zu äutzern beginne. Es erscheint sehr fraglich, ob diese
Erklärung richtig ist. Viel mehr als dieses Gesetz war
wohl die nationalistische Bewegung schuld daran, daß den
in Frankreich ansässigen Fremden die Lust verging, ihre
ursprüngliche Nationalität aufzugeben. Die durch Drumont
und Genossen hervorgerufene Juden- und Protestantenhetze
hat eben so wohl in Paris wie in der Provinz zu Aus-
schreitungen geführt, welche sich insbesondere gegen die
Naturalisirten richteten. Fast wehrlos standen dieselben
den Ausbrüchen des nationalen Fanatismus gegenüber, die
in ganz Frankreich unter dem Schlagwort: „!,» Brunos
LUX Prallhsis" inscenirt wurden. Nicht selten konnte
man hören, wie diese beklagenswerthen Naturalisirten ihr
lebhaftes Bedauern darüber aussprachen, daß sie nicht in
der Lage seien, den Schutz jenes Staates anzurufen, dem
sie früher angebört hatten.
Afrika. Mombassa (Britisch-Ostafrika), 27. Febr.
Das Reuter'sche Bureau meldet: Der Telegraph der Uganda-
bahn erreichte am 18. Febr. den Nil bei den Riponfällen
nördlich vom Victoria Nyanza und ist am 19. Februar
über den Fluß hinübergeleitet worden. Auf diese Weise
ist die telegraphische Verbindung Londons mit
den Rilquellen hergestellt. (DaS ist ein Sieg Eng-
lands, ein Cultursieg, über den sich Jedermann wird neid-
los freuen können.)
Mittheilungen der Handelskammer für de« Kreis
Heidelberg nebst der Stadt Eberbach.
Die bereit? seit einigen Jahren anhaltende günstige allgemeine
Geschäftslage gelangte bei den Erhebungen, welche die Handels-
kammer bei Schluß des Jahres 1899 über den Gang des Handels
und der Industrie ihres Bezirks wie alljährlich behufs Bericht-
erstattung an die Großh. Regierung und an tbre Wahlberechtigten
vornahm, wiederum voll zum Ausdruck. Die sämmtlichcn im
Bezirke vertretenen Jndustriebranchen, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, hatten im abgelaufenen Jahre günstige Geschäfls-
«rgebnisse zu verzeichnen. Das Gleiche war auch bei dem Handel
durchgängig da der Fall, wo derselbe nicht gerade durch un-
günstige Conjunkturen beeinträchtigt wurde. Namentlich sind eS
die mit dem Baugewerbe direkt und indirekt zusammenhängenden
Betriebe, welche von der trotz des hohen Zinsfußes immer noch
lebhaften Bauthätigkeit profitirten. Zu den Einzelheiten über-
gehend, haben wir Folgendes zu berichten:
Der Geschäftsgang in der M ü h l e ni nd ust r i e war ein
normaler und befriedigender, die Adsatzverhältnisse für Mehl
konnten während der ersten 8—9 Monate gute genannt werden,
nur im letzten Quartal machte sich ein trägerer Abzug bemerkbar.
Für Futterartikel bestand das ganze Jahr hindurch gute Nach-
frage. Die Mchl-Verkaufspreisc waren in der ersten Jahres-
hälfte zufriedenstellende, im zweiten Semester dagegen ziemlich
gedrückte. Futterstoffe erzielten das ganze Jahr hindurch ver-
hältnißmäßig gute Preise. Als eine betrübende Erscheinung im
Mühlengewerde ist es zu bezeichnen, daß zwischen den sog. Groß-
und Kleinmüllern ein scharfer Streit ausgcbrochen ist, der in der
Hauptsache darin gipfelt, daß die letzteren u. A. eine ca. dreißig-
prozentige Erhöhung der Bahnfrachten für Mehl und eine
progressiv steigende Umsatzsteuer nach dem Bermahlungsquantum
der einzelnen Mühlen verlangen. Die deutschen Eisenbahn-
Verwaltungen haben im Svätjahr 1899 fast einstimmig die
Frachterhöhung abgelehnt; die Agitation für die Umsatzsteuer
dauert fort.
Der Großhandel mit einheimischen Rohtabaken hatte m't
großen Schwierigkeiten zu kämpfen, da der 1899er Jahrgang
leider fast durchgängig ein für die Cigarrenfabrikation un-
brauchbares Gewächs lieferte, das trotzdem infolge des sehr ver-
minderten Anbaus zu hohen Preisen verkauft wurde. Die Aus-
sichten sür den Handel sind daher wiederum ungünstige. Die
Cigarrenfabrikation kann auch auf das abgelaufene
Jahr nicht M't Freuden zurückblicken, da die weiter gestiegenen
Preise für brauchbare Rohtabake das Fabrikat vertbeuerten, ohne
daß hierfür in höheren Verkaufspreisen Ersatz gefunden werden
konnte. Der Absatz war zeitweise sehr schleppend, so daß ein
großer Theil der Produktion auf Lager genommen werden
mußte. Günstigere Verhältnisse können erst dann wieder ein-
treten. wenn die Fabrikation bedeutend eingeschränkt und die
Kreditfähigkeit der Abnehmer vorsichtiger in Betracht gezogen,
die Zahlungsziele aber verkürzt werden In Rauchtabaken
nimmt der Konsum stetig ab; es würde dies in noch höherem
Maße der Fall sein, wenn nicht den höheren Anforderungen der
Raucher seitens der Fabrikanten durch stetige Verbesserung der
Qualitäten entsprochen würde. In Kautabaken war der
Absatz ein normaler.
Im Weinhandel konzentrirte sich das Geschäft haupt-
sächlich auf die voitheilhaft entwickelten 1897er Weine, welche
bei dem immer fühlbarer gewordenen Mangel an brauchbaren
und billigeren Gewächsen sehr gesucht waren. Infolge dessen
war das Geschäft auch etwas lebhafter als im Vorjahre. Die
1899 ursprünglich so erfreulichen Herbstaussichten verschlechterten
sich leider durch die überaus ungünstige Witterung im September.
Das Erträgniß erlitt hierdurch große Einbuße an Menge,
während die Qualität immerhin noch die Einwirkung der heißen
Augusttage einigermaßen erkennen läßt. Die neuen Weine sind
theurer geworden, als man vermuthete, so daß der Handel
künftig mit höheren Preisen rechnen muß. Bezüglich des Ent-
wurfs eines neuen Weingesetzes hat der Weinhandel einmüthig
Stellung gegen die vorgesehene Kellerkontrolle genommen, die
geschloffenes Ganzes in unserer Erinnerung dauernd zu beleben
versuchen: Die Ränge und das Parterre des alten MusenhauseS
verwandelt in eine äußerst freundliche Kinderbewahranstalt-
Ganze Gruppen reizendvermummter Mädele und Buben I O selig,
o selig, ein u. s. w.
