warm
und herzlich er sein kann; z. B. wenn er als Stebenhaar sich
gütig zuredend über die kranke Frau Henschel beugt. Wie gut
mag er als Odoardo Galotti oder König Philipp sei». Wir
fähen's gern! Als Nathan gab er sich einfach, klar, herzlich,
vornehm: Würde ohne Pathos, Wärme ohne Ueberschwang.
tation der kathol. und evangel. Geistlichen erheblich erhöht
wurden, während für die Altkatholiken es bei dem im Ent-
wurf vorgesehenen Betrage von 3000 ^ blieb. Dabei
beschloß jedoch die Commissionsmehrheit ausdrücklich, im
Berichte die Verwahrung niederzulegen, daß aus dieser Be-
willigung keine weiteren Konsequenzen gezogen werden kön-
nen und die Anforderung selbstverständlich der ständischen
Bewilligung von Budgelperiode zu Budgetperiode unterliege.
Badischer Landtag. L.6. Karlsruhe, 1. Februar.
(25. SiyuNg der Zweiten Kammer.)
Zur Berathung stand der Bericht der Budgetkommis-
sion über das Budget des Großh. Sta at s m i ni st e-
riums und des Ministeriums des Großh. Hauses
und der Auswärtigen Angelegenheiten.
Der Berichterstatter Abg. Hug erläutert das Wesen und die
Berechnungsart der im Budget eingestellten Matrikularbeiträge
und wirft einen Rückblick auf die Gestaltung der finanziellen
Beziehungen zwischen dem Reich und den Einzelstaaten während
der letzten 12 Jahre. Eine überaus günstige Wirkung auf die
Reichssinanzen habe die Einführung der Reichsbrann'weinsteuer
ausgeübt. Dank der natürlichen Entwicklung der Reichssinanzen
und der steigenden Ergiebigkeit der Einnahm-quellen sind seit
1895 im Reichshaushalt Uebersckillsse zu verzeichnen. Zur Zeit
liege dem Reichstag ein Gesetzentwurf vor, der dem Reich für
das Rechnungsjahr I960 den etwaigen Ueberschuß in vollem Be-
trage zumeist. Auch wenn dieser Entwurf Gesetzeskraft erlangt,
hofft Redner, daß die Veranschlagung des Matrikularbeitrags in
der die lleberweisung um das Biersteueräqmvalent übecstergenden
Höhe ausreiche, daß also die vmauszahlungen an das Reich auf
den Betrag des BiersteueräquivalenlS beschränkt bleiben werden.
Seine Hoffnung werde allerdings durch die Flottenvorlage
abgeschwächt. Wenn sich eine Mehrheit für d eselbe finde, so sei
sie verpflichtet, die Deckungsfrage in einer rationellen, die
Ordnung und das Gleichgewicht siche.uden Weise zu lösen, nicht
aber so, daß das Reich auf die abschüssige Bahn der Schulden-
wirthschaft gedrängt würde. Zwar seien nach den Motiven der
Vorlage neue Steuern nicht nothwendig; allein diese Behaup-
tung scheine ihm in hohem Grade anfechtbar zu sein und wenn
auch nicht neue Einnahmequellen erschlossen werden müssen, so
werde jedenfalls eine stärkere Ausnützung der einen oder anderen
Einnahmequelle nöthig fallen, wenn die Deckungsfrage in ratio-
neller Weise gelöst werden soll. Die Möglichkeit sei nicht aus-
geschlossen, daß im Falle der Genehmigung der Flotten-
vorlage die norddeutsche Brausteuer etwa auf den Satz
des bayerischen Malzaufschlags, also um das Dreifache er-
höht werde. Dies würde zur Folge haben, daß das von
uns zu zahlende Bielsteueräquivalent ebenfalls verdrei-
facht würde, daß also statt einer Million drei Millionen Mark
von uns an das Reich zu zahlen wären. Unter diesen Umständen
scheine ihm Vorsicht geboten und sei es nicht räthlich, den ordent-
lichen Etat des Staatsvoranschlags neu zu belasten, wie dies
durch die Aufhebung der Wittwcnkossenbeiträge und Erhöhung
des Wohnungsgelds um 60"/, beabsichtigt sei. Im übrigen
empfehle er die Anträge der Budgetkommisston zur Genehmigung.
(Beifall)
Sämmtlichc Titel der Einnahmen und Ausgaben wurden ohne
Debatte angenommen.
Schluß der Sitzung 10'/, Uhr. Nächste Sitzung: Montag,
den 5. Februar, Nachm. 4 Uhr. Tagesordnung: Justizetat.
Ausland.
