ausdrücklich die Anwesenheit von 100 Gemeinderäthen im
neuen Statut vorgeschrieben ist.
Frankreich. Paris, 2. April. Dem Matin zufolge
sind zwei Truppenkolonnen damit beauftragt, die Be-
setzung der im südmarokkanischen Grenzgebiet
gelegenen Oasen durchzuführen. Die erste Kolonne, unter
einem Oberstleutnant, zählt ein Bataillon algerischer
Schützen, ein Bataillon afrikanischer Infanterie, eine
Kompagnie Sudanschützen und eine Abtheilung berittener
Artillerie. Diezweite, die Nordkolonne, unter Oberst Bertrand
zählt ein Bataillon von der Fremdenlegion, ein Bataillon
algerischer Schützen, zwei halbe Schwadronen Spahis und
afrikanische Jäger, sowie je eine Abtheilung berittener Ar-
tillerie und Pioniere, zusammen 53 Offiziere und 1773
Mann, 162 Pferde und 379 Kamele. Eine Karawane
von 2500 Kamelen versorgt die Verproviantirung. Diese
zweite Kolonne wird die südmarokkanische Grenze über-
wachen; als Reserve hierfür stehen in Mn-Sefra noch ein
Bataillon Zuaven, eine Schwadron Jäger und eine Ab-
theilung Artillerie, sowie vier Kompagnien Infanterie in
Duveyricr bereit. Das weitere Ziel der Unternehmung ist
die Verbindung Algiers mit dem französischen
Sudan, deren territoriale Kosten Marokko zu bezahlen
haben wird.
Paris, 3. April. In der Kammer erwiderte gestern
bei Berathung des Budgets der Kolonialarmee der Kriegs-
minister Gallifet auf mehrere Anfragen dahin, daß die
Küste Frankreichs gegen jeden Angriff geschützt sei. Eine
Landung an seinen Küsten sei für Frankreich ohne Gefahr.
Die Truppen, die bei der Vertheidigung der Küste zu-
sammen wirken sollen, brauchen nicht von verschiedenen
Instanzen abzuhängen. Die Vertheidigung des Landes
müsse Sache des Kriegsministers sein. Er bitte, die
Kolonialtruppen dem KriegSministcrium zu unterstellen.
England. Windsor, 2. April. Die Königin
reiste heute Abend 9'/, Uhr mit der Prinzessin Christian
zu Schleswig-Holstein und der Prinzessin Heinrich von
Battenberg sowie zahlreichem Gefolge nach Irland ab.
Jtalim. Rom, 3. April. Kammer. Nachdem die
Linke und die äußerste Linke den Saal verlassen, nimmt
die Kammer einstimmig die beantragten Aenderungen
der Geschäftsordnung an und vertagt sich bis zum
15. Mai.
Bulgarien. Sofia, 3. April. Fürst Ferdinand
ist heule mit dem Orient-Expreßzug nach Pest gereist.
Vorher hatte er eine lange Unterredung mit dem russischen
Vertreter Bachmetjew. Die Reise wird von einigen Seiten
mit dem Plane einer Heirath mit der Großfürstin
Helene von Rußland in Verbindung gebracht. Das
nächste Reiseziel ist wahrscheinlich Abbazia. (Die Groß-
fürstin, die eine kurze Zeit hindurch Braut des Prinzen
Max von Baden war, ist erst 18 Jahre alt. Fürst
Ferdinand zählt 39 Jahre.)
Türkei. Konstantinopel, 1. April. Die Mitglieder
der deutschen Mission zur Erforschung der Linie
für die Bagdad-Bahn, die Bauräthe Kapp und
Makensen, trafen heute hier ein und begeben sich morgen
nach Berlin. Zu ihren Ehren giebt heute Abend Freiherr
v. Marschall ein großes Diner. Der Präsident der
Anatolischen Bahnen, Geheimrath Zander, gab den Herren
ein Dejeuner, an dem der Botschafter und das Botschafts-
Personal theilnahmen. Die Mitglieder der Mission sind
verpflichtet, vorläufig über ihre Eindrücke Verschwiegenheit
zu wahren. Sie legten in acht Monaten ungefähr
4500 Kilometer zu Pferd, 2000 Kilometer zu Schiff und
600 Kilometer zu Wagen zurück. Die türkischen Behörden
bereiteten ihnen überall den besten Empfang. Die Mission
wurde zweimal von Beduinenstämmen ernstlich bedroht.
Die Herren sprechen sich nach der Franks. Ztg. besonders
lobend über den Scheik vonKueit aus, der ihnen
anfangs feindlich gegenüberstand, dann aber die Mission
in seinem eigenen Palaste unterbrachte und ihr wiederholt
das größte Vertrauen und Freundschaft für den Kaiser
und das deutsche Reich zu beweisen trachtete.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 4. April.
4- Gewerbegerichtssttznug vom 30. März ds. Jrs. 1. I. S.
der Kellnerin Marte Nickel gegen Wirth Karl Hasberg zum
Bad. Hof dahier auf Zahlung einer Entschädigung von 10 Mk.
wegen Nichteinstellung erklärte sich der Beklagte zur Zahlung von
5 M. bereit. Die Klägerin verzichtete hierauf auf die Mehrforderung.
2. Der Glasergehilfe Albert Fräfel klagte gegen Glasermeister
Karl Braun dahier auf Zahlung der gesetzlichen Entschädigung
von 13 Mk. 20 Pfg. wegen klindigungsloser Entlassung. Die
Parteien verständigten sich dahin, daß der Beklagte den Betrag
von 6 Mk. an den Kläger bezahlt und Letzterer auf die Wetter-
führung der Klage verzichtet. 3. I. S. des Lehrlings Wilhelm
Bollschweiler gegen Kupferschmied Hermann Staroste dahier
wegen Aushändigung des Arbeitsbuches wurde der Kläger mit
der erhobenen Klage abgewiesen, da derselbe das Lehrverhältniß
vor Ablauf der vereinbarten Lehrzeit ohne gesetzlichen Grund
verlassen hat. Ohne Zuzug vou Beisitzern wurden vom IS. bis
31. März noch folgende Streitfälle erledigt. 4. I. S. des
Metzgergehilfen Gustav Wenck gegen Metzgermeister Wilhelm
Schwab in Ncuenhetm wegen Zahlung von 10 Mk. Lohn und
13 Mt. 20 Pfg. Entschädigung wegen kündigungsloser Entlassung
nahm der Kläger seinen Antrag während der Verhandlung zu-
rück. 5. Wagenfabrikant Jos. Schmieder klagte gegen Lackierer
Jak. Wacker dahier auf Zahlung einer Entschädigung von 100
Mark wegen Bruchs des Arbettsverhältniffes. Beklagter erklärte
sich zur Zahlung von 45 Mk. bereit, worauf Kläger auf seine
Mehrforderung verzichtete. 6. I. S. des Flaschnergchtlfen Georg
Andersen gegen Flaschnermetster Arthur Stein dahier wegen einer
Lohnzahlung von 5 Mk. einigten sich die Parteien auf eine Gegen-
forderung des Beklagten dahin, datz Letzterer an den Kläger noch
eine Mark zu zahlen hat.