Aber die kalte Douche kam nach in Gestalt eines Briefes,
den ich, frisch wie ich ihn erhalte, nicht verfehle, der verehrlichen
Redaktion zur Unterstützung der beschaulichen Aschermtttwoch-
meditation zu übermitteln. Er zeigt, wohin Frühreife führt.
Lieber Onkel Joseph!
Du weißt, daß, seit Papa aus Berlin hierher an die Uni-
versität gekommen, mir der hiesige Betrieb gar nicht imponiren
will. Daß die Leute im Allgemeinen hier im gemüthlichen Süden
an uns Berliner nicht herankönnen, da« könnte mir ja Piepe sein
im Prinzip«, aber, daß die Schulgenossen in ihrem beschränkten
Obertertianerbewußtsein weder etwas von Kainz wissen noch über
die Sorma mitreden können, das halte auf die Dauer einer aus.
So was jiebts ja jarnicht an Naivetätl
Man kann Leute doch unmöglich ernst nehmen, die Geibel
noch für'n großen Lyriker halten. — Aber ich will nicht vor-
gretfen l Also ich habe Dir eine Sache zu unterbreiten und bitte
Dich, lieber Onkel, um Deine sachverständige Meinung. Also
gestern schickte uns Mama, Lolo und mich, ins Theater. Es
wurde da eine unmögliche Zauberchose gemimt mii guten und
bösen Geistein, Armeleute-Milieu, Vernichtung des bösen Menschen-
fressers und dem Sieg der Unschuld und der Tugend. Däumling
wird der rettende Engel für sich und die Seinen, markirt einen
bessern Detektiv in Sachen Waldgeist Shlvanus wegen Ent-
führung der Prinzessin Rosenroth, spielt dann Heirathsvermittler
für den Prinzen Asturio und wird dafür von Majestät Bimbam
in den erblichen Adelstand erhoben. Sehn Sie, das ist ein Ge-
schäft, das bringt noch was ein! Hören ließen sich immerhin
ein paar Coupletverse, leider nicht nach meiner Leibmelodie:
belästigend und entwürdigend wirken müßte, ohne ihren eigent-
lichen Zweck zu erfüllen. Großen Schaden erleidet der Wein-
handel während des Winters durch die mangelhaften Transport-
verhältnisse auf den Eisenbahnen. Was dringend gewünscht
wird, sind weniger „gehetzte Waggons" als Wagen, welche durch
doppelte Wände mit Jsolirschicht der Kälte Widerstand leisten,
ferner schnellere Beförderung nach Ankunft der Sendungen auf
den Bahnhöfen, Unterbringung in frostfreicn Räumen und schnelle
Abrollung. (Schluß folgt.)
Aus Stadt und Land.
' Heidelberg, 28. Februar.
* Geheimerath Georg Meyer si. Wie ein Blitz aus völlig
heiterem Himmel durchzuckte heute Vormittag die erschütternde
Kunde von dem heute Nacht in Folge einer Lungenlähmung
gänzlich unerwartet und plötzlich eingctretenen Tode deS Herrn
Geheimerath Georg Meyer unsere Stadt, überall ebenso tiefes
Erschrecken wie schmerzlichste Theilnahme hervorrufend. Univer-
sität und Stadt nicht allein, die Wissenschaft, unser engeres und
weiteres Vaterland, die erste badische Kammer, und nicht zuletzt
die nationalliberale Partei, haben einen großen, schwer zu er-
setzenden Verlust erlitten. Gestern noch vollster Gesundheit sich
erfreuend, rüstig und thatkräftig— hielt er doch gestern Abend
noch seine Vorlesung bis 7 Uhr —, liegt der allseitig hochver-
ehrte Mann heute auf der Bahre, eine klaffende Lücke hinter-
lassend in dem Kreise der Seinen und seiner Mitbürger. Geh.
Rath Meyer war am 21. Febr. 1841 in Detmold geboren und hat
somit erst vor wenigen Tagen sei» 59. Lebensjahr vollendet.
Nach zurückgelegten Studien an verschiedenen deutschen Univer-
sitäten, darunter auch an der hiesigen, ließ er sich 1867 in Mar-
burg als Privatdozent nieder und wurde im Jahr 1873 zum
«ußerordentlichen Professor ernannt. Im Jahre 1875 erhielt er
einen Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Jena, wo
er bis 1889 verblieb. In diesem Jahre folgte er einem
Rufe an die hiesige Universität und zwar als Nachfolger des 1888
verstorbenen Staatsrechtslehrers Geh.-R ith v. Schulze-Gaevernitz.
Hier in unserer Stadt entfaltete er neben seinem Lehramt bald
eine den öffentlichen Interessen seiner neuen Heimath gewidmete,
außerordentlich rege und ersprießliche Thättgkeit. Er wurde
alsbald der Führer der nationalliberalen Partei in unserer
Stadt, als welcher er unzählige Versammlungen, zumal in Wahl-
zeiten, leitete; wenige Jahre nach seinem Hiersein wurde er in
den BürgerauSschuß als Stadtverordneter gewählt und dieses
Mandat erst bei den kürzlich vollzogenen Neuwahlen wieder er-
neuert. Seit einer Reihe von Jahren vertrat er die Universität
Heidelberg in der ersten badischen Kammer, zu deren hervor-
vorragendsten Mitgliedern er gehörte. Die Interessen der Uni-
versität fanden durch ihn stets die thatkräftigste Unterstützung in
dieser Kammer. Dann wurde er bald nach seiner Hierherkunft
zum Präsidenten der Museumsgesellschaft gewählt und seiner
sachkundigen Leitung ist die kürzlich glücklich vollzogene im
Interesse der Gesellschaft gelegenen Transaktion wesentlich mit
zu verdanken. Von 1897 bis 1898 war er Prorector der
Universität. Ebenso gehörte er seit einer Reihe von Jahren der
evangelischen Kirchengemeindeversammlung an. Mit der Bürger-
schaft kam er durch seine rege Betheiligung an allen öffentlichen
Dingen in vielfache Berührung uud er gehörte mit zu den be-
liebtesten und volksthümlichsten Erscheinungen in unserer Stadt.
Stets wird man sich seiner von warmem patriotischem Geiste
getragenen und daneben so inhaltreichen Reden erinnern, mit
denen er bei so vielen Gelegenheiten seine Zuhörer be-
geisterte und zu lautem Jubel mit sich fortriß. Eine reiche
Thättgkeit entfaltete er auch als Mitglied des Landes- wie des
Reichsausschusses der nationalliberalen Partei. Eine Wieder-
wahl in den Reichstag, dem er von 1881 bis 1890 als Ver-
treter von Jena angehört hatte, lehnte er jedoch ab, um seine
Kräfte nicht zu sehr zu zerspittern. Nun ist dieses an Thaten
und Erfolgen so reiche Leben jäh erloschen. Was Georg Meyer
aber seinen Mitbürgern war, das wird niemals ihrem Gedächt-
niß entschwinden, in Treue und Dankbarkeit werden sie seiner
allezeit gedenken!
