Städleordnung vom 9. Februar wird u. a. gebeten, es
möge ß 9 des Entwurfs dahin abgeändert werden, daß
bei Versäumnissen und Pflichtverletzungen des Vorsitzenden
des Schatzungsraths lediglich die ZZ 23 ff. und 172 a
Abs. 7 der Gemeinde-Ordnung bczw. der Städteordnung
in Anwendung kommen (wonach das Bezirksamt bezw.
der Bezirksrath Ordnungsstrafen bezw. Disciplinarmaß-
regeln anzuordnen befugt ist). Die Kommission vermochte
sich jedoch zu einer Aenderung des § 9 der Regierungs-
vorlage, welcher der Steuerdirektion die Strafbefugniß
zuerkennt, nicht zu entschließen. Die übrigen von der
Kommission vorgeschlagenen Aenderungen sind ausschließlich
redaktioneller Natur. — Von dem Gesetzentwurf betr. die
Vermögenssteuer beschloß die Kommission, nur
diejenigen Theile zu berathen, die sich auf die erstmalige
Aufstellung der Grundstücks-- und Gebäudekataster beziehen,
die übrigen Theile des Entwurfs dagegen der Erledigung
auf einem späteren Landtag vorzubehalten. Dieses Theil-
gesetz glaubt die Kommission am besten und zutreffendsten
zu bezeichnen mit dem Ausdruck „Gesetz betr. die Ein-
schätzung der Grundstücke und Gebäude zur Vermögens-
steuer." Auf die Einzelheiten werden wir eingehend zurück-
kommen.
Badischer Landtag. Karlsruhe, 18. Juni'
(95. Sitzung der Zweiten Kammer.) Zur Verhand-
lung stehen die Steuerreform-Gesetzentwürfe.
Abg. Zehnter (Centr.) berichtet zuerst über die Vermögens-
steuer und schlägt Namens der Kommission vor, nur diejenigen
Theile zu berathen, welche sich auf die erstmalige Aufstellung
der Grundstücks- und Gebäudekataster beziehen, die übrigen Theile
dieses Gesetzentwurfs oagegen der Erledigung auf einem späteren
Landtag vorzubehalten. Der heute zur Berathung stehende
Gesetzentwurf beruhe auf dem Grundgedanken der Vermögens-
steuer und zwar nach den Verkehrswerthen. Doch weiche der
Entwurf in einzelnen Punkten von diesem Prinzip ab; so lasse
er das jandwirthschaftltche Betriebskapital frei, zum Theil aus
Gewohnheilsgründen und weil man mit dieser Heranziehung
eine schwere Belastung herbetführe. Ec lasse ferner das Haus-
haltungsmobiliar frei und gestalte nur einen theilweisen Schulden-
abzug und zwar bis zur Hälfte der steuerbaren Vermögenswerthe.
Auch die Kataster sollen nicht überall, und zwar bei ben Wald-
und Kapitalvermögenskatastern, nach dem Prinzip der Vermögens-
steuer aufgestellt werden. Das Gewerbesteuerkapital solle nur in
einer rechnerischen Progression zur Besteuerung herangezogen
werden, also nicht in seinem vollen Stand. Was den Effekt des
Gesetzentwurfs betreffe, so glaube er für seine Person nicht, daß
es möglich sein werde, den Steuersatz wirklich von 15 auf 10 Pf.
herabzusetzen. Er möchte deshalb ein starkes Fragezeichen hinter
diese Regierungsannahme machen. Die Kapitalrentensteuer-
pflichtigen hätten an dieser Gesetzgebung kein besonderes Interesse,
ebenso die Waldsteuerpflichtigen, die nur eine gewisse Erleichte-
rung zu erwarten hätten. Große Unterschiede würden aber statt-
sinden bei der Besteuerung der landwirthschaftlichen Gelände.
Zn einzelnen Bezirken werde eine Steigerung der Steuerlast
eintreten, auch bei dem Gebäudesteuerkapital sei in den großen
und mittleren Städten eine große Verschiebung zu erwarten.
Eine reine Freude an dem Entwurf Härten nur die Interessenten
der Gewerbesteuer, soweit der Schuidenabzug in Betracht komme.
Mit der Ausstellung der Kataster, das müsse er nochmals betonen,
erkläre man sich prinzipiell auch für Einführung der Vermögens-
steuer.
Abg. Wilckens (nat.-lib.) will sich in seinen Ausführungen
auf die herausgegriffenen Theile aus dem Gesammtenlwurse der
Einschätzung beschränken. Die Geschäftslage des Landtags und
der Umstand, daß die Budgetberathungen sich bis Ende Mat
hingezogen hätten, hätten dazu geführt, nur einen Theil der
Materie zu erledigen. Die Beschränkung habe sich auch aus
einem inneren Grunde empfohlen, weil ohne eine Uebersicht über
die Kataster sich ein Ueberblick über den Effekt der Vermögens-
steuer nicht ermöglichen lasse. Es werde damit auch eine feste
Grundlage für die Gemeindesteuer geschaffen. Mit der Erledi-
gung der heutigen Aufgabe, die über eine Million Mark kosten
dürfe, habe man aber auch prinzipiell dem Gedanken der Ver-
mögenssteuer zugestimmt. Im Interesse einer richtigen Verthei-
lung der Steuerlasten müsse man der Vermögenssteuer zustimmen.
Auch die städtische Bevölkerung müsse einsehen, daß eine Neu-
katastrirung nothwendig und daß ein voller Schuldenabzug nicht
möglich sei. Die Grundsätze, nach welchen die Kataster vorge-
nommen werden sollen, hätten die Uebereinstimmung der Com-
mission wie der Regierung gefunden. Im Vordergrund stehe
der Verkehrswerth, wobei die verschiedenen Nebenfragen zu be-
rücksichtigen seien, wie Pachtzinse rc. Die Kommission sei bemüht
gewesen, das Gesetz so zu gestalten, daß das Kataster möglichst
nach einheitlichen Grundsätzen ausgenommen werde. Man dürfe
die Hoffnung hegen, daß man zu übersichtlichen und möglichst
einheitlichen Katastern gelange.
Abg. Gießler (Ctr.): Darüber sei man in diesem Hause
wohl einig, daß neben der Einkommensteuer eine Vermögenssteuer
geschaffen werde. Einige Bestimmungen der Vermögenssteuer
seien zweifellos auf sozialpolitische Gründe zurückzuführen. Erst
nach Feststellung des Katasters ermögliche sich ein Ueberblick über
die verschiedenen Bestimmungen des Vermögenssteuerentwurfs.
Aus diesen Gründen habe er gern zugesttmmt, daß nur ein Theil
des Entwurfs zur Berathung gelange, dieser Standpunkt werde
auch im Lande draußen verstanden werden.