K Militärisches. In das hiesige Bataillon traten zu
Beginn des Monats 20 E in j ährig-Fre i w ill i ge zur
DienstleOtuna ein.
Druckfehler-Berichtigung. Der aus Marburg hierher berufene
Professor der Nationalökonomie heißt Rathgen, nicht Bethgen.
— Der Verfasser der neulich erwähnten Broschüre „Der Kampf
ums Gold in Transvaal" ist nicht ein Herr v. Nebel, sondern
Herr Heinrich C. Nebel, ein Sohn des vor einigen Jahren
hier verstorbenen Dr. med. Nebel.
* Das Romanfentüeto» findet der Leser im heutigen
zweiten Blatt.
— Polizeibericht. Ein Taglöhner wurde wegen Dieb-
stahls verhaltet; eine weitere Mannsperson kam wegen Ruhe-
störung »ur Anzeige.
A Aus dem Amtsbezirk Heidelberg, 4. Avril. Gestern
wurden in WaldhilSoach durch die Gendarmerie zwei
Männer verhaltet und ins Amksgekängniß einoelicfert, die
vom Gnberger Waldhüter beim Wildern betroffen worden
waren.
):( Vo» der Tromm, 3. März- Wir haben hier auf
unseren Bergen wieder völliges Winterwelte r. Heute
Morgen zeigie das Thermometer 7 Grad nach 8. Trotzdem
wird unsere schöne Gegend schon täglich von vielen Touristen
und Ansflüalern besucht.
f Mannheim, 2. April. (Schwurgericht.) Unter dem Vor-
sitz des Herrn Landgerichtsraths von Babo begannen heute die
Verhandlungen des Schwurgerichts für das 2. Quartal.
1. Die bekannte Meineidsgeschichte der beiden Maurerslehrlinge
Peter Weber und Nikolaus Schwedelsecker von Leuters-
hausen wurde heute zum dritten Male vor Gericht erörtert. Der
23 Jahre alte Maurer Peter Bär von Leutershausen rief im
Sommer v. Js. an einem Neubau in der östlichen Stadt-
erweiterung einem Handlanger namens Bickel zu: „Sag'
Deinem Vater, der Stromer soll seinen Buben schlagen!" Er
glaubte nämlich, Bickel's Vater hätte seinen (Bär's) Bruder miß-
handelt. Bickel's Vater erhob darauf gegen Bär Klage wegen
Beleidigung. Am 27. Oktober v. Js. war Verhandlung vor dem
Schöffengericht. In dieser Verhandlung traten nun die im gleichen
Bau mit Bär beschäftigt gewesenen Maurerlehrlinge Weber und
Schwedelsecker als Zeugen auf und sagten unter Eid aus, diese
Aeußerung Bär's gegen den jungen Bickel habe gelautet: Josef
Bickel möge seinem Vater ausrichten, daß er seinen Buben, nicht
Bär's Bruder schlagen solle, der sei kein auf der Landstraße her-
gelaufener Stromer. Der ganze Eindruck der beiden Burschen
verrieth, daß sie von Bär bearbeitet worden waren. Sie wurden
im Gerichtssaale verhaftet, legten bald darauf ein Geständnitz ab
und wurden am 27. Febr. ds. Js. von der Strafkammer unter
dem Strafmildcrungsarund der Jugend zu je 1 Jahr Gefängniß
verurtheilt. Ihr Verführer empfing heute vom Schwurgericht den
Lohn feiner Frivolität. Er wurde zu einer Gefängnißstrafe von
1 Jahr 8 Monaten verurtheilt und es wurden ihm die bürgerlichen
Ehrenrechte auf 5 Jahre aberkannt.
2. Sehr glatt lag auch in dem Falle die Sachlage, in welchem
der 32 Jahre alte Maurer Georg Michael Vierling aus Viern-
heim wegen Meineids unter Anklage stand. Am 20. Februar
ds. Js. wurde vor dem Schöffengericht Weinheim gegen den Tag-
löhner Friedrich Herdner wegen Körperverletzung verhandelt.
Vierling, der Verletzte, behauptete, als Zeuge vernommen, er habe
bei dem Rencontre kein Messer in der Hand gehabt, wie dies der
Angeklagte zu seiner Entschuldigung angab. Vierling wurde des
Falscheids überführt und unter dem strafmildernden Gesichtspunkte
des 8 157 Ziff. 2 R.-St.-G.-B. zu 9 Monaten Gefängniß ver-
urtheilt.
ch Mannheim. 3. April. (Strafkammer.) Als am
30. October v. Js kurz vor 5 Uhr früh dem Zug 59 8 auf der
Station Großsachsen-Heddesheim ein Viehwagen angekuppelt
werden sollte, stieß der zu diesem Zwecke rückwärts fahrende Zug
so heftig gegen den über die Weiche Nr. 4 herausgebrachten
Wagen, daß dieser zurückrollte und die mittlerweile wieder gerade
gestellte Weiche ausschnitt. Wäre dies nicht geschehen, so wäre
der Wagen entgleist. Darauf gab der Wagenwärter Karl Delp
(aus Frankfurt a. M.) Signal zum weiteren Zurückfahren, worauf
der Zug sich nochmal« i» Bewegung setzte und mit drei
Wagen ebenfalls über die ausgeschnittene Weiche i» das Nebengeleis
einfnkr. Nachdem der Wagen wieder angekuppelt war und man
wieder Vorfahren wollte, rief der Weichenwärter Braun dem
Schaffner Hund und dem Wogenwärter Detp zu: „Halt! Die
Weiche steht nicht richtig!" Detp und Hund leuchteten dierauf
mit ihren Laternen flüchtig hin und sagten dann zu Braun:
„Die Weiche sicht richtig, wir können Vorfahren." Als Braun
darauf wiederholte: „Nein die Weiche steht nicht richtig, ihr könnt
nicht Vorfahren," erwiderte Hund: „Ich kann meine» Finger nicht
an die Zunge legen, Wenns einen Haufen giebt. wir lönnens
nicht Heden." Delp gab alsdann das Signal zum Vorfahren,
Hund gab es weiter, der Zug setzte sich in Bewegung, doch war
er kaum 1—2 Wagenlänqen wett, a!« ein Personenwagen umfiel
und der Zug ohne Zuthun des Lokomotivführers stehen blieb. Die
Weiche hatte sich in Folge der Erschütterung geradeaus gestellt und
so fiel der Wage» unt. Der Wagen war von etwa 20 Reisenden
besetzt, von denen sieben mehr oder weniger verletzt wurden.