L Stadtrath Leimbach si. Noch ganz erfüllt von dem tief
schmerzlichen Verluste, den Stand und Land durch das uner-
wartet plötzliche Hinschcidcn Georg Meyer's erlitten haben, er-
schüttert uns eine neue Trauerkunde, die ebenfalls in den weitesten
Kreisen das aufrichtigste herzlichste Mitgefühl und Bedauern Her-
vorrufen wird. Heute Vormittag zwischen 11 und 12 Uhr erlag
Herr Stadtrath und Landtagsabgeordncter Leimbach seinem
schweren Leiden, das er seit einer Reihe von Jahren mit be-
wundernswerther Standhaftigkeit ertragen und das nicht ver-
mocht hatte, ihn den von ihm freudig übernommenen bürgerlichen
Pflichten zu entfremden. Herr Leimbach betrieb früher die
Hofapotheke, die vormals am Marktplatze befindlich, vor Jahren
von ihm an das westliche Ende der Hauptstraße verlegt wurde.
Nachdem er dieselbe im Jahre 1887 an Herrn Dr. Glassner verkauft
hatte, widmete er sich den städtischen Interessen mit großer
Ach Schaffner lieber Schaffner, was haben Sie gethan. Ein
junger Mann, der einen Prinzenbedienten tragirte, nämlich trug
eine Sache vor: Schnee, Metzger, Theater, wie reimt sich das
zusammen? Der Schnee der fällt im Winter, der Metzger schlachtet
Rinder, im Theater freu'n sich Kinder! Und das stimmte denn
auch: Lolo, das dumme Göhr, amüsirte sich denn auch blöd-
sinnig. Es war ja auch alles da, was so '»er Töchter,
schülerin Spaß machen kann. Einem Minister z. B. wachsen
Eselsohren. Das Beste von« Ganze war noch Folgendes. Als der
Prinz seine rosenrothe Donna fragte: Liebst Du mich?, erfolgte
die prompte Antwort: Kannst Du noch fragen? In dem Mo-
ment platzte eine geschickt auf die Bühne geworfene Knallerbse.
Das war entschieden ein Knalleffekt! Genug Unwahrscheinlich-
keiten kommen ja in dem Stück vor, z. B gebratene Tauben
flogen in der Luft, wenn sie der hungrige Bursch gerade essen
wollte. Ich wollte Dich nun, lieber Onkel, nicht fragen, >oa«
man von der Einführung von Unwahrscheinlichkeiten ins Theater
zu halten hat. Nein, so frage ich nicht. Denke doch nur
an Shakespeare! Nein, das läßt mich kühl. Aber der Menschen-
fresser! Und nun frage ich einen Menschen: läßt sich die Ein-
führung eines Menschenfressers auf die Bühne rechtfertigen?
Darüber kann ich mir nicht klar werden, und da ich weiß, einen
wie eifrigen Mitkämpfer um modernes Theater ich in Dir zu
verehren habe, wende ich mich mit der bescheidenen Frage an
Dich: Was hältst Du von Menschenfressern im Leben und auf
der Bühne? Womit ich verbleibe
Dein gehorsamer
Neffe
Hans Viktor Thiele.
— Ich meine: Menschenfresser sind eine heilsame und nützliche
Institution, wenn sie uns von so naseweisen Berliner Jungen
bequem befreien können. Oder sind Sie andrer Ansicht?
L. ^7.
Hingebung; er wurde im Jahre 1888, nachdem er schon vorher der»
Büraerausschusse als Stadtverordneter angehört hatte, zum
Stadtrath gewählt, in dem er eine hervorragende Thötigkeit ent-
wickelte. Vielfach war er Vertreter des Bürgermeisteramts; von
bedeutendem Werthe waren die von ihm geleiteten Wohnung«'
Untersuchungen, deren Ergebnisse der Herbeiführung besserer
Wohnungsverhältnisse der ärmeren Klasse zur Grundlage dienen
dürften. Warmes Interesse bekundete Stadtrath Leimbach auch
in anderer Beziehung für die hygienischen Verhältnisse der
Stadt, so namentlich für das Leichen- und Friedhofwesen.
Wohl in Rücksicht auf die großen Anforderungen, die bezüglich
der Erweiterung de« Friedhofs gestellt werden mußten, war er
ein energischer Förderer der Feuerbestattung und thalkräftig
unterstützt von Gleichgesinnten ist es ihm gelungen, zu erwirken,
daß ein Krematorium hier erbaut wurde, dessen Benützung
in immer weiteren Kreisen Platz greift. Seit 1893
war Stadirath Leimbach neben Oberbürgermeister WilckenS Ver'
treter unserer Stadt in der bad. zweiten Kammer, wo er eine dem
Wohle des Landes und unserer Stadt ersprießliche Thätigke't
jederzeit entwickelt hat. In politischer Beziehung war er ein
überzeugter, eifriger Anhänger der nationalliberalen Parier,
die mit seinem Hingang einen empfindlichen Verlust erleidet. Er
gehörte auch während längerer Zeit der Vertretung der alt-
katholischen Kircheugemetnde an, deren Wohl er nach Kräften zu
fördern suchte. Mit ihm ist ein wackerer, ehrenhafter, tüchtiger
Mitbürger dahingeschieden, dessen immerhin allzufrüher Tod 7"
er erreichte ein Alter von nur etwa 63 Jahren — allseitig
beklagt wird. Ehre seinem Andenken immerdar!
Von der Universität. Als Privoldozenl bei der natul-
wisseiiictia'klich-malhematnchen Facultät habilitirt fick olN
Samstag für dos Fach der Chemie der bisherige Äisistent
am chemischen Univeisitütslaboratoriuin Tr. August Klage»
aus Hannover. Die öffentliche Probevorlesung handelt üoer
die chemischen Grundstoffe. — Der übliche Fackelzug für
den demnächst atstretcnden und den neugewähllen Prorektor
der Universität wird am Freitag dieser Woche stallfinden. .