Abg. Fieser (nat.-lib.) möchte nach den Ausführungen
Zehntels auch das Wort ergreifen, der damit geschlossen, daß
das Gesetz eine Enttäuschung bringen werde. Wäre diese An-
schauung richtig, so wäre es besser, bet der bestehenden Steuer
zu bleiben und die ganze Gesetzesmatecie zurückznweisen. Er sei
einer von denen, die nach dem preußischen Vorgänge geglaubt,
dem Beispiele Miguels in der Vermögenssteuer mit Schulden-
abzug folgen zu müssen. Alle waren doch wohl davon überzeugt,
daß in der gegenwärtigen Zeit des Aufschwungs, der Bildung
des Kapitalismus, wo sich die Verhältnisse sichtbar ändern, wo
die Häuserwerthe in den großen Städten übermäßig steigen und
eine große Veränderung der Grnndwerthe vorliegt, die gegen-
wärtigen Steuergesctze nicht mehr den Verhältnissen entsprechen.
Wieder anders liege es bei den landwirthschaftlichen Grundstücken.
Und wie steht es in den großen Städten mit den Grundstücks-
spekulationen? Sei man gerecht, so müsse man etwas thun. Er
sei überzeugt, daß die überschuldeten ländlichen Grundstücke etwas
niedriger in die Steuer kämen, und die städtischen Grundstücke
wesentlich höher und dies entspreche nur der Gerechtigkeit.
Abg. Schüler (Centr.) hofft eine Besserung der heutigen
Verhältnisse durch eine gesunde Katastrirung, wobei er auch eine
Entlastung des platten Landes erwarte.
Abg. Zehnter erklärt, daß er nicht als Berichterstatter,
sondern als Abgeordneter mit den einzelnen Bestimmungen der
Vermögenssteuer sich befaßt habe. Da er früher dem Landtage
nicht angehört, aus dem die Frage der Vermögenssteuer debattirt
worden sei, so habe er sich heute über die Tragweite des Ver-
mögenssteuerentwurfs ausgesprochen. Mit seinen Ausführungen
habe er durchaus nicht Schwarzseherei treiben wollen; er habe
lediglich ein Fragezeichen hinter die Reduzirung des Steuer-
fußes von 15 auf 10 Pfg. machen wollen, und dieses dürfte
wohl gerechtfertigt sein, denn auch die Handelskammern rechneten
mit der Möglichkeit eines Steuerfußes von 12 Pfennigen, der ja
auch in der ersten Denkschrift zu Grunde gelegt.
Abg. Höring (natl.) berührt die prozentuale progressive Er-
höhung der Gewerbesteuer und bittet die Negierung, die Stei-
gerung nicht allzu straff vorzunehmen.
Minister Bnchenberger giebt der Genugthuung Ausdruck,
daß die seit 6 Jahren besprochene Steuermaterie sich anschicke, zur
gesetzlichen That zu werden. Das Vermögensstenergesetz werde
allerdings nur als Torso ans der Kammer hervorgchen, und das
müsse er allerdings bedauern. Die geschäftlichen Verhältnisse
ließen leider eine andere Lösung nicht zu. Das Theilgesetz von
heute bilde die Grundrißlinie des künftigen Gesetzes. Erfreut sei
er, daß die Kammer der Ansicht sei, daß das heutige Theilgesetz
prinzipiell der Vermögenssteuer präjudizire. Auf die finanziellen
Effekte der Reform versage er sich einzugehen, er stehe aber heute
noch auf dem Standpunkt, daß die Reform eine heilsame sein
werde und daß keine Gegenvorstellung ihn in dieser Meinung er-
schüttert habe. Auch die Landwirthschaft werde eine Freude an
dem Gesetz haben, soweit sie einen Rückgang der landwirthschaf -
lichen Rente zu verzeichnen habe. Wir machen einen Schritt
vorwärts, vor allem in der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die
in Deutschland angestrebt wird, und hoffen, daß eine gerechtere
Vertheilung der Lasten eintrete. Was den steuerlichen Effekt d r
Vermögenssteuer betreffe, so dürfte nach deren Einführung der
Finanzminister Haare lassen, wobei er allerdings hoffe, daß es sich
nur um einen Uebergangszustand handle. Wenn der Satz unserer
Ertragssteuer von 15 auf 10 Pf. oder bei der Vermögenssteuer
auch nicht direkt auf 10 Pf. herabgehe, so werde der Steuersatz
jedenfalls eine wesentliche Reduzirung erfahren.
Nach kurzen Bemerkungen der Abgeordneten Wilckens,
Hug, Fieser und einem Schlußwort des Berichterstatters und
kurzer Spezialberathung wird das Theilgesetz angenommen.
Nächste Sitzung Dienstag 9 Uhr.
Oldenburg. Oldenburg, 18. Juni. Die Ueber-
führung der Leiche de s G roß h e r z o g s P et e r von
Rastede nach Oldenburg gestaltete sich zu einer ergreifenden
Trauerfeier. Die Beisetzung findet am Dienstag, Vormittags
10 Uhr, vom Schlosse aus im Mausoleum auf dem
Gertrudenkirchhofe statt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Zugführer F ä l b e r I in Frankfurt a. M. die kleine goldene
Verdienstmedaille verliehen.
— Seine Königliche Hoheit der Groß Herzog haben unter
Ernennung zu Amtmännern den Referendär Dr. Franz Popp
von Heidelberg dem Bezirksamt Durlach, den Referendär Alex.
Ne ff von Heidelberg dem Bezirksamte Mannheim, den Refe»
rendär Leopold Gräser von Malsch dem Bezirksamt Mosbach
als Beamte beigegeben; ferner den Referendär Franz Max
Franz von Mannheim zum Sekretär beim Ministerium des
Innern ernannt.
— Registratucassistent Georg Krauth beim Landgericht
Karlsruhe wurde zum Registrator bei diesem Gericht und Regtstra-
turassistent Heinrich Batz beim Ministerium der Justiz, des
Kultus und Unterrichts zum Registrator bei diesem Ministerium
ernannt.
— Der charakterisirte Oberbuchhalter Hermann Schick beim
Landesgefängniß Freiburg wurde zum etatmäßigen Oberbuch-
halter bei genannter Strafanstalt, der charakterisirte Oberbuch-
halter Johann Pfeifer beim Landesgefängniß Mannheim
zum etatmäßigen Oberbuchhalter bei dieser Strafanstalt ernannt.
— Registrator Rupert Brandner beim Amtsgericht Vtl-
lingen wurde zum Sekretariatsassistenten beim Landgericht
Mannheim und Aktuar Emil Bernauer beim Amtsgericht
Gengenbach zum Registrator beim Amtsgericht Villingen ernannt.
— Das Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts
hat übertragen: den Sektretären Anton Holl an der Universität
Heidelberg und Franz Freude mann au der Universität Frei-
burg etatmäßige Amtsstellen von Kanzleisekretären an diesen
Hochschulen, dem Sekretär Wilhelm Mehlem an der Universi-
täts-Jrrenklinik in Heidelberg die etatsmäßige Amtsstelle eines
Kanzleisekretärs an dieser Anstalt und dem Aktuar Gustav Adolf
Linninger ander Universität Heidelberg die etatmäßige Amts-
stelle eines Sekretärs an dieser Hochschule, dem Verwaltungs-
assistenlen Ludwig Gramer an der Technischen Hochschule in
Karlsruhe die etatmäßige Amtsstelle eines Buchhalters an der
genannten Hochschule.