Gegen drei der in Betracht kommenden Beamten, nämlich den
36 Jahre alten Zugureister Michael Braun von Heidelberg,
den 42 Jahre allen Wagcnwärter Karl Delp von Frankfurt
a. M. und den 27 Jahre allen Etsendahnschaffner Jakob Hund
von Heidelberg wurde Anklage erhoben, daß sie durch instruktions-
widriges Verhalten den Unfall verschuldet hätten. Zugmeister
Braun halte unterlassen, sich seiner Dienstanweisung entsprechend
bei dem dienstthuenden Stationsbeamlen za melden und mit ihm
wegen Einstellung des Viehwagens ins Benehmen zu treten.
Wie der als Sachverständiger zu der Verhandlung zugezogene
Herr Regterungsralh Scheyrer mittheilte, wäre es auch seine
Sache gewesen, persönlich die Rangirbewegung zu übernehmen.
Das Verschulden Delp's und Hund's lag darin, daß sie trotz der
Warnung des Weichenwärters, nicht vorzufahren, doch das hierzu
gebrauchte Signal gaben. Das Gericht verurtheilte den Zug-
weister Braun zu einer Geldstrafe von 20 Mk. event. 5 Taqe
Gefängniß. Delp als den Hauptschuldigen zu 3 Wochen und Hund
zu 1 Woche Gefängniß.
ch Mannheim, 3. April. In der heutigen Sitzung des Bürger-
ausschusses wurde die Aufnahme eines neuen städtischen A »lehens
im Betrage von 10 MM. Mk. und verzinslich zu 4"/, genehmigt.
Seitens des StadlratheS wurde die Vorlage damit begründet, daß
zwar die Contrahiruilg einer neuen Schuld noch nicht nothwendig
ist, da noch genügende Mittel verfügbar stehen, daß man es aber
dock für rathsam hält, mit der Begebung eines neuen Antehens
nicht bis zum äußersten Termin zu warten. Man könnte sonst,
wenn sich die Geldverhältnisse und Begeöung von Anleihen
schwieriger gestalten sollten, eines Tages in die Notywendigkeit
versetzt werden, aus Mangel an Mitteln die Weiterführung d r
begonnenen Unternehmungen cinstetlen, oder unumgänglich noth-
wendige Unternehmungen zurückstellen zu müssen. Die Frist für
die Amortisation der Schuld, die sich bisher auf 45 Jahre belief,
ist auf 61 Jahre ausgedehnt worden. Das neue Anlehen soll
hauptsächlich für Zwecke Verwendung finde», für die auch Grund-
stocksmittel verwendet werden könnten, in welchem Falle eine
Amortisation der ausgegedeneu Beträge überhaupt nicht zu
erfolgen hätte.
Karlsruhe, 3. April. Gestern Abend kurz vor 8 Uhr ver-
suchte ein etwas angetrunkener Droschkenkutscher, vom Marktplatz
kommend, auf der Kaiserstraße noch vor einem nach dem Durlacher-
thor fahrenden elektrischen Motorwagen vorbeizukommen. Der
Hintere Theil der Droschke wurde indessen noch erfaßt und das
Fahrzeug sammt Roß und Lenker umgeworfen. Die Insassen
der Droschke, der Großh. Amtsvorstand Herr Geh. Regierungsrath
Föhrenbach und seine Gemahlin, kamen mit dem Schrecken davon
und wurden, nachdem der obere Theil der Droschke geöffnet
worden war, aus ihrer mißlichen Lage befreit. Die Schuld trifft,
nach der Landes-Ztg., den Droschkenkutscher, welcher trotz des
wiederholten Läutens des Wagenführers in scharfer Gangart noch
das Gleise vor dem Motorwagen zu passtren suchte. Die Droschke
ist stark beschädigt.
8.6. Karlsruhe, 3. April. Ein Buchhalter, der bei einem
hiesigen Kaufmann in Stellung war, wurde gestern per Rad zu
einem Bankier geschickt, um 2900 Mk. zu erheben und mit dem
Gelds Wechsel einzulösen. Er erhob das Geld bei dem Bankier,
löste ober die Wechsel bet der Reichsbank nicht ein, sondern fuhr
mit dem Rad nach Durlach, sandte dos Vehikel von dort per Eil-
gut an seinen Prinzipal zurück und suchte mit dem Geld das
Weite, indem er eine Fahrkarte nach Frankfurt löste.
Couccrt Riga Lajos.
Heidelberg, 4. April.
Man hört Jahr aus Jahr ein Violinspieler, welche die Noten
kennen, warum sollte sich nicht einmal einer hören lassen, der die
Noten nicht kennt? Wenigstens läßt Herr Rigo Lajos behaupten,
daß er ein musikalischer Analphabete sei. und man muß es ihm
auf's Wort glauben.
Wenn er die Noten wirklich nicht kennt, so drängt sich die
berechtigte Frage auf: „Warum lernt er sie nicht?"
Es ist schade, recht schade, um diesen „Zigeuner-Geiger-Känig",
daß er sich als Analphadeten-Naturknaben-Phänomen produciren
läßt. Musikalisch muß dieses Menschenkind sein, einen prächtigen
Ton kann er der Geige entlocken, wenn er will, und eine Technik
besitzt er, die brillant wäre, wäre sie zuverlässig. Aber die ewigen
massenhaften Unreinheiten verderben die Freude an diesem un-
disciplinirten Können. Undisciplinirt ist überhaupt sein ganzes
Spiel. Sein Legato könnte trefflich klingen (in der lang-
athmigen, kaum zu erlebende» Cantilerienummer), wenn er
nicht die Töne so dilettantenhafl in einander schleifte. Vieles
spielt Herr Rigo mit Bravour, die in der Thal verblüffen
könnte, oft fand er einen musikalischen Ausdruck, der wirklich
originell und ganz neu klang. Aber das Unfertige, Halbe ließ
doch keinen richtigen musikalischen Genuß aufkommen. Besonders
störend wirkt auch die rhythmische Willkürlichkeit, am meisten
aber die Pose. Der Spieler inscemrt jede Nummer mit einer
kleinen Balleteoolution, mit Augenaufschlag und Nackenverrenkung,
mit Czardasschritt und Dusecompliment.
Noch einmal: es ist schade um diesen Rigo. Aus dieser
„Specialität", die auf die allzeit bereite Naivität des Publikums
specultrt, ließe sich ein hervorragender Künstler schaffen. Wenn
nicht auch diesen Rigo eine Prinzessin der Kunst entführt, I»
wäre ihm nur zu rathen: Noten lernen (falls er sie nicht, wie
zu vermuthen, längst kennt), sein ungewöhnliches Talent und sein
erstaunliches, aber lückenhaftes Können der Kunst und nicht der
Stmtle-Kunst zuwenden I vr. 8.
Kleine Zeitung.