^ Vom Fastnachts-Dienstag. An dem gestrigen Falt'
nachts-Dienslag, der von dem schönsten Wetter begünstigt
war, durchfluthete Nachmittags von 2 Uhr ab ein mächtiger
Menschenlirom die Hauptstraße, um an dem FastuachtStreiben
theilzunehmen und dasselbe zu bewundern. Es herrschte zeitweise
ein solches Gedränge, daß man sich nur mit Mühe und Roth
durch den Trubel hindurchwindeu konnte. Eine große Anzahl
Masken bewegte sich in buntem Durcheinander in lustiger und
heiterer Stimmung, jedoch sah man nur wenig wirklich hübsche
und originelle Kostüme. Der gegenwärtige südafrikanische Krieg
ist, wie überall, so auch hier, auf da« Fastnachtsleben nicht ohne
Einfluß geblieben; Buren und Engländer waren sehr zahlreich
unter den Masken. Mit besonderem Eifer wurde wieder da«
Werfen von Confetti und Papierschlangen betrieben und es wm
die Hauptstraße förmlich damit übersäet. Eine ganze Anzav'
mehr oder minder geschmackvoll ausstaffirter, mit Narren ver-
schiedener Art besetzter Wagen bewegten sich langsam durch dir
Straßen und forderten den Beifall des Publikum« heraus, man««
allerdings vergebens. Die besten Geschäfte scheinen gestern die
Wirthe gemacht zu haben. In vielen Wirthschaften waren die
Räumlichkeiten karnevalistisch ausgeschmückt, kostümirte Muli-'
kapellen ließen ihre Weisen ertönen. So ging das tolle Leben
unk Treiben, begleitet von dem schrecklichen Getute, bis in d>e
späten Abendstunden hinein. — Die „Gemeinde Stein-
gasse" nahm am Nachmittag in ihrem Raihhaus zum Grünen
Baum ihre Bürgermeister- und Gemeinderathswahl vor. Er
freulicher Weise wohnten zahlreiche Ausmärker — worunter in«
besondere Vertreter der Acht-Uhr-Gesellschaft, der Räuberhöh^'
der Turnkueipe und der Satania zu nennen sind — dem wi«'
tigen Act bei. Es ging sehr lebhaft und recht fidel bei hauE
machten Liedern, Musikvorträgcn, Ansprachen u. dgl. her. Der
bisherige Bürgermeister, Hr. Wegerle, wurde mit Glanz wieder-
gewählt ,
A Liederkranz-Festspiel. Morgen, Donnerstag Abend, finde
im großen Saale des städtischen Saalbaues eine Wiederholung de«
Liederkranz-Festspieles: „Zur Wende de» Jahrhundert«
statt. Das Ganze gibt in chronologischer Reihenfolge eine größer«
Anzahl Episoden aus dem abgelausenen Jahrhundert wieder, d>
theils patriotisch gehalten, theilS humoristisch-parodistisch ««
arbeitet, außerordentlich wirkungsvoll sich abspielen. Die vie
großen Hintergründe sind von Herrn Kunstmaler H. Hoffman'
eigens für dieses Festspiel entworfen und gemalt worden. D«
Retnerträgniß der Festspiel-Wiedergabe ist für Wohlthätigke»«^
anstalten hiesiger Stadt bestimmt und können wir, auch ""
diesem Grunde, den Besuch obiger Veranstaltung nurJederma"
auf das wärmste empfehlen. ^
— Polizeibericht. Eine Mannsperson wurde gestern wege
Betteln« verhaftet, ebenso eine weitere wegen Entziehen» ein«
Straferstehung verfolgte, sowie zwei wegen fortgesetzter Rune
störung; siebzehn Personen kamen wegen Ruhestörung und dr
wegen Körperverletzung zur Anzeige. ^
X Aus dem Amtsbezirk Heidelberg, 28. Febr. In Null
loch stürzte in dem dortigen Bergwerk am Montag
Schacht zusammen, wobei zwei Arbeiter verschüttet wurden'
glücklicherweise konnten sie jedoch aus ihrer schlimme
Lage befreit werden, ohne erhebliche Verletzungen davon»
tragen.
Z Walldorf. 27. Febr. Die von dem kathol. Männe ^
gesangverei» gestern Abend in dem geräumigen Saale 0
Gasthauses zum Ochsen unter der Direktion des Herrn H^.chr
lehrers Curtaz veranstaltete Abendunterhaltung nahm einen
befriedigenden Verlauf. Die zahlreich erschienenen Conzertbesu«^
spendeten den Sängern und Darstellern der komischen Stücke r ,
ihre guten Leistungen reichlichen Beif ll. Küche und Keller
Herrn Ochsenwirth« Gieser ließ nicht« zu wünschen übrig.
— Weinhrim, 27. Febr. Ganz unerwartet starb heute -e x
mittag »ach nur 5tägiger Krankheit — Lungenentzündung
seit ca. 13 Jahren hier angestellte kathol. Geistliche, Stadtpf"'
Dr. Kaiser, ein Alter von nur 57 Jahren erreichend. ,
O Weinheim, 27. Febr. In Folge der überaus günst'^
Frühjahrswitierung am Sonntag und heute war anläßlich.
Fastnacht in hiesiger Stadt ein fröhliches Thun und Trew §
Maskenumzüge zu Fuß und Wagen durchzogen die Straßen
ganzen heutigen Tag mit ihrem widerlichen Getute, so daß
den morgigen Tag, an dem alle« wieder seinen alten gewöhn
Gang geht, mit Freuden begrüßt. ..
8.«. Kappelrodeck b. Achern. 27. Febr. Ein dankba-^
Mono baue sich die hiesige Einwohnerschaft zur Fe'«r „g
Faschings 1900 gewählt und zwar wurde am Sonn ^
eine Schlacht zwischen Buren und Engländer ^
allen Einzelheiten dargestellt. Es fand dies allgenw
Beifall.
Theater- und Kunst-Nachrichten. ,,.i
Heidelberg, 28. Febr. Im Stadt-Theater ü^n»
morgen, Donnerstag, zum Benefiz für Herrn Regisseur 0
Kauer da» Schauspiel „Die Ehre" von Hermann Sude-"
zur Aufführung. Die Hauptrollen werden dargestellt oon gp,
Damen Brauny, Heinrich, Konrad, Krüger, Saldern, jph,
und den Herren Bauer, Mayring. Meltzer, Hermann N«? .feN
Kurt Rudolph. Sigl und Weinmann. Die Rolle deS Ame»
Traft spielt der Benefiziant. Eine Wiederholung deS intere»
Stückes in dieser Saison findet nicht statt.
