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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Juli bis Dezember)

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Nr. 281 - 305 (01. Dezember 1902 - 31. Dezember 1902)
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DieMag. 9. Dezcmber !902

GrSes Blatt.

44. IahlstMll. — 288

Erscheint tüglich, Sormtags ausgenomncn. Preis mit FamilienLlättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und dcn Zweiganstalten abgeholt 40 Pfg. Durch

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an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Notwetir.

Berlin, 6. Dezember.

Tie aritzerordentü-cheii Lchritte, dic vou der ivlehr-
heit des ReichL-tuges unternoiimien werdeu, veruulaßten
eiuen Gewährsmann der „Bad. Landeszeitung", einen
ihm befreunüeteu Abgeordueteu dex jiiatioualliberalen
Frattbu anfzusuchen. Im Laufe des Gesprächs gab rr
demselbeu uuter anderem folgeude Erkläruugcn:

„Wir habeu die feste Absicht, alles daran zu sepeu,
um deu Zolltarif zustande zu briugen uud uuferen Bun-
demegierungen die Waffe in üie Hand zu geben, deren
sie iu deu uicht ausbleibenden haudelspolitischen lsiäm-
pfeu unbedingt bedürfen, weun wir die Möglichkeir uus
wahreu wollen, eine Politik der Handelsvertrage fort-
seben zu konuen.

Wir habeu das bisher iunerhalb der zur Zeit gelten-
deu Geschäftsordnung versucht, so lange es uoch angäu-
gig erschien. Von ^tunde zu Stunde erweist sich oies un-
niöglicher. bA'an empfmbet es drautzen uoch lauge uicht
genug, wie die Mehrheit, die sich jetzt in gleicher Abiilljl
mit uns zusammengefunden hat, gequält und geschäfts-
ordnungsmätzig mißhandelt wird. Während die Reüner
der Obstruktiou zwar auch Zwisäienrufe hören müssen,
siud sie in der Lage, ihre Ausführungen ruhig z!ii Ende
zu fiibren. Trotz der außergewöhnlicheu Erreztuug und
der übergroßeu Spaunung ist die Mehrheit sichtlich von
dem, Bestrebeu erfüllt, sich iu der Gewalt zu haben. Un-
ter der ^ozialdemokratie aber braust es und tost es eiuem
jedemi gcguerischen Äkedner zu, so daß Ubgeordncsler
Bachem und Abgeordneter Spahn ihre Rede aufgeben
mußten. Wohiu ist es deun gekouuuen, wenn Abgeord-
neter Singer erklärt, daß eiu Abgeordueter, Äer das Miß-
faüen der Herreu von der sozialdemokratie erregt, uicht
mehr sprecheu dürfte! Und diese Drohung hat Siuger
gegeu Bachem ausgesprochen. K-ein Mittel blcibt uu-
versucht, um die Mehrheit von ihrem Ziele abzudrän
gen. Wir garantiereu, daß dieser Zolltarif niemals
Gesetz wird, fo hat ja Herr Bebel jeucr rbekannteln
Massenverfamniluug zugerufen. Uud um diese Prophe-
zeinug wahr zu inachcn, da strengen sich nuu alle Ge-
nosscm im Reichstage au, halten lange Reden von bis
zu zwei Stunden Tauer znr Geschästsordnung. Man
muß es gehört habeu, wie ste sich in ewigeu Wiederholun-
gen dreheu uud wiuden uud die Langmnt des Präsi-
denten zu mißbrauchen sucheu.

Jede Malice gegen ihre Getzner unterstreicht durch
stürmischien Zuruf, was won dier soz-ialdemokratischen
Fraktion anwesend ist. Kaum glaublich erfcheint, was
<m Schimpfworten aus deir Reihen der Sozialdemokra-
ten eutgeg.engeriiseu wurde. „Lunip, Näuber, Spitz-
bube, Verräter, Diebe, Gauner, Straßenränber, Strauch-
diebe, Betrüger, Fälscher, Taschendiebe, Ge-
findel, Heuchler, Raubgesindel, Kanalräuber." Das ist
eine Blütenlese der Beleidigungen, welche iu deu letzten
Tagen gefallen siud, aus den Reiheu derer, die sich als
die Hiiter der Würde uud der Bedeutung des Parla-
ments aufspielen. Wahrlich es ist weit gekommen, weun
ern dlbgeordneter sich offen den Anordnnngen des Prä-
sidenten wrdersehen darf, wenn der Vorsitzende der Ge-
fchäftsordnimgkommission (Singer) wegeu llugehorsams
gegeu die Geschäftsordnuug vou der Sitzung ausge-
fchlossen merdeu mutz! Auf welcher Seite ist denii da der
Bruch der Geschäftsordnung! Sagt doch Eugen Richter