— Paris, 2. April. Ein etgenthümltcher Zwischenfall hat
sich in der „hohen Gesellschaft" im Laufe dieser Woche zugetragen-
Der Graf v. Lubersac, ein Sprößling des „uralten" franzA
fischen Adels, hatte sich vor ein paar Jahren, als er noch nicht
großjährig war, an dem gleichfalls minderjährigen Baron Robert
de Rothschild gerieben, sodaß es schon damals zu einem
Zweikampfe gekommen wäre, wenn nicht eben die beiden kämpft'
lustigen Jünglinge noch Schüler gewesen wären. Nun aber HA
der Graf Lubersac. der inzwischen sein 23. Lebensjahr erreicht
hat, das Kriegsbeil von neuem ausgegraben und seinem »lang'
jährigen" Gegner, der gegenwärtig erst zwanzig Lenze zählt, eine«
kerngroben Brief voller Beschimpfungen geschrieben, in dem "
auf den Zwischenfall vergangener Zeit zurückkommt und meint, M
sei wohl die Zeit zum Hauen und Stechen gekommen. Wen»
Baron Robert de Rothschild sich aber „selbst für unwürdig hm»'
den Degen mit ihm, Lubersac, zu kreuzen", so möge er hundert
tausend Franken an die katris krantzrriss zahlen. Auf diesen »"
verschämten Brief hin sandte Robert de Rothschild natürlich!('"
Zeuge» zu Lubersac, der ihnen zwei seiner Freunde, de Dion
und de Castellane, gegenüberstellte. Vier Tage lang haben m
Herren nun mtt einander berathen, ohne zu einem Ergebnisse »«
kommen, was um so wunderbarer erscheinen muß, als Luders«
eine nicht mißzuverstehende Herausforderung zum Duell hat "
gehen lassen, und als Rothschild sich sofort bereu zeigte, sie a«
zunehmen. Lubersacs Zeugen fanden nämlich gleich heraus,
Rothschild auch jetzt noch nicht volljährig sei, sich daher, trotz A-
von ihm ein.,«holten und schriftlich beigebrachtcn Erlaub»'«
seineSValers, nicht schlagen könne. Die hierüber gepflogem
Auseinandersetzungen führten zu keinem Ziele, weshalb Luders«
Zeugen die Einsetzung eines Schiedsgerichts verlangten. Diel
wurde aber von Rothschild, der sich unter allen Umständen schtE,
wollte, avgelehnt, und daher löste sich schließlich das ZeM'
conoentikel in Wohlgefallen auf. Nachdem die für solche »«"
„vorgeschriebenen" lackstedegroben Briefe der beiden Kamps»"
mit den Zeugen ausgetruscht waren, in denen jeder dem anA'
Theile F.igheit und Ehrlosigkeit vorwarf, hat Rothschild au«
Lubersac ein Schreiben gerichtet, um ihm — mit gutem Rech»
zu bedeuten, daß cs ei» Zeichen von sonderbarer Ehrauffml« ,
sei, einen Manu erst für „volljährig" zu halten, um^'h" ^
schimpfen zu können, ihn daun aber, wenn es zum sM'ag^
kommen solle, für „minderjährig" auszugeben. Luversac V" '
zwischen auch an Baron Eduard oon Rothschild,^ ^
des Barons Alfons van Rothschild, einen Brief gerichtet' g,
welchem er sagt: „Herr Robert oon Rothschild hat mich.'»
Brief, der thctlweise auch im Figaro veröffentlicht >st>
schwerste beleidigt und beschimpft. Ich kann ihm keine
senden, bevor er einundzwanzig Jahre alt ist, avec ich '«»' ,
lange eine Beleidigung seitens eines Rothschild nicht erd»'
und da ich Sie als das, verantwortliche FamtlienoverhaUP'^--
trachte, übermittie ich hiermit Ihnen den Ausdruck meiner ^
achtung. Ueverall, wo ich Ihnen begegnen werde, meco ^i>
Ihnen meinen Handschuh in's Gesicht schleudern." Eduard ^
Rothschild hat dem Grafen seine Zeugen geschickt.
den Grafen Lubersac davon in Keuntniß gesetzt, daß »ts» ,-^i>e
Forderung erst dann Beachtung finden könne, wenn er s»' ' A,l
erste Beleidigung Genugthuung gegeben habe, Lubersac d '^i>i
seiner Vertretung den Prinzen Louis Murat und den M« ,,p>
Bibray betraut.- Endlich hat auch einer der Rothschild iA/'rofe'!
gen, de Saint Alary, infolge der Affatre dem Automo»"«^ ps
de Dion seine Zeugen geschickt. Für ängstliche Gewülhe'
merkt, daß trotz alles Geschreies und Kartelltragens diese t
Aristokraten sich voraussichtlich nichts zu Leide lhun w"v^^
Theater- und Kunst-Nachrichten. ,
Heidelberg, 4. April. (Stadt-Theater.) Nächsten ^ v-c
geht zum letzten Male die Komödie „Jugend oon heute Ml'
bekannten trefflichen Besetzung in Scene. Das interes!"' ,>ve>
batte bei seinen bisherigen Aufführungen einen durchschall»^
Erfolg aufzuweisen und sonach dürfte die wiederholte Dar> e
jenen Theaterbesuchern, die bisher keine Gelegenheit v»
zu sehen, besonders willkommen sein. Die Vorstellung
außer Abonnement statt; alle Preisermäßigung'"
Gültigkeit.
Mannheim. (Großh. Hof- und Nationalthcater.) -jet
5. April (Ad. 8): Zum ersten Male: „Paracelsus".
einem Auszuge von Arthur Schnitzler. Hieraus zum
„Die Gefährtin". Schauspiel in einem Akt von Arthur —
Zum Schluß zum ersten Male: „Der grüne Kakadu
in einem Akt oon Arthur Schnitzler.
Handel und Verkehr.
Mannheim, 3. April. (Aktien.) Oberrh. VaA
124.50 G. Rhein. Ereditbank 114.50 G. Rhein. vEMöv'H
164.— G. Heidelberger Aktiendrauerei 145.— G- ^-ine''^
Brauerei-Aktien 150— B. 148.- Ä. Portland-^
Heidelberg 160.— B. ^ 6'/-,,^
Frankfurt. 3. April. Effekte ns octetät. Aden SeO ».
Credit-Aktien 234.90 b. Deutsche Bank 205.50 A
Handelsgesellschaft 166.60 d. G. Dresdener Bai» lOtAs-rj
Banque Ottomane 115.60 b. Bayer. Bank Müncyci ZE, A'
40 G. Lombarden 28 b. Gotthard 142 B. 141.90 A AS-
Central 145.80 B. 70 G. Schweizer Nordost 91.0" ,ü ^
Schweizer Union 81.90 B. 80 G. Jura-Simplon »o.- ^
Hamburg-Amerik. Packet 131.20 b. ult. 4pCt. Jta» 2.-50
40 G. 4pCt. Spanier 73 20 b. 3pCt. Portugiese' A.
4'/-pCt. dto. 39.90 B. 80 G. Concordia B-rgb^'g S. A H
Laura 282.50 b. Bochumer 279.10 b. Harpener 23 -
Hibcrnia 252.50 b. G. Oberschles. Eisen-Judu'"» ke
Eschweiler Bergw.-Ver. 289 b. G. Buderus Eise
neuen Statut vorgeschrieben ist.