Handel und Verkehr. ^
Frankfurt. 29. Febr. Effektens 0 cietät. Abends 6'/-gg b-
Oesterr. Credit 236.40 b. März. Diskonto-Kommandit
März. Deutsche Bank 214.50—60 b. G. März. Dresdener . fgl
165.90 b. März. Berliner Bank 118.30 b. G. Nationalo«»^,-
/ Deutschland 147.10 b. März. Banque Ottomane 115.50 v-
V Schaaffh. Bankverein 140 b. G. Staatsbahn 140.80 0-
Erklärung richtig ist. Viel mehr als dieses Gesetz war
wohl die nationalistische Bewegung schuld daran, daß den
in Frankreich ansässigen Fremden die Lust verging, ihre
ursprüngliche Nationalität aufzugeben. Die durch Drumont
und Genossen hervorgerufene Juden- und Protestantenhetze
hat eben so wohl in Paris wie in der Provinz zu Aus-
schreitungen geführt, welche sich insbesondere gegen die
Naturalisirten richteten. Fast wehrlos standen dieselben
den Ausbrüchen des nationalen Fanatismus gegenüber, die
in ganz Frankreich unter dem Schlagwort: „!,» Brunos
LUX Prallhsis" inscenirt wurden. Nicht selten konnte
man hören, wie diese beklagenswerthen Naturalisirten ihr
lebhaftes Bedauern darüber aussprachen, daß sie nicht in
der Lage seien, den Schutz jenes Staates anzurufen, dem
sie früher angebört hatten.
Afrika. Mombassa (Britisch-Ostafrika), 27. Febr.
Das Reuter'sche Bureau meldet: Der Telegraph der Uganda-
bahn erreichte am 18. Febr. den Nil bei den Riponfällen
nördlich vom Victoria Nyanza und ist am 19. Februar
über den Fluß hinübergeleitet worden. Auf diese Weise
ist die telegraphische Verbindung Londons mit
den Rilquellen hergestellt. (DaS ist ein Sieg Eng-
lands, ein Cultursieg, über den sich Jedermann wird neid-
los freuen können.)
Mittheilungen der Handelskammer für de« Kreis
Heidelberg nebst der Stadt Eberbach.
Die bereit? seit einigen Jahren anhaltende günstige allgemeine
Geschäftslage gelangte bei den Erhebungen, welche die Handels-
kammer bei Schluß des Jahres 1899 über den Gang des Handels
und der Industrie ihres Bezirks wie alljährlich behufs Bericht-
erstattung an die Großh. Regierung und an tbre Wahlberechtigten
vornahm, wiederum voll zum Ausdruck. Die sämmtlichcn im
Bezirke vertretenen Jndustriebranchen, von wenigen Ausnahmen
abgesehen, hatten im abgelaufenen Jahre günstige Geschäfls-
«rgebnisse zu verzeichnen. Das Gleiche war auch bei dem Handel
durchgängig da der Fall, wo derselbe nicht gerade durch un-
günstige Conjunkturen beeinträchtigt wurde. Namentlich sind eS
die mit dem Baugewerbe direkt und indirekt zusammenhängenden
Betriebe, welche von der trotz des hohen Zinsfußes immer noch
lebhaften Bauthätigkeit profitirten. Zu den Einzelheiten über-
gehend, haben wir Folgendes zu berichten:
Der Geschäftsgang in der M ü h l e ni nd ust r i e war ein
normaler und befriedigender, die Adsatzverhältnisse für Mehl
konnten während der ersten 8—9 Monate gute genannt werden,
nur im letzten Quartal machte sich ein trägerer Abzug bemerkbar.
Für Futterartikel bestand das ganze Jahr hindurch gute Nach-
frage. Die Mchl-Verkaufspreisc waren in der ersten Jahres-
hälfte zufriedenstellende, im zweiten Semester dagegen ziemlich
gedrückte. Futterstoffe erzielten das ganze Jahr hindurch ver-
hältnißmäßig gute Preise. Als eine betrübende Erscheinung im
Mühlengewerde ist es zu bezeichnen, daß zwischen den sog. Groß-
und Kleinmüllern ein scharfer Streit ausgcbrochen ist, der in der
Hauptsache darin gipfelt, daß die letzteren u. A. eine ca. dreißig-
prozentige Erhöhung der Bahnfrachten für Mehl und eine
progressiv steigende Umsatzsteuer nach dem Bermahlungsquantum
der einzelnen Mühlen verlangen. Die deutschen Eisenbahn-
Verwaltungen haben im Svätjahr 1899 fast einstimmig die
Frachterhöhung abgelehnt; die Agitation für die Umsatzsteuer
dauert fort.
Der Großhandel mit einheimischen Rohtabaken hatte m't
großen Schwierigkeiten zu kämpfen, da der 1899er Jahrgang
leider fast durchgängig ein für die Cigarrenfabrikation un-
brauchbares Gewächs lieferte, das trotzdem infolge des sehr ver-
minderten Anbaus zu hohen Preisen verkauft wurde. Die Aus-
sichten sür den Handel sind daher wiederum ungünstige. Die
Cigarrenfabrikation kann auch auf das abgelaufene
Jahr nicht M't Freuden zurückblicken, da die weiter gestiegenen
Preise für brauchbare Rohtabake das Fabrikat vertbeuerten, ohne
daß hierfür in höheren Verkaufspreisen Ersatz gefunden werden
konnte. Der Absatz war zeitweise sehr schleppend, so daß ein
großer Theil der Produktion auf Lager genommen werden
mußte. Günstigere Verhältnisse können erst dann wieder ein-
treten. wenn die Fabrikation bedeutend eingeschränkt und die
Kreditfähigkeit der Abnehmer vorsichtiger in Betracht gezogen,
die Zahlungsziele aber verkürzt werden In Rauchtabaken
nimmt der Konsum stetig ab; es würde dies in noch höherem
Maße der Fall sein, wenn nicht den höheren Anforderungen der
Raucher seitens der Fabrikanten durch stetige Verbesserung der
Qualitäten entsprochen würde. In Kautabaken war der
Absatz ein normaler.
Im Weinhandel konzentrirte sich das Geschäft haupt-
sächlich auf die voitheilhaft entwickelten 1897er Weine, welche
bei dem immer fühlbarer gewordenen Mangel an brauchbaren
und billigeren Gewächsen sehr gesucht waren. Infolge dessen
war das Geschäft auch etwas lebhafter als im Vorjahre. Die
1899 ursprünglich so erfreulichen Herbstaussichten verschlechterten
sich leider durch die überaus ungünstige Witterung im September.
Das Erträgniß erlitt hierdurch große Einbuße an Menge,
während die Qualität immerhin noch die Einwirkung der heißen
Augusttage einigermaßen erkennen läßt. Die neuen Weine sind
theurer geworden, als man vermuthete, so daß der Handel
künftig mit höheren Preisen rechnen muß. Bezüglich des Ent-
wurfs eines neuen Weingesetzes hat der Weinhandel einmüthig
Stellung gegen die vorgesehene Kellerkontrolle genommen, die
geschloffenes Ganzes in unserer Erinnerung dauernd zu beleben
versuchen: Die Ränge und das Parterre des alten MusenhauseS
verwandelt in eine äußerst freundliche Kinderbewahranstalt-
Ganze Gruppen reizendvermummter Mädele und Buben I O selig,
o selig, ein u. s. w.