in gerechter Euirüstimg wörltich: Thatsächiich wird die
Redesreiheit im Reichstag seiteus der S-ozialdemokratie
gegenwärtrg iu brutalster Weise vergewaltigt. Absicht-
ti-ch wirü die Störmng orgauisiert.

Einmal' aber geht die Geöuld zu Eude. Wir sind
es uuseren Wühlern schiildig, die partamentarische Ord-
nung, die Arbeitsfähigkeit des Reichstages — und diese
steht jetzt auf dem Spieie — rim jedeu Preis zu sichern.
! Dazu ist -die riatioiialüberale Fraktion fest entschlosseu.
! Geht es nicht mehr auders, so mutz ebeu Schriti für
Schritt die Geschäftsordnung geäudert werden. Nach
reiflicher rmd lauger lleberlegung habeu auch wir eine
, Abänderung der Geschäftsürdnuug beantragt. Wer das
^ Eude, nämlich das Zustaudekomuien des Zolltariss und
i des Zolltarifgesetzes will, der muß au-ch auf dem Wege
! nuu nrit vorwärts schreiien, der uunmehr eingeschlageu
' wird.

Es ihiit uoi, daß iu dieser schweren Zeit, die der
deutsche Konstiiiitiüualismus jetzt durchmacheu mutz, alle
unsere politischen Freimdc etwaige Bedenken zurückstellen
und zurückhalteu. Um alles zu versteheu, mutz man arrch
alle Grüude kenneii, imd wir siud überzeugt, datz das
Ergebnis ües Forkgauges jeder neueu Srtzuug und jeder
weiteren Verbandluug den Beweis für die Richtigkeit
ilnseres Vorgehens erliringt.

Jeder ehrliche Freuud der weiteren Entwicklung uu-
seres Parlamentarischcn Lebeus und insb^esondere jeder,
der ehrlich gewrllt ist, unser derzeitiges Wahlrecht zu
lsiiteu und zu wahreu, musz dafiir sorgen, daß der Parla-
mentansnms uicht in sich selbst seiuen eigeneu Mörder
eesreheu sehe. Die Gefahreu iu dieser Richtung dürfen
uicht unterschätzt werdeu. Es bleibt darum bedauerlich,
datz die gegenwärtigeu Norgäuge uuter Umständeu auch
schädigend und hemmeiid der Lösuug eiuer Frage sich
entgegeustelleu, für dereu Austraguug doch gerade wie-
der diese Vorgäuge eiue deutliche Sprache reden. Die
Regierung wird sich vielleicht jetzt doch uicht mehr dec
Erkeuntuis verschlieszen tönneu, daß die Bewilliguug vou
A u w e s e u h e i t s g e l d e r n eiue unbedingte
N o t w e u d i g k e i t ist, weun die bürgerlichen Parteien
imstande seiu sollen, dem Reichstag arbeitsfähige und
arbeitslustige Mäuuer zur Verfügung zu stellen, welche
das. Opfer iu Persönlicher und in Peküniärer Beziehuug
auf sich uehmen köuneu, das mit der Ausübung eines
Mandats vcrbimdeu ist. Nicht die Sozialdemokratm,
svnderu die bürgerlicheu Parteieu iind ihre Vertretung
sind die Geschädigtcu bei läugerer Verweigerung dieser
Forderimg, welche die weit iiberwiegende Mehrheit des
Reichstages stellt."

Deutsches Reich.

