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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 203-228 (01. September 1902 - 30. September 1902)
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Slmstag, 20. Septembcr 1902

Grstes Blatt.

44. JahrglMg. — 220


E rscheint täglich Sonntags ausgenommen. Preis mit Familienblättern mvnatlich 5V Psg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be»
. zogen disrteljährlich 1.35 Dtt. ausschließlich Znstcllgebühr.

8 nzeigenpreis: 20 Pfg. für dte Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Neklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für dic Lufnahme von Anzeigen an bestimmt
d orgeschriebenen Tagen wird keine VerantworKchkeit Lbernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidclberger Zeitung nnd den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Är. 83

Zum Kapitek „Aeutsch-SnglischcrWettöelverö".

London, 1.7. September.

Es ist nur allzu natüilich, daß die Kritik in einem
Briefe des Dr. W. P. Evans von CaiÄerbury (Neuseeland),
der bekanntlich von der neuseeländischen Regierung weiter-
gegeben wurde, und worin er ausemandersetzt, wurum die
Einrichtung des chemischen Laboratoriums des
College aus Deutschland bczog« werden sollte, in eng-
lischen Fachkieisen — und wir meinen da solche, die sich
Mit dem Verkaufe ärztlichrr Jnstrmnente befassen, — auf
einen harten Widerstand stößt, aber bie vorgebrachten Bto-
mente vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen, daß sich
der deutsche Wettbewerb auf diesmn Gebicte in
immer steigendem Maße bemerkbar macht. Die.„Pall Mall ,
Gazette* hat sich der Mühe unterzogen, bei einigen leitcnden s
englischcn Firmen Umfrage zn halten, die fast ausnahms-
los die Ausführungen dcs ncus-eeländischen Gelehrten als
weit übertrieben, wenn auch iu ein -oder zwei Punkten als
zu Rccht bestehend, bezeichnen. Jnbetrsff des letzteren Za-
geständnisses wird angeführt, d-aß die komplizierte Maß-,
Gewichts- und Münzkande, wie ste in England besteht und
wie sie ohne Rücksicht auf die ausländischen Abnehmer an-
gewandt wird, das Geschäft sehr beenge, aber an dcr
Ucberlegenheit der Qualttät der englischen Fabrikate gegen-
über den deutschen Erzeugnisseu sci nicht zu zweifeln. Ein
englischer Fabrikant erklärt das damit, daß dem englischen
Arbeiter die volle Herstellung eines Apparates übertragen
werde, während man deutscherseits der Gewohnheit huldige,
jedcn Teil für stch von einem bestimmten Arbeiter en -irmsss
herstellen zu lassen, um so die quantitative Leistungsfähigkeit
des Einzelnen möglichst zu fördern und Lie Preise auf das
denkbar niedrigste Maß zu beschränkcn. Naturgemäß leids
daruntcr die Qualität, und es sei nicht zu verwundern, -daß
jeder Fachmann dem vollendcten britischeu Fabrikate den
Vorzug gcbe. Es gäbe nur wenige deutsche Apparate, die
nicht auch in England hergestellt würden.... Wir haben
Nun gerade in diesen Tagen Gelegenheit gehabt, mit dem
Geschäftsleiter einer großen englischen Firma (wenn nicht
der größten auf diesem Gebiete überhaupt), die sich mtt der
Fabrikation und dem Absatze ärztlicher Apparute und Jn-
strumente befaßt, Rücksprache zu pflegen. Der Herc ist ein
Deutscher und viele Jchre tn dem Geschäftszweige irr
Deutschland, Amerika und (seit acht Jahren) in England
thätig. Er bestätigt vollauf dic Kritik des neuseeländischen
Fachmannes. Dabei betont er hauptsächlich, daß die eng-
lischen Fabrikanten sich strikte an die von ihnen verfertigten
Jnstrumente halten und selten oder überhaupt ntcht zu eincr
Aendkrung sich verstehen. Anders dagegen der deutsche
Unternehmer. Er sei znvorkommend, oftmals, oder gar
weit oft, am falschen Platze, passe sich den Wünschen des
Konsumenten an und lege stch, sobald ihm einmal ein Auf-
trag eines bestimmten Apparates werde, deren mehrere aus
Lager. Das führe, da es stch oft um äußcrst selten nach-
gefragte Gegenstände handle, sehr leicht dazv, daß der s
-deutsche Geschäftsmann, nachdem er den betreffenden Artikel .
iahrelang auf Lager gehalten, dazu, daß er ihn zu Schleuder- z
Preisen abgebe, — nur um „zu räumen". Mit dieser fal- k