England. London, 1. Febr. Nach einer Meldung
der Mail aus Kairo hat folgendes Ereigviß die eilige
Abreise des Sirdar Wingate nach Omdurman veranlaßt.
Die eingeborenen Offiziere der egyptischen
Armee im Sudan haben schon seit einiger Zeit
Zeichen von Unwillen gezeigt. Nach den Niederlagen
der Engländer in Südafrika ist ihre Sprache deutlicher
und ihre Haltung drohend geworden. Briefe von Ein-
wohnern von Oindurmsn schilderten mit einigem Schrecken
die wachsende Feindseligkeit und die Regierung
beschloß darauf, den Truppen die Munition zu entziehen,
welche Maßregel von den Einwohnern als klug betrachtet
wurde. Zwei sudanesische Bataillone in Om-
durman weigerten sich aber, ihre Kugelpatronen zurück-
zugeben. Da die schwarzen Truppen loyal, aber leicht
durch Fanatismus zu mißleiten find, hält man es für
wahrscheinlich, daß sie die Insubordination begangen
hätten, ohne dazu aufgestachelt zu sein. Man hofft, daß
durch die Anwesenheit Wingates in Omdurman die
Bewegung im Keime erstickt werde. Es soll eine Unter-
suchung etngeleitet werden, um die Rädelsführer zu ent-
decken.
Asien. Shanghai, 1. Febr. 30 Chinesen Unter-
zeichneten einest Protest gegen die Entsetzung des
Kaisers Kwang-Sü. Aus Peking sind Anordnungen
ergangen, die ersten drei Unterzeichneten zu verhaften.
Der hiesige Telegraphen-Direktor, der gleichfalls Unter-
zeichnete, hat sich nach Honkong begebcN. Die Agentur
Stefani meldet, die Nachricht von dem Tode des Kaisers
sei noch unbestätigt. Die Sicherheit der Fremden sei nicht
bedroht, aber in Shantung sei ein englischer Mission«
umgebracht worden; infolge dessen reichten die Vertrete''
r
Ein feiner und zarter Geist belebte all' die Scenen mit dem
Tempelherrn, dem Klosterbruder (überaus wirksam war die Er-
zählung vom Verlust der Söhne und Rechas Ankunft), großartig
durchdacht erschien der kurze Monolog der Ucberlegung vor der
Ringerzählung; diese selbst hatte viel von ganz großem Stil.
Wir sprechen Hrn. Sigl für die Leistung auch an diesem seinem
Benefizabend unsere wärmste Anerkennung aus.
Mit dem Klosterbruder des Herrn Direktor Heinrich trat
all das prachtvolle Leben vor uns, das Lessing in diese Gestalt
htneingeschaffen hat. „Was trägt er mir lauter solche Sachen
auf? Ich mag nicht fein sein!" sagt der Klosterbruder. Nun
für Direktor Heinrich mehr von solchen Sachen, solchen Auf.
gaben. Wir werden für die Feinheit der Lösung nur immer er-
kenntlich sein.
Der Tempelherr (Herr M a y ri n g) gefiel gut, das Ritter-
liche liegt ihm, das Hitzköpfige nicht minder. Im großen histo-
rischen Drama, wie sie mehr und mehr aufkommen, da sehen wir
ihn einmal wieder. Er wird sich dort sehr gut bewähren. —
Saladin und Sittah, Recha und Doja (Herr H. Rudolph,
Frl- Klär, Frl. H-inrich und Frl. Brauny) verdienen auch
nur Lob. Der Patriarch (Hr. Kurt Rudolph in merkwürdi-
gem Aufputz) und der Derwisch (Herr Weinmann), die beiden
Antipoden des Stückes, fügten sich dem vorzüglichen Zusammen-
spiel gut ein.
Und doch! Wurden wir recht warm? So nah der Nathan
uns steht, eins mag ihm fehlen, die große Leidenschaft, der
lyrische Goldgrund, der elementare Untertan! Diese Einschränkung
darf uns nicht an der Arbeit hindern, uns Lessings Kunst, Gunst
und Gesinnung immer näher zu bringen. L. >V.
Deutschlands, Frankreichs, Englands und der Vereinigten
Staaten bei der chinesischen Regierung ein» offizielle
Note ein, worin sie um Vorkehrungen für die Sicherheit
der Missionare ersuchen.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 2. Februar.
* Von der Universität. Die academische Rede des Prorectors
zur Feier des Geburtsfestes weiland Großherzogs Karl Friedrich
am 22.Nov. v.J. ist nunmehr im Druck erschienen (bet J.Hörning).
