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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 256-280 (01. November 1902 - 29. November 1902)
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Samstag. 22. Novernber 1902.

Avftes Blatt.

44. JatzlMg. — ^ 274

Srscheint täglich, SonntagS auSgenommen. Prei» mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in'» Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durch

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«n bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Hngtische Ureßstimmen üLer den Mesnch des
Kaisers.

L o u b o u, tt.> . .Nüv.emtvr. „Daily Telegraph" er-
ktärt: der B o j u ch dos ö o u t s ch e u Ä a i s e r s war
vou grotzer Brdoutuug. D.ie Persönlichkeit des Koiiers
vrrsehlte uicht, auf atle, die mit ihu iu Borühruug tameu,
anzichend zn wirkeu. Die ganze Haltuug des Kaisers
versrärtte uorl> üeu Eiudruck, daß es seiu Wunsch sei,
die sremidlicheu Beziehrm.gen zu Errgland ausrecht zu er-
halten. Tas Blatt spricht sodanu vou deu Beziehuugeu
Englauds zu alleu Diä-chteu überhaupt uud sagt zum
SÄusse: „Wir siud meder für, noch gegen irgend eine
sestländische ÜourLiuation, mag sie dercits bestehen oder
noch bevorsteheu. Freunde aller, sind wir niit niemanden
allüerl." Ter „Staudard" führt aus, eS sel auzuuehmeu,
datz das Haupt des deutschen Reiches mit deni Könige
uuö feineu Ministern uicht zusammenkam, ohne von den
grotzen Fragen zu fprecheu, die beide Läuder in gleichem
Matze interessiereu, aber ihre Interessen und ihre Politik
sind bestimmt durch dauernde Ursacheu und könuteu durch
Unterreduugeu der Souveräne und Miuister uicht wesent-
lich beeinflutzt werdeu. Durch seinen Besiich iu Eng-
land als Gast des Eöuigs gab der Kaiser deu deiitli-.hen
Beweis für seiuen Wuusch, freliudschastliche Beziehuugen
zwischeu Deutschlaüd und England aufrecht zu erhasten.
Englaud häbe init der deutscheu Regierung zu thun,

j gehalten, hat sich um die politischen, d. h. mehr persön-
> lichen Feindschaften der Jnselbewohner nie gekümmert und
j absichtlich jede Stcllungnahme vermieden. Seine Person
! ist indes nach seiner Abreise von dem Stndaco insofern
s >n den Wahlkampf hineingezogen worden, als dieser die
großen Wohlthaten hervorhob, d>e die Jnsel und ihre
Bcwohner Herrn Krupp verdanken, und daß beim Siege
der Gegenpartei und beim Fernbleiben des Herrn Krupp
dieselben aufhören würden. Nach ihrer Niederlage hatte
die Gegenpartei das Jnterrsse, den obsiegenden Hotel-
besitzcr und Sindaco thunlichst zu schädigen, und um dies
zu crrcichen, Herrn Krupp dauernd von Caprt fernzuhalten.
Zu diesem Zweck streute sie die niederträchtigsten Be-
schuldiguiigen gegen Herrn Krupp aus, indem sie
ein gclegentliches harmloses Zusammenftin von Herrn
Krupp mit seincn capresischen und deulschen Bekannten
in gemeinster Weise verdächtigte, und veranlaßte die sozia-
listische Zeitung in Neapel, „Propaganda", drei hieraufbe'-
zügliche Artikel unler dem 18. September, 18. und 20.
Oktober aufzunehmen. Hcrr Krupp hat nach Kenntnis die-
ser Artikel die geeigneten Schritte wegen Rats und Bei-
standes bei den Behörden geihan. Wohl in erster Linie
diesem Jniriguenspicl stnd die erwähnten öffenllichen Schmäh-
ungen gegen Herrn Krupp zuzuschrciben. Daneben sind
naturgemäß einige wenige Personen in Capri vorhanden,

nicht mit unvernutwortlichen Politikern

sah, datz in Eriglaud gegen ihu uud das öeutsche iwir s gxschghjgt fühlen, als durch seine Hilfe einige kleine Leute
teinerlei Feindseligkeit bestehe. Die Englander wollten - ü..» mr»»,

Der Kaiser > hjx sich purch Herrn Krupps Aufenthalt in Capri insoftrn
leutsche Bolt > elnioe kkeUie L-nik.

iu guteu Beziehnugeu mit der deutschen Nation leben. >
„Daily Chrouiele" sagt: „Wenn der Besuch des deutschen !
Kaisers dazn beitrng, bcssere Bezielumgen zwischen bei- i
deu Läudern hervorzuruseu, fo wird er überall ein befrie- i
digeudes Resultat erreicht habeu. Wir wunderu uus l
anch ui-cht, zu sehen, datz die deutsche Presft erklärt, ein s
englisch-dentsches Biindnis komme mcht iu Frage.