Frankreich. Paris, 2. April. Dem Matin zufolge
sind zwei Truppenkolonnen damit beauftragt, die Be-
setzung der im südmarokkanischen Grenzgebiet
gelegenen Oasen durchzuführen. Die erste Kolonne, unter
einem Oberstleutnant, zählt ein Bataillon algerischer
Schützen, ein Bataillon afrikanischer Infanterie, eine
Kompagnie Sudanschützen und eine Abtheilung berittener
Artillerie. Diezweite, die Nordkolonne, unter Oberst Bertrand
zählt ein Bataillon von der Fremdenlegion, ein Bataillon
algerischer Schützen, zwei halbe Schwadronen Spahis und
afrikanische Jäger, sowie je eine Abtheilung berittener Ar-
tillerie und Pioniere, zusammen 53 Offiziere und 1773
Mann, 162 Pferde und 379 Kamele. Eine Karawane
von 2500 Kamelen versorgt die Verproviantirung. Diese
zweite Kolonne wird die südmarokkanische Grenze über-
wachen; als Reserve hierfür stehen in Mn-Sefra noch ein
Bataillon Zuaven, eine Schwadron Jäger und eine Ab-
theilung Artillerie, sowie vier Kompagnien Infanterie in
Duveyricr bereit. Das weitere Ziel der Unternehmung ist
die Verbindung Algiers mit dem französischen
Sudan, deren territoriale Kosten Marokko zu bezahlen
haben wird.
Paris, 3. April. In der Kammer erwiderte gestern
bei Berathung des Budgets der Kolonialarmee der Kriegs-
minister Gallifet auf mehrere Anfragen dahin, daß die
Küste Frankreichs gegen jeden Angriff geschützt sei. Eine
Landung an seinen Küsten sei für Frankreich ohne Gefahr.
Die Truppen, die bei der Vertheidigung der Küste zu-
sammen wirken sollen, brauchen nicht von verschiedenen
Instanzen abzuhängen. Die Vertheidigung des Landes
müsse Sache des Kriegsministers sein. Er bitte, die
Kolonialtruppen dem KriegSministcrium zu unterstellen.
England. Windsor, 2. April. Die Königin
reiste heute Abend 9'/, Uhr mit der Prinzessin Christian
zu Schleswig-Holstein und der Prinzessin Heinrich von
Battenberg sowie zahlreichem Gefolge nach Irland ab.
Jtalim. Rom, 3. April. Kammer. Nachdem die
Linke und die äußerste Linke den Saal verlassen, nimmt
die Kammer einstimmig die beantragten Aenderungen
der Geschäftsordnung an und vertagt sich bis zum
15. Mai.
Bulgarien. Sofia, 3. April. Fürst Ferdinand
ist heule mit dem Orient-Expreßzug nach Pest gereist.
Vorher hatte er eine lange Unterredung mit dem russischen
Vertreter Bachmetjew. Die Reise wird von einigen Seiten
mit dem Plane einer Heirath mit der Großfürstin
Helene von Rußland in Verbindung gebracht. Das
nächste Reiseziel ist wahrscheinlich Abbazia. (Die Groß-
fürstin, die eine kurze Zeit hindurch Braut des Prinzen
Max von Baden war, ist erst 18 Jahre alt. Fürst
Ferdinand zählt 39 Jahre.)
Türkei. Konstantinopel, 1. April. Die Mitglieder
der deutschen Mission zur Erforschung der Linie
für die Bagdad-Bahn, die Bauräthe Kapp und
Makensen, trafen heute hier ein und begeben sich morgen
nach Berlin. Zu ihren Ehren giebt heute Abend Freiherr
v. Marschall ein großes Diner. Der Präsident der
Anatolischen Bahnen, Geheimrath Zander, gab den Herren
ein Dejeuner, an dem der Botschafter und das Botschafts-
Personal theilnahmen. Die Mitglieder der Mission sind
verpflichtet, vorläufig über ihre Eindrücke Verschwiegenheit
zu wahren. Sie legten in acht Monaten ungefähr
4500 Kilometer zu Pferd, 2000 Kilometer zu Schiff und
600 Kilometer zu Wagen zurück. Die türkischen Behörden
bereiteten ihnen überall den besten Empfang. Die Mission
wurde zweimal von Beduinenstämmen ernstlich bedroht.
Die Herren sprechen sich nach der Franks. Ztg. besonders
lobend über den Scheik vonKueit aus, der ihnen
anfangs feindlich gegenüberstand, dann aber die Mission
in seinem eigenen Palaste unterbrachte und ihr wiederholt
das größte Vertrauen und Freundschaft für den Kaiser
und das deutsche Reich zu beweisen trachtete.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 4. April.
4- Gewerbegerichtssttznug vom 30. März ds. Jrs. 1. I. S.
der Kellnerin Marte Nickel gegen Wirth Karl Hasberg zum
Bad. Hof dahier auf Zahlung einer Entschädigung von 10 Mk.
wegen Nichteinstellung erklärte sich der Beklagte zur Zahlung von
5 M. bereit. Die Klägerin verzichtete hierauf auf die Mehrforderung.
2. Der Glasergehilfe Albert Fräfel klagte gegen Glasermeister
Karl Braun dahier auf Zahlung der gesetzlichen Entschädigung
von 13 Mk. 20 Pfg. wegen klindigungsloser Entlassung. Die
Parteien verständigten sich dahin, daß der Beklagte den Betrag
von 6 Mk. an den Kläger bezahlt und Letzterer auf die Wetter-
führung der Klage verzichtet. 3. I. S. des Lehrlings Wilhelm
Bollschweiler gegen Kupferschmied Hermann Staroste dahier
wegen Aushändigung des Arbeitsbuches wurde der Kläger mit
der erhobenen Klage abgewiesen, da derselbe das Lehrverhältniß
vor Ablauf der vereinbarten Lehrzeit ohne gesetzlichen Grund
verlassen hat. Ohne Zuzug vou Beisitzern wurden vom IS. bis
31. März noch folgende Streitfälle erledigt. 4. I. S. des
Metzgergehilfen Gustav Wenck gegen Metzgermeister Wilhelm
Schwab in Ncuenhetm wegen Zahlung von 10 Mk. Lohn und
13 Mt. 20 Pfg. Entschädigung wegen kündigungsloser Entlassung
nahm der Kläger seinen Antrag während der Verhandlung zu-
rück. 5. Wagenfabrikant Jos. Schmieder klagte gegen Lackierer
Jak. Wacker dahier auf Zahlung einer Entschädigung von 100
Mark wegen Bruchs des Arbettsverhältniffes. Beklagter erklärte
sich zur Zahlung von 45 Mk. bereit, worauf Kläger auf seine
Mehrforderung verzichtete. 6. I. S. des Flaschnergchtlfen Georg
Andersen gegen Flaschnermetster Arthur Stein dahier wegen einer
Lohnzahlung von 5 Mk. einigten sich die Parteien auf eine Gegen-
forderung des Beklagten dahin, datz Letzterer an den Kläger noch
eine Mark zu zahlen hat.