schen Geschäftspolitik sollte einmal deutscherseits aufgeräumt
werden, denn der Verdienst werde dadurch zu Null; der
Englstnder kaufe nicht allein der Billigkeit, sondern auch der
VorKglichkeit wegen seine chirurgischen Jnstrumente in
Deutschland und schlage sie mit einem Gewinnst vc-n nicht
selten -700 Prozent los, während sein Lieferant stch mit
ei«em Pfennigverdienst begnüge. Unser Gewährsmann be-
tont auch die von Jahr zu Jahr steigende Heranziehung
deutscher Jnstrumentenmacher tn England, die bei weit ge-
ringerer Arbeitszeit höhere Löhne gezahlt erhielten. Da-
tzurch erwachse jenem Zweige der deutschen Jndustrie aber
-ein nicht unbeträchtlicher Schaden: man kaufe nicht mehr
in Deutschland, sondern fabriziere in England selbst, das,
was Accuratesse und prompte Lieferung anbetrifft, anf dem
Gebiete der ärztlichen Jnstrumentenmacherci auch nicht im
entferntesten zur Zeit an die deulsche Kovkurrenz daheim
heranreicht. —

Wir möchten hinznfügen, daß unser Gewährsmann mit
seinen Ausfnhrnngen mehrere Fliegen mit einer Klappe
schlägt, denn in vjelen deutschen Exportzweigen sieht es
gleich oder ähnlich aus. Viclleicht genügt dieser knrze Hin-
weis, um hie und da eine Wandtung vollziehen zn hclsen.

Deutsches Reich.

— Nach der „Franks. Ztg." sollen die Burenge -
nerale nun doch nach Berlin komrnen. Der Be-
snch steht Anfang Oktober in Aussicht unü ist aus fünf
Tage berechnet. Es entspricht den Wünschen der Ge-
nerale, wie der Leiter des Empsangskomitees, daß in den
zu erwartenden Reden und Kundgebnngen jede polttische
-spitze gegen Englaiid vermieden werde. Vorsitzender des
geschästsführenden Ausschusses und Leiter der geplanten
öffentlichen Versanimlung ist der freikonsepvative Ab-
geordnete Lückhoff. Jm Hotet hat die Begrüßung
Ernst von Wildenbruch übernommen. Am Abettd dss
Aut'unftstages wird dann eine Fesffitzung des Burenhilfs-
.buudes abgehalten unter Leitung des bekannten Bitd-
hauers Professor Siemering, 'der den Generalen als
Ehrengäbe für ihr Volk die Summe von 200 000 Mk.
überreichen wird. An die Sitzung schließt sich ein Abend-
essen. Am nächsten Tage giebt der Vorstand des Alldeut-
schen Verbandes den Generalen ein Frühstück und am
Äbend folgt die große Versammlung in der Philharmonie,
in der alle drei Bnrengenerale sprechen werden. Jn ihrer
Begleitung werden sich Frau Delarey und deren Tochter,
wahrscheinlich auch Frau Louis Botha besindm, denen
die Damen des FranenhilfsbuNdes eine Ehrung darbrin-
gen werden. Die übrigcn Tage wollen die Generale ver-
iveudeu zu Besprechuugen über eine weitere große Hilfs-
aktion nnd den Plan zu einer Reise durch Deutschland
mit Versammlungen und über die Begründung Wirt-
fchastlicher Unternehmungen in der Heimat.