—; Die Beratungeu des Deutscheu Handet s-
l a g e s, dess-en Ausschutz am Lonntag iu Berlin tagte,
siud nicht so ausgefallcii, wie die Obstruttiouisteu und
ihre Freuude anscheiueud gehofft hatteu. Die „Natioual-
Zeitung" schreibt, dasz man allgemeiu erwartet habe, daß
die Vertreter vou Hciudel uud Judustrie sich gegen den
Aulirag Kardsorff aussprechen würdieu. Statt idessen
tvurde zunächst nach längerer Beratung eiu Antrag des
.tzerrn Dr. Hammacher mit 20 gegeu 14 ^LtiMmen auge-
uommen, lvoriu der Ausschutz zuuächst sein lebhaftes
Bedaueru ausdrückt, dasz nach dem Verlauf der Reichs-

iagsverhcmdluugen eine sorgsäiiige Eiuzeiberatung des
ZolltarisS immögiich geworden sei. Dauu wird auf dis
uürischaftiichen Gesahren eiuer iäugereu Uusicherheit über
die eudgültige Gestaltuug des Tariss hiugewieseu, uud
iu der Erwartuug, datz es aus Grrmd der Regierungs-
vorlage mögtich seiu werde, langfristige, deu Berechtigten
Futeressen von Handel uud Indusärie eutspreckMrde
Handelsvertrüge abzuschließeu, es für eine Pflicht des
Neichstages erttärt, unter Beiseitesetzimg aller Mei-
imngsberschiedeiiheiten hiusichtlich der Jnteressen einzel-
uer Haudels- uud Industriezweige, über die Beschlüsse
der Kümmission hinweg, auf der Grund 1 age üer

e g i e r u n g s v o r l a g e sich über die A n n a h m e
des Tarifs zu einigeu. N'achdem dieser Beschluß
gefatzt >var, uües der Vvrsitzende, G-eh. Komiuerzieurcä
Frentzel, darauf hiu, daß es bedeuklich fei, iu eiuer so
wichtigeu Sache gegen eiue verhättnismäßig starke Min-
derheit Stellung zu uehmen, uud das; es daher besser
sei, keineu Beschlusz zu fasseu. Dieser Auffassung fügte
sich schließlich die Niehrheit, uud so ist eigeutlich keiu Be-
schluß zustande gekoumien. Jnrmerhiu aber hat die AL-
^ stimuittiig gezeigt, daß die Mehrheit deu Standpunkt ein-
! uimmt, das; die Regieruugsvorlage als taugliche Vor-
i tage für die Haudelsverträge anzuseheu sei.

Plöu, 8. Dezember. Prinz Oskar, der
zweitjüngste Sohu des Kaiferpaaves, ertitt aiu Samstag
beim Recktirrneu durch Abgleiteu eineu Uufall, der
als leichter Bruch des äuszeren Eudes des reihten
! Schlüsselbeins festgestellt wurde. Nach Anleguug eiues
' Verbaudes kouute der Prinz bereits ani gestrigen Sonn-
' tag den Scksioßpnvk wieder besuchen »md heute den
! Unterricht wieder äufnehmen.

K i e l, 8. Tezeniber. An das Komitee für die gesrrige
Gedächtuisfeier der G e r m a n i a w e r f t ist folgeude
Autwvrt des Kaisers gelaugt: „Neues Palais,
8. Dezember. Deu zur Gedächtnisfeier verscmnnelt ge-
tveseuen Beaniten und Arbeitern der Friedrich Krrippschen
Gerumuiawerft dante ich herzlich fiir deir Ausdruck des
Daukes für meiue Anteiluahme au dem Trihiuscheiden
ihres Chefs. In dem durch ehrlose Angriffe
d a h i ,i g e o p f e r t en Herrn Krup p habe ich so-
wohl eiuen selteneu Viann, wie- eiueu ireuen FreunÄ
betrauert."

Baden.

L. 0. Baden-Baden, 8. Dez. Auf Einladung des
Vorstandes des „Bad. Lchrervereins" taate hier gestern
eine Versammlung von Vertretern der Lehrerkollegien der
Städte der Städteordnung, um gemeinsam mit dem ge-
nannten Vorstande eire von Karlsruhe angeregte Angelegen-
heit zu emscheiden. Den Stadtlehrern war von Karlsruhe
der Entwurf einer Denkschrift über die Veihältnisse der
städtischen Lehrer zugegangen, der darin gipfelte, daß für
die Lehrer der Städte der Städteordnung cine besondere
Klasse im Beamtengehaltstarif erstrebt wcrden solle. Nach
einem eingehenden Referat des VorstandsmiigliedsH.Rödel-
Mannheim, erstaltet im Auftrag des Lehrervereinsvorstandes,
ging die einstimmige Meinung dahin, daß ein Vorgehen
i. S. des Denkschrifts-Entwurfs zu verw e r sen sei, und
zwar im Jnteresse der qesamten Lehrerschaft, wie in dem
der Stadtlehrer. Man war allgemein dcr Ansicht, daß der
Vereinsvorstand, dcr bisher die Jnteressen der Lehrer irr
hirnorriuiender Meüe zu iö'dern verstand, auch djx

3. Konzerl des Machnereins.

O Heidelberg, 9. Dezember.