K Militärisches. In das hiesige Bataillon traten zu
Beginn des Monats 20 E in j ährig-Fre i w ill i ge zur
DienstleOtuna ein.
Druckfehler-Berichtigung. Der aus Marburg hierher berufene
Professor der Nationalökonomie heißt Rathgen, nicht Bethgen.
— Der Verfasser der neulich erwähnten Broschüre „Der Kampf
ums Gold in Transvaal" ist nicht ein Herr v. Nebel, sondern
Herr Heinrich C. Nebel, ein Sohn des vor einigen Jahren
hier verstorbenen Dr. med. Nebel.
* Das Romanfentüeto» findet der Leser im heutigen
zweiten Blatt.
— Polizeibericht. Ein Taglöhner wurde wegen Dieb-
stahls verhaltet; eine weitere Mannsperson kam wegen Ruhe-
störung »ur Anzeige.
A Aus dem Amtsbezirk Heidelberg, 4. Avril. Gestern
wurden in WaldhilSoach durch die Gendarmerie zwei
Männer verhaltet und ins Amksgekängniß einoelicfert, die
vom Gnberger Waldhüter beim Wildern betroffen worden
waren.
):( Vo» der Tromm, 3. März- Wir haben hier auf
unseren Bergen wieder völliges Winterwelte r. Heute
Morgen zeigie das Thermometer 7 Grad nach 8. Trotzdem
wird unsere schöne Gegend schon täglich von vielen Touristen
und Ansflüalern besucht.
f Mannheim, 2. April. (Schwurgericht.) Unter dem Vor-
sitz des Herrn Landgerichtsraths von Babo begannen heute die
Verhandlungen des Schwurgerichts für das 2. Quartal.
1. Die bekannte Meineidsgeschichte der beiden Maurerslehrlinge
Peter Weber und Nikolaus Schwedelsecker von Leuters-
hausen wurde heute zum dritten Male vor Gericht erörtert. Der
23 Jahre alte Maurer Peter Bär von Leutershausen rief im
Sommer v. Js. an einem Neubau in der östlichen Stadt-
erweiterung einem Handlanger namens Bickel zu: „Sag'
Deinem Vater, der Stromer soll seinen Buben schlagen!" Er
glaubte nämlich, Bickel's Vater hätte seinen (Bär's) Bruder miß-
handelt. Bickel's Vater erhob darauf gegen Bär Klage wegen
Beleidigung. Am 27. Oktober v. Js. war Verhandlung vor dem
Schöffengericht. In dieser Verhandlung traten nun die im gleichen
Bau mit Bär beschäftigt gewesenen Maurerlehrlinge Weber und
Schwedelsecker als Zeugen auf und sagten unter Eid aus, diese
Aeußerung Bär's gegen den jungen Bickel habe gelautet: Josef
Bickel möge seinem Vater ausrichten, daß er seinen Buben, nicht
Bär's Bruder schlagen solle, der sei kein auf der Landstraße her-
gelaufener Stromer. Der ganze Eindruck der beiden Burschen
verrieth, daß sie von Bär bearbeitet worden waren. Sie wurden
im Gerichtssaale verhaftet, legten bald darauf ein Geständnitz ab
und wurden am 27. Febr. ds. Js. von der Strafkammer unter
dem Strafmildcrungsarund der Jugend zu je 1 Jahr Gefängniß
verurtheilt. Ihr Verführer empfing heute vom Schwurgericht den
Lohn feiner Frivolität. Er wurde zu einer Gefängnißstrafe von
1 Jahr 8 Monaten verurtheilt und es wurden ihm die bürgerlichen
Ehrenrechte auf 5 Jahre aberkannt.
2. Sehr glatt lag auch in dem Falle die Sachlage, in welchem
der 32 Jahre alte Maurer Georg Michael Vierling aus Viern-
heim wegen Meineids unter Anklage stand. Am 20. Februar
ds. Js. wurde vor dem Schöffengericht Weinheim gegen den Tag-
löhner Friedrich Herdner wegen Körperverletzung verhandelt.
Vierling, der Verletzte, behauptete, als Zeuge vernommen, er habe
bei dem Rencontre kein Messer in der Hand gehabt, wie dies der
Angeklagte zu seiner Entschuldigung angab. Vierling wurde des
Falscheids überführt und unter dem strafmildernden Gesichtspunkte
des 8 157 Ziff. 2 R.-St.-G.-B. zu 9 Monaten Gefängniß ver-
urtheilt.
ch Mannheim. 3. April. (Strafkammer.) Als am
30. October v. Js kurz vor 5 Uhr früh dem Zug 59 8 auf der
Station Großsachsen-Heddesheim ein Viehwagen angekuppelt
werden sollte, stieß der zu diesem Zwecke rückwärts fahrende Zug
so heftig gegen den über die Weiche Nr. 4 herausgebrachten
Wagen, daß dieser zurückrollte und die mittlerweile wieder gerade
gestellte Weiche ausschnitt. Wäre dies nicht geschehen, so wäre
der Wagen entgleist. Darauf gab der Wagenwärter Karl Delp
(aus Frankfurt a. M.) Signal zum weiteren Zurückfahren, worauf
der Zug sich nochmal« i» Bewegung setzte und mit drei
Wagen ebenfalls über die ausgeschnittene Weiche i» das Nebengeleis
einfnkr. Nachdem der Wagen wieder angekuppelt war und man
wieder Vorfahren wollte, rief der Weichenwärter Braun dem
Schaffner Hund und dem Wogenwärter Detp zu: „Halt! Die
Weiche steht nicht richtig!" Detp und Hund leuchteten dierauf
mit ihren Laternen flüchtig hin und sagten dann zu Braun:
„Die Weiche sicht richtig, wir können Vorfahren." Als Braun
darauf wiederholte: „Nein die Weiche steht nicht richtig, ihr könnt
nicht Vorfahren," erwiderte Hund: „Ich kann meine» Finger nicht
an die Zunge legen, Wenns einen Haufen giebt. wir lönnens
nicht Heden." Delp gab alsdann das Signal zum Vorfahren,
Hund gab es weiter, der Zug setzte sich in Bewegung, doch war
er kaum 1—2 Wagenlänqen wett, a!« ein Personenwagen umfiel
und der Zug ohne Zuthun des Lokomotivführers stehen blieb. Die
Weiche hatte sich in Folge der Erschütterung geradeaus gestellt und
so fiel der Wage» unt. Der Wagen war von etwa 20 Reisenden
besetzt, von denen sieben mehr oder weniger verletzt wurden.