Zas Mergnügen eines Anfentstatts in Kapri.

Die „Münch. N. Nachr." teilen mit, datz ihnen ein
Telegramm des italienischen Ministers des Auswärtigen,
Prinetti, zugegangen ist, in dem es als durchaus un-
begründet bezeichnet wird, daß Wirkl. Geh. Rat Krupp
aus Capri ausgewiesen wvrden sei, wie sozialdemokratische
Blätter behauptet hatten. Krupp hat gegen den „Vor-
wärts", der behauptet hatte, die Ausweisung Krvpps sei
wegen Verfehlungen erfolgt, gegen die sich im deutschen
Strasgesetzbuch die Bestimmungen des § 175 richrm, die
Einleitung eines Strafverfahrens veranlaßt, und das so-
zialdcmokratische Blatt ist, wie bereits mitgeteilt, von der
Staatsanwallschaft mit Beschlag gelcgt worden. Der
Justitiar Krupps, Assessor Korn, sendet der „Köln. Ztg."
folgendc Erklärung:

Jn der Gemeinde Capri bestehen zwei Parteien, die
bei den dicsjährigen Errieuerungswahlen zur Kommunalver-
tretung den heftigsten Wahlkampf führten. An der Spitze
der hcrrschenden Partei steht der Sindaco des Ortes, der
zugleich der Besitzer des Hotels „Quisisana" ist und in
diesem Jahr mit seinen Kandidaten obgestegt hat. Herr
F. A. Krupp in Essen, der auf ärztlichen Rat sich in
diesem wie in den Vorjahren etwa neun Wochen dort auf-

aus ihren Wucherhänden befreit und damit ihrer Macht
enizogen sind, sowie einige andere, denen ihre Bitten um
llnterstützung oder Grnndstücksankauf von Herrn Krupp
abgeschlagen worden sind. Eine Villa hat Herr Krupp
während seines Aufenthalts in Capri nicht besesscn, sondern
stets während des ganzen Dortseins im vorgenannten Hotel
„Quisisana" gewohnt. Jene obcn gekcnnzeichneten unsauberen
nnd nach jeder Richtung erlogenen Ausstreuungen, deren
Gegenstand Herr Krupp geworden ist, sind auch vom
Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie, vom „Bor-
wärts", aufgegriffen worden. Der sofort gegen dieses Blatt
eingeleitete Strafprozetz wird erweisen, daß hier selten
frivole und verleumderische Machcnschaflen ihren Weg in
oie Presse gefunden haben.

Aeutscher Weichstag.

B erlin, 21. November.

Der von der Kommission unverändert gelassene Z 11,
betrcffend Strafen für Zuwiderhandluugen gegen das
Zollt a rifges etz, wird nach Ablehnung eineS sozial-
demokratischcn vom Abg. Stadthagen (Soz.) befürworteten
Antrags gegen die Stimmen der Freistnnigen und Sozial-
demokraten angenommen. Es folgt die Beratnug des von
der Kommission eingefügten Z 11 a Verwendung der
M ehrerträg n isse aus Lebensmitt e l zöll e n für
Witwen- und Waisenfürsorge.

Ei» Anrrag Albrecht (Soz.) verlmigt eine Erweiterung
dieser Bestinmumg. Ein zweiter Antrag Albrechi will obige
Verwendung, die die Kommission vorschlägt, »icht nach einem
besonderen am 1. Januar 1910 in Krast tretende» Gesetz, son-
dern gleichzeitig mit dem Zolltarif vorsehen.

Eiu vou Avg. Richrer ifreis. Volksp.) eiugebrachlei:
Autrag, daß zugleich mit dem Jnkrafttreten des Tarifgesetzes
die Zuckersteuer autzer Kraft treten sollc, wird vom
Autragsteller mit der Bemerkuug zurückgezogen, er werde dem
Antrag bis zur dritten Lesnng eine besser geeiguete Form
gebeu.

