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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150-176 (01. Juli 1902 - 31. Juli 1902)
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Dienstag, 1. Juli 1902.

Zweites Blatt.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei dcr Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1.85 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

A nz eig enpr ei s: 20 Pfg. für die Ifpaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeilc 40 Pfg, Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
dorgefchriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkcit übernommen. — Anfchlag der Jnferate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82

44. Jahrgang. — 150.

Aur Leverisgeschichte des Weichskanzters
Aürsten v. Kostenkoöe.

Tie Lstüncheiier „Allgemeine Zeitung" setzt die vor
wenigen Tagen begonnene Veröfsenttichnng authentischer
Anszeichnungen über den früheren Reichskanzler F ü r -
st e n von HohenIohe ans dem dcachlasse des
Freihcrrn v. V ö l d e r n d o r s s in den nächstcn Tagen
sort. Es wird nns darüber mitgeteilt: Baron Völdern-
dorss, aus einem angcsehenen fränkischen Geschlechte stam-
mend, war cin Fugendsretlnd des Prinzen Chlodwig
von Hohenlohe, nriü wnrde von dem späteren F-ürsten,
als dieser im Tezember 1866 das bayerische Ministerial-
Präsidinm übernahm, als Ministerrat znr Teilnahme an
der gewaltigen Arbeit herbeigerusen, die dem liberalen
nnd deutschdenkenden Ltaatsmanne in dem noch ganz
vom partiknlaristischen Geiste beherrschtcn Bayern er-
wnchs. Mit welchem Locharfblick nnd großem politischen
Verständnis der Fürst Hohenlohe die damalige Lage nnd
Crsordernisse der dentschcn Verhältnisse, wie sie ans dein
Kriege vom Fahre 1866 sich heransgebildet hatte, benr-
teilte und versaßte, geht ans dem crsten einleitenden Teil
dieser Auszeichnnngen deutlich hervor. dNan erkennt
erst jetzt in voüem Umsange, von welch großer Bedeutnng
sür die deutsche Geschichte vor dem Jahre 1870 es war, k
datz ein -Ltaatsmann von so weitem Politischem Blick und z
energischem Wollen zur Leitung der Politik dcs zweit- -
grötzten deutschen Ltaates berufen wnrde; denn die z
Schwierigkeiten, die in Bayern für einen ans den ent- S
schiedenen Anschlutz an den Norddeutschen Bund hin- >
drängenden Staatsmann zn überwinden waren, sind
kanm je vorher in einer so nnverblümten nnd durch
zablreiche Beispiele und interessante Einzelhciten beleg-
ken historischen Darstellung der jetzigen Generation vor
die Augen gesührt worden wie in diesen Erinnernngen.
Völderndorss erörtert in den einzelnen Abschnitten seiner
Auszeichnungen die Hauptausgaben, welche Fürst Hohcn-
lohe zu lösen hatte: vor allem die Reorganisation des
Kriegswesens nnü der innercn Verwaltung in Bayern und
dann den Zusammenschlnß der süddeutschen Staaten,
vin durch ihn eine Angliederttng an den Norddentschen
Bnnd vorzubereiten. Einige besonders lebhaft und geist-
votl geschriebenc Partien schildern die Wider st ä n d e,
die der Staatsmann unter anderem bei seinem Bemühen,
sür Bayern die weitere Zugehörigkeit znm Zollvereine
Zn sichern, zn überwinden hatte: mehrere nicht zur Ans-
iührung gelangte Resormversuche, so der einer Nenge-
stalinng der Ersten bayerischen Kammer, werden sodann
i>i ihrer ganzen Entwickelung vorgeführt. Am wichtigsten
dürste jedoch der Abschnilt crscheinen, in dem dargestellt
lvird, wie Fürst Hohenlohe die Gefahren des sich im
Ttillen vorbereitenden Knlturkampses schärser als jeder
andere dentsche Staatsmann jener Zeit voraussehend,
die deutschen Staaten zn einem gemeinsamen Vorgehen
tzegen die Beschlüsse des vatikanischen Konzils anfznrufen
lich bemühte. Ter Fürst erscheint hier in sciner ganzen
Vedentnng als Vorkämpfer für den Gedanken eines selbst-
ständjgen nnd anf liberaler nnd einheitlicher dentscher
^rnndlage anfgebailten Ltaates.

Madischer Landtag.

ki.6. K ar l si uk e, 28 Juri. (20. Sitzung der Ersten
^onnuer.j Tcr crste Vizepräsidenk Gras v. Bodman

eröffnet die Sitzung um 9^ Uhr und teilt neue Ein-
läufe mit.