Aber die kalte Douche kam nach in Gestalt eines Briefes,
den ich, frisch wie ich ihn erhalte, nicht verfehle, der verehrlichen
Redaktion zur Unterstützung der beschaulichen Aschermtttwoch-
meditation zu übermitteln. Er zeigt, wohin Frühreife führt.
Lieber Onkel Joseph!
Du weißt, daß, seit Papa aus Berlin hierher an die Uni-
versität gekommen, mir der hiesige Betrieb gar nicht imponiren
will. Daß die Leute im Allgemeinen hier im gemüthlichen Süden
an uns Berliner nicht herankönnen, da« könnte mir ja Piepe sein
im Prinzip«, aber, daß die Schulgenossen in ihrem beschränkten
Obertertianerbewußtsein weder etwas von Kainz wissen noch über
die Sorma mitreden können, das halte auf die Dauer einer aus.
So was jiebts ja jarnicht an Naivetätl
Man kann Leute doch unmöglich ernst nehmen, die Geibel
noch für'n großen Lyriker halten. — Aber ich will nicht vor-
gretfen l Also ich habe Dir eine Sache zu unterbreiten und bitte
Dich, lieber Onkel, um Deine sachverständige Meinung. Also
gestern schickte uns Mama, Lolo und mich, ins Theater. Es
wurde da eine unmögliche Zauberchose gemimt mii guten und
bösen Geistein, Armeleute-Milieu, Vernichtung des bösen Menschen-
fressers und dem Sieg der Unschuld und der Tugend. Däumling
wird der rettende Engel für sich und die Seinen, markirt einen
bessern Detektiv in Sachen Waldgeist Shlvanus wegen Ent-
führung der Prinzessin Rosenroth, spielt dann Heirathsvermittler
für den Prinzen Asturio und wird dafür von Majestät Bimbam
in den erblichen Adelstand erhoben. Sehn Sie, das ist ein Ge-
schäft, das bringt noch was ein! Hören ließen sich immerhin
ein paar Coupletverse, leider nicht nach meiner Leibmelodie:
belästigend und entwürdigend wirken müßte, ohne ihren eigent-
lichen Zweck zu erfüllen. Großen Schaden erleidet der Wein-
handel während des Winters durch die mangelhaften Transport-
verhältnisse auf den Eisenbahnen. Was dringend gewünscht
wird, sind weniger „gehetzte Waggons" als Wagen, welche durch
doppelte Wände mit Jsolirschicht der Kälte Widerstand leisten,
ferner schnellere Beförderung nach Ankunft der Sendungen auf
den Bahnhöfen, Unterbringung in frostfreicn Räumen und schnelle
Abrollung. (Schluß folgt.)
Aus Stadt und Land.
' Heidelberg, 28. Februar.
* Geheimerath Georg Meyer si. Wie ein Blitz aus völlig
heiterem Himmel durchzuckte heute Vormittag die erschütternde
Kunde von dem heute Nacht in Folge einer Lungenlähmung
gänzlich unerwartet und plötzlich eingctretenen Tode deS Herrn
Geheimerath Georg Meyer unsere Stadt, überall ebenso tiefes
Erschrecken wie schmerzlichste Theilnahme hervorrufend. Univer-
sität und Stadt nicht allein, die Wissenschaft, unser engeres und
weiteres Vaterland, die erste badische Kammer, und nicht zuletzt
die nationalliberale Partei, haben einen großen, schwer zu er-
setzenden Verlust erlitten. Gestern noch vollster Gesundheit sich
erfreuend, rüstig und thatkräftig— hielt er doch gestern Abend
noch seine Vorlesung bis 7 Uhr —, liegt der allseitig hochver-
ehrte Mann heute auf der Bahre, eine klaffende Lücke hinter-
lassend in dem Kreise der Seinen und seiner Mitbürger. Geh.
Rath Meyer war am 21. Febr. 1841 in Detmold geboren und hat
somit erst vor wenigen Tagen sei» 59. Lebensjahr vollendet.
Nach zurückgelegten Studien an verschiedenen deutschen Univer-
sitäten, darunter auch an der hiesigen, ließ er sich 1867 in Mar-
burg als Privatdozent nieder und wurde im Jahr 1873 zum
«ußerordentlichen Professor ernannt. Im Jahre 1875 erhielt er
einen Ruf als ordentlicher Professor an die Universität Jena, wo
er bis 1889 verblieb. In diesem Jahre folgte er einem
Rufe an die hiesige Universität und zwar als Nachfolger des 1888
verstorbenen Staatsrechtslehrers Geh.-R ith v. Schulze-Gaevernitz.
Hier in unserer Stadt entfaltete er neben seinem Lehramt bald
eine den öffentlichen Interessen seiner neuen Heimath gewidmete,
außerordentlich rege und ersprießliche Thättgkeit. Er wurde
alsbald der Führer der nationalliberalen Partei in unserer
Stadt, als welcher er unzählige Versammlungen, zumal in Wahl-
zeiten, leitete; wenige Jahre nach seinem Hiersein wurde er in
den BürgerauSschuß als Stadtverordneter gewählt und dieses
Mandat erst bei den kürzlich vollzogenen Neuwahlen wieder er-
neuert. Seit einer Reihe von Jahren vertrat er die Universität
Heidelberg in der ersten badischen Kammer, zu deren hervor-
vorragendsten Mitgliedern er gehörte. Die Interessen der Uni-
versität fanden durch ihn stets die thatkräftigste Unterstützung in
dieser Kammer. Dann wurde er bald nach seiner Hierherkunft
zum Präsidenten der Museumsgesellschaft gewählt und seiner
sachkundigen Leitung ist die kürzlich glücklich vollzogene im
Interesse der Gesellschaft gelegenen Transaktion wesentlich mit
zu verdanken. Von 1897 bis 1898 war er Prorector der
Universität. Ebenso gehörte er seit einer Reihe von Jahren der
evangelischen Kirchengemeindeversammlung an. Mit der Bürger-
schaft kam er durch seine rege Betheiligung an allen öffentlichen
Dingen in vielfache Berührung uud er gehörte mit zu den be-
liebtesten und volksthümlichsten Erscheinungen in unserer Stadt.
Stets wird man sich seiner von warmem patriotischem Geiste
getragenen und daneben so inhaltreichen Reden erinnern, mit
denen er bei so vielen Gelegenheiten seine Zuhörer be-
geisterte und zu lautem Jubel mit sich fortriß. Eine reiche
Thättgkeit entfaltete er auch als Mitglied des Landes- wie des
Reichsausschusses der nationalliberalen Partei. Eine Wieder-
wahl in den Reichstag, dem er von 1881 bis 1890 als Ver-
treter von Jena angehört hatte, lehnte er jedoch ab, um seine
Kräfte nicht zu sehr zu zerspittern. Nun ist dieses an Thaten
und Erfolgen so reiche Leben jäh erloschen. Was Georg Meyer
aber seinen Mitbürgern war, das wird niemals ihrem Gedächt-
niß entschwinden, in Treue und Dankbarkeit werden sie seiner
allezeit gedenken!