— Der mit der Versetzung des Steuerkommissärdiensts Mos-
bach betraute Revident Friedrich Kramer wurde zum Steuer-
kommissär daselbst ernannt.
Karlsruhe, 18. Juni. Der Großherzog nahm
heule Vormittag von 10 bis 1 Uhr in Schloß Baden die
Vorträge des Präsidenten vr. Nicolai entgegen. Um halb
2 Uhr erhielt Seine Königliche Hoheit den Besuch des
Prinzen Hermann von Sachsen-Weimar. Der Prinz,
welcher heute Vormittag von Stuttgart eingetroffen ist,
nahm an der Frühstückstafel theil. Derselbe beabsichtigt
heule Abend nach Stuttgart zurückzukehren. Der Erb-
großherzog ist von dem Gcoßherzog beauftragt, den-
selben bei der Trauer- und Beisetzungsfeier für den ver-
storbenen Großherzog von Oldenburg zu vertreten. Der
Ecbgroßherzog reist heule nach Oldenburg, trifft dort morgen
früh ein und nimmt sofort an der Trauerfeier Theil.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 19. Juni.
->< Aus dem Stadtrath. In der Stadtralhssitzung vom
16. ds. Mts. wurden u. A. folgende Gegenstände zur Kenntniß
bezw. Erledigung gebracht:
1. Das Ergebniß der am 1l. ds. Mts. vorg'nommenen Ver-
steigerung des Heuaras- und Kirschen-Ertrages der städtischen
Wiesen auf dem Kohlhof, dem speyererhof und in Schlierbach
mit einem Gesammterlös von 5575 wurde genehmigt.
2. Nach der Zusammenstellung der Stadtkasse haben die Ver-
brauchssteuern im Avril 17 355 17 ^ ertragen.
3. Aus einer Vorlage der Gewähr- und Pfandgerichts-
kommission geht hervor, daß in den Monaten März, April und
Mai ds. Js. folgende Einträge in die öffentlichen Bücher ge-
fertigt wurden und zwar in's Grundbuch: 97 Käufe, 1 Tausch,
19 Erbschaften und dergl., sowie 11 sonstige Einträge; in's
Pfandbuch: 86 bedungene und 11 richterliche Pfandrechte,
1 Vorzugsrecht, 4 Versteigerungsverfügungen,. 3 sonstige Einträge
und 4 Einträge über 185 Löschungen.
4. Nach dem Geschäftsberichte des Vorstandes des städtischen
chemischen Laboratoriums wurden von demselben im vorigen
Monate 6 Proben von Brod, 4 von Essig, 1 von Fruchteis,
4 von Honig, 23 von Kuhmilch, 7 von Limonade, 7 von Mehl,
1 von Petroleum, 4 von Pfeffer, 6 von Preßhefe, 5 von Soda-
wasser, 4 von Speisenöl und 1 von Trinkwasser untersucht und
dabei 3 Milch-, 5 Limonade- und 3 Sodawasserproben beanstandet.
Von den 73 Untersuchungen erfolgten 70 im Aufträge von Be-
hörden und 3 auf Antrag von Privaten. Die Untersuchung
einer Probe Kindermilch aus der Milchkuranstalt des Joh. Baur
lieferte ein günstiges Ergebniß.
5. Nach Mitthetlung der Direktion des städtischen Elektrizitäts-
werkes wurden zum Anschluß an das letztere bis jetzt von
220 Abnekmern Motoren, Glühlampen und Bogenlampen im
Gesammtanschlußwerth von 7500—8000 Glühlampen ä 18 M.
angemeldet.
6. Der Ausschuß des Gemeinnützigen Vereins zeigte an, daß
der letztere beschlossen habe, an drei verschiedenen Stellen der
Stadt auf Kosten des Vereins transparente Straßenuhren auf-
stellen zu lassen und diese der Stadtgemeinde zu übergeben.
Das Anerbieten wurde unter dem Ausdruck des Dankes an-
genommen.
T Unser Stadtwald. Aus einem unlängst im Mannheimer
Generalanzeiger erschienenen und in ein hiesiges Blatt über-
gegangenen Artikel, in welchem über angeblich schonungslose
Abholzungen in den städtischen Waldungen Klage geführt wurde,
b>tt der Stadtrath Veranlassung genommen, bei dem
Städtischen Forstamt über den Sachverhalt anzufragen, wobei
bemerkt wurde, daß die Abholzungen, welche der Artikel im
Auge gehabt, möglicher W-iie nicht die hiesige Gemarkung,
sondern die Gemarkung Rohrbach beträfen. Das Städtische
Forstamt hat auf die bezügliche Anfrage unterm 15. bs. Mts.
erwidert:
„Es scheint auch uns, daß sich die in dem Artikel des Mann-
heimer Generalanzeigers enthaltene Klage nicht auf die Ge-
markung Heidelberg, sondern aus die Gemarkung Rohrbach
bezieht, deren Grenze von dem Weg Drei-Eichen-Speyererhof
auf eine längere Strecke nur 20-60 Meter entfernt ist, und auf
welcher sich ausgedehnte Fichten-Kulturen befinden. Diese sind
an Stelle schlechtwüchsiger, rückgängiger Laubholzstockausschlag-
bestände getreten und gewähren durch ihr freudiges Wachsthum
jedenfalls einen angenehmeren Anblick, als dies die früheren
Bestände gethan haben. Auf Gemarkung Heidelberg sind in der
Nahe der Drei Elchen im letzten Winter allerdings auch Buchen
gefällt worden, und zwar 440 Festmeter; es war dies eine
Lichtung über jungem Buchenaufwuchs und eine Hiebsmaßregel,
welche vollständig den Vorschriften des zehnjährigen Wtrlhschafts-
Plans entspricht; es durfte mit diesem Hieb nicht mehr länger
zugewartet werden, da nur noch der schmale Streifen zwischen
Weg und Rohrbachergrenze aus altem Holz bestand, während
nordöstlich auf Heidelberger Gemarkung ein frohwüchsiger
12—30jährtger Buchen- und Tannenbesland und südwestlich auf
Gemarkung Löhrbach die erwähnte ca. 10jährige sehr gut ge-
lungene Ftchtenkultur steht.^ Bei längerem Zuwarten wäre die
Verjungung des schmalen Streifens sehr erschwert und die Er-
haltung des jungen Buchenaufwuchses durch künstliche Schaffung
einer Frostlage fraglich geworden. Wir wollen noch anführen,
daß wir den in dem Artikel des Mannheimer Generalanzeigers
enthaltenen Vorwurf gegen die Wirthschaflsführung im Heidel-
berger stadtwald für durchaus ungerechtfertigt halten, da von
Seilen der Stadt Heidelberg die weitestgehenden Rücksichten auf
das Publikum genommen werden. Wollte dt« Stadt Heidelberg
fd«" Wald allein vom finanziellen Standpunkt aus bewirth-
schaften, so konnte sie einen wett höheren Reinertrag aus dem-
selben erzielen, >ie könnte z. B., abgesehen von der Erleichterung
der Hiebsfuhrung, mit einem Drittel des jährlichen Aufwands
für Wege, der z. Zt. 20000 Mark beträgt, vollständig die zur
nothigen Wege unterhalten. Sie ist sich aber ihrer
Pflicht als Besitzerin eines großen Waldes diesen dem Publikum
zugänglich zu machen und denselben so zu bewirthfchasten, daß
der Spaziergänger in demselben von der Arbeit, Last und Mühe
Erholung suchen und finden kann, wohl bewußt und bringt
deshalb freudig die Opfer für den erhöhten Aufwand für Wege
k^,^?M""iungen. Verkehrt wäre es aber, wenn sie von
diesem Gesichtspunkt aus die alten Bestände erhalten wollte.