1. Bericht der Kommiffion für Justiz und Verwaltung über
den Gesetzentwurf betr. Neberleitung der ehelichen
GLterftände des älteren Rechts in das Reichsrccht, er-
stattet von Geh. Hofrat Dr. Rümelin. Der mündliche Vor-
trag erläntcrt dcn Drnckbericht näher und stellt die Bedcutung
des Gesetzentwurfs namentlich für Nichtjuristcn klar. Antrag:
Gcnehmignng mit dcn redaktivnellen Aenderungen der Zweiten
Kammer. Nur ein Punkt hat zu Diskussionen geführt, näm-
lich die Frage, in welchem Umfange die Ueberlcitung statt-
finden solle. Die Schwierigkeit lag in den Fällcn, in dencn
die Ehcgatten verschiedener Nationalität find. Der Bericht-
erstatter crörtcrt dies näher. Die Regicrung habe jctzt die
Regulierung nach dem Domizilprinzip angenommen, wornach
das Recht dcs ersten Wohnsitzes der Ehe für dieselbe matzgebend
ist. Die Kommission hat sich dem angeschloffen. Die Anwen-
dnng dcr Rückwirkung des Prinzips mntz jedoch in diesem
Falle etwas eingeschränkt werden, nm nicht in wohlerworbcne
Rechte einzugreifen. Die Kommiffion hat deswegen cinen Zu-
satz gcplant, jcdoch auf denselben nach längerer Prüfung ver-
zichtet, um bci der Kürzc der Zeit die Vcrständigung dcr ge-
setzgebendcn Faktoren nicht zu gefährden. Mit dem Wort-
lant des Gesetzcsparagraphen ist dic Kommiffion cinverstandcn,
nicht abcr mit dcr demselben von dcr Zweitcn Kammer ge-
gebcnen ?l!uslegnng. Redncr verbreitet sich hierübcr und
geht dann über zu der von der Kommission bcantragten Um-
stellung, wornach Paragraph 21 zum Paragraph 1 wird, sowie
zu andern äutzerlichen Aenderungcn.

Ministerialrat D ü hring schildert die Schwierigkeiten,
dic in dcm zu ordnenden Gegenstand liegen. Er bcspricht die
Annahme des Domizilprinzips, die in allen Bundesstaaten
erfolgt sei und daher einen Schritt zur Rechtseinheit bedeutc.
Nnr für dicses Prinzip, nicht für das ganze Gcsetz, komme
die Rückwirkung in Frage. Die Rückwirkung sei aber not-
wendig, dahcr begrüszt dcr Redner die Stellung der Kom-
mission. Er spricht sodann über den Begriff wohlcrworbener
Rechte. Den Ehegatten sei auch günstig die Möglichkeit ge-
wahrt, dnrch einen Ehcvcrtrag ihre Rechte nach Beliebcn zu
ordnen. Der Berichtcrstatter, Geh. Hofrat Dr. Rümelin, hebt
hervor, dah cinige Diffcrenzen zwischen dcr Aufsassnng der
Rcgicrung und der Kommission bestehen.

Dcr Gesetzentwnrf wird gemätz dem Kommissionsantrag
einstimmig angenommen.

2. Bericht dcr gleichen Kommission über den Gesetzentwurf,
dic Aendernng 'des Gcsetzes vom 18. August 1898 über den
Besuch dcs gewerblichen und kaufmännischen Fortbil -
d n n g s u n t e r r i ch t betr.

Der Berichtcrstatter, Graf v. Helmstatt, bcrweist auf dcn
Drnckbcricht. Die Annahme erfolgt ohne Erörterung ein-
stimmig.

3. Errichtung zwcier ncuer Jrrenanstalten. (Hierübcr ist
schon in der gestrigen Nnmmcr diescr Zeitung berichtct wor-
den.)