Gegen drei der in Betracht kommenden Beamten, nämlich den
36 Jahre alten Zugureister Michael Braun von Heidelberg,
den 42 Jahre allen Wagcnwärter Karl Delp von Frankfurt
a. M. und den 27 Jahre allen Etsendahnschaffner Jakob Hund
von Heidelberg wurde Anklage erhoben, daß sie durch instruktions-
widriges Verhalten den Unfall verschuldet hätten. Zugmeister
Braun halte unterlassen, sich seiner Dienstanweisung entsprechend
bei dem dienstthuenden Stationsbeamlen za melden und mit ihm
wegen Einstellung des Viehwagens ins Benehmen zu treten.
Wie der als Sachverständiger zu der Verhandlung zugezogene
Herr Regterungsralh Scheyrer mittheilte, wäre es auch seine
Sache gewesen, persönlich die Rangirbewegung zu übernehmen.
Das Verschulden Delp's und Hund's lag darin, daß sie trotz der
Warnung des Weichenwärters, nicht vorzufahren, doch das hierzu
gebrauchte Signal gaben. Das Gericht verurtheilte den Zug-
weister Braun zu einer Geldstrafe von 20 Mk. event. 5 Taqe
Gefängniß. Delp als den Hauptschuldigen zu 3 Wochen und Hund
zu 1 Woche Gefängniß.
ch Mannheim, 3. April. In der heutigen Sitzung des Bürger-
ausschusses wurde die Aufnahme eines neuen städtischen A »lehens
im Betrage von 10 MM. Mk. und verzinslich zu 4"/, genehmigt.
Seitens des StadlratheS wurde die Vorlage damit begründet, daß
zwar die Contrahiruilg einer neuen Schuld noch nicht nothwendig
ist, da noch genügende Mittel verfügbar stehen, daß man es aber
dock für rathsam hält, mit der Begebung eines neuen Antehens
nicht bis zum äußersten Termin zu warten. Man könnte sonst,
wenn sich die Geldverhältnisse und Begeöung von Anleihen
schwieriger gestalten sollten, eines Tages in die Notywendigkeit
versetzt werden, aus Mangel an Mitteln die Weiterführung d r
begonnenen Unternehmungen cinstetlen, oder unumgänglich noth-
wendige Unternehmungen zurückstellen zu müssen. Die Frist für
die Amortisation der Schuld, die sich bisher auf 45 Jahre belief,
ist auf 61 Jahre ausgedehnt worden. Das neue Anlehen soll
hauptsächlich für Zwecke Verwendung finde», für die auch Grund-
stocksmittel verwendet werden könnten, in welchem Falle eine
Amortisation der ausgegedeneu Beträge überhaupt nicht zu
erfolgen hätte.
Karlsruhe, 3. April. Gestern Abend kurz vor 8 Uhr ver-
suchte ein etwas angetrunkener Droschkenkutscher, vom Marktplatz
kommend, auf der Kaiserstraße noch vor einem nach dem Durlacher-
thor fahrenden elektrischen Motorwagen vorbeizukommen. Der
Hintere Theil der Droschke wurde indessen noch erfaßt und das
Fahrzeug sammt Roß und Lenker umgeworfen. Die Insassen
der Droschke, der Großh. Amtsvorstand Herr Geh. Regierungsrath
Föhrenbach und seine Gemahlin, kamen mit dem Schrecken davon
und wurden, nachdem der obere Theil der Droschke geöffnet
worden war, aus ihrer mißlichen Lage befreit. Die Schuld trifft,
nach der Landes-Ztg., den Droschkenkutscher, welcher trotz des
wiederholten Läutens des Wagenführers in scharfer Gangart noch
das Gleise vor dem Motorwagen zu passtren suchte. Die Droschke
ist stark beschädigt.
8.6. Karlsruhe, 3. April. Ein Buchhalter, der bei einem
hiesigen Kaufmann in Stellung war, wurde gestern per Rad zu
einem Bankier geschickt, um 2900 Mk. zu erheben und mit dem
Gelds Wechsel einzulösen. Er erhob das Geld bei dem Bankier,
löste ober die Wechsel bet der Reichsbank nicht ein, sondern fuhr
mit dem Rad nach Durlach, sandte dos Vehikel von dort per Eil-
gut an seinen Prinzipal zurück und suchte mit dem Geld das
Weite, indem er eine Fahrkarte nach Frankfurt löste.
Couccrt Riga Lajos.
Heidelberg, 4. April.
Man hört Jahr aus Jahr ein Violinspieler, welche die Noten
kennen, warum sollte sich nicht einmal einer hören lassen, der die
Noten nicht kennt? Wenigstens läßt Herr Rigo Lajos behaupten,
daß er ein musikalischer Analphabete sei. und man muß es ihm
auf's Wort glauben.
Wenn er die Noten wirklich nicht kennt, so drängt sich die
berechtigte Frage auf: „Warum lernt er sie nicht?"
Es ist schade, recht schade, um diesen „Zigeuner-Geiger-Känig",
daß er sich als Analphadeten-Naturknaben-Phänomen produciren
läßt. Musikalisch muß dieses Menschenkind sein, einen prächtigen
Ton kann er der Geige entlocken, wenn er will, und eine Technik
besitzt er, die brillant wäre, wäre sie zuverlässig. Aber die ewigen
massenhaften Unreinheiten verderben die Freude an diesem un-
disciplinirten Können. Undisciplinirt ist überhaupt sein ganzes
Spiel. Sein Legato könnte trefflich klingen (in der lang-
athmigen, kaum zu erlebende» Cantilerienummer), wenn er
nicht die Töne so dilettantenhafl in einander schleifte. Vieles
spielt Herr Rigo mit Bravour, die in der Thal verblüffen
könnte, oft fand er einen musikalischen Ausdruck, der wirklich
originell und ganz neu klang. Aber das Unfertige, Halbe ließ
doch keinen richtigen musikalischen Genuß aufkommen. Besonders
störend wirkt auch die rhythmische Willkürlichkeit, am meisten
aber die Pose. Der Spieler inscemrt jede Nummer mit einer
kleinen Balleteoolution, mit Augenaufschlag und Nackenverrenkung,
mit Czardasschritt und Dusecompliment.
Noch einmal: es ist schade um diesen Rigo. Aus dieser
„Specialität", die auf die allzeit bereite Naivität des Publikums
specultrt, ließe sich ein hervorragender Künstler schaffen. Wenn
nicht auch diesen Rigo eine Prinzessin der Kunst entführt, I»
wäre ihm nur zu rathen: Noten lernen (falls er sie nicht, wie
zu vermuthen, längst kennt), sein ungewöhnliches Talent und sein
erstaunliches, aber lückenhaftes Können der Kunst und nicht der
Stmtle-Kunst zuwenden I vr. 8.
Kleine Zeitung.