Wenn auch die jetzt lebende Generation sich an diesen zum
Theil erfreuen könnte, der kommenden würde ein Wald von
Dürrholz uberlassen werden, ihr bliebe nichts anderes übrig, als
kahl abzu reiben und anzubauen, da mit Ueberschrettung einer
gewissen Altersgrenze die ÄerjüngungSfähigkeit der Holzwald-
bestande aufhocl und die hier immer noch zahlreich vorhandenen
Stockaus,chlagbestände überhaupt kein hohes Lebensalter erreichen
... also damit, daß man in einem Wald das
Altholz übermäßig schont, durchaus nicht die Absicht erreicht, für
immer einen Altholzwald zu erhalten, sondern eS wird zwar auf
wenige Jahre ein dem Auge des Laten erfreulicherer Anblick
gewonnen, die Zukunft aber wird um so weniger idealen Genuß
von ihrem Wald haben, und Gegenwart und Zukunft werden
finanziell geschädigt.
Eine Gemeinde aber ist eine ewig lebende juristische Person,
der an ihrem Wald die Nutznießung zusteht, und die jedenfalls
die Verpflichtung hat, denselben ihren Nachkommen in ebenso
gutem oder besserem Zustand zu hinterlassen, wie sie ihn an-
gelrelen hat. Es ist deshalb unseres Erachtens nicht Sache des
Walbelgeiithümers, dadurch den Waldungen in der Nähe der
Stadt einen parkactigen Charakter zu geben, daß dieselben bis
zum Avsterben erhalten werden, sondern dadurch, daß bei
möglichster Vermeidung von Kahlhieben Holzarten in manntg-
Wechsel, der immer einen erfreulichen
Anblick gewähren wird, einzubringen, welche geeignet sind, die
Bodenkraft zu erhalten und zu verbessern und späteren Gene-
rationen reellen und ideellen Nutzen zu bringen.
Wir wollen aber nicht unerwähnt lassen, daß es nicht nur
den Besitzer und den Bewirthschafter des Waldes unangenehm
berühren muß, sondern jeder Naturfreund wird es bedauern,
wenn er sehen muß, wie schonungslos oft fremde Holzarten, die
mit großen Kosten an den Wegen angepflanzt wurden, um dem
Spaziergänger einen angenehmen Anblick zu gewähren, zu-
sammengerissen werden, um Waldbouquets zu liefern, die man
dann des Abends in großer Anzahl am Bahnhof und in Wirth-
schaflen verwelkt umherliegen sieht.
Wir glauben: Der Waldeigenthümer, der in der Weise wie
die Stadt Heidelberg für die Bequemlichkeit und die Annehmlich-
keit der Spaziergänger sorgt, ist auch berechtigt, zu verlangen,
daß von diesen der Wald einigermaßen schonend behandelt wird."
ff Todesfall. Nach längerem schweren Leiden verstarb gestern
Vormittag Medizinalrath E. Stein dahier im Alter von 70
Jahren. Der Verstorbene war in Weinheim geboren und ließ
sich in den 60er Jahren in Heidelberg als praktischer Arzt nieder,
wo er schon nach kurzer Zeit als gesuchter ärztlicher Rathgeber
eine große Praxis ausübte. Vor einigen Jahren wurde ihm der
Titel Medizinalrath verliehen. Sein erfahrener ärztlicher Rath
wird vielfach schmerzlich vermißt werden. Seine Mitbürger werden
dem Dahingeschiedenen ein ehrenvolles Andenken bewahren.
S.öl. Stiftung. Die im hiesigen Josefshaus verstorbene
Frau Katharina Raum aus Kirchheim hat ihr ganzes nicht un-
beträchtliches Vermögen (über 60 000 zu hälftigen Theilen
dem akademischen Krankenhaus und dem Josefshaus hier zum
Besten armer Kranker überwiesen.
Die elektrische Straßenbahn Heidelberg-Wiesloch wird in
1 m-spur ausgeführt werden und vorwiegend dem Personen-
verkehr, nebenbei aber auch dem Stückgut- und Markt-Verkehr
dienen. Die Beförderung von Massenartikeln in eigenen Zügen
ist von der jeweiligen Genehmigung des Großh. Ministeriums
des Grobherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegen-
heiten abhängig gemacht. Mil dem Bau der Bahn soll nach der
Wieslocher Ztg. begonnen werden, sobald sich die Gemeinden
berril erklärt haben, die Materialplätze für ben Straßenfchotter
zur Verfügung zu stellen, jedenfalls aber im Laufe dieses Sommers
noch. Die Gemeinde Nußloch hat sich, wie man hört, hierzu
bereit erklärt. Vorläufig ist in Aussicht genommen, alle Stunden
wischen Wiesloch und Heidelberg einen Zug verkehren zu lasten,
edoch sollen bei eintretender Verkehrssteigerung Zwischcnzüg e ein-
geschoben und der Betrieb auf eine halbstündige Zugfolge ein-
gerichtet werden.
* Experimentalvortrag Jgnot. Da der erste Experimental-
vortrag des Herrn Jgnot üver Hypnose so gut ausgenommen
worden ist, hat Herr Jgnot sich entschlossen, denselben morgen
zu wiederholen. Der Vortrag findet wiederum im städt. Saal-
bau statt.
iü Schöffengerichtssttzung vom 18. Juni. 1) Georg Ott
aus Kusterdingen, z. Zt. in Haft hier, erhielt wegen Beleidigung
1 Woche Gefängniß, 2) Peter Keilbach aus Ketsch, z. Zt. in
Haft hier, wegen Bettelns und Vergehens gegen 8 183 R.Sl.G.B.