4. Bericht der Budgetkommission über den Nachtrag zum
Bndgct des Ministeriums des Jnncrn, II 8 Z 1, R h e i n r e g u-
lierung zwischen Sondcrnheim und Stratzburg. Der Be-
richterstatter, Geh. Rat Dr. Englcr, bedauert, datz wegcn
Kürze der Zeit nur cin mündlicher Bericht crstattct werden kann.
Rcdncr wirft cincn geschichtlichen Rückblick auf die linksrheini-
schen Kanalbestrebungen, die kein Ergcbnis hatten. Jm Jahre
1890 crschien dic Denkschrift des Oberbaudirektors Honsell
übcr die Rheinrcgulierung, durch die mit weigen Kosten dem
Schiffahrtsverkehr gcdicnt wcrde. Die Vcrhandlungcn dcr Ilfer-
staaten führtcn zu dem jetzt vorliegenden Stäatsvertrag.
Redner schildert den Jnhalt des Vertrags und das Wesen
dcr Regnlicrung des Rheinnicderwassers. Die Kommission
dcr Zwciten Kammer habe die Hcrabsetznng des Kostenbci-
trags Badcns von 40 auf 30 Prozent beantragt und dies
sei von dem andern Hansc angenanmen worden. Redncr wägt !
die Vor- und Nachteile dcr Reguliernng für Baden ab und be-

tont namenilich dcn billigeren Bezug von Kohlen über Kehl,
wobei Offenburg, Emmendingen, Freiburg, das ganze Ober-
land intercssicrt seien. Nachteil habe die badische Bahn. Die
natürliche Entwicklung der Wasserstratze auf dcm Rhein lasse
sich nicht untcrdrücken. Redner bespricht noch die bciden an-
dern von der Zweiten Kammcr gestelltcn Bedingungcn und
erklärt, datz die Kammcr mit denselben einverstanden ist. Eile
habc es ja mit der Regulierung nicht, wenigstens brauche Ba-
den die Ansführung nicht zu bcschleunigen. Die Herabsctzung
der Beitragsquote auf 30 Prozcnt entspreche dcm Verhältnis
der Vortcile nnd Nachtcile für Baden. Redner verwcist auf
die technische Ausführnng, die naiürlich nicht so sichcr sei,
wie etwa bei ciner Eisenbahn. Sie trage bis zu cincm gewissen
Grade den Charakter eines Versuchcs, doch sei das Risiko schr
gering. Erfreulich, und einer früheren Anregung dcs Red-
ners entsprechend, sei die Ausnützung der Wasserkraft des
Rheins zur Gewinnung der elektrischen Encrgic für den
Hafenbetricb. Antrag: Genehmigung in der Fassnng dcr
Zwciten Kammer.

Geh. Kommerzienrat Diffene anerkcnnt dic Objektivi-
tät dcs Berichterstattcrs nnd hebt die Bcdeutung Mannheims
für dic badischen Bahncn hervor. Hierin trete durch die Rc-
gulicrnng dcs Rhcins bis Stratzburg eine Aenderung cin:
Baden verlicrc anf der Hälfte der Strecke Mannheim-Basel
dic Eisenbahnfrachten zu Gunsten dcs Wasserwegs. Stratz-
bnrg werde die Güter anf dic linksrheinischcn Bahnen lcitcn,
so datz Badcn auch den Rest der Fracht verliere. Werde die
Regnliernng später bci Bascl fortgesetzt, so schaffe man mit
bad. Gcld den schweiz. Fabrikantcn billige Rohmaterialicn. Die
Anlage des Kehler Hafens war ein Fehlerl das sollte man
jetzt cingestehen. Gegen Stratzburg komme Kehl nicht ans.
Der Schadcn treffc nicht blotz Mannheim, sondern das ganze
Land, ohnc datz eine Ausgleichung abzusehen sci. Die von
Mannheim abflictzcndcn Kapitalien würden die Steucrkraft
von Stratzburg stärken. Redner begrcift, datz die Rcgulicrung
kommen wird, aber durch cine zurückhaltendere Stellung der
badischen Regierung hätte der Zeitpunkt um 10—20 Jahre
hinausgeschoben wcrden können. Der Vorredner habe anch
dcn nationalen Standpunkt hervorgekehrt, man sollte aber idcale
und materielle Dinge nicht vcrquickcn. Stratzburg wolle Mann-
hcim crsetzcn, im übrigen Elsatz und auch im Landesausschutz
herrsche nur einc lauc Stimmung für die Regnlierung. Badcn
brauche nicht mit seincm Gelde den Wcttbcwerb zu seincm
Nachteil zu fördern. Anch die 30 Prozent Kostcnbeitrag seicn
noch zn hoch bcmcssen, die beiden andern Vorbcdingungcn hält
Redncr für gerechtfcrtigt, wünschtc sie aber schärfer gefaht.
Das Gelingen der Regnlicrung sei unsicher, die Ilnterhaltungs-
kostcn würdcn schr grotz scin. Jn der Abstimmung kann Rcd-
ner seine Ilcberzcngung nicht zum Nusdruck bringcn, cr kann
das Bndgct nnr im ganzcn annchmen odcr ablehnen. Des-
wcgcn mutz er sich verwahren.