Abg. T r i m b o r ii (Ztr.) befürworlet-- eineii neuerdings
! vou ihm eiugebrachteu Antrag, wonach nur die Zollüberschüsse

> aus folgeuden Positiouen eiue solche Verweudung finden sollenr
s Weizeu, Roggcii, Riudvieh, Schase, Schweinefleisch, Schweme--
s speck und Mchl. Mit der Streichung von Gerste und Hafer be-

> absicytige er der Rcgierimg die Annahme des Paragraph 11s.
! zu erleichteru. Reduer erklärt, das Zentrum trete mit aller
i Entschiedenheit für deu Paragraphen ein,

Abg. R o e s i ck e-Dessau (wildlib.): Der Zeutrumsautrag
! sei ein Daiiacrgescheuk; schlietzlich wcrde man doch alles unter
deu Tisch fallcu lasseu, was eiucr Eiuigung mit der Rcgierung
entgegeustehc. Da dic sreisinnige Vereinigung uud er den.
Jolltarif nicht wolleu, köiinten sie auch heute seiue Erträge
nichb zur Vcrteilung bringeu.

Staarssekretär Freiherr v. Thielmauu: Die Für-
sorge für Witweu uud Waisen i st das u L ch sr e
Ziel der v e r b ü u d e t e u Regier u n g e u, »achdcm die
Alters- uud Juvaliditätsversicherung und die Unfallfürsorgc in
die Wege gcleitet siud. Aber die Summe, Lie der Paragraph
den Witwen und Waisen Zur Verfügung stellt,. ist auch nicht
aunäherud richtig zu schätzeu. Zur Durchführuug ciuer solchen
Bersicheruug würden etwa 100 Milliouen erfordertich seiw-
Zwar hoffe ich, datz bessere wirtschastliche Verhältuisse den
gegenwärtigeu Niedergaug ablösen werden, abcr der m wentgen!
Wochen dem Hause vorzulegende Etat weist eiueu Fchlbe -
trag v o ii 150 Millionen Mark auf. Zur Deckuug
diescr Fehlüeträge siud uach meiner Meimmg erhöhle Ab-
gaben auf Bicr uud Tabak angebracht. Der Stedner legt
schlietzlich die staaisrechtlicheu Bedeuken dar uud sagt: Der
Konnuissions-, bezw. Zenirumsantrag, dessen Tendenz von den
verbüudeten Regierngen allerseits gebilligt werde, würde seine
richtige Stelle iu eiuem Gesetz fiude-n, das die Franckensteinsche
.Ülausel abschafft odcr modifizicrr.

Jnzwischen ist eiue Resoluriou Rettich eiugelaufeu, ivelche
die Regieruug auffordert, Matznahmen zu erwägeu, um cinen
eiitsprccheuden Bctrag der Zollüberschüsse der Rahruugs- und
Genuhmittel zur Erleichteruug der Lagc der Witwen uud
Waiscu zu bcrwenden.

Bayerischer Staatsrat b. Srengel sprichr sich uameiiS
Bayerus uud eiuer Reihe auderer Buudesstaateu für diese Re-
soluiiou aus unü schließt sich den Bedenken des Staarssekretärs
v. Thielmanu gegen Paragraph 11a und die dazu gestellten:
Auträge au. Er betout, datz alle Regierungeu, die er hier
vertrete, dem Grundgedanken des Paragraph 11g. sympathisch
gegeuüberstehen.

Abg. Retttch (kous.) begrüuder die Resolutiou. Para-
graph 11g uud üie dazu gestelltcn Anträge seieu unaunehmbar,
iveil die Höhe der Mehrbeträge noch unabsehbar sei und weil
man die Gelder, ohne deu tlmsang des ganzeu Werkes zu ken-
neu, nicht schon vorher festlegen toune.

Aüg. M o l k e ub u h r (Soz.): Die Sozialdemokrateu stim--
meu für den Kommissionsautrag, ivenn auch die Arbeiter sich
uicht durch die schöneu Versprechungeu fangeu lassen würden.

Llbg. v. Komie r o iv s k i (Pole) sprichr sicy für deu Kom-
missionsantrag, bez-w. den Antrag Trrmborn aus. Die Re-
solution Albrecht bedeute ihm zu wenig.

Abg. Richter (freis. Ver.) legt die Bedeiikeu gegeu dis
Witwen- uud Waisenvcrsicheruug von Reichswegeu dar. Die
Mehrcimiahmcu sollteu besser zur Vermindcrmig der Ver-
brauchsabgabeu verwendet wcrdeu.