— Die Anfliahme, welche die Anregungen Rußlands
in der Zuckerfrage bei den Signatarmächten der Brüs-
seler Konvention gefunden haben, mußte in den letzteu
Tagen gegenüber mehrfachen Verdunkelungsversuchen wieder
in daS richtige Licht gesetzt werden. Die einzige greifbarc
Folge der russischen Note war eine ablchnende RUckäußerung
Englands. Von Frankreich weiß man nnr, de.ß cs bisher

überhaupt nicht geantwortet hat. Es ist aber eine recht
müßige Vermutung, daß die französische Antwort, wenn
sie ergeht, einen Gcgenzug gegen England und die Los-
sagung Fränkreichs von den Brüsseler Abrnachungen be-
deuten werde. Auch Dcutschlands Antwort steht noch aus.
Wir brauchen näher interessterten Mächten nicht vorzu-
greifen, umsowenigcr als der russische Schrilt keineswegS
gerade Deutschland besonders nahe angeht. Es heißt den
Dingen Gewalt anthun, wemi man der internationalen
Regelung der Zuckerfrage für das Verhältnis zwischen
Deutschland und Rnßland eine folgenschwere Bedeutung bet-
messen will. Der dunlle Pimkt in der Zukunft der deutsch-
russischen Wirtschaftsbeziehungen sind dte Getreidezölle.

Baden.

— Untor Bezugnahme auf den auch von uns gestern
wiedergegebeuen Artikel der „Münch. N. N.", wonach die
Regierung einfach von ihrem Rechte, Männerklöster in
Baden zuzulassen, keinen Gebrauch zu mache-ir gedenkt,
bemerkt dte „Bad. Landeszeitung" mit Recht, datz die
badische Regiernng selbstverftändtich nicht gerade jetzt eine
für alle Zeit gültige Entscheidung zu treffen brauche.
Sie muß aber ihr vorliegende Anträge der Knrie be-
antworten. Und das ist damr die Entscheidung. Eme
solche ist aber auch dringend geboten sür die Beruhigung
der uoch immer erregten Gemüter sast rm ganzen Lande.

— Tie „Straßburger Post" bringt in eigener Sache
zur Abwehr gegen oberelsässische klerikale Angriffe.einen
Artikel, der in Fürier ruhigen Sachlichkeit angenchni be-
rührt. Btutatis mutandis paßt er nuch aiif das Ge-
bahren unserer badischen klerikalen Presse, welches diese
gcgen ihre Gegner einzuschlagen beliebt; er sei daher,
sowcit er die öadische LÄosterfrage betrifft, mrtgeteilt.
Die „Str. P." schreibt:

Unsere klerikale Presse, besonders die 'des Oberelsaß, ist
schr unzufrieden mit der Haltung der „Stratzburger Post"
in Sachen der französischen Kongregationen und de'r badi -
schen Männerklöster. Sie wirft uns Kulturtampfge-
lüste vor. Mit vollstem Unrecht; dcnn wenn unsere katho-
lischen Kollegen hicr und im Oüerelsatz objekliv zu lesen und
vorurteilsfrei zu urteilen bermöchten, würden sie uns zuge-
ste'hen müssen, datz wir von jedem Kulturkampfgelüstc weit ent-
fernt sind, und datz das katholischc Äekenntnis von uns stets
mit der gleichen Unbefangenheit und der glcichen
Sympathic behandelt worden ist, wie jedes andere Bekenntnis.
Aber die klerikale Presse wird uns das Recht einräumen müssen,
über die Dinge, die weniger auf dem religiösen, als auf dem
politischen Geüiete liegen, zu urteilen nach unserem Er-
messen, wie sie nach dem ihren urteilt. Sraat und Kirche
sind zwei ganz getrennte Dinge, oder sollten es doch sein, und
die Schule liegt, nach unserer Auffassung, auf staatlichem'Ge-
biete, cbeuso wie dahin die Klöster infofern gehören, als
ihre Begründung über das Kloster hinausgehende soziale,
cthische und wirtschaftlichc Folgen für die Allgemeinheit, für
den Staat und die Gesellschaft hat. Da urteilen wtr nicht vom
protestantischen oder katholischen, sondern vom Standpunkte
dessen aus, der aus der Geschichte gelernt ljat und dcr die
Rechte des Staates und der Gesellschaft gegen klerikale Ueber-
griffe und Herrschsuchtsgelüste gewahrt wissen will.