Geh. Kommerzienrat Scipio: Vcrhindcrn könne man
dic Rcgulierung nicht, abcr die Lage unscrer Eiscnbahnen
mahnc znr Vorsicht. Das sci ein Landesinteressc. Badcn
hättc sich anf den Standpunkt wie Bapcrn stellcn nnd eine
rnnde Summe, ctwa 2ZH Mill., anbictcn sollcn. Dic Wahrung
dcr nationalcn Gcsichtspunkte wäre Sachc dcs Reiches gewcscn,
das cincn Znschutz gcbcn konnte. Wir Badncr mütztcn uns
zu cincm gesundcn Egoismus aufraffen, wie ihn andcrc Staa-
tcn üben. Man hätte die Vorlage ablehncn sollen, bis dis
Vorbcdingnngcn crfüllt sind, aber das bcschränktc Budgetrccht
dcr Erstcn Kammcr bindc ihr die Hände.

Kommerzicnrat Sandcr kommt als Lahrcr nnd Obcr-
badcncr zu andcrn Schlüsscn als die Vorrcdncr. Diese hätten
ihrc Sachc Icidenschaftslos vcrtretcn, abcr cr müssc entschicdcn
für dic Rcgulicrung stimmcn. Die direktc Rheinschiffahrt
Mannheim-Stratzbnrg nnd -Kchl bestehe schon 228 Tagc im
Jahr, man wollc nur die Zcitdancr verlängcrn. Mannhcim
sci jetzt schon nicht mehr Endpunkt der Rheinschiffahrt. Rcdncr
wundert sich, datz heute kein Vcrtrcter der Gcncraldircktion
hier sci. Was die llntcrländcr Bahncn ctwa vcrlicren, wer-
den andcre Bahncn, insbesondere dic Schwarzwaldbahn, ge-

Strnndrecht.

Eine lustige Geschichte von K. Prinzen.

(Schlutz.)

„ ,,Abcr wir haben die Tonne gcstern von Wcnnigstedt her-
und sie hier am Srrande stehen lasscn, weil wir uns
^Urc cine grotze Burg dazu bauen wollren!" ries Fritz.

Tic Tanre bestäiigte eifrig die Wahrheit seincr Aussage.

L »Aber, mein gnädiges Fräulcin," Lcmcrkte der jüngere
Xsf» iveise, „woher wiffen Sie denn überhaupt, datz dies
^Nkt Jhre Tonne ift. Es wird hier so viel altes Bretterwerk
Ai^llchwemm:, i»id wir haoen nns das Ding ehrlich im
chstr aufgcfischt."

g^.O'ritz war unterdessen in die Tonne gekrochen. „Natürlich
P z°rt sjx mir", sagte er, „da oüen am Rande hat sie ein grotzes
w imd in der Mitte die Buchstaben O. 8. Tante Liesbeth,
mal herl Siehst du, es ist unsere Tonnel"
sv ,':^ehr verzwickter Rcchtsfall", sagte der Dicke. „Das wäre
rj, Thema für deine Doktorarbeit, Hans. Strandgut —-
aufgefischt und gcborgen — dann wicdcr abgetrieben
Mn cincr anderen Partei mit Beschlag belcgt —- wer ist
d»r gesctzlich berechtigte Eigentümcr?"
gi^"Dicr's zuerst gehabt harl" fchrie Fritz dazwischen, „das
P>ch immer bei uns in der Schulcl"

>vej."^hcn Sie mal, mein kleincs Fräulein", rcdete der Dicke
hyx "sch bin Jurist, Landrichtcr — und mcin Neffe da
ive,.,. "l'-lOch seinen Assessor gcmacht und ist mir noch über,
Hlb^llens Las neue bürgerliche Gesetzbuch anbetrifft,
dreser Fall ist zu kritisch, bcsondcrs für die Handstags-
liicht^ert. Haben Sie Erbarmen, trerben Sie die Sache

mrtzersten und durch sämtliche Jnstanzen --mit

^ Wort, schlietzen wir einen Vergleichl"

will xrber meine Tonne wieder haben," sagte Fritz,

„sonst schreib' ich's einfach an meinen Papa — und mein Papa

rst Staatsanwaltl"

„Nnn fängt die Sache aber an, tragisch zn wcrdcn," sagte
der Asscssor. Dann lachtc cr so recht lustig und von Herzen,
und der dicke Onkcl stimmtc so schallend ein, datz Käthe all
ihre Würdc uud Moral vergatz und einsach mitlachte. Wie gur
das rhat, einmal wicder so recht tüchtig und richtig zu lachenl
Nur Fritz that nicht mit. Er war in die Tonne gekrochen und
bcschloh, Vicsn Platz sür cwige Zeitcn zu behcmptcn.