Abg. b. Tiedemaiin (Reichsp.) erklärt sich nameuS
seiner Partei für die Resolutiou Albrccht.

Abg. B asser m a u n (ntl.): Seine Partei stimme ieils
sür deu Antrag Rettich, reils wie er selber für den Antrag
Trimbor».

Stadttheater.

eidelberg, 22. November.
„Dieiote Stad l". Tragödie von d'Aununzio. Gast-
spiel dcr Touruec Liudemaun.

Von dem Brückenpfeiler aus har es sich wie ein breiter
Ciskeil in den leise zicheii'deii Flutz geschoben. Wie man ste-hen
bleibt, hörr man gauz deutlich ein Weheu uud gar leises Klirrcn.
Dünne Scholleu kommen den Rcckar herabgeschivommen, und
die kleinen Eisplättcheu zacken sich an dem Keil, schieben sich
übereiuandcr, um zu lau-deu uud zu brechen. Die Seelcn trei-
ben dahin im Strom der Zeit, und, wenn sie uicht den Him-
wel in sich tragcu, kvmmen sie au deu Punkt, an dem sie landen
vnd brechen. Weuu dcr Dichter, dem wir heute folgten, unser
^Liutcrland tenutc, cr würde uns die Augen öffuen auch über
jeiue Schönheit, datz sie biel klarer wüvden für alles Leben
sim mrs her. Dcnn das Leiseste und Zarteste, das um den Men-
(cheii schwcbt, sieht dieser Jtalieuer, der viele Kulturen durch-
Ipürre, um ihre Essenzeu ciuzufangeu uud sein Dasein mit ihneu
6» bcreichcr». Druutcn, vom Altau dcs Gemaches deuilich
su überschauen, licgt Mykeiiä, die tote Stadt; über ihren Kö-
(ftgsgrabern steht eine glüheudc Luft. Abeuds aber, wenu der
vorüberzieht mit sciuer Flöte, auf der er eine altgriechische
^Leise bläst, und dauu und waun laui die Falken schreien, datz
blinde Frau im Gemache aufschreckt, trägt dcr Wind Von
^muplia berauschenden Duft ius Gemach. Die blinde Frau
Aeint, sie sätze drunteu an der Perseusquelle und hätte die
^chrthen gauz n-ahe. Mvn glaubt ber Goethe zu sein. Ein
mnfwr Wiud vom blaucu Himmel weht, die Myrthe still —
Aber das Schicksal, das sich hier vollzieht, gehört nicht zu der
Z^elt dcr Wahlverwandschafteu. Wenn das Wasser raüscht,
n?? dem Mcnscheu gemeinhin immer dasselbe sagt, hört dis
Pwde Frau vicle seiner Stimmcn. Für die anderen liegt ein
Tchatten über den Dingen, der wie ein feuchter Schwamm alles
jB^öscht, was ihuen Eigeutümlichkeit giebt, die blinde Anna
den Geheimnisseu dcr Diuge näher als die auderen, sie kennt

der Seelen geheimsten Hort, und, ivenn nachts der Wind ei»
Getöse in der toten Stadt macht, so weitz sie mehr von ihr als
'die andern, die bei Tage iu ihr graben iind suchen nach dem
Goldschatz des Agamemnoii. A u iym scheint ei» Fluch zu haften
wie am „Rheingold", er führt die Meusche», da sie ihn sckMiu,
iu Vevwirrung; bei dem, was iu ihreu S-eeleu vorgeht, musz
man an Wagncr dstiite», an Sigmund und Mglinde. Der
Bru-der lie-bt die Schwester. Alle Glutcn seiner Se-ele eut-
hüllt er iu pruukeudeu Worteu, die ivie ein scuriger lltauch auf
uus eiudriugeu. Leouardo ist -der modcrue Schätzgräber, der
das Graü des Agamemno» sucht, und lebt mit seiner Schweste-r
Biauea und eiucm Ehepaar zusamme». Von der bliudeu Auua
haben wir erzahlt, der Gatte Alessaudro, ein Dicyter, hat sich
vou seinem Weibc, die kiuderlos ist, abgeivaudt uud gesteht die
Glut seiner Scele Biauca, die sie erwidert. Aus Glut und
Glut wird hier teiu ueuer Tag. Amia hat entsagt, ja wenn
sie noch auf eiu Kiud hoffcu kömite; ihre Seele ist grotz, schwebt
über den Dingcii, schaut uach den Sterneu. Sie würden den
beideu Gcsunden, Frohen das Glück göuueu. Leonardo aber,
der uuter Qualen seiue Schwester begchrt, will sie mit Messau-
dro uicht bereimgen, ivill auch uicht duldcu, daß Anna in ihrem
Rechte verschrt werde. Uud da etivas Zwingendes in ihm ist,
das ihm sagt, er iverde seiuer Lcidenschast uur ledig w-erde-n,
ivenu er seiue Schwester töte, erstickt er das holde Kind an der
Perseusquelle. So zcigt das Schicksal ihnen scin Medusen-
haupt. Wie der hellsichtige, Geheimes enträtselnde, geläuterte
Mensch, wie Anna mahnt: „Schau n-ach den Sterneu".^ wie
die Mänuer ihrer bis zum Wahnsinn gesteigerten Leidenschaft
glühende Worte finde», und wie sich die Klage und Anklage dieses
entsctzlichen Schicksals erhebt: diese Stimmen hat der Dichter
in ein-em merkwürdigen Akkorde vermählt. Es klingt raffiniert,
aüer sind wir durch die moderne Oper nicht daran gewöhnt,
an das Raffinierte? Das Wesentliche der Stimmung dieses
echt d'Annunzioschen Stückcs zu gebeu, wird ein Zeitungs-
bericht nur anstrebcn köimen. Das Bühuenbild packte, die Dar-
stellung fesselte. Wenn auch bezweifelt werden mutz, datz das
Publikum auf jede Einzelheit mit Berständms einging, so ivar