Man kann kanm würdiger und zugleich besümmter
die Stellnngnahme des Liberalismus zur Klosterfrags
begründen. Die „Heidelberger Zeituug" unterschreibt
jedes Wort.

. (Nachdruck verboten.)

Merliner Mrief.

(LeibgHvichtc. — Dauer-Sensationen. — Muflkalien und Reklame-
Trommefl — Eine draniatische Altertümlichkeit. — Eine nene Oper.)

Pitai'nx Sensatiovnn, ergötzliche SkasdLlaffären, bcsonders
jvlche, die „hinter den Koulissen spielen, hat man immer gern
für toat Werlin sind so.lche Sachen geradezu eine Delikatesse.
^remieren durchgesallenstex Güte sind nur hansbackenes Brot
degenüber diesem LeibgeriMe. Aber es ist ein Gericht, das
sich nicht lang'e Hält, es berdjBt bald, man ist's sich auch leicht
Ühcr. Gute DaMrware ist estvas Seltenes in diescm Genre.

Da gab es vor ein paar Ja.hren einmal eine solche Deli-
EüteffL. Es war .em Prozetz, sür den das unbetciligte, aber
slinso aufmertsamere Publikum mit Vergnügcn die Gerichts-
Mten pezahlt häfte, so wunderbar war die Sensation. Herr
mfred Kerr hatte dem dankbaren Publikum die Freude ge-
svacht, Damals schricb er noch nicht seinen bekannten und
Eftlweise auch beliebten Telcgrammstil; serne Sätzc^waren noch
jlicht so kondensiert, hatten auch meistens noch Subjekt und
Frädikat und waren überhaupt beinahc solche Perioden, wie
pc sich in guter deutscher Prosa ohne allzugrotze Schwierigkerten
-krstellen lassen — und rn solchen Sätzen deckte er etwas Un-
^heuerlrches auf: die radrkale Versumpfung der Berliner
Äusikkritik, die bestechlrch und käuflich sein sollte. Sehr schlimme
^inge wurden behauptet, ganz trocken wurden sogar Preise
^»fgezählt, für Kritikcn verschiedenen Kalrbers, Zensnren eins,
^sei nnd drei; man mutzte annehmen, datz ern förmlicher Tarif
üstierte.

Nachhcr war freilich die Sachc nicht so furchtbar schlimm
^ im Jusftzpalast hören srch solche Dinge immer viel zahmer
Es blreb znm grötzten Teile bei dem „man sagt". Posi-
''bss ergab sich rccht wcnig nnd die Leute, die schon Steine
«Zfgesammelt hattcn, unr damit zu werfen, muszten sie für
Mcrc Vcrwendung in die Tasche stecken. Datz manche Dinge

anders waren, als sie eigentlrch hätten sein müssen, war srei-
lich lonstatiert. Die Erinnerung an diesen- Prozetz Tappert-
Kerr aber hielt sich. Es war einc gut zu konservierende Sensa-
tion, eine haltbare Dauerwurst, von der hrn und wieder ein
prächtig schmeckendes Stücklein abgeschnitten wird. Sah nran
irgendwo bei einem musikalischen Ereignis Herrn Tappert mit
der gewaltrgen Fülle seines grauen Haares, dann fiel einem
auch sofort Herr Alfred Kerr ein mit seiner peinlich sorgfältigen
Frisur und dem gepflegten Schnurrbärtchen.

Jüngst schien wieder cinmal ein ncuer Gang sevbiert wer-
den zu sollen. Nkan hatte auch gerade solchen Appetit daranf,
einzelnen Leuten lief schon däs Wasser im Munde zusammen,
ordentlich einhaucii wollten sie. Leider wurde nichts daraus,
es war nur ein Schaugericht, an dem's nichts zu beitzen gab.
Es handelte stch um dre Leitrmg dcr „Allgemeineu Musikzei-
tung"; man hatte ihr so ungefähr dasselbe nachgesagt, was
Herr Kerr Herrn Tappert vorwarf. Es kam zu ciuem Belei-
orgungsprozetz, der ab-cr weiter keine grotzen lleberraschungeir
brachte, ein Blrck hrnter die Koulissen der Musikwelt und
die dort üblichen Geschäftspraktiken war das einzige Jntcr-
essante daran.