14 Tage Haft, 3) Gottlieb Gustav Kunz aus Groß-Erlach wegen
Diebstahls 3 Wochen Gefängniß, 4) Friedrich Fein aus Ktrch-
heim, Johann Philipp Zimmermann, Raimund Scheitel auS
möge ß 9 des Entwurfs dahin abgeändert werden, daß
bei Versäumnissen und Pflichtverletzungen des Vorsitzenden
des Schatzungsraths lediglich die ZZ 23 ff. und 172 a
Abs. 7 der Gemeinde-Ordnung bczw. der Städteordnung
in Anwendung kommen (wonach das Bezirksamt bezw.
der Bezirksrath Ordnungsstrafen bezw. Disciplinarmaß-
regeln anzuordnen befugt ist). Die Kommission vermochte
sich jedoch zu einer Aenderung des § 9 der Regierungs-
vorlage, welcher der Steuerdirektion die Strafbefugniß
zuerkennt, nicht zu entschließen. Die übrigen von der
Kommission vorgeschlagenen Aenderungen sind ausschließlich
redaktioneller Natur. — Von dem Gesetzentwurf betr. die
Vermögenssteuer beschloß die Kommission, nur
diejenigen Theile zu berathen, die sich auf die erstmalige
Aufstellung der Grundstücks-- und Gebäudekataster beziehen,
die übrigen Theile des Entwurfs dagegen der Erledigung
auf einem späteren Landtag vorzubehalten. Dieses Theil-
gesetz glaubt die Kommission am besten und zutreffendsten
zu bezeichnen mit dem Ausdruck „Gesetz betr. die Ein-
schätzung der Grundstücke und Gebäude zur Vermögens-
steuer." Auf die Einzelheiten werden wir eingehend zurück-
kommen.
Badischer Landtag. Karlsruhe, 18. Juni'
(95. Sitzung der Zweiten Kammer.) Zur Verhand-
lung stehen die Steuerreform-Gesetzentwürfe.
Abg. Zehnter (Centr.) berichtet zuerst über die Vermögens-
steuer und schlägt Namens der Kommission vor, nur diejenigen
Theile zu berathen, welche sich auf die erstmalige Aufstellung
der Grundstücks- und Gebäudekataster beziehen, die übrigen Theile
dieses Gesetzentwurfs oagegen der Erledigung auf einem späteren
Landtag vorzubehalten. Der heute zur Berathung stehende
Gesetzentwurf beruhe auf dem Grundgedanken der Vermögens-
steuer und zwar nach den Verkehrswerthen. Doch weiche der
Entwurf in einzelnen Punkten von diesem Prinzip ab; so lasse
er das jandwirthschaftltche Betriebskapital frei, zum Theil aus
Gewohnheilsgründen und weil man mit dieser Heranziehung
eine schwere Belastung herbetführe. Ec lasse ferner das Haus-
haltungsmobiliar frei und gestalte nur einen theilweisen Schulden-
abzug und zwar bis zur Hälfte der steuerbaren Vermögenswerthe.
Auch die Kataster sollen nicht überall, und zwar bei ben Wald-
und Kapitalvermögenskatastern, nach dem Prinzip der Vermögens-
steuer aufgestellt werden. Das Gewerbesteuerkapital solle nur in
einer rechnerischen Progression zur Besteuerung herangezogen
werden, also nicht in seinem vollen Stand. Was den Effekt des
Gesetzentwurfs betreffe, so glaube er für seine Person nicht, daß
es möglich sein werde, den Steuersatz wirklich von 15 auf 10 Pf.
herabzusetzen. Er möchte deshalb ein starkes Fragezeichen hinter
diese Regierungsannahme machen. Die Kapitalrentensteuer-
pflichtigen hätten an dieser Gesetzgebung kein besonderes Interesse,
ebenso die Waldsteuerpflichtigen, die nur eine gewisse Erleichte-
rung zu erwarten hätten. Große Unterschiede würden aber statt-
sinden bei der Besteuerung der landwirthschaftlichen Gelände.
Zn einzelnen Bezirken werde eine Steigerung der Steuerlast
eintreten, auch bei dem Gebäudesteuerkapital sei in den großen
und mittleren Städten eine große Verschiebung zu erwarten.
Eine reine Freude an dem Entwurf Härten nur die Interessenten
der Gewerbesteuer, soweit der Schuidenabzug in Betracht komme.
Mit der Ausstellung der Kataster, das müsse er nochmals betonen,
erkläre man sich prinzipiell auch für Einführung der Vermögens-
steuer.
Abg. Wilckens (nat.-lib.) will sich in seinen Ausführungen
auf die herausgegriffenen Theile aus dem Gesammtenlwurse der
Einschätzung beschränken. Die Geschäftslage des Landtags und
der Umstand, daß die Budgetberathungen sich bis Ende Mat
hingezogen hätten, hätten dazu geführt, nur einen Theil der
Materie zu erledigen. Die Beschränkung habe sich auch aus
einem inneren Grunde empfohlen, weil ohne eine Uebersicht über
die Kataster sich ein Ueberblick über den Effekt der Vermögens-
steuer nicht ermöglichen lasse. Es werde damit auch eine feste
Grundlage für die Gemeindesteuer geschaffen. Mit der Erledi-
gung der heutigen Aufgabe, die über eine Million Mark kosten
dürfe, habe man aber auch prinzipiell dem Gedanken der Ver-
mögenssteuer zugestimmt. Im Interesse einer richtigen Verthei-
lung der Steuerlasten müsse man der Vermögenssteuer zustimmen.
Auch die städtische Bevölkerung müsse einsehen, daß eine Neu-
katastrirung nothwendig und daß ein voller Schuldenabzug nicht
möglich sei. Die Grundsätze, nach welchen die Kataster vorge-
nommen werden sollen, hätten die Uebereinstimmung der Com-
mission wie der Regierung gefunden. Im Vordergrund stehe
der Verkehrswerth, wobei die verschiedenen Nebenfragen zu be-
rücksichtigen seien, wie Pachtzinse rc. Die Kommission sei bemüht
gewesen, das Gesetz so zu gestalten, daß das Kataster möglichst
nach einheitlichen Grundsätzen ausgenommen werde. Man dürfe
die Hoffnung hegen, daß man zu übersichtlichen und möglichst
einheitlichen Katastern gelange.
Abg. Gießler (Ctr.): Darüber sei man in diesem Hause
wohl einig, daß neben der Einkommensteuer eine Vermögenssteuer
geschaffen werde. Einige Bestimmungen der Vermögenssteuer
seien zweifellos auf sozialpolitische Gründe zurückzuführen. Erst
nach Feststellung des Katasters ermögliche sich ein Ueberblick über
die verschiedenen Bestimmungen des Vermögenssteuerentwurfs.
Aus diesen Gründen habe er gern zugesttmmt, daß nur ein Theil
des Entwurfs zur Berathung gelange, dieser Standpunkt werde
auch im Lande draußen verstanden werden.