augenscheinlich die Wirkung grotz und stark. Die Aima deS
Frl. Hedwig Wangel bom L i n d e m a n n-Enscmblc, das
uns die Betaimtschaft mit dieser Tragödie vermittelte, ist eine
Figur, die getrost die Eriimerung an grotze Darsteller herbei-
rufen darf. Wen» diese Künstlerin als blinde Frau zuhört,
durchs Gcmach ivaudelt, lauscht, tlagend zusammensinkt, wer
ivollte ihr nicht mii hiugebender Aufmcrksästikeit folgen? Dis
Aima sagt eiumal zu ihrem Partner das schöue Wort: „Zwi-
schen uus liegt jeht »ichts mehr als der Atem der Itacht" und>
so mögen das Gebild des Dichtcrs, das er schaute, als er diess
Gestalt schus, uud die schöue Gestalt dieser Darstellung nichi
vielchielleieht uur um einesAtemsHauchvon eiiianderverschiederij
gewescn seiu. Diese Fran in dieser Gcwandung in dem Rah-
men dieses Bildes ivandeln zu sehen, ivar an sich ein Genutz.
Leouardo, der dcn Dunst der Atridengrüfte geatmet hat, desserr
Seele an der Grenze schwebt, wo sie aus dcr Erschöpsung in
den Wahusiim übergeheu niag, geivann in der Darstellnng des
Herrn Eitzfel-dt eigentümliches Leben. Stellenweise über-
raschte die Sprache durch ganz eindrmglich zurte un-d innige
Töne, manchmal war sie in ihrer Rauhheit fremd; im Wesent-
lichen war allcs richtig gedacht, vielleieht hatte der Darstcllev
m-it einer Indisposition zu tämpfcn. Leonardos Schwester,
lebensfroh, blühend, sinnig und fcin, gegen die Blinde von in-
nigstcr Hingabe: alles dies faud sich in der Gestalt vereinigt, dis
Frl. Marg. Walther schuf. H-err Lebius spielte den
Alessandro, er tritt im ziveiten und vierten Akte hcrvor und
zeigt däs Gepräge eines durchaus Modernen. Dieser Toir
war richtig getroffe», stellenweise allerdings ins lebemännischs
herübcrgezogeu. Auch dicser Darsteller trug viel zum Ge-
liugeu dcs Gauzeu bci. Die Amme des Frl. BiIl 6 hattc die
richtigc Crscheimmg für das schöne Gesamtbild. Noch lange
wird mau es bchalteu: wenn Anua zur Perseusquelle sich herab-
tastet, die tote Freuudm findct und rust: Jch sche, ich sehe!
Herrn Direktor H e i n r i ch, der uns den Genutz dieses Gast-
spiclcs vermittelt'hat, wcrden alle Freimdc dcr Kunst auf der
Bühne für diesen Abeud ihren Beifall auZdrücken. X. 1-V.

Die heutige Nummer umfaßt vier Bliitter, zusammen 16 Seiten.
 
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