Aber immerhrn lvaren diese Affären doch gerade aus dcm
letzten Grunde recht bemcrkenswert. Sie zeigten, datz von
allen Künstlern, die ja heutzutagc auch immer ein wenig Ge-
schäftsmann sein müssen, doch keincr dres in so hohem Maße
sein mutz, als der Musikvirtnose, wcnn er sich rm Beginn seiner
Laufbahn befrndet und bor allem, wenn er sie in Berlrn be-
grnrren will. Nun fangen aber dre meisten Geiger, PianisteLr
und Konzertsänger rn Berlin an. Mcm sehc nur eimnal ins
Berlrncr Adretzbuch — es giebt beinähe soviel Konservatorien
wre Semmelläden, dre Zahl der einzelnen Lehrer ist Legion.
Berlrn ist der Brutofcn der Musikvirtnosen. Hier werden sie
künstlrch herangezüchtet. Wer rn Berlin aufgetreten ist uud
crnige Zeilen darüber vorweisen kcmn, der setzt sich auf dre Bahn
nnd macht Konz-crtreisen. Aber erst cinmal dazu kommen, anf-
zutreten. Als Anfänger rn Berlin ein Konzert zu gcben, ist

schwicriger als eine Tibetreise. Vor allen Drngcn kostet die
Sache unhcimlich viel Geld. Dami gehört ein genügender
Kreis von Bekannten dazu, um die Freibrllets unterzubringen.
An-dere Billets giebt's überhaupt nicht; wenn jemand beim
Konzert cines Anfängers seinen Platz bezahlen wollte, könnten
seine Angehörigen rhn daraufhin mit Vvllem Recht entmündigen.
Jst nun anch endlich das Konzert ermöglicht, dann sehlt immeL
noch die Kritik. Wcnn die nrcht erscheint, hat die ganze Sache
tcinen Zweck gehabt; dann fehlt ja die notwendige Boraus-
setzrmg für die Konzerireisen. Nun giebt es aber rir der
Hochsaison jeden Abeud etwa 20 musikalrsche Vcranstaltuiigen,
üie alle auf Berücksichtigung Anspruch machen. Und sclbst
dcn Fall gesetzt, man triebe hierfür die nötige Anzahl Wusik-
schriftsteller auf — dann fehlten immer noch -die Blätter, die
genügend Raum für die Unmeng-e von oft recht gleichgiltigen
Referaten hätten. Die wird es nie geben, und so hat sich
im Laufe der Jahre unter den Musikcmten ein förmlicher
Wettlanf cntwickelt, Kritiken zu erhaschen. Das ist beinahe
die Häuptsache gewordcn, das Musikmachen Nebensache. Jn
keinem anderen Kunstzweig wird»die Reklametrommel fo sehr
gerührt, wie in der Mtlsikbranche. Mographien werden als
bezahltc Reklameartikel in Fachblätter lanziert, die Pressc mit
hektographierten Zetteln bombardiert und ähnlicher Unfng ge-
triebcn

Jm Dhcatcr rst's immer noch besser -als im Konzertsaal.
Jm Konzcrtsaal giebt's immer neue Dmge, immer neue Er-
scheinungcn; das ist angenehm aufregend. Jm Theater
aber bleibt allcs immer hübsch beim alten; da bekommt man
immer abgelagerte Sachen vorgesetzt. Da lagcrte zum Bei-
spiel im Kabinct der dramatischen Altertümer ein Stoff, der
schon znr Stcinzeit ziemlich veraltet gewescn sein mutz: die
Geschichtc vou der vornehmen Damc, dre verheiratet werdcn
soll nnd den ihr bestimmtcn Brüntigam inkognito in der Maske
eincs einfachcn Mädchens, lediglich dnrch ihrc alles Matz über-
steigenden persönlrchen Vorzügc gewrnnt. Voll keckem Wage-
mut hat sich nnn ein Triumvirat von Opernlibrettistcn dieses
 
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