Abg. Fieser (nat.-lib.) möchte nach den Ausführungen
Zehntels auch das Wort ergreifen, der damit geschlossen, daß
das Gesetz eine Enttäuschung bringen werde. Wäre diese An-
schauung richtig, so wäre es besser, bet der bestehenden Steuer
zu bleiben und die ganze Gesetzesmatecie zurückznweisen. Er sei
einer von denen, die nach dem preußischen Vorgänge geglaubt,
dem Beispiele Miguels in der Vermögenssteuer mit Schulden-
abzug folgen zu müssen. Alle waren doch wohl davon überzeugt,
daß in der gegenwärtigen Zeit des Aufschwungs, der Bildung
des Kapitalismus, wo sich die Verhältnisse sichtbar ändern, wo
die Häuserwerthe in den großen Städten übermäßig steigen und
eine große Veränderung der Grnndwerthe vorliegt, die gegen-
wärtigen Steuergesctze nicht mehr den Verhältnissen entsprechen.
Wieder anders liege es bei den landwirthschaftlichen Grundstücken.
Und wie steht es in den großen Städten mit den Grundstücks-
spekulationen? Sei man gerecht, so müsse man etwas thun. Er
sei überzeugt, daß die überschuldeten ländlichen Grundstücke etwas
niedriger in die Steuer kämen, und die städtischen Grundstücke
wesentlich höher und dies entspreche nur der Gerechtigkeit.
Abg. Schüler (Centr.) hofft eine Besserung der heutigen
Verhältnisse durch eine gesunde Katastrirung, wobei er auch eine
Entlastung des platten Landes erwarte.
Abg. Zehnter erklärt, daß er nicht als Berichterstatter,
sondern als Abgeordneter mit den einzelnen Bestimmungen der
Vermögenssteuer sich befaßt habe. Da er früher dem Landtage
nicht angehört, aus dem die Frage der Vermögenssteuer debattirt
worden sei, so habe er sich heute über die Tragweite des Ver-
mögenssteuerentwurfs ausgesprochen. Mit seinen Ausführungen
habe er durchaus nicht Schwarzseherei treiben wollen; er habe
lediglich ein Fragezeichen hinter die Reduzirung des Steuer-
fußes von 15 auf 10 Pfg. machen wollen, und dieses dürfte
wohl gerechtfertigt sein, denn auch die Handelskammern rechneten
mit der Möglichkeit eines Steuerfußes von 12 Pfennigen, der ja
auch in der ersten Denkschrift zu Grunde gelegt.
Abg. Höring (natl.) berührt die prozentuale progressive Er-
höhung der Gewerbesteuer und bittet die Negierung, die Stei-
gerung nicht allzu straff vorzunehmen.
Minister Bnchenberger giebt der Genugthuung Ausdruck,
daß die seit 6 Jahren besprochene Steuermaterie sich anschicke, zur
gesetzlichen That zu werden. Das Vermögensstenergesetz werde
allerdings nur als Torso ans der Kammer hervorgchen, und das
müsse er allerdings bedauern. Die geschäftlichen Verhältnisse
ließen leider eine andere Lösung nicht zu. Das Theilgesetz von
heute bilde die Grundrißlinie des künftigen Gesetzes. Erfreut sei
er, daß die Kammer der Ansicht sei, daß das heutige Theilgesetz
prinzipiell der Vermögenssteuer präjudizire. Auf die finanziellen
Effekte der Reform versage er sich einzugehen, er stehe aber heute
noch auf dem Standpunkt, daß die Reform eine heilsame sein
werde und daß keine Gegenvorstellung ihn in dieser Meinung er-
schüttert habe. Auch die Landwirthschaft werde eine Freude an
dem Gesetz haben, soweit sie einen Rückgang der landwirthschaf -
lichen Rente zu verzeichnen habe. Wir machen einen Schritt
vorwärts, vor allem in der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die
in Deutschland angestrebt wird, und hoffen, daß eine gerechtere
Vertheilung der Lasten eintrete. Was den steuerlichen Effekt d r
Vermögenssteuer betreffe, so dürfte nach deren Einführung der
Finanzminister Haare lassen, wobei er allerdings hoffe, daß es sich
nur um einen Uebergangszustand handle. Wenn der Satz unserer
Ertragssteuer von 15 auf 10 Pf. oder bei der Vermögenssteuer
auch nicht direkt auf 10 Pf. herabgehe, so werde der Steuersatz
jedenfalls eine wesentliche Reduzirung erfahren.
Nach kurzen Bemerkungen der Abgeordneten Wilckens,
Hug, Fieser und einem Schlußwort des Berichterstatters und
kurzer Spezialberathung wird das Theilgesetz angenommen.
Nächste Sitzung Dienstag 9 Uhr.
Oldenburg. Oldenburg, 18. Juni. Die Ueber-
führung der Leiche de s G roß h e r z o g s P et e r von
Rastede nach Oldenburg gestaltete sich zu einer ergreifenden
Trauerfeier. Die Beisetzung findet am Dienstag, Vormittags
10 Uhr, vom Schlosse aus im Mausoleum auf dem
Gertrudenkirchhofe statt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Zugführer F ä l b e r I in Frankfurt a. M. die kleine goldene
Verdienstmedaille verliehen.
— Seine Königliche Hoheit der Groß Herzog haben unter
Ernennung zu Amtmännern den Referendär Dr. Franz Popp
von Heidelberg dem Bezirksamt Durlach, den Referendär Alex.
Ne ff von Heidelberg dem Bezirksamte Mannheim, den Refe»
rendär Leopold Gräser von Malsch dem Bezirksamt Mosbach
als Beamte beigegeben; ferner den Referendär Franz Max
Franz von Mannheim zum Sekretär beim Ministerium des
Innern ernannt.
— Registratucassistent Georg Krauth beim Landgericht
Karlsruhe wurde zum Registrator bei diesem Gericht und Regtstra-
turassistent Heinrich Batz beim Ministerium der Justiz, des
Kultus und Unterrichts zum Registrator bei diesem Ministerium
ernannt.
— Der charakterisirte Oberbuchhalter Hermann Schick beim
Landesgefängniß Freiburg wurde zum etatmäßigen Oberbuch-
halter bei genannter Strafanstalt, der charakterisirte Oberbuch-
halter Johann Pfeifer beim Landesgefängniß Mannheim
zum etatmäßigen Oberbuchhalter bei dieser Strafanstalt ernannt.
— Registrator Rupert Brandner beim Amtsgericht Vtl-
lingen wurde zum Sekretariatsassistenten beim Landgericht
Mannheim und Aktuar Emil Bernauer beim Amtsgericht
Gengenbach zum Registrator beim Amtsgericht Villingen ernannt.
— Das Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts
hat übertragen: den Sektretären Anton Holl an der Universität
Heidelberg und Franz Freude mann au der Universität Frei-
burg etatmäßige Amtsstellen von Kanzleisekretären an diesen
Hochschulen, dem Sekretär Wilhelm Mehlem an der Universi-
täts-Jrrenklinik in Heidelberg die etatsmäßige Amtsstelle eines
Kanzleisekretärs an dieser Anstalt und dem Aktuar Gustav Adolf
Linninger ander Universität Heidelberg die etatmäßige Amts-
stelle eines Sekretärs an dieser Hochschule, dem Verwaltungs-
assistenlen Ludwig Gramer an der Technischen Hochschule in
Karlsruhe die etatmäßige Amtsstelle eines Buchhalters an der
genannten Hochschule.