,I1r>s üeur sntrs cisax s-rbimsj". nennt Berlloz einmal das
zwischen 0011 beiden gewaltigeu Ecksätzen der BeethobenschLN
Cis-moll-Somrte stehende kleine Allegrerto. Jn ähulicher Weise
mutete uns auf üem Programm des dritten Bach-Vereins-
konzertes trop seiner Großartigkeit das von Berliozschen uud
Richard Straustschen Schöpfimgen umrahmts Violinkonzert
Beethovcns mi. Welche Wonne für unsere Neuromantiker, fast
eineir ganzen Abend ihren Göttern opfern zu dürfen! Doch
auch für diejcnigeu, welche in Berlioz immer noch nicht den
„französischen Beethoven" erkennen köimen und für die Rich.
Strautzsche Muse wenig übrig haben, können dcn heutigen
Aben-d für keinen verlorenen cmsehen. Berlioz Werke smd
Meistens interessant und zuweilen voi« hoher Schünhcit, nicht
selten freilich, wenn ihn seine überhaupt n-icht allzu reiche
Erfindungskraft ganz verlätzt, derart nüchtern und trocken,
datz sich troh aller iu der rhhthmischen und harmomschcn Ge-
staltung rmd dcn ausgeklügelten Effekten der Jnstrumentation
rmgelvandten Raffinements ein Gcfühk der Langeweile ein-
stellt. Auch die heute vorgeführten Bruchstücke aus Berlioz
„Dramatischcr Sinfonie" „Romco und Julie" zeigteu im
Guten und Schlimmen die bekannten Züge des französtschen
Meifters. Ueber die Entstehungsgeschichte des eigentümlichen
ÄZerkes mögen einige Worte folgen.

Pagmnni, der berühmte Geigenhexenmeister, bestellte, durch
eiire Aufführung von Berlioz fantaftischer Srnfonie entzückt,
l>ei ihm ciu Konzertstück für die Bratsche, wodurch eine Harokd-
finfonie mit obligater Bratsche veranlatzt wurde. Als Paga-
nini nach Jahren dieses in den drei crsten Sätzeir zu den bestcn
Arbeiten des Mcisters gehörige Werk zu hören bekam, schrieü
rr un ihn die begeisterten Worte: „Nachdem Beethovcns Soime
Erloschen, blieb es uur einem Berlioz vorbehalten, sie wreder
Eeuchten zu machen." Zuglerch bat Paganini seinen m sehr