L Stadtrath Leimbach si. Noch ganz erfüllt von dem tief
schmerzlichen Verluste, den Stand und Land durch das uner-
wartet plötzliche Hinschcidcn Georg Meyer's erlitten haben, er-
schüttert uns eine neue Trauerkunde, die ebenfalls in den weitesten
Kreisen das aufrichtigste herzlichste Mitgefühl und Bedauern Her-
vorrufen wird. Heute Vormittag zwischen 11 und 12 Uhr erlag
Herr Stadtrath und Landtagsabgeordncter Leimbach seinem
schweren Leiden, das er seit einer Reihe von Jahren mit be-
wundernswerther Standhaftigkeit ertragen und das nicht ver-
mocht hatte, ihn den von ihm freudig übernommenen bürgerlichen
Pflichten zu entfremden. Herr Leimbach betrieb früher die
Hofapotheke, die vormals am Marktplatze befindlich, vor Jahren
von ihm an das westliche Ende der Hauptstraße verlegt wurde.
Nachdem er dieselbe im Jahre 1887 an Herrn Dr. Glassner verkauft
hatte, widmete er sich den städtischen Interessen mit großer
Ach Schaffner lieber Schaffner, was haben Sie gethan. Ein
junger Mann, der einen Prinzenbedienten tragirte, nämlich trug
eine Sache vor: Schnee, Metzger, Theater, wie reimt sich das
zusammen? Der Schnee der fällt im Winter, der Metzger schlachtet
Rinder, im Theater freu'n sich Kinder! Und das stimmte denn
auch: Lolo, das dumme Göhr, amüsirte sich denn auch blöd-
sinnig. Es war ja auch alles da, was so '»er Töchter,
schülerin Spaß machen kann. Einem Minister z. B. wachsen
Eselsohren. Das Beste von« Ganze war noch Folgendes. Als der
Prinz seine rosenrothe Donna fragte: Liebst Du mich?, erfolgte
die prompte Antwort: Kannst Du noch fragen? In dem Mo-
ment platzte eine geschickt auf die Bühne geworfene Knallerbse.
Das war entschieden ein Knalleffekt! Genug Unwahrscheinlich-
keiten kommen ja in dem Stück vor, z. B gebratene Tauben
flogen in der Luft, wenn sie der hungrige Bursch gerade essen
wollte. Ich wollte Dich nun, lieber Onkel, nicht fragen, >oa«
man von der Einführung von Unwahrscheinlichkeiten ins Theater
zu halten hat. Nein, so frage ich nicht. Denke doch nur
an Shakespeare! Nein, das läßt mich kühl. Aber der Menschen-
fresser! Und nun frage ich einen Menschen: läßt sich die Ein-
führung eines Menschenfressers auf die Bühne rechtfertigen?
Darüber kann ich mir nicht klar werden, und da ich weiß, einen
wie eifrigen Mitkämpfer um modernes Theater ich in Dir zu
verehren habe, wende ich mich mit der bescheidenen Frage an
Dich: Was hältst Du von Menschenfressern im Leben und auf
der Bühne? Womit ich verbleibe
Dein gehorsamer
Neffe
Hans Viktor Thiele.
— Ich meine: Menschenfresser sind eine heilsame und nützliche
Institution, wenn sie uns von so naseweisen Berliner Jungen
bequem befreien können. Oder sind Sie andrer Ansicht?
L. ^7.
Hingebung; er wurde im Jahre 1888, nachdem er schon vorher der»
Büraerausschusse als Stadtverordneter angehört hatte, zum
Stadtrath gewählt, in dem er eine hervorragende Thötigkeit ent-
wickelte. Vielfach war er Vertreter des Bürgermeisteramts; von
bedeutendem Werthe waren die von ihm geleiteten Wohnung«'
Untersuchungen, deren Ergebnisse der Herbeiführung besserer
Wohnungsverhältnisse der ärmeren Klasse zur Grundlage dienen
dürften. Warmes Interesse bekundete Stadtrath Leimbach auch
in anderer Beziehung für die hygienischen Verhältnisse der
Stadt, so namentlich für das Leichen- und Friedhofwesen.
Wohl in Rücksicht auf die großen Anforderungen, die bezüglich
der Erweiterung de« Friedhofs gestellt werden mußten, war er
ein energischer Förderer der Feuerbestattung und thalkräftig
unterstützt von Gleichgesinnten ist es ihm gelungen, zu erwirken,
daß ein Krematorium hier erbaut wurde, dessen Benützung
in immer weiteren Kreisen Platz greift. Seit 1893
war Stadirath Leimbach neben Oberbürgermeister WilckenS Ver'
treter unserer Stadt in der bad. zweiten Kammer, wo er eine dem
Wohle des Landes und unserer Stadt ersprießliche Thätigke't
jederzeit entwickelt hat. In politischer Beziehung war er ein
überzeugter, eifriger Anhänger der nationalliberalen Parier,
die mit seinem Hingang einen empfindlichen Verlust erleidet. Er
gehörte auch während längerer Zeit der Vertretung der alt-
katholischen Kircheugemetnde an, deren Wohl er nach Kräften zu
fördern suchte. Mit ihm ist ein wackerer, ehrenhafter, tüchtiger
Mitbürger dahingeschieden, dessen immerhin allzufrüher Tod 7"
er erreichte ein Alter von nur etwa 63 Jahren — allseitig
beklagt wird. Ehre seinem Andenken immerdar!
Von der Universität. Als Privoldozenl bei der natul-
wisseiiictia'klich-malhematnchen Facultät habilitirt fick olN
Samstag für dos Fach der Chemie der bisherige Äisistent
am chemischen Univeisitütslaboratoriuin Tr. August Klage»
aus Hannover. Die öffentliche Probevorlesung handelt üoer
die chemischen Grundstoffe. — Der übliche Fackelzug für
den demnächst atstretcnden und den neugewähllen Prorektor
der Universität wird am Freitag dieser Woche stallfinden. .