— Der mit der Versetzung des Steuerkommissärdiensts Mos-
bach betraute Revident Friedrich Kramer wurde zum Steuer-
kommissär daselbst ernannt.
Karlsruhe, 18. Juni. Der Großherzog nahm
heule Vormittag von 10 bis 1 Uhr in Schloß Baden die
Vorträge des Präsidenten vr. Nicolai entgegen. Um halb
2 Uhr erhielt Seine Königliche Hoheit den Besuch des
Prinzen Hermann von Sachsen-Weimar. Der Prinz,
welcher heute Vormittag von Stuttgart eingetroffen ist,
nahm an der Frühstückstafel theil. Derselbe beabsichtigt
heule Abend nach Stuttgart zurückzukehren. Der Erb-
großherzog ist von dem Gcoßherzog beauftragt, den-
selben bei der Trauer- und Beisetzungsfeier für den ver-
storbenen Großherzog von Oldenburg zu vertreten. Der
Ecbgroßherzog reist heule nach Oldenburg, trifft dort morgen
früh ein und nimmt sofort an der Trauerfeier Theil.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 19. Juni.
->< Aus dem Stadtrath. In der Stadtralhssitzung vom
16. ds. Mts. wurden u. A. folgende Gegenstände zur Kenntniß
bezw. Erledigung gebracht:
1. Das Ergebniß der am 1l. ds. Mts. vorg'nommenen Ver-
steigerung des Heuaras- und Kirschen-Ertrages der städtischen
Wiesen auf dem Kohlhof, dem speyererhof und in Schlierbach
mit einem Gesammterlös von 5575 wurde genehmigt.
2. Nach der Zusammenstellung der Stadtkasse haben die Ver-
brauchssteuern im Avril 17 355 17 ^ ertragen.
3. Aus einer Vorlage der Gewähr- und Pfandgerichts-
kommission geht hervor, daß in den Monaten März, April und
Mai ds. Js. folgende Einträge in die öffentlichen Bücher ge-
fertigt wurden und zwar in's Grundbuch: 97 Käufe, 1 Tausch,
19 Erbschaften und dergl., sowie 11 sonstige Einträge; in's
Pfandbuch: 86 bedungene und 11 richterliche Pfandrechte,
1 Vorzugsrecht, 4 Versteigerungsverfügungen,. 3 sonstige Einträge
und 4 Einträge über 185 Löschungen.
4. Nach dem Geschäftsberichte des Vorstandes des städtischen
chemischen Laboratoriums wurden von demselben im vorigen
Monate 6 Proben von Brod, 4 von Essig, 1 von Fruchteis,
4 von Honig, 23 von Kuhmilch, 7 von Limonade, 7 von Mehl,
1 von Petroleum, 4 von Pfeffer, 6 von Preßhefe, 5 von Soda-
wasser, 4 von Speisenöl und 1 von Trinkwasser untersucht und
dabei 3 Milch-, 5 Limonade- und 3 Sodawasserproben beanstandet.
Von den 73 Untersuchungen erfolgten 70 im Aufträge von Be-
hörden und 3 auf Antrag von Privaten. Die Untersuchung
einer Probe Kindermilch aus der Milchkuranstalt des Joh. Baur
lieferte ein günstiges Ergebniß.
5. Nach Mitthetlung der Direktion des städtischen Elektrizitäts-
werkes wurden zum Anschluß an das letztere bis jetzt von
220 Abnekmern Motoren, Glühlampen und Bogenlampen im
Gesammtanschlußwerth von 7500—8000 Glühlampen ä 18 M.
angemeldet.
6. Der Ausschuß des Gemeinnützigen Vereins zeigte an, daß
der letztere beschlossen habe, an drei verschiedenen Stellen der
Stadt auf Kosten des Vereins transparente Straßenuhren auf-
stellen zu lassen und diese der Stadtgemeinde zu übergeben.
Das Anerbieten wurde unter dem Ausdruck des Dankes an-
genommen.
T Unser Stadtwald. Aus einem unlängst im Mannheimer
Generalanzeiger erschienenen und in ein hiesiges Blatt über-
gegangenen Artikel, in welchem über angeblich schonungslose
Abholzungen in den städtischen Waldungen Klage geführt wurde,
b>tt der Stadtrath Veranlassung genommen, bei dem
Städtischen Forstamt über den Sachverhalt anzufragen, wobei
bemerkt wurde, daß die Abholzungen, welche der Artikel im
Auge gehabt, möglicher W-iie nicht die hiesige Gemarkung,
sondern die Gemarkung Rohrbach beträfen. Das Städtische
Forstamt hat auf die bezügliche Anfrage unterm 15. bs. Mts.
erwidert:
„Es scheint auch uns, daß sich die in dem Artikel des Mann-
heimer Generalanzeigers enthaltene Klage nicht auf die Ge-
markung Heidelberg, sondern aus die Gemarkung Rohrbach
bezieht, deren Grenze von dem Weg Drei-Eichen-Speyererhof
auf eine längere Strecke nur 20-60 Meter entfernt ist, und auf
welcher sich ausgedehnte Fichten-Kulturen befinden. Diese sind
an Stelle schlechtwüchsiger, rückgängiger Laubholzstockausschlag-
bestände getreten und gewähren durch ihr freudiges Wachsthum
jedenfalls einen angenehmeren Anblick, als dies die früheren
Bestände gethan haben. Auf Gemarkung Heidelberg sind in der
Nahe der Drei Elchen im letzten Winter allerdings auch Buchen
gefällt worden, und zwar 440 Festmeter; es war dies eine
Lichtung über jungem Buchenaufwuchs und eine Hiebsmaßregel,
welche vollständig den Vorschriften des zehnjährigen Wtrlhschafts-
Plans entspricht; es durfte mit diesem Hieb nicht mehr länger
zugewartet werden, da nur noch der schmale Streifen zwischen
Weg und Rohrbachergrenze aus altem Holz bestand, während
nordöstlich auf Heidelberger Gemarkung ein frohwüchsiger
12—30jährtger Buchen- und Tannenbesland und südwestlich auf
Gemarkung Löhrbach die erwähnte ca. 10jährige sehr gut ge-
lungene Ftchtenkultur steht.^ Bei längerem Zuwarten wäre die
Verjungung des schmalen Streifens sehr erschwert und die Er-
haltung des jungen Buchenaufwuchses durch künstliche Schaffung
einer Frostlage fraglich geworden. Wir wollen noch anführen,
daß wir den in dem Artikel des Mannheimer Generalanzeigers
enthaltenen Vorwurf gegen die Wirthschaflsführung im Heidel-
berger stadtwald für durchaus ungerechtfertigt halten, da von
Seilen der Stadt Heidelberg die weitestgehenden Rücksichten auf
das Publikum genommen werden. Wollte dt« Stadt Heidelberg
fd«" Wald allein vom finanziellen Standpunkt aus bewirth-
schaften, so konnte sie einen wett höheren Reinertrag aus dem-
selben erzielen, >ie könnte z. B., abgesehen von der Erleichterung
der Hiebsfuhrung, mit einem Drittel des jährlichen Aufwands
für Wege, der z. Zt. 20000 Mark beträgt, vollständig die zur
nothigen Wege unterhalten. Sie ist sich aber ihrer
Pflicht als Besitzerin eines großen Waldes diesen dem Publikum
zugänglich zu machen und denselben so zu bewirthfchasten, daß
der Spaziergänger in demselben von der Arbeit, Last und Mühe
Erholung suchen und finden kann, wohl bewußt und bringt
deshalb freudig die Opfer für den erhöhten Aufwand für Wege
k^,^?M""iungen. Verkehrt wäre es aber, wenn sie von
diesem Gesichtspunkt aus die alten Bestände erhalten wollte.