Prof. Ost ho ff behandelt in derselben, wie s. Zt. berichtet wurde,
das Suppletivwesen der indog ermanis chen Sprache.
Tie Rede des Prorektors bei der Beerdigung Bum'ens, die-
jenige des Dekans Prof. Pfitzer, des Geh.-Raths Curtius
und die des Studiosus Klingel sind mit der Gedächtnißrede,
di- Geh.-Rath Curtius im November v. I. auf Buusen ge-
halten hat, zu einem academischen Gedenkblatt „Robert
Wilhelm Buusen" vereinigt worden und gleichfalls bei I. Hörning
im Druck erschienen. Im Druck erschienen ist auch bereits das
Verzeichniß der Vorlesungen für das kommende Sommer-
semester.
» Stadtverordnetenwahl Bei der gestrigen Wahl eines
Stadtverordneten lür 3jährige AmkSdauer durch die
Klasse der Niederstbesteuertcn haben von 3484 Wahlberech-
tigten 77 abgestimml. Der Gewälte, Herr Fciieur Bürgin,
erhielt 76 Stimmen. Verhältmßzadl der Äbstiminenden zur
Gesammlzabl der Wähler 2,2"/,. Höchste Zeit für die Gesetz-
gebung. den allen Zops der gesonderten Ergänzungswahl
cbzuichneiden!
O SchöffengerichtSsttzung vom 1. Februar. 1) Christoph
Kippenhan aus Kirchkeim, z. Zt. hier in Hast, erhielt wegen Ver-
gehens gegen 8 183 R.St.G.B. 4 Wochen Gefängnis, 2) Thoma
Rogozinskt aus Warschau, z. Zt. hier in Haft, wegen Diebstahls
12 Tage Gefängniß, 3) August Schulz, Taglöhncc in Hand-
schuhsheim, wegen Verstrickungsbruchs 3 Tage Gefängniß.
4) Wilhelm Kirschler, Schneider, und Franz Adam Schnorr,
Schriftsetzer, beide hier, sind wegen Körperverletzung angeklagt;
Kirschler erhielt 2 Wochen Gefängniß, gegen Schnorr wurde das
Verfahren eingestellt. 5) Georg Michael Gerlach, Fabrikarbeiter
in Wieblingen, erhielt wegen Körperverletzung 3 Wochen Ge-
fängniß, 6) Josef Kieninger, Ketienschmieü in Ztegelhausen,
wegen Diebstahls 6 Wochen Gefängniß. 7) Die Verhandlung
gegen Kath. Barbara Wall Egefrau geh. Lauer dahier wegen
Diebstahls wurde vertagt. 8) Philipp Kleile, Dienstknecht in
Meckesheim, erhielt wegen Betrug« 12 Tage Gefängniß, 9) Franz
Karl Jrslinger, Versicherungsinspeklor hier, wegen Körperverletzung
und Beleidigung eine Geldstrafe von 30
— Polizeibericht. Ein wegen Diebstahls verfolgter
Schneideraen-llc ourde gestern verhaftet: zwei Personen
kamen weaen Ruhestöruna und Unfugs zur Anzeige.
** Eichtersheim, 1. Febr. Die Versteigerung des
Fischwassers der Angelbach für die neugebild.teFischerei-
genossenschaft findet statt am Samstag, den 3. Februar, Nachm.
3 Uhr auf dem Rathhaus in Eichtersheim; das Genossenschafts-
geb et umfaßt die Angelbach von Wiesloch hinauf bis Wald-
angelloch.
§ Adelshofen, Amts Eppingen, 31. Jan. Heute fand man
den hiesigen Wagner Jakob Bock in seinem Speicher erhängt-
Geistesstörung soll der Grund dieser Thal sein. Da in der
Gemeinde Adelshofen seit Menschengcdenken kein Selbstmord
vorgekommen ist, so sind die hiesigen Einwohner sehr aufgeregt-
Mannheim, 1. Febr. Die große C a r n e v a l - G e s e li-
sch a f t „F e u e r i o" i m H a b e r e ck hat beschlossen, in einem
größeren Saale Milte Februar ds. Js. eine sog. Fremden-
Sitzung abzuhalten und cs hat sich der dem Verein seit Be-
stehen angehöreude Herr Hofschauspieler Alex Kökert bereit ge-
funden, die Regie der Festlichkeit zu übernehmen. Ein Festspiel im
Verein mit den dilettantischen Aufführungen, welche die neuesten
Neuigkeiten Vordringen, den Carnevalsrednern, sowie der Musik
der hiesigen Grenadicrkapelle wnd sicher eine großartige
Sitzung bieten und es ist bestimmt zu erwarten, daß dieselbe iw
Interesse des für Fastnachlsonnlag geplanten Carneoalszuges
nicht allein von de» Ehrenmitgliedern und Mitgliedern, sonde-ü
von allen hier sowie in der Umgebung carnevalistisch Angehauchte»
besucht wird.