— Paris, 2. April. Ein etgenthümltcher Zwischenfall hat
sich in der „hohen Gesellschaft" im Laufe dieser Woche zugetragen-
Der Graf v. Lubersac, ein Sprößling des „uralten" franzA
fischen Adels, hatte sich vor ein paar Jahren, als er noch nicht
großjährig war, an dem gleichfalls minderjährigen Baron Robert
de Rothschild gerieben, sodaß es schon damals zu einem
Zweikampfe gekommen wäre, wenn nicht eben die beiden kämpft'
lustigen Jünglinge noch Schüler gewesen wären. Nun aber HA
der Graf Lubersac. der inzwischen sein 23. Lebensjahr erreicht
hat, das Kriegsbeil von neuem ausgegraben und seinem »lang'
jährigen" Gegner, der gegenwärtig erst zwanzig Lenze zählt, eine«
kerngroben Brief voller Beschimpfungen geschrieben, in dem "
auf den Zwischenfall vergangener Zeit zurückkommt und meint, M
sei wohl die Zeit zum Hauen und Stechen gekommen. Wen»
Baron Robert de Rothschild sich aber „selbst für unwürdig hm»'
den Degen mit ihm, Lubersac, zu kreuzen", so möge er hundert
tausend Franken an die katris krantzrriss zahlen. Auf diesen »"
verschämten Brief hin sandte Robert de Rothschild natürlich!('"
Zeuge» zu Lubersac, der ihnen zwei seiner Freunde, de Dion
und de Castellane, gegenüberstellte. Vier Tage lang haben m
Herren nun mtt einander berathen, ohne zu einem Ergebnisse »«
kommen, was um so wunderbarer erscheinen muß, als Luders«
eine nicht mißzuverstehende Herausforderung zum Duell hat "
gehen lassen, und als Rothschild sich sofort bereu zeigte, sie a«
zunehmen. Lubersacs Zeugen fanden nämlich gleich heraus,
Rothschild auch jetzt noch nicht volljährig sei, sich daher, trotz A-
von ihm ein.,«holten und schriftlich beigebrachtcn Erlaub»'«
seineSValers, nicht schlagen könne. Die hierüber gepflogem
Auseinandersetzungen führten zu keinem Ziele, weshalb Luders«
Zeugen die Einsetzung eines Schiedsgerichts verlangten. Diel
wurde aber von Rothschild, der sich unter allen Umständen schtE,
wollte, avgelehnt, und daher löste sich schließlich das ZeM'
conoentikel in Wohlgefallen auf. Nachdem die für solche »«"
„vorgeschriebenen" lackstedegroben Briefe der beiden Kamps»"
mit den Zeugen ausgetruscht waren, in denen jeder dem anA'
Theile F.igheit und Ehrlosigkeit vorwarf, hat Rothschild au«
Lubersac ein Schreiben gerichtet, um ihm — mit gutem Rech»
zu bedeuten, daß cs ei» Zeichen von sonderbarer Ehrauffml« ,
sei, einen Manu erst für „volljährig" zu halten, um^'h" ^
schimpfen zu können, ihn daun aber, wenn es zum sM'ag^
kommen solle, für „minderjährig" auszugeben. Luversac V" '
zwischen auch an Baron Eduard oon Rothschild,^ ^
des Barons Alfons van Rothschild, einen Brief gerichtet' g,
welchem er sagt: „Herr Robert oon Rothschild hat mich.'»
Brief, der thctlweise auch im Figaro veröffentlicht >st>
schwerste beleidigt und beschimpft. Ich kann ihm keine
senden, bevor er einundzwanzig Jahre alt ist, avec ich '«»' ,
lange eine Beleidigung seitens eines Rothschild nicht erd»'
und da ich Sie als das, verantwortliche FamtlienoverhaUP'^--
trachte, übermittie ich hiermit Ihnen den Ausdruck meiner ^
achtung. Ueverall, wo ich Ihnen begegnen werde, meco ^i>
Ihnen meinen Handschuh in's Gesicht schleudern." Eduard ^
Rothschild hat dem Grafen seine Zeugen geschickt.
den Grafen Lubersac davon in Keuntniß gesetzt, daß »ts» ,-^i>e
Forderung erst dann Beachtung finden könne, wenn er s»' ' A,l
erste Beleidigung Genugthuung gegeben habe, Lubersac d '^i>i
seiner Vertretung den Prinzen Louis Murat und den M« ,,p>
Bibray betraut.- Endlich hat auch einer der Rothschild iA/'rofe'!
gen, de Saint Alary, infolge der Affatre dem Automo»"«^ ps
de Dion seine Zeugen geschickt. Für ängstliche Gewülhe'
merkt, daß trotz alles Geschreies und Kartelltragens diese t
Aristokraten sich voraussichtlich nichts zu Leide lhun w"v^^
Theater- und Kunst-Nachrichten. ,
Heidelberg, 4. April. (Stadt-Theater.) Nächsten ^ v-c
geht zum letzten Male die Komödie „Jugend oon heute Ml'
bekannten trefflichen Besetzung in Scene. Das interes!"' ,>ve>
batte bei seinen bisherigen Aufführungen einen durchschall»^
Erfolg aufzuweisen und sonach dürfte die wiederholte Dar> e
jenen Theaterbesuchern, die bisher keine Gelegenheit v»
zu sehen, besonders willkommen sein. Die Vorstellung
außer Abonnement statt; alle Preisermäßigung'"
Gültigkeit.
Mannheim. (Großh. Hof- und Nationalthcater.) -jet
5. April (Ad. 8): Zum ersten Male: „Paracelsus".
einem Auszuge von Arthur Schnitzler. Hieraus zum
„Die Gefährtin". Schauspiel in einem Akt von Arthur —
Zum Schluß zum ersten Male: „Der grüne Kakadu
in einem Akt oon Arthur Schnitzler.
Handel und Verkehr.
Mannheim, 3. April. (Aktien.) Oberrh. VaA
124.50 G. Rhein. Ereditbank 114.50 G. Rhein. vEMöv'H
164.— G. Heidelberger Aktiendrauerei 145.— G- ^-ine''^
Brauerei-Aktien 150— B. 148.- Ä. Portland-^
Heidelberg 160.— B. ^ 6'/-,,^
Frankfurt. 3. April. Effekte ns octetät. Aden SeO ».
Credit-Aktien 234.90 b. Deutsche Bank 205.50 A
Handelsgesellschaft 166.60 d. G. Dresdener Bai» lOtAs-rj
Banque Ottomane 115.60 b. Bayer. Bank Müncyci ZE, A'
40 G. Lombarden 28 b. Gotthard 142 B. 141.90 A AS-
Central 145.80 B. 70 G. Schweizer Nordost 91.0" ,ü ^
Schweizer Union 81.90 B. 80 G. Jura-Simplon »o.- ^
Hamburg-Amerik. Packet 131.20 b. ult. 4pCt. Jta» 2.-50
40 G. 4pCt. Spanier 73 20 b. 3pCt. Portugiese' A.
4'/-pCt. dto. 39.90 B. 80 G. Concordia B-rgb^'g S. A H
Laura 282.50 b. Bochumer 279.10 b. Harpener 23 -
Hibcrnia 252.50 b. G. Oberschles. Eisen-Judu'"» ke
Eschweiler Bergw.-Ver. 289 b. G. Buderus Eise