Wenn auch die jetzt lebende Generation sich an diesen zum
Theil erfreuen könnte, der kommenden würde ein Wald von
Dürrholz uberlassen werden, ihr bliebe nichts anderes übrig, als
kahl abzu reiben und anzubauen, da mit Ueberschrettung einer
gewissen Altersgrenze die ÄerjüngungSfähigkeit der Holzwald-
bestande aufhocl und die hier immer noch zahlreich vorhandenen
Stockaus,chlagbestände überhaupt kein hohes Lebensalter erreichen
... also damit, daß man in einem Wald das
Altholz übermäßig schont, durchaus nicht die Absicht erreicht, für
immer einen Altholzwald zu erhalten, sondern eS wird zwar auf
wenige Jahre ein dem Auge des Laten erfreulicherer Anblick
gewonnen, die Zukunft aber wird um so weniger idealen Genuß
von ihrem Wald haben, und Gegenwart und Zukunft werden
finanziell geschädigt.
Eine Gemeinde aber ist eine ewig lebende juristische Person,
der an ihrem Wald die Nutznießung zusteht, und die jedenfalls
die Verpflichtung hat, denselben ihren Nachkommen in ebenso
gutem oder besserem Zustand zu hinterlassen, wie sie ihn an-
gelrelen hat. Es ist deshalb unseres Erachtens nicht Sache des
Walbelgeiithümers, dadurch den Waldungen in der Nähe der
Stadt einen parkactigen Charakter zu geben, daß dieselben bis
zum Avsterben erhalten werden, sondern dadurch, daß bei
möglichster Vermeidung von Kahlhieben Holzarten in manntg-
Wechsel, der immer einen erfreulichen
Anblick gewähren wird, einzubringen, welche geeignet sind, die
Bodenkraft zu erhalten und zu verbessern und späteren Gene-
rationen reellen und ideellen Nutzen zu bringen.
Wir wollen aber nicht unerwähnt lassen, daß es nicht nur
den Besitzer und den Bewirthschafter des Waldes unangenehm
berühren muß, sondern jeder Naturfreund wird es bedauern,
wenn er sehen muß, wie schonungslos oft fremde Holzarten, die
mit großen Kosten an den Wegen angepflanzt wurden, um dem
Spaziergänger einen angenehmen Anblick zu gewähren, zu-
sammengerissen werden, um Waldbouquets zu liefern, die man
dann des Abends in großer Anzahl am Bahnhof und in Wirth-
schaflen verwelkt umherliegen sieht.
Wir glauben: Der Waldeigenthümer, der in der Weise wie
die Stadt Heidelberg für die Bequemlichkeit und die Annehmlich-
keit der Spaziergänger sorgt, ist auch berechtigt, zu verlangen,
daß von diesen der Wald einigermaßen schonend behandelt wird."
ff Todesfall. Nach längerem schweren Leiden verstarb gestern
Vormittag Medizinalrath E. Stein dahier im Alter von 70
Jahren. Der Verstorbene war in Weinheim geboren und ließ
sich in den 60er Jahren in Heidelberg als praktischer Arzt nieder,
wo er schon nach kurzer Zeit als gesuchter ärztlicher Rathgeber
eine große Praxis ausübte. Vor einigen Jahren wurde ihm der
Titel Medizinalrath verliehen. Sein erfahrener ärztlicher Rath
wird vielfach schmerzlich vermißt werden. Seine Mitbürger werden
dem Dahingeschiedenen ein ehrenvolles Andenken bewahren.
S.öl. Stiftung. Die im hiesigen Josefshaus verstorbene
Frau Katharina Raum aus Kirchheim hat ihr ganzes nicht un-
beträchtliches Vermögen (über 60 000 zu hälftigen Theilen
dem akademischen Krankenhaus und dem Josefshaus hier zum
Besten armer Kranker überwiesen.
Die elektrische Straßenbahn Heidelberg-Wiesloch wird in
1 m-spur ausgeführt werden und vorwiegend dem Personen-
verkehr, nebenbei aber auch dem Stückgut- und Markt-Verkehr
dienen. Die Beförderung von Massenartikeln in eigenen Zügen
ist von der jeweiligen Genehmigung des Großh. Ministeriums
des Grobherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegen-
heiten abhängig gemacht. Mil dem Bau der Bahn soll nach der
Wieslocher Ztg. begonnen werden, sobald sich die Gemeinden
berril erklärt haben, die Materialplätze für ben Straßenfchotter
zur Verfügung zu stellen, jedenfalls aber im Laufe dieses Sommers
noch. Die Gemeinde Nußloch hat sich, wie man hört, hierzu
bereit erklärt. Vorläufig ist in Aussicht genommen, alle Stunden
wischen Wiesloch und Heidelberg einen Zug verkehren zu lasten,
edoch sollen bei eintretender Verkehrssteigerung Zwischcnzüg e ein-
geschoben und der Betrieb auf eine halbstündige Zugfolge ein-
gerichtet werden.
* Experimentalvortrag Jgnot. Da der erste Experimental-
vortrag des Herrn Jgnot üver Hypnose so gut ausgenommen
worden ist, hat Herr Jgnot sich entschlossen, denselben morgen
zu wiederholen. Der Vortrag findet wiederum im städt. Saal-
bau statt.
iü Schöffengerichtssttzung vom 18. Juni. 1) Georg Ott
aus Kusterdingen, z. Zt. in Haft hier, erhielt wegen Beleidigung
1 Woche Gefängniß, 2) Peter Keilbach aus Ketsch, z. Zt. in
Haft hier, wegen Bettelns und Vergehens gegen 8 183 R.Sl.G.B.
14 Tage Haft, 3) Gottlieb Gustav Kunz aus Groß-Erlach wegen
Diebstahls 3 Wochen Gefängniß, 4) Friedrich Fein aus Ktrch-
heim, Johann Philipp Zimmermann, Raimund Scheitel auS