bedrängten Verhältnissen lcbcnden Kunstgenossen, ein Geschenk
von 20 000 Francs aimehmen zu wollen. Jn Wahrheit soll
allerdings nicht dcr für geizig geltende Virtuose, sondern
-der Besitzer des „Jonrnal des Debats" der grotzmütige Spen-
der gewesen sein. Äus Dankbarkcit wollte nun Berlioz ein
des grotzen Geigers würdiges Wcrk schaffen; es war die „Dra-
matische Sinfonie" „Romeo und Julie", zn welcher Berlioz
selbst die Gesänge in Prosa schrieb, wclche Emil Deschamps in
Vcrse brachte. Jn formellcr Hinsicht ist dieses Werk ein
Nionstrnm, weder Sinfonie noch Cantate, wcder Oratorium noch
Oper, und jedcr, -dem das Gcfühl für Reinheit des Stils
nicht ganz abhanden gekommcn ist, wird sich bei der ersten Be-
kanntschaft mit diescr sonderbarcn Schöpfung zurückgestotzen
fühlen. Erst wcim man sich einigcrmaßen cm die merkwürdige
Vermischung des Dramatischen, Lyrischen und Epischen, wie sie
in -dieser Folge von Orchestersätzen, Recitativen, Arien und
Chören enthalten ist, goivöhnt hat, ist man in der Lage, sich
über den Wert der Musik an und für sich ein Urteil zu bilden.
Bei genauerem Stndieren wird mnn — die blinden Berlioz-
Verehrer natürlich ausgenonnnen — des Schönen oder wenig-
stens Jntercssanten viel, aber anch des Bizarren, AusgeWgel-
ten imö sogar Tribialcn nicht wcnig finden. Die heute ge-
trofsene Auswahl aus dcn siebcn Sätzen der Sinfonie brachtc
das Werwollste zu Gehör. Ans dcm zweiten Teil w-nrde
Nnmmer 1 gcboten, Romeo allein — Traurigkeit — entfernte
Klänge von Konzert nnd Ball -— grotzes Fest bei Ccrpulet, ein
zuerst zart-trüumerisches, dann von Fcftesfreude, die allerdings
in nnschöncn Lärm ansartet, erfnlltes Stück. Es folgte die
Nacht- und Liebesszene, die lctztere ein Stimmungsbild von
hoher Poesie, und alsdamr das reizende zu Berlioz originellften
mrd bekanntesten Komposi-ti-onen zählende Scherzo Kön-igin
Mab. Leider gelangtc noch Julicns Leichcnbegängnis zur
Aüsführung, dem wir noch nie Geschmack abgcwinnen konn-
ten. Zuerst führte das Orchester einen fugierten Marsch in
E-moll aus, zu dem der Chor ununterbrochen unisono mrf E
psalmodiert, !oas einen nichts ioemger als erschütternden, vicl-

mehr einen qualvoll einförmigen Eindruck hervorrnft; erst
mit dem Eintritt dcs E-dur-Teils übernimmt der Chor den
Marsch, während das Orchester das ominöse E ertönen lätzt,
alles reäst gnt ansgedacht, aber an Wirknng jedem belieblgeni
mis cinfachsten Akkordfolgen bestehenden Klagechore in GluckS
„Orpheus" oder seinen sonstigen klassischen Opern unendlich
nachstehend.

Gespielt wurde -das ganz ungewöhnliche Anforderungen an
die Lciftungsfähigkeit des Orchesters stellende Werk im Gan-
zen vorzüglich, imr wurde der von uns neulich schon erwähnte
rauhe Ton der Streicher in der sützen Liebesszene naturgemätz
besonders misfallend wahrnehmbar.

Wir haben uns so lange bei Berlioz aufgehalten, daß wir
R. Strauß nnr wenige Worte widmen können, dcssen glcich--
falls von Schwicrigkeiten aller Art strotzende Tondichtung
„Don Fncm" (nach Lenmi) gleichfalls eine tüchtige Wieder-
gabe fand. Strauß setzt in seinen Orchesterwerken Liszts Pro-
graimnsinfonien fort, mich er bedarf der Anlehmmg an das
Dichterwort. Es geht mit seinem „Don Juan", wie mit den
mcisten derartigen Werken, ohne den Hinweis auf die Dichtung '
würde niemand daranf verfallen, was diese Töne sagen sollen,
mit diesem kmm man allerdings die Msichten des Tondichters
meistens gnt erkennen, so in dem fcurig-stolzen, marschartiger,
Anfangsthema im hellen E-dur den ritterlichen, sieggewohnten
Verehrer aller schöncn Frauen. Jm Ganzen ist das Werk
noch reicher an schönen, nicht rhythmisch und hannonisch allzn-
schr verzerrten Gedanken, als die spätereir Werke, die Jnstru-
mentation farbcnreich, freilich auch öfters übermäßig lärmend
nnd dnrch allzu reichliche Anioendung des Blechs und nmnent-
lich der Schlagwerkzeugc stelleirweise roh. Trotz allcm, was
wir an den beiden Orchestcrwerkcn ancrkamit habcn, mntete
Beethovens nnter allen Werken dieser Gattung einzig da-
stchendes Violinkonzert wie eine Oase in der Wüste an, bietet
ja doch anch die lctztere mcmcbes Schöne nnd Jnteressante. Herr
Professor Cesar Thomsen aus Brüssel spielte das monumen-
tale Werk mit vollendeter Technik — wir erinnern nur an die
 
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