6.0. Mannheim, 1. Febr. Die Lohnbewegung dek
Flößer hat mit einem iheilweisen Erfolg geendet. Die Flößer
erhalten jetzt einen Taglohn von 4 „L Die Fahrt nach Worms
wird nunmehr mit 7 nach Mainz mit 16 vergütet.
6.6. Karlsruhe, 1. Februar. Heute Nachmittag erscholl
ein GaswerkSarbciler einen Kollegen aus Un o o rs i ch ti g ke t l-
Ter Thäter wurde verhaftet. Nach einer anderen Versio» soll
der Revolver in der Tasche eines im Wandschrank hängenden
Rockes sich befunden haben und durch Berührung des Rocke»
losgegangen sein. Die bereits eingelettete gerichtliche Unter'
suchuna dürfte Aufklärung bringe».
X Patentbericht für Baden vom 30. Januar 1900, in»'
getheill von dem Internationalen Patentbureau C. Kleyer w
ttarlsruhc (Baden). Filiale: Mannheim, 0 2. 7. (Auskünfte ohü-
Recherchen werden den Abonnenten dieser Zeitung bei Einsendung
der Frankatur gratis ertheilt.) a. Patent-Anmeldungen-
V. 14 829. Avparat zum Halten der Deckel beim Entlüften von
Slertlisirgefäßen. Johann Weck, Oeflingen (Baden). Von
28. Januar 1899 ab. — b. P a t e n t - E r t h e i l u n g e N '
Patent Rr. 109 222. Fruchlschneideuiaschine. I. Aßfalg, Eber
dach i. B Bom 14. März 1899 ab. — o. Gebrauchsmuster,
Eintragungen: Rr. 128004. Zwischen den Schienen de
Gleises angeordnete Zungen, welche durch Stellzcuge der Fnd^
zeuge zu einer Winkcldrehung veranlaßt, unter Benutzung ll'
biäuchlicher Zwischenorgane die Weichen- und Kontrollampe»
verstelle» vermögen. Oieorg Bertsch, Pforzbelm. Vom 6. Decei»"
1899 ab. — Nr. 128001. Verschlußmechanik bet Sägegatter^
Gustav Eirich, Herdhetm. Vom 4. December 1899 ab. .
Infolge Ablaufs der gesetzlichen Dauer de
ailgemeinenBenuyungfreigegeveneJndu st r' „
artikel: Patent Nr. 81998 vom 16. Januar 1885. betreffe'
Preßvorrichtung für Pappenscheeren. Patent Nr. 92 341 v° .
17. Januar 1885, betreffend Malzentkeimungsvorrichtung. Pw-.,
Nr. 34 049 vom 10. Januar 1885, betreffend SchranbensP'""
verschlug für Hinterladegeschütze. Patent Nr. 33 884 "
17. Januar 188), betreffend Flortheiler.
Kleine Zeitung. ,x.
— Hochschulnachrichten. Wien, 1. Febr. Der Kaiser >
nannte den ordenllichen Professor an der Universität
von Arnim, zum ordentlichen Professor der klassischen 4>d
logie an der Universität Wie».
— Tragisches Ende eines ehemaligen deutschen DM'§»>!
In Pittsburg hat sich vor Kurzem ein Herr Gersten, d" be-
dürftige Weise sein Leben als Sprachlehrer fristete, durch KW xb
säure aus der Well geschafft, um, wie er in einem nachgelw zS
Schreiben sagte, nicht langsam zu verhungern. Gersten, d^
Jahre alt war, hatte in Heidelberg studirt; später halte er
die militärische Laufbahn betreten und als Leutnant seinen ^,i
schied genommen, um nach Amerika auszuwandern. Ueb«
Grund zu diesem Schritt beobachtete er stets Schweigen- ill
zehn Jahren war er einer der gesuchtesten Spratyleh"
Philadelphia, da er außer der deutschen und englischen
auch der französischen, russischen und neugriechischen c>
mächtig war. Von Philadelphia ging er nach Cleveland, '
längere Zeit Sprachlehrer in einem Institut war. Er er»
verlor seine Stellung und kam vor ungefähr zwei Jahr" ,
Pittsburg. xii'^,
— Paris, 31. Jan. In Frankreich wollte man wieder
einen deutschen Spion erwischt haben. Als man den Mo>