Der Landrichtcr kam dann mit einem wahrhast salomo-
nischen Urtcil herauZ: „Tie Tonne scll Lir und Leincr Tante
gchörcn, mcin Sohn — aber sie bleibt auf unscrem Grund
und Bodcn hier licgen. Aauz aufgebcn können wir unser gutcs
Strandrecht dow anch uichr. Denn härrcn wir das Ding nicht
mit schwerer Mühe aufgesischt, wär's heute früh auf Nimmcr-
wiedersehcn mit der Flut abgetriebcn. Unsere Bnrg steht Euch
natürlich zur Mitbenutznng bollständig offen. Wir machen
so eine Nrt Schutz- und Trntzbi'mdnis mireinander, und Jhr
habt immcr das erste Anrecht auf die Tonne — Einver-
standen?"

„Aber wenu ich kommc, nnd der licgt in der Tonne, dann
miitz cr sofurt heraus."

„Hör' mich an, mcin Kind," sprach der Onkel, „ich wog
190 Pfund, als ich dies Eiland betrat. Jm Lanfe der drei
Wochcn, die ich der Erbauung dieser Burg gcwidmct habe,
bin ich zusammcngeschrumpft auf 160 Pfund — denn mcin
Neffe ist ein Faultier, und ich habe wenig Stütze iri meinen
alten Tagen gehabt. Wenn du, mein Junge, nun 30 Pfrind
abnimmst, was bleibt denn von dir? Ein Nichts, ein Minus,
ein Dezimalbruch. Und bei deiner armen Tante kannst du
eine solche Abmagerung auch nicht verantworten! Hast du
einen grotzen Thatendrang, so bau' dir hier links ein Anhängsek,
so eine kleine Privatburg, aber die Tonne bleibt hierl Denn
wir leben sehr einsam an diesem unwirtlichen Strande und be-
trachten dieses alte Heringsfatz als freundlichen Wink des

Schicksals, freundschastlich mit dir und deiner Tante zu ver-
kehren."

Fritz gab nach. Er warf noch einen mitztrauischen Blick
auf den Assessvr:

„Aber wenn ich kcmme, und Lcr liegt rn derTonne, dann
miitz e.r sorort hcrnils!"

Ter Asseffor gelobte mit heiligen Eiden, in diesem Falle
! sofort das Feld zu räumen. Und dann war man anf einmal
sehr gut Freund, lachte und plauderte noch ein Weilchen mit-
einander und trennte sich „auf Laldiges Wiedersehen". Jhren
sormellen Gegeubcsuch in Srrandzelt 213 stcllten die Herren
- sür henre Nachmirrag in Aussichr. Ictzt mutzte der Onrel näm-
lich zum Frühschoppen..

.i- *

„F:: diescm Zelt ist es immer schrccklich langweilig —
komm, Tante LicSbeth, wir gehen wieder in unsere Burg,"
pflegte Fritz morgens zu sagcn, wcnn er Lci seiner Murrer
gnt gefrühstückt hatte. Liesbeth fand dann, datz der Junge
vollständig Rccht hatte. Sie redete zwar noch ein Weilchen mit
ihrer Schwester und packte eine Handarbeit aus. Wenn dann
aber die gutartige Frau Staatsanwalt meinte, man solle sie
nur ruhig nllein lassen, sie erhole sich in der Eiusamkeit nm
allerbesten, dann packte Liesbeth die Stickerei schleunigst wie-
der ein und ging auch herunter in die Strandburg. Diese
war jctzt nach gutem Sylter Strandbrauch mit allen Fahnen
geschmückt, die verschiedene sinnige Jnschriften zeigten und
von dem Onkcl gestiftet waren. Es gab da cine grotze blcme
Flagge „Strandräubcrheim", dann eine blutrote „Meine
Tante, deine Tante", und eine schneeweitze, die in riesigen
schwarzen Lettern den schönen, alten Spruch wies: „EhrliH
Währt am längsten."

Auf Liesbeths Platz, dem berühmten „Sopha" lag jeden
Morgen ein Strautz Rosen. Die stammten übrigens nicht
vom Onkel.

Die Hanptperson im „Strandräuberheim" war natürlich
 
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