^ Vom Fastnachts-Dienstag. An dem gestrigen Falt'
nachts-Dienslag, der von dem schönsten Wetter begünstigt
war, durchfluthete Nachmittags von 2 Uhr ab ein mächtiger
Menschenlirom die Hauptstraße, um an dem FastuachtStreiben
theilzunehmen und dasselbe zu bewundern. Es herrschte zeitweise
ein solches Gedränge, daß man sich nur mit Mühe und Roth
durch den Trubel hindurchwindeu konnte. Eine große Anzahl
Masken bewegte sich in buntem Durcheinander in lustiger und
heiterer Stimmung, jedoch sah man nur wenig wirklich hübsche
und originelle Kostüme. Der gegenwärtige südafrikanische Krieg
ist, wie überall, so auch hier, auf da« Fastnachtsleben nicht ohne
Einfluß geblieben; Buren und Engländer waren sehr zahlreich
unter den Masken. Mit besonderem Eifer wurde wieder da«
Werfen von Confetti und Papierschlangen betrieben und es wm
die Hauptstraße förmlich damit übersäet. Eine ganze Anzav'
mehr oder minder geschmackvoll ausstaffirter, mit Narren ver-
schiedener Art besetzter Wagen bewegten sich langsam durch dir
Straßen und forderten den Beifall des Publikum« heraus, man««
allerdings vergebens. Die besten Geschäfte scheinen gestern die
Wirthe gemacht zu haben. In vielen Wirthschaften waren die
Räumlichkeiten karnevalistisch ausgeschmückt, kostümirte Muli-'
kapellen ließen ihre Weisen ertönen. So ging das tolle Leben
unk Treiben, begleitet von dem schrecklichen Getute, bis in d>e
späten Abendstunden hinein. — Die „Gemeinde Stein-
gasse" nahm am Nachmittag in ihrem Raihhaus zum Grünen
Baum ihre Bürgermeister- und Gemeinderathswahl vor. Er
freulicher Weise wohnten zahlreiche Ausmärker — worunter in«
besondere Vertreter der Acht-Uhr-Gesellschaft, der Räuberhöh^'
der Turnkueipe und der Satania zu nennen sind — dem wi«'
tigen Act bei. Es ging sehr lebhaft und recht fidel bei hauE
machten Liedern, Musikvorträgcn, Ansprachen u. dgl. her. Der
bisherige Bürgermeister, Hr. Wegerle, wurde mit Glanz wieder-
gewählt ,
A Liederkranz-Festspiel. Morgen, Donnerstag Abend, finde
im großen Saale des städtischen Saalbaues eine Wiederholung de«
Liederkranz-Festspieles: „Zur Wende de» Jahrhundert«
statt. Das Ganze gibt in chronologischer Reihenfolge eine größer«
Anzahl Episoden aus dem abgelausenen Jahrhundert wieder, d>
theils patriotisch gehalten, theilS humoristisch-parodistisch ««
arbeitet, außerordentlich wirkungsvoll sich abspielen. Die vie
großen Hintergründe sind von Herrn Kunstmaler H. Hoffman'
eigens für dieses Festspiel entworfen und gemalt worden. D«
Retnerträgniß der Festspiel-Wiedergabe ist für Wohlthätigke»«^
anstalten hiesiger Stadt bestimmt und können wir, auch ""
diesem Grunde, den Besuch obiger Veranstaltung nurJederma"
auf das wärmste empfehlen. ^
— Polizeibericht. Eine Mannsperson wurde gestern wege
Betteln« verhaftet, ebenso eine weitere wegen Entziehen» ein«
Straferstehung verfolgte, sowie zwei wegen fortgesetzter Rune
störung; siebzehn Personen kamen wegen Ruhestörung und dr
wegen Körperverletzung zur Anzeige. ^
X Aus dem Amtsbezirk Heidelberg, 28. Febr. In Null
loch stürzte in dem dortigen Bergwerk am Montag
Schacht zusammen, wobei zwei Arbeiter verschüttet wurden'
glücklicherweise konnten sie jedoch aus ihrer schlimme
Lage befreit werden, ohne erhebliche Verletzungen davon»
tragen.
Z Walldorf. 27. Febr. Die von dem kathol. Männe ^
gesangverei» gestern Abend in dem geräumigen Saale 0
Gasthauses zum Ochsen unter der Direktion des Herrn H^.chr
lehrers Curtaz veranstaltete Abendunterhaltung nahm einen
befriedigenden Verlauf. Die zahlreich erschienenen Conzertbesu«^
spendeten den Sängern und Darstellern der komischen Stücke r ,
ihre guten Leistungen reichlichen Beif ll. Küche und Keller
Herrn Ochsenwirth« Gieser ließ nicht« zu wünschen übrig.
— Weinhrim, 27. Febr. Ganz unerwartet starb heute -e x
mittag »ach nur 5tägiger Krankheit — Lungenentzündung
seit ca. 13 Jahren hier angestellte kathol. Geistliche, Stadtpf"'
Dr. Kaiser, ein Alter von nur 57 Jahren erreichend. ,
O Weinheim, 27. Febr. In Folge der überaus günst'^
Frühjahrswitierung am Sonntag und heute war anläßlich.
Fastnacht in hiesiger Stadt ein fröhliches Thun und Trew §
Maskenumzüge zu Fuß und Wagen durchzogen die Straßen
ganzen heutigen Tag mit ihrem widerlichen Getute, so daß
den morgigen Tag, an dem alle« wieder seinen alten gewöhn
Gang geht, mit Freuden begrüßt. ..
8.«. Kappelrodeck b. Achern. 27. Febr. Ein dankba-^
Mono baue sich die hiesige Einwohnerschaft zur Fe'«r „g
Faschings 1900 gewählt und zwar wurde am Sonn ^
eine Schlacht zwischen Buren und Engländer ^
allen Einzelheiten dargestellt. Es fand dies allgenw
Beifall.
Theater- und Kunst-Nachrichten. ,,.i
Heidelberg, 28. Febr. Im Stadt-Theater ü^n»
morgen, Donnerstag, zum Benefiz für Herrn Regisseur 0
Kauer da» Schauspiel „Die Ehre" von Hermann Sude-"
zur Aufführung. Die Hauptrollen werden dargestellt oon gp,
Damen Brauny, Heinrich, Konrad, Krüger, Saldern, jph,
und den Herren Bauer, Mayring. Meltzer, Hermann N«? .feN
Kurt Rudolph. Sigl und Weinmann. Die Rolle deS Ame»
Traft spielt der Benefiziant. Eine Wiederholung deS intere»
Stückes in dieser Saison findet nicht statt.
Handel und Verkehr. ^
Frankfurt. 29. Febr. Effektens 0 cietät. Abends 6'/-gg b-
Oesterr. Credit 236.40 b. März. Diskonto-Kommandit
März. Deutsche Bank 214.50—60 b. G. März. Dresdener . fgl
165.90 b. März. Berliner Bank 118.30 b. G. Nationalo«»^,-
/ Deutschland 147.10 b. März. Banque Ottomane 115.50 v-
V Schaaffh. Bankverein 140 b. G. Staatsbahn